Tarih, Felsefe ve Psikoloji

 

 

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Inhaltsverzeichnis

 

 2. Der Erste Weltkrieg und die Ankunft von Dr. Georg Anschütz in Istanbul

Nachdem die „Einheits- und Fortschrittspartei“ (Ýttihat ve Terakki Partisi), die von den Jungtürken gegründet wurde, durch die Revolution von 1908 an die Macht gekommen war, haben die Beziehungen des Osmanischen Reiches zum deutschen Kapital ein neues Niveau erreicht. Die Wirtschaftspolitik der Jungtürken hat die Osmanen jeden Tag mehr und mehr dorthin geführt, eine „Halbkolonie“ Deutschlands zu werden. Infolge dieser Politik haben die Osmanen am Ersten Weltkrieg auf der Seite Deutschlands teilgenommen. Selbstverständlich war Deutschland in dieser Periode der größte Unterstützer der Modernisierung der osmanischen Armee. Diese Unterstützung hatte eigentlich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts begonnen. Deutsche Offiziere waren in der osmanischen Armee für die Modernisierung tätig. Im Rahmen dieser Bemühung wurde 1903 eine medizinische Schule von den Deutschen gegründet.

Andererseits hat dieser Prozess die deutsche Kulturpolitik in das Osmanische Reich gebracht. Die Modernisierung der Armee war selbstverständlich nicht der einzige Wunsch der Osmanen. Sie wollten gleichzeitig auch eine Reform im Erziehungssystem und das damalige deutsche System wurde von den Regierenden als ein mögliches Modell betrachtet. Außer deutschen und amerikanischen Schulen waren alle ausländische Schulen kurz vor dem Beginn des Weltkrieges von Staats wegen gezwungen, zu schließen.

In dieser Periode hat die deutsche Regierung den Osmanen vorgeschlagen, dem Darülfünun zu helfen. Geheimrat Prof. Franz Schmidt wurde als Berater des Erziehungsministeriums berufen, die in Deutschland entwickelte Wissenschaft und Technologie in das Osmanischen Reich zu übertragen und die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu festigen. Schmidt war zuletzt bei der Schulabteilung des Auswärtigen Amtes tätig gewesen1.

Die „Bildungshilfe“ Deutschlands bezweckte eigentlich, den französischen Einfluss im Osmanischen Reich zu beseitigen. Das französische Erziehungssystem war noch ein Vorbild für die Osmanen. Die Mehrheit der Intellektuellen konnte Französisch sprechen und sie standen unter dem Einfluss der französischen Aufklärung. Der französische Einfluss war so stark, dass Schmidt mit dem Erziehungsminister Französisch sprechen und seine Vorschläge und Berichte auf Französisch schreiben musste. Zusätzlich haben die französischen Schulen erstmals in Syrien Einflussbereiche für Frankreich geschaffen. Diese waren die Rohstoffvorkommen, die offen für die imperialistische Ausbeutung waren. Deutschland wollte ebenfalls durch die „Bildungshilfe“ für sich solche Wirkungsbereiche schaffen.

„Schmidt hat zunächst einmal eine dreiwöchige Schulbesichtigungsreise nach Kleinasien gemacht, um den tatsächlichen Stand der türkischen Schulen kennen lernen zu können. Sein Gesamteindruck war der, daß sich das türkische Bildungswesen erst in den Anfängen neuzeitlicher Entwicklung befand und die Dinge um so ungünstiger lagen, je weiter man sich von der Hauptstadt entfernte.“2

Dies war nicht die erste Berufung Schmidts in die Türkei. Bereits davor war er zur Gründung eines „Deutschen Erziehungsinstituts“ berufen worden, das die deutsche Sprache, Kultur, Technologie und deutsches Wissen in das Osmanischen Reich bringen und den osmanischen Studenten ein Studium in Deutschland ermöglichen sollte. „Die Bildungshilfe“ war immer ein wichtiges Mittel der deutschen Propaganda.

Nachdem Schmidt hierzu berufen wurde, sind die ersten deutschen Lehrer in kurzer Zeit nach Istanbul gekommen und haben angefangen, im „Istanbul Lyzeum“ zu arbeiten. Schmidt wollte diese Schule zu einer deutschen Schule gegen das Galatasaray Lyzeum machen. Es wurde in dieser Periode entschieden, in Lyzeen zwei Fremdsprache zu lehren. Eine war Französisch und die andere war entweder Deutsch oder Englisch. 1917 wurde Deutsch in 35 von 55 Lyzeen gelehrt3.

Dr. Schmidt wollte von Anfang an eine deutsche Hochschule gründen. Aber die Regierung wollte nicht nur deutsche Lehrende, sondern auch österreichische, ungarische und Schweizer Professoren.

„Dann haben Freiherr von Wangenheim (Botschafter in Istanbul) Dr. Weber (Kulturpolitischer Botschaftsreferent) Dr. Mordtmann (Generalkonsul) und Dr. Schmidt diesen türkischen Vorschlag angenommen, aber es wäre besser gewesen, nur die deutschen Professoren zu berufen. Nach diesem Einverständnis war Herr Schmidt beauftragt, durch persönliche Verhandlungen in Deutschland die Berufungen einzuleiten. Der schriftliche Auftrag des türkischen Unterrichtsministeriums enthielt nur 14 Berufungen. In kurzer Zeit gelang Herrn Dr. Schmidt, diese von der Türkei gewünschten Berufungen noch rechtzeitig für das im Herbst 1915 beginnende Universitätsjahr durchzuführen.4

Die Jungtürken haben diese „Bildungshilfe“ begrüßt. Die Regierung hat die Berufungen der deutschen Lehrenden ohne Zaudern akzeptiert.

Ein Aufsatz Ahmet Cevdets im Dezember 1915, der Redakteur der Zeitung Ýkdam war, zeigt die damalige Anschauung des osmanischen Volks über die deutschen Lehrenden:

„Der Ýkdam ist es gewesen, der nach der Wiedereinführung der Verfassung zur sofortigen und hochstäblichen Einführung der deutschen Schullehrpläne geraten hat. Es ist uns trotz unseres guten Willens nicht gelungen, feste Grundlagen zu einem Unterrichtswesen, die deutschen wirtschaftlichen Gedanken, die deutsche Ordnung und Planmäßigkeit, zu eigen machen. Wir brauchen Männer als Wegweiser, die von ihren Vätern und Vorvätern eine Erziehung erhalten haben, die sie befähigt, den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Gegenwart gerecht zu werden, Männer, deren Geistigkeit wesentlich verschieden ist von unserer. Wir dürfen zu Schuldirektoren nur patriotische Männer ernennen, die den Glauben an die Heiligkeit ihres Lehrerberufes besitzen. Wir müssen uns fähige, junge Kräfte heranziehen, und dafür brauchen wir nichts weiter als die deutsche Unterrichtsmethode. Wenn sich bei uns die deutschen Lehrpläne, Schulen, Gelehrten, Schuleinrichtungen und Schulordnungen das harte, feste Wesen der Deutschen einbürgert, dann öffnen sich für uns die Tore zu einer unabhängigen Zukunft.5

Aber die Lehrenden der Medizinischen Fakultät, die immer eine nationalistische Politik verteidigt hatten, haben erklärt, dass sie gegen die ausländischen Lehrenden waren. Deswegen hat das Erziehungsministerium versprochen, dass kein ausländischer Professor an die Medizinische Fakultät berufen werde. Auch die Juristische Fakultät wollte keine ausländischen Lehrenden und argumentierte damit, dass Ausländer die Begriffe der islamischen Rechtswissenschaft nicht verstehen würden.

Das Professorenkollegium der Literarischen Fakultät hat die Berufungen der deutschen Lehrenden akzeptiert. Die Professoren dieser Fakultät sagten:

„Die medizinischen und juristischen Fakultäten bilden Personen für praktische Bereiche aus, wie Ärzte oder Rechtsanwälte. Es ist nicht nötig, für diese beiden Fakultäten ausländische Lehrende zu bringen. Die Fakultäten, wo Wissenschaft für die Wissenschaft gemacht wird, dies sind die literarischen und naturwissenschaftlichen, sollten sich die ausländischen Lehrenden zunutze machen.6

Im Jahr 1915 sind die deutschen Lehrenden nach Istanbul gekommen:

Dr. Anschütz: Pädagogik und Psychologie (Assistent an der Universität Hamburg.)

Dr. Bergsträsser: Semitische Sprachwissenschaft (Privatdozent in Leipzig. Leipzig)

Dr. Giese: Ural-altaische Sprachen (Dozent am Orientalischen Seminar. Berlin)

Dr. Lehmann-Haupt: Alte Geschichte (zuletzt Professor in Liverpool)

Dr. Obst: Geographie (Privatdozent in Breslau)

Dr. Penck: Geologie und Geographie  (Privatdozent in Leipzig)

Dr. Leick: Botanik (Privatdozent in Greifswald)

Dr. Zarnick: Zoologie (Außerordentlicher Titularprofessor in Würzburg)

Dr. Hoesch: Organische Chemie (Assistent in Berlin)

Dr. Adndt: Anorganische Chemie (Privatdozent in Breslau)

Dr. Fester: Technologische Chemie (Assistent in Frankfurt/Main)

Dr. Hoffmann: Volkswirtschaft (Professor in Hannover)

Dr. Fleck: Finanzwissenschaft (Assistent in Kiel)

Dr. Schöbern: Öffentliches Recht (Außerordentlicher Titular Professor in Heidelberg)

Und Später:

Dr. Jacobi: Philosophie (Privatdozent in Berlin)

Dr. Nord: Vergleichendes bürgerliches Recht (erster „Dragoman“ –Übersetzer- des Generalkonsulats in Istanbul)

Dr. Mordtmann: Methodologie der Geschichte (Generalkonsul i.R. in Istanbul)

Dr. Unger: Archäologie und Numismatik (Kustos am Antikenmuseum in Istanbul)

Dr. Richter: Deutsche Sprache und Literatur (Privatdozent in Greifswald) (ab Herbst 1916)

Dr. J. Würschmidt: Professor für Physik (erst 1918; wurde nicht mehr angestellt)

Mit jedem der deutschen Lehrenden wurde ein fünfjähriger Vertrag geschlossen. Sie wurden im Studienjahr 1915/16 am Darülfünun tätig. Zehn Lehrende waren an der Literarischen, sechs waren an der Naturwissenschaftlichen und vier waren an der Juristischen Fakultät beschäftigt7. Das Erziehungsministerium wollte, dass diese Lehrenden so schnell wie möglich Türkisch lernen und ihre Vorträge in dieser Sprache halten sollten. Aber die Mehrheit der deutschen Lehrenden strebten nicht danach, dem Folge zu leisten8.

Mehmet Ali Bey schreibt:

„Keiner von den Deutschen Lehrenden wusste ein Wort auf Türkisch. Wenn sie ihre Lehrveranstaltungen auf Deutsch gehalten hätten, könnte sie kein Student verstehen. Für jeden Lehrenden wurde ein Assistent berufen, der Deutsch oder Französisch konnte. Aber manchem dieser Assistenten waren die Themen der Lehrveranstaltungen ganz fremd. Komischerweise haben sich die deutschen Lehrenden verpflichtet, in zwei Jahren Türkisch zu lernen und ihre Lehrveranstaltungen auf Türkisch zu halten. Aber noch komischer war, dass -zum Beispiel- Jacobi seine Vorlesung auf Türkisch wie ein Photonograph halten wollte, indem er seinen Assistenten Habib Efendi den auf Deutsch geschriebenen Text des Vortrags ins Türkische übersetzen, in lateinischer Schrift schreiben ließ und diesen Text ein wenig einübte.9

Wegen der Sprachprobleme waren die Lehrveranstaltungen ziemlich unfruchtbar. Noch dazu war die Zahl der Studenten wegen des Krieges sehr gering. „Es gab an der (Literarischen) Fakultät fast keinen Studenten. Die Philosophische Abteilung hatte nur zwei Studenten. Die Zahl der Studenten der Literarischen Fakultät war weniger als die Hälfte der Lehrenden. Die Jungen, die im Alter des Studiums waren, wurden zum Wehrdienst einberufen.10

Im Studienjahr 1915/16 haben vier und im Studienjahr 1918/19 haben fünf Studenten ihr Studium an der Philosophie-Abteilung abgeschlossen. In den Studienjahren 1916/17 und 1917/18 hat niemand die Literarische Fakultät absolviert11. Trotzdem hat die Regierung keine Kosten für die deutschen Lehrenden gescheut. Ihre Bezüge waren viel höher als die der Türken. Nicht nur ihre Wohnungen, sondern auch ihre Zimmer an den Instituten waren privilegiert.

Fast jeder Lehrende verlangte ein „Institut“ für sein Fachgebiet, das aus Vorlesungsraum, Dozenten- und Assistentenzimmer, Bücherei und den nötigen Übungsräumen bestand. Dazu sind weitgehende Ausstattungsforderungen gekommen. All diesen Wünschen ist man im großen und ganzen nachgekommen12.

Ýsmail Hakký Baltacýoðlu, ein türkischer Lehrende, schreibt über die deutschen Lehrenden folgendes:

„Die Zahl der ausländischen Lehrenden war so groß, dass niemand ihre Wichtigkeit leugnen konnte. [...] Sie nahmen ihre Situation in der Türkei, an einer türkischen Universität, vor einer türkischen Studienkommission, ganz gut wahr und verhielten sich bei administrativen oder gedanklichen Fragen immer geschlossen. Dadurch war eine neue und fremde Kraft innerhalb des Darülfünuns entstanden. Ihr Bestreben war, Deutsch zu bleiben, sich als Deutsche zu zeigen und auf Deutsch zu arbeiten. Sogar bei den wissenschaftlichen Diskussionen hatten sie keine sichtbaren beruflichen oder gedanklichen Meinungsverschiedenheiten. Die Deutschen haben mit der Neugestaltung des Darülfünuns im Gegensatz zu den Erwartungen der Türken sehr grundlegend und formalistisch begonnen. Sie wollten für die Behandlung des kranken Darülfünuns der Universität eine moderne Gestalt (genauer nach dem deutschen Muster) geben, ohne eine Veränderung der Denkweise für erforderlich zu halten.13

Darüber hinaus haben Dr. Schmidt und die deutsche Professoren gemeinsam einen Reformplan für die Universität unter Anlehnung an deutsche Vorbilder ausgearbeitet. „Dieser Plan, der ‚Entwurf einer Satzung für die Kaiserlich Osmanische Universität in Istanbul, ausgearbeitet von den deutschen Professoren unter Vorsitz von Geheimrat Schmidt‘ enthielt 88 Bestimmungen in 13 Abschnitten. Dieser Entwurf wurde vom Minister höflich abgelehnt, aber mit Hilfe dieses Entwurfes und anderer Entwürfe, die von türkischer Seite zugegangen waren, gab der Minister dann neue Richtlinien für die Universität heraus.14

Die Regierung wollte für die Reform des Darülfünuns neben den deutschen Lehrenden auch die türkischen Intellektuellen und die Personen, die in Europa studiert hatten, mit einbeziehen. Halit Ziya Uþaklýgil, Fuat Köprülü, Necmeddin Sadýk, Hüseyin Daniþ, Ali Ekrem, Cenap Þehabettin, Ziya Gökalp, Ali Muzaffer wurden in dieser Periode an die Universität berufen. Außerdem wurden die Bezüge der türkischen Lehrenden erhöht.

Ziya Gökalp war sehr wichtig für das Darülfünun. Er war ein Mitglied der Generalverwaltung der jungtürkischen Partei und wurde als Professor für Soziologie berufen. Deswegen war er für die Verbreitung von jungtürkischen Gedanken und für den Nationalismus im Darülfünun verantwortlich.

Die Reform wurde nicht nur für das Darülfünun, sondern auch für das gesamte Erziehungssystem geplant. In dieser Periode wurden zahlreiche Schüler aus Mittelschulen nach Deutschland geschickt.

Die wichtigste Neuerung, die von den deutschen Lehrenden mitgebracht wurde, war die Gründung von Forschungsinstituten (Darülmesai). Wegen des Mangels an Studenten waren diese Institute der einzige und wahre Beitrag der deutschen Lehrenden zum Darülfünun. Das Universitätsgebäude, der Palast Zeynep Haným, war zu klein für diese Institute. Deswegen wurden andere Paläste rund um den Palast Zeynep Haným gemietet. Mit diesen Instituten wurde bezweckt, das Darülfünun von einer „Berufsschule“ zu einer „wirklichen“ Universität zu machen. Wissenschaftliche Forschung war laut den Jungtürken die wichtigste Eigenschaft einer Universität.

Eines dieser Institute war das Forschungsinstitut für experimentelle Psychologie von Georg Anschütz. Anschütz hatte einige Apparate für psychologische Experimente mitgebracht15. 

Georg Anschütz (15.11.1886, Braunschweig - 25.12.1953, Hamburg) war Sohn eines Taubstummenlehrers. Ab 1905 hat er an den Universitäten München, Würzburg, Leipzig und Paris studiert und war nach der Promotion zum Dr. Phil. im Jahre 1908 als Assistent am Psychologischen Laboratorium in Hamburg unter Ernst Meumann von 1913 bis 1915 tätig. Nach dessen Tod im Jahre 1915 hat er die Vertretung seiner Professur übernommen. Dazwischen lag ein Jahr Frontdienst als Soldat16.

Die deutschen Lehrenden sind im Herbst 1918 gleich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach Deutschland zurückgekehrt, obwohl sie aufgrund ihrer fünfjährigen Verträge noch zwei Jahre hätten arbeiten müssen. Als juristisches Argument brachten sie vor, dass „lebenswichtige Veränderungen stattgefunden haben, die unter den Bedingungen der Verträge nicht vorausgesehen werden konnten“. Das Erziehungsministerium konnte nichts tun, außer diese Erklärung zu akzeptieren. Trotzdem hat das Ministerium den deutschen Lehrenden verschiedene Vorschläge gemacht, um sie von ihre Rückkehr nach Deutschland abzubringen. Das Ministerium hat sogar vorgeschlagen, die Bezüge der deutschen Lehrenden zu erhöhen, aber die Lehrenden konnten nicht überredet werden.

Gleichzeitig sind die türkischen Schüler, die aufgrund der „Bildungshilfe“ nach Deutschland geschickt worden waren, in die Türkei zurückgekehrt. Die Mehrheit dieser Schüler hatte keine Zeit, ihre Schulen zu absolvieren. Schließlich war die „Bildungshilfe“ gescheitert.

Am Ende des Weltkrieges wurde die jungtürkische Partei aufgelöst und die Periode des Befreiungskrieges und der kemalistische Revolution hatte begonnen.

Es gibt eine Tendenz in der Türkei, die Ankunft von Georg Anschütz in Istanbul als den „Anfang der Psychologie in der Türkei“ zu betrachten. Diese Tendenz wurde im ersten Kapitel berührt. Im Jahr 1915 hat Anschütz die ersten Vorträge über die experimentelle Psychologie gehalten. In diesem Jahr hat die Psychologie außerdem Eingang in die Lehrerbildungsanstalten gefunden.

Aber es ist schwer zu sagen, dass Anschütz irgendetwas für die Psychologie in der Türkei hinterlassen hat. Sein Forschungsinstitut mit seinem kleinen psychologischen Laboratorium wurde nach seiner Rückkehr geschlossen. Die Apparate der Experimente sind in Vergessenheit geraten17. Während der zwei Jahre in Istanbul hatte Anschütz zudem nur sehr wenige Studenten. Seine einzige Veröffentlichung in Istanbul war ein Artikel mit dem Titel „Untersuchungen über individuelle Unterschiede zwischen psychologischen Zuständen der Menschen“, der im Jahr 1916 in der „Zeitschrift der Literarischen Fakultät Darülfünuns“ (Darülfünun Edebiyat Fakültesi Mecmuasý) veröffentlicht wurde18. Anschütz hat in diesem Artikel, ausgehend von einem einfachen Experiment über die Aufmerksamkeit bei Kindern, betont, dass die Psychologie experimentelle Methoden benützen sollte. Er hat am Ende des Artikels geschrieben, dass er in einem anderen Artikel die Unterschiede zwischen Menschen erklären würde, aber es wurde kein weiterer Artikel von Anschütz veröffentlicht.

Ein anderer wichtiger Artikel in derselben Zeitschrift war eine Übersetzung von Théodule Ribot: „Die Methode in der Psychologie“19.

Im Jahr 1915 hat Ýbrahim Alaettin Gövsa die Binet-Simon Tests ins Türkisch übersetzt und unter dem Titel „Maß der Intelligenz bei Kindern“ veröffentlichen lassen. Andere wichtige Publikationen dieser Periode waren: Die einundzwanzigseitige „Untersuchung über die Psychologie Freuds“ (1917) von Mustafa Hayrullah Diker, „Psychologische Lektionen aus dem europäischen Krieg“ von Le Bon (1918) und die erste (neunzehnseitige) Übersetzung von William James mit dem Titel „Gewohnheit“. Bei diesen Veröffentlichungen handelte es sich meistens um Übersetzungen einiger Kapitel aus wichtigen Werken.

Wenn man die Bemühung von Anschütz und diese Veröffentlichungen zusammen behandelt, kann man behaupten, dass die Psychologie in dieser Periode auf eine experimentelle Richtung hin ausgerichtet wurde. Der Einfluss des Funktionalismus auf diese Richtung ist bemerkbar.

Es ist klar, dass der französische Einfluss, trotz der Bemühungen der deutschen und osmanischen Regierung, im intellektuellen Leben der Osmanen sehr stark war. Die meisten Übersetzungen kamen aus dem Französischen. Deutschland konnte diesen Einfluss nicht beseitigen und die „Bildungshilfe“ blieb auch hinsichtlich ihrer wirklichen Zwecke erfolglos. Der französische Einfluss konnte nicht beseitigt werden.

Wenn man die Entwicklung der Psychologie sieht, kann man von den Übersetzungen dieser Periode ausgehend behaupten, dass es die Tendenz zu den experimentellen Methoden in der Psychologie auch unabhängig von Anschütz gab. Da die osmanische Regierung das Erziehungssystem nach dem europäischen Vorbild neugestallten wollte, fand, unabhängig von Anschütz, die Psychologie in den Lehrerbildungsanstalten Platz. Es ist nicht falsch zu behaupten, dass die bürgerliche Jungtürkische Revolution von 1908 die Psychologie für die Reform des Erziehungssystems für wichtig gehalten hat. Weil die Regierenden die Psychologie für die politischen und gesellschaftlichen Zwecke als verwendbar betrachtet haben, entsprach eine pragmatisch-funktionalistische Psychologie den Bedürfnissen der Regierung. Die Intellektuellen, die die jungtürkische Regierung im Kampf gegen das Sultanat als fortschrittlich betrachteten, haben sich deswegen bemüht, die für sie nützlichen Verfasser zu übersetzen.

 

1. Widmann (1973): Exil und Bildungshilfe, S. 35. In dieser Periode waren die deutschen Berater nicht nur beim Erziehungsministerium, sondern auch bei anderen Ministerien tätig. 

2. Ergün (1992): Die Deutsch-Türkischen Erziehungsbeziehungen, S. 197.

3. Ibid., S. 198.

4. Ibid., S. 199.

5. Ibid, S. 195.

6. Eriþgil (1984): Bir Fikir Adamýnýn Romaný, S. 10.

7. Yýldýrým (1998): Türk Üniversite Tarihi, S. 236.

8. Ibid., S. 237.

9. Ibid., S. 239.

10. Eriþgil (1984): Bir Fikir Adamýnýn Romaný, S. 13.

11. Orhonlu (1973): Edebiyat Fakültesinin Kuruluþu, S. 63.

12. Ergün (1992): Die Deutsch-Türkischen Erziehungsbeziehungen, S. 199.

13. Yýldýrým (1998): Türk Üniversite Tarihi, S. 237-238.

14. Ergün (1992): Die Deutsch-Türkischen Erziehungsbeziehungen, S. 200.

15. Birand (1956): Psychology in Turkey, S. 3.

16. Anschütz und Gustav Deuchler waren ab 1933 die wichtigsten Personen an der Universität Hamburg. Die Beide waren Aktivisten des Nationalsozialismus und bis 1945 an dieser Universität tätig. Anschütz hat in dieser Periode über „Farbe-Ton-Forschung“ gearbeitet. Er war ein wichtiges Mitglied des NSD-Dozentenbunds im Gau Hamburg der NSDAP.

17. Gökay (1944): Prof. M. Þekip ve Marazi Ruhiyat, S. 104.

18. Siehe: Anschütz (1916): Ýnsanlarýn Ahval-i Ruhiyeleri Arasýndaki Ferdi Farklar Hakkýnda Tetkikler.

19. Ribot (1916): Ruhiyatta Usül.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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