Tarih, Felsefe ve Psikoloji

 

 

Anasayfa

Inhaltsverzeichnis

 

 1. Die türkischen Universitäten und die Psychologie in der Türkei vor dem Ersten Weltkrieg

 

1.1. Universitäten

Die Gründung der Universität Istanbul wird von einem Rechtshistoriker, Richard Honig, der an dieser Universität gearbeitet hat, auf das Jahr 321 datiert.1 Später, als die Osmanen die Stadt im Jahr 1453 erobert haben, wurde dort eine Medrese gebaut.

Die Medresen können als mittelalterliche islamische Universitäten betrachtet werden, die sich besonders unter der Kultur der Seldschuken entwickelt haben. Die Periode nach der Eroberung Istanbuls war der Höhepunkt für die Medresen. Nicht nur Theologie, sondern auch Medizin, Mathematik, Geographie und Naturwissenschaften wurden in Medresen gelehrt:

„Die Medrese war eine Art mittelalterlicher Universität. Sie war ein Internat, in dem sowohl Professoren als auch Studenten wohnten. Die Medresen verfügten nicht nur über ein Studentenwohnheim, angegliedert waren auch ein Krankenhaus, eine Armenküche zur Beköstigung der weniger bemittelten Bürger und eine Moschee. Die Mehrzahl der Medresen besaß auch eine Art Gasthof, in dem durchreisende Gelehrte und Studenten Unterkunft finden konnten. Die Krankenhäuser dienten nicht nur zur Behandlung von Kranken, sondern es wurde dort auch Medizin gelehrt. Die Moschee war neben ihrer eigentlichen Bestimmung als Gebetsstätte auch Hörsaal, in dem einem breiten Publikum Vorlesungen gehalten wurden. Den Schwerpunkt des Unterrichts bildete die Theologie. Die jährliche Unterrichtsdauer betrug 7-8 Monate. Die Studenten verbrachten ihre Ferien auf den Dörfern, einerseits um die Dorfjugend zu lehren, andererseits um für die Medresen zu sammeln.2

Der allmähliche Untergang des Osmanischen Reichs hat besonders im 19. Jahrhundert dazu geführt, dass man sich Gedanken über notwendige Reformen der Struktur des Staats und der Armee gemacht hat. Die Meinung, dass diese Unterentwicklung nur durch diejenigen Institutionen beseitigt werden könne, die den westlichen Institutionen ähnlich waren, hat sich unter den Bürokraten und Intellektuellen verbreitet. Diese „Reformbewegung“ hat sich besonders auf die militärischen Misserfolge gestützt. Laut der reformistischen Kreise wäre die Voraussetzung für einen militärischen Aufschwung die Angleichung der militärischen Struktur an die der westlichen Länder, welche die Vorteile der Industriellen Revolution in ihrem Bereich sehr effektiv angewendet haben, zu sehen gewesen.

Andererseits haben die Aufklärung, die Französische Revolution und der Nationalismus mehr und mehr die Intellektuellen beeinflusst. Um die Armee neu zu gestalten, brauchten die Osmanen militärische Schulen und außerdem die Industrialisierung, die für die Modernisierung der Armee nötig war. Dieses Bedürfnis hat das Interesse der Reformbewegung auf das Bildungswesen gerichtet. Infolgedessen ist in den reformistischen Kreisen eine Tendenz entstanden, die Medresen durch die Universitäten westlicher Art zu ersetzen.

Auf diese Weise wurde die „Universität-Medrese-Debatte“ ein Kampf zwischen „Fortschrittlichen“ und „Reaktionären“. Dieser Kampf war eigentlich nichts anderes als eine Erscheinung des Klassenkampfes zwischen der bürgerlichen Bürokratie, welche die „Verwestlichung“ gewollt hat, und dem Ulema3, der sich auf den Palast konzentriert und sich vom Handel ernährt hat. Auf der einen Seite dieses Kampfes waren die Anhänger der Verwestlichung und Demokratisierung zu finden, auf der anderen diejenigen, welche die Fortsetzung der absoluten Autorität des Padischachs und das Privileg des Ulemas wollten. Diese „Universität-Medrese Debatte“ wurde schließlich mit der Abschaffung der Medresen durch die Republik im Jahr 1924 beendet.

1.1.1. Das erste Darülfünun

Der erste Versuch, eine Universität westlicher Art zu gründen, hat in einer Periode der politischen Reformen in der „Tanzimat-Periode“ begonnen. Der erste Schritt war ein Rundschreiben des Bildungsausschusses (Maarif Cemiyeti) im Jahr 1846. Um den Mangel an Lehrkräften zu beseitigen, wurden zwei Schüler nach Paris geschickt, damit sie dort Biologie und Mathematik studieren konnten. Diese Schüler waren Hoca Tahsin Efendi und Selim Sabit Efendi.

Der Bau des Universitätsgebäudes hat 19 Jahren gedauert. Schließlich wurde die Universität am 12.01.1865 eröffnet. Der Name der Universität war „Darülfünun“. Dieses Wort heißt in der osmanischen Sprache „Haus der (Natur)Wissenschaften“.

Die Lehrveranstaltungen waren öffentliche Vorträge, die von Intellektuellen und Wissenschaftlern des Lands gehalten wurden. Der erste Vortrag der Universität war der Physikunterricht von Derviþ Pascha.4

Am Anfang haben die Minister an den Vorträgen teilgenommen, um das Interesse des Volkes auf die Universität zu lenken, aber nach kurzer Zeit hat dieses Interesse wegen der Gegenpropaganda der Anhänger der Medresen nachgelassen. Im Jahr 1865 ist das Finanzministerium in das Universitätsgebäude eingezogen. Das neue Gebäude der Universität war ein Holzhaus am Divanyolu. Im selben Jahr ist dieses Haus mit der Universitätsbibliothek und den Unterrichtsmaterialen abgebrannt und Darülfünun wurde eine Zeitlang „vergessen“.5

1.1.2. Darülfünun-i Osmani

Darülfünun war nicht der einzige Versuch der Reformisten. Mit der „Vorschrift der allgemeinen Bildung“ (Maarif Umumiye Nizamnamesi) am 01.04.1869 wurde die Universität noch einmal gegründet. Ihr Name war diesmal: Darülfünun-i Osmani (Osmanisches Darülfünun).

Die neue Universität hatte drei Abteilungen: Philosophie und Literatur, Jura, Biologie und Mathematik. Nach dem 81. Artikel der Vorschrift hätte eine Lehrveranstaltung mit dem Titel „ilm-i ahval-i nefs“ (Wissenschaft von der Lage der Seele) innerhalb der Abteilung für Philosophie und Literatur abgehalten werden sollen6, aber wie viele andere Lehrveranstaltungen konnte auch diese wegen Mangels an Lehrkräften nicht verwirklicht werden.

Aus einer Liste mit dem Datum 06.08.1869 ist ersichtlich, dass zahlreiche Bücher aus Paris besorgt und alle existierenden Bücher über Humanismus und Positivismus gekauft wurden.7

Hoca Tahsin Efendi wurde zum Leiter der Universität berufen. Er war 1857 nach Paris geschickt worden, um den Mangel an Lehrkräften des ersten Darülfünuns zu beseitigen. Während er in der für die osmanischen Kinder in Paris eröffneten „Osmanischen Schule“ (Mekteb-i Osmani) unterrichtete, war er gleichzeitig als Imam an der Botschaft tätig. Inzwischen hatte er Französisch gelernt und die Hochschulen besucht, in denen Physik, Chemie, Biologie und Astronomie gelehrt wurde. Er kehrte 1869 nach Istanbul zurück. Yýldýrým beschreibt Hoca Tahsin Efendi mit folgenden Worten:

„Er hatte ein Interesse für materialistische Philosophie, experimentelle Instrumente und Experimente der Physik und Astronomie. Er hat sich mit verschiedenen Bereichen beschäftigt wie Biologie, Psychologie, Kindererziehung, Übersetzungen aus dem Französischen oder der Erfindung einer Schrift von links nach rechts statt der arabischen Schrift. Er hat die erste gedruckte Himmelskarte gezeichnet. Er war in Paris für seine lebhafte Persönlichkeit bekannt. Er pflegte Billard zu spielen, ließ in der Botschaft als Imam das Gebet verrichten, aber es wurde auch darüber gesprochen, dass er nicht gefastet hatte. Er hat außerdem seine kritischen spöttischen Gedanken in Verse geschrieben.8

Nach der Auffassung von Hoca Tahsin Efendi hätten sich die islamischen Nationen für einen wirtschaftlichen Aufstieg und den sozialen Fortschritt von den religiösen Dogmen befreien und die modernen Wissenschaften akzeptieren müssen. Es gab nach ihm nur einen einzigen Weg für den Aufstieg und Fortschritt dieser Nationen: die Aufklärung.9 Hoca Tahsin Efendi war der Autor einer fünfundvierzigseitigen kleinen Arbeit mit dem Titel „Psychologie oder Wissenschaft von der Seele“, die 1892 in Istanbul veröffentlicht wurde.

Die Sprache des Studiums am Osmanischen Darülfünun war Türkisch. Aber es wurde entschieden, dass ausländische Lehrende ihren Unterricht auf Französisch erteilen konnten, bis einheimische Lehrende ausgebildet worden waren.

Vor der Eröffnung der Universität wurden einige öffentliche „Nachtvorträge“ in der Zeit vom 20.12.1869 bis zum 03.01.1870 geplant, um den Fastenmonat der Muslime, den Ramadan, nützlich zu verbringen. Das Programm war 15-tägig. Aber nach diesen 15 Tagen wurde entschieden, das Programm zu verlängern. Der 6. Vortrag war über das „Nervensystem“ von Hüseyin Efendi10. Außerdem hat Aziz Efendi in dieser Zeit zwei Vorträge gehalten: „Einheit der natürlichen Kräfte“ und „Temperament und Klima“.

Die offizielle Eröffnung der Universität war am 20.02.1870, aber wegen des Mangels an Lehrpersonen konnten die in der Vorschrift vorgesehenen Lehrveranstaltungen nicht stattfinden. Ein neues sechsmonatiges   Programm wurde entworfen, aber auch dieses wurde nicht verwirklicht. Als schließlich die Lehrveranstaltungen angefangen hatten, gab es eine große Überraschung: die Mehrheit der aus den Medresen stammenden Studenten waren Analphabeten!11 Deswegen mussten sie im ersten Jahr zuerst lesen und schreiben lernen.

Auch im Jahr 1870 waren die Ramadanvorträge geplant. Der fünfte Vortrag lautete „Wissenschaft von der menschlichen Natur“. Die Themen dieses Vortrags waren Nervensystem, Herz und Gehirn, Blutkreislauf, Atmung, Tod und Leben12. Der 10. Vortrag der Serie war der Vortrag mit dem Titel „Industrie“ von Cemaleddin Afgani. Manche Aussagen Afganis über Mohammed haben die konservativen Kreise geärgert. Afgani wurde verbannt und Hoca Tahsin Efendi wurde abberufen. Auf diese Weise hat das Interesse an der Universität nachgelassen und die Universität ist 1872 geschlossen worden.

1.1.3. Darülfünun-i Sultani

Andererseits wurde 1868 die „Sultansschule“ (Mektebi Sultani), bekannter unter dem Namen Galatasaray Lyzeum, gegründet. Diese Schule war im Gebäude der alten Militärschule untergebracht und Galatasaray war der Name dieses Gebäudes. Die ersten Schüler haben 1871 das Lyzeum absolviert. “Diese Schule wurde vollständig nach dem französischen Erziehungssystem geplant und gestaltet. Die Gründung der Schule war zum Teil ein Werk Frankreichs.13 Der Ferman der Reformen (Islahat Fermaný), der am 28.02.1856 ausgerufen worden war, hatte die rechtliche Gleichheit der (islamischen und nicht-islamischen) Untertanen des Osmanischen Reichs geregelt. Im Februar 1867 hat Victor Duruy, der Erziehungsminister Frankreichs, dem Osmanischen Staat einen Bericht mit verschiedenen Vorschlägen vorgelegt. Duruy hat behauptet, dass der Osmanische Staat seine Verpflichtungen für nicht-islamische Minderheiten nicht erfüllt hätte. Ein Vorschlag Duruys war deshalb die Gründung von Schulen und einer Universität, die auch nicht-islamische Untertanen besuchen konnten. In diesem Jahr hat der Padischach Abdülmecit Frankreich besucht. Nach diesem Besuch wurde geplant, die Neuigkeiten des französischen Erziehungssystems auch im osmanischen Land einzuführen14. Schließlich wurde die „Sultanschule“ gegründet. Saffet Pascha, der Erziehungsminister, hat diese Gelegenheit für die Wiederbelebung der Universität ergriffen und 1874-75 die ersten Hochschulklassen im Lyzeum unter dem Namen „Schule des hohen Sultanats“ (Mekatib-i Aliye-i Sultaniye) gegründet. Der Name der Universität in dieser Periode war „Darülfünun des Sultans“ (Darülfünun-i Sultani), aber auch diese Hochschule wurde 1881 geschlossen15.

Nach Yýldýrým war dieses Darülfünun mehr eine Hochschule als eine Universität:

„Manche Personen haben das Darülfünun sogar als ‚hohen Abschnitt des Galatasaray Lyzeums’ beschrieben. [...] Die Finanzierung war abhängig vom Lyzeum. Als die Regierenden der Osmanen, die die hohen Ausgaben des osmanisch-russisches Krieges finanzieren mussten, die Geldmittel des Darülfünuns verringert haben, haben die Leiter dieser Schule möglicherweise das Darülfünun geschlossen, um ihre Last zu erleichtern. Der wirkliche Grund der Auflösung des Darülfünuns waren vermutlich die finanziellen Schwierigkeiten.16

1.1.4. Darülfünun-i Þahane

Die Universität wurde am 15.08.1900 unter dem Namen „Kaiserliches Darülfünun“ (Darülfünun-i Þahane) wieder eröffnet.17 Bernard Lewis beschreibt diese Universität als „the first truly indigenious modern university in the Muslim world“.18 Wesentlich für die Gründung dieser Universität waren die Bemühungen von Personen wie Sait Pascha, die an der Spitze der Regierung standen. Aber ein anderer Grund war, dass der despotische Sultan Abdülhamid II und seine Anhänger, die osmanischen Studenten aus Europa als eine Gefahr betrachteten, da diese zum Studium nach Europa fuhren, jedoch oft mit revolutionären Gedanken zurückkehrten. Deswegen war Abdülhamid II davon überzeugt, die Gründung einer Universität zu erlauben, die jedoch unter seiner Kontrolle stehen sollte19.

Die ersten Studenten dieser Universität haben ihr Studium im Jahre 1907 beendet. Die Zahl dieser Studenten betrug nur sieben20.

Im Studienplan der literarischen Abteilung der neuen Universität gab es eine Lehrveranstaltung mit dem Titel „Philosophie der Theorie“, welche die Themen „Wissenschaft von der Lage der Seele“ (Psychologie), Logik, Moral und „Wissenschaft von der Schönheit“ (Ästhetik) enthaltet hat. Eine andere Lehrveranstaltung dieser Abteilung war „Unterrichts- und Erziehungsmethoden“. Aber „Philosophie der Theorie“ wurde vom Programm gestrichen. Der Grund dafür war die Auffassung, dass die Basis jeder Freiheitsbewegung die Philosophie sei21. Laut Osman Nuri Ergin

hat sich das Regime Abdülhamids nicht nur vor Literatur und Geschichte, sondern auch vor der Verbreitung und Entwicklung der Philosophie gefürchtet. Weil geglaubt wurde, dass die Personen, die sich mit der Philosophie beschäftigen,  ungläubig seien, konnte dieses Regime, das in der theologischen Abteilung die Religion lehren ließ, nicht erlauben, in der literarischen Abteilung die ‚Ungläubigkeit’ zu veröffentlichen und zu verallgemeinern.22

Mit dieser Universität hat die Idee von der gesellschaftlichen Bedeutung einer Universität ihre Wurzeln im Osmanischen Reich geschlagen. Die Position der Universität wurde 1908 durch die bürgerliche „Jungtürkische Revolution“ gefestigt. Die Revolution hat das Interesse an der Universität geweckt. Die Jungtürken haben sich einerseits bemüht, die Universitätsidee zu verbreiten, andererseits aber durch polizeiliche Maßnahmen versucht, die Studentenbewegung, aus der sie gekommen sind, unter Kontrolle zu halten.

Die Universität, deren Name nach der Revolution in „Osmanisches Darülfünun“ geändert wurde, hat bis zur Universitätsreform 1933 bestanden.

Mit dem Gesetz vom 21.04.1912 wurden die Abteilungen der Universität reorganisiert:  1. Wissenschaft von der Scharia, 2. Jura, 3. Biologie, 4. Naturwissenschaften, 5. Geisteswissenschaften23.

In der Abteilung für Geisteswissenschaften haben die Prominenten dieser Periode Vorträge gehalten. Zum Beispiel wurden „Philosophie der Theorie“ und „Erziehungsmethoden“ von Emrullah Efendi, dem Erziehungsminister und Gründer der jungtürkischen Erziehungspolitik, gelehrt24.

 

1.2. Die Psychologie in der Türkei vor dem Ersten Weltkrieg

Obwohl der Beginn der Psychologie in der Türkei gewöhnlich auf die Ankunft von Dr. Georg Anschütz im Jahre 1915 datiert wird, hat der Vortrag „Temperament und Klima“ von Aziz Efendi schon Ende des Jahres 1869 als erste Psychologielehrveranstaltung in der Türkei stattgefunden.

Es ist bekannt, dass Babanzade Naim Bey nach der Revolution von 1908 und unter dem Ministerium Emrullah Efendis Vorträge über Psychologie unter dem Titel „Wissenschaft von der Seele“ (Ilm-ün nefs) gehalten hat. Später hat Babanzade Naim Bey Lehrveranstaltungen über „Moral“ gehalten, als Mehmet Ýzzet Bey am Darülfünun teilgenommen hat. Danach hat Mehmet Ýzzet Bey neben seinen Vorträgen über Metaphysik auch die „Wissenschaft von der Seele“ gelehrt25.

Gürkan schreibt, dass Babanzade Naim Bey „einen Spiritualismus, hinter dem die Theologie steckt“, verteidigte26. Seine Psychologie wurde noch durch die klassische Psychologie begrenzt27.

Kaðýtçýbaþý behauptet, dass das erste Buch über Psychologie im Jahr 1915, d. h. in dem Jahr, in dem Georg Anschütz nach Istanbul gekommen war, herausgegeben wurde, und die Kinderpsychologie behandelte28. Aber in der „Bibliographie der Psychologiewerke auf Türkisch“ von Sami Kayral findet sich kein kinderpsychologisches Buch, das 1915 veröffentlicht worden wäre. Der Grund ist vermutlich, dass diese Bibliographie nicht fehlerfrei ist, wie Kayral im „Vorwort“ betonte29. In der Bibliographie finden sich aber 29 Bücher, die vor 1915 herausgegeben wurden, und 11 davon sind Übersetzungen aus verschiedenen Sprachen. Das älteste Buch in der Bibliographie ist ein 176seitiges Werk von Ahmet Mithat: „Inspiration und Fehler.“ (Ýlham ve Taglitat). Laut dieser Bibliographie wurde das Buch 1884 veröffentlicht. Die erste veröffentlichte Übersetzung war „Psychologie des Foules“ (Ruh-ül Akvam) von Le Bon, die auf Osmanisch zum ersten Mal 1907 in Ägypten herausgegeben wurde. Der Übersetzer des Buchs war Abdullah Cevdet. Die Bibliographie von Kayral ist die einzige Quelle zum Thema. Deswegen haben wir keine ausführlichere Information, ob eine ältere Veröffentlichung über die Psychologie existiert oder nicht.

Nach der Bibliographie von Kayral wurden vor dem Ersten Weltkrieg Werke folgender Verfasser ins Osmanisch übersetzt: Emile Boirac, Ludwig Büchner, Georges Fonsgrieve, Gustave Le Bon, Louis Pervale, E. Rayo, M. Wendt. Es gibt achtzehn zu dieser Periode gehörende Bücher, die von osmanischen Autoren verfasst wurden. Eines davon behandelt die Träume, ein anderes die Kinderpsychologie und alle anderen sind Einführungen oder Bücher über klassische Psychologie.

Die Werke von Baha Tevfik sind wichtige Bücher der Vorkriegsperiode. Ein Werk von Baha Tevfik ist „Wissenschaftliche und Literarische Erneuerung. Letzte Themen über Psychologie, Ethik, Logik und Literatur“. Ein anderes Buch „Psychologie: Wissenschaft von der Lage der Seele“ hat Baha Tevfik mit Ahmet Nebil geschrieben.

Baha Tevfik (1884-1914) wurde in Izmir geboren. 1907 hat er sein Politologiestudium abgeschlossen. Er hat sich für eine Art des vulgären deutschen Materialismus interessiert und war einer der Gründer der „Osmanischen Sozialistischen Partei“, die die erste sozialistische Partei der Türkei war. Nach Tevfik „würde die Menschheit schließlich den Anarchismus erreichen und die Individualität würde dort seine Größe und Freiheit fühlen.30 Tunçay beschreibt Tevfik als „einen vorurteilsfreien Jungen, der eine Neigung ein bisschen zum Materialismus und ein bisschen zum Anarchismus hat.31 Nach Gürkan war die Anschauung Baha Tevfiks eine Reaktion auf den Spiritualismus Babanzade Naim Beys und „ein vulgärer Materialismus, deren Verteidiger die damaligen Jungen waren.32

Zusammengefasst stand die Psychologie in der Türkei vor dem Ersten Weltkrieg erst am Anfang ihrer Geschichte. Die ersten Veröffentlichungen und Lehrveranstaltungen gehören zu dieser Periode. Aber es gab noch keine Trennung zwischen der „klassischen Psychologie“ und der Psychologie an der Universität. Dies hat eine materialistische Tendenz in den Anschauungen der Intellektuellen, die von der Idee der „Freiheit“ der Revolution von 1908 stark beeinflusst wurden, gestärkt. Während die Psychologie an der Universität eine ergänzende Disziplin der Theologie war, war sie außerhalb der Universität ein Apparat des Kampfes gegen die Theologie. Andererseits hat die Entwicklung des Kapitalismus und die bürgerliche Revolution von 1908, die von zivilen und militärischen Bürokraten verwirklicht wurde, verursacht, dass die Begriffe „Subjekt“ und „Individuum“ mehr und mehr zur Diskussion gestellt wurden. Die Veröffentlichungen dieser Periode waren die Publikationen über die allgemeine Psychologie oder Einführungen in das Thema und sie waren darauf gerichtet, diese, für die Türkei ganz neue Disziplin, den Intellektuellen des Landes vorzustellen. Die Psychologie war noch weit davon entfernt, als eine „Einzelwissenschaft“ betrachtet zu werden.

 

1. Widmann (1973): Exil und Bildungshilfe, S. 28

2. Birand (1960): Die Entwicklung des Hochschulwesens in der Türkei, S. 3f.

3. Die Schicht der islamischen Gelehrte.

4. Orhonlu (1973): Edebiyat Fakültesinin Kuruluþu, S. 57.

5. Ibid., S. 57.

6. Yýldýrým (1998): Türk Üniversite Tarihi, S. 79.

7. Ibid, S. 91.

8. Ibid, S. 110.

9. Ibid, S. 112.

10. Ibid, S. 94.

11. Ibid, S. 104.

12. Ibid, S. 105.

13. Ibid, S. 122.

14. Ibid, S. 122.

15. Orhonlu (1973): Edebiyat Fakültesinin Kuruluþu, S. 59.

16. Yýldýrým (1998): Türk Üniversite Tarihi, S. 150.

17. Orhonlu (1973): Edebiyat Fakültesinin Kuruluþu, S. 59.

18. Lewis (1968): The Emergance of Modern Turkey, S. 182.

19. Vgl. Yýldýrým (1998): Türk Üniversite Tarihi, S. 161f.

20. Orhonlu (1973): Edebiyat Fakültesinin Kuruluþu, S. 60.

21. Yýldýrým (1998): Türk Üniversite Tarihi, S. 183.

22. Ibid. S. 185.

23. Orhonlu (1973): Edebiyat Fakültesinin Kuruluþu, S. 61.

24. Yýldýrým (1998): Türk Üniversite Tarihi, S. 225.

25. Özbaydar (1973): Cumhuriyetin ilk 50 yýlýnda Türkiye’de Psikoloji, S. 219.

26. Gürkan (1944): Þekip Tunç’un Türk Felsefesindeki Rolü, S. 38.

27. Mit dem Begriff „klassische Psychologie“ meine ich die Psychologie, die sich in der „philosophischen Tradition“ entwickelte. Die Gründung des Laboratoriums von Wundt in Leipzig im Jahr 1879 ist eigentlich nicht „der Anfang der Psychologie“, sondern „der Anfang der ‚modernen’ Psychologie“. Nach Sullivan ist die „klassische Psychologie“ ein Teil der Philosophie, der sich nicht auf die Experimente oder auf die Physiologie, sondern auf introspektive Daten, Anekdoten und Beobachtungen stützt. (Siehe: Sullivan, 1977, Associationism: a historical review, S. 160.)

28. Kaðýtçýbaþý (1994): Psychology in Turkey, S. 729.

29. Kayral (1953): Türkçe Psikoloji Eserleri Bibliyografyasý, S. 3.

30. Tunçay (2000): Türkiye’de Sol Akýmlar, S.46.

31. Ibid., S. 31.

32. Gürkan (1944): Þekip Tunç’un Türk Felsefesindeki Rolü, S. 38.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© 2006