TO/DIE/FOR + SOUL RELIC + DAS SCHEIT (+ BEYOND THE VOID)
TITANIC CITY MÜNCHEN
30/03/05

 

 

Erlebniserzählung über merkwürdige Sänger


To Much Ain't Enough
Hollow Heart
Farewell
Sea Of Sin
Fragmented
Anos De Dolor
Dying Embers
Immortal Love
In The Heat Of The Night
Vale Of Tears

Live In You

 

 

Was zur Hölle ist eigentlich mit dem Titanic City passiert??? Das war mal die erste Frage, die ich mir stellte, als ich meine heute merkwürdigerweise mit Grablichtern, künstlichen Efeuranken und ähnlichem dekorierte Stammkneipe betrat. Dann viel mir ein... "Stimmt, heute ist ja eigentlich Gothic Night!" Oh-oh... Umgehend machte ich auf schmlimmeres gefasst, als mich dann tatsächlich erwartete: Ein paar merkwürdige schwarze Gestalten waren schon unterwegs, aber viel unwohler fühlte ich mich beim Anblick einiger schon fast beängstigend normal gekleideter ca. 30- bis 50-jähriger.
Ich bahnte mir lieber erstmal einen Weg zur Bar und bestellte "keinen Rotwein, sondern ein Helles bitte", worauf die Bedienung mit einem irgendwie erleichtert wirkenden Grinsen reagierete. Anschließend machte ich es mir erstmal auf dem Bodom bequem und beobachtete amüsiert, wie irgendein angepinselter 2-Meter-Mensch auf dem Weg aus dem Klo eine junge Frau über den Haufen rannte. Der muss zu irgendner Band gehören... Kurz drauf eroberte ich einen kleinen Tisch mit Barhocker, was die Sache schonmal um einiges gemütlicher machte. Und wer kam ein paar Minuten später uns Eck? Der Nico, der Pieger, der Schulbandsänger und noch son Typ. Also beantwortete ich erstmal die Frage, was ein Bier kostet (nicht nur einmal), wies die "Neulinge" darauf hin, dass die Garderobe kostenlos ist und plauderte ein wenig, bis sich die Truppe weiter nach vorne verzog. Anschließend offenbarte sich mir ein gewisser Nachteil meines neuen Zuhauses: Freie Sicht auf den Merchandise-Stand. Ich fragte also irgeneinen Typen, ob er mal kurz auf meinen Platz aufpassen könne (, der sich kurz vorher noch angeregt mit ein paar Backstagepasstragenden Zeitgenossen angeregt unterhalten hatte), machte mich auf den Weg zur Bank, zum Zigarettenautomat, zum Merchandise (, wo mich der Merchandiser etwas beleidigt fragte, ob ich mich denn nicht an ihn erinnern könne), aufs Klo zum umziehen, zur Bar und wieder zurück.

Währenddessen war auf einmal die zweite Band (Beyond The Void hatte ich leider schon verpasst.) auf der Bühne erschienen, und wer war wohl der Sänger...? Der 2-Meter-Mensch, wer sonst.
Wenn ich nicht gewusst hätte, dass der Name dieser Combo "Das Scheit" lautete, hätte ich die Jungens wahrscheinlich für Marilyn Mason gehalten - allerdings erst, nachdem ich festgestellt hatte, dass es sich beim Opener anscheinend doch um eine Eigenkomposition und nicht für ein Cover von The Cure's "Fascination Street" handeln sollte - denn genau so sahen sie aus, und genauso klangen sie auch. Als dann der Manson-Verschnitt auch noch anfing, unkontrolliert "Shoot, shoot, shoot, motherfucka!" ins Mikrophon zu brüllen, waren die Jungens eigentlich schon fast untendurch. Ich beobachtete derweil meine Umgebung, vor allem die drei Backstagepassträger, mit denen sich mein Tischaufpasser vorher unterhalten hatte - zwei Jungs mit etwas wirren Frisuren und ein Mädel, dass aussah wie eine Kreuzung aus Ville Valo, Alexi Laiho und Avril Lavigne (Was wohl hauptsächlich am Make-Up, den blondierten Haaren und der schwarzen Wollmütze lag,) und einen Schmetterling auf den linken Oberarm tätowiert hatte. (Kommentar aus dem Off: Falls Soul Relic, was wohl nicht abwegig ist, bald die neue finnische Gothic Rock-Sensation sind, wird jeder, der diese Stelle liest, sofort wissen, dass es sich bei jenem Mädel um Sänger Tommy Suomala handelt und einen mittelgroßen Lachanfall bekommen, aber da wir heute den ersten April 2005 schreiben und Soul Relic gerade mal seit 1 1/2 Monaten einen Plattenvertrag - natürlich bei Spinefarm - haben, wird man mir meine Gedanken wohl gnädigerweise verzeihen - im Übrigen hielt ich die Jungs aufgrund eines Fehlers auf der Titanic City-Homepage zu diesem Zeitpunkt noch für Franzosen.), wurde dabei allerdings von einem Mädel in schwarz abgelenkt, dass im Vorbeilaufen sein Wasser auf meinem Tisch abstellte und sich in Richtung Klo begab. Von dort wiedergekehrt, machte sie es sich an meinem Tisch bequem und bald bahnte sich eine Unterhaltung an. Währenddessen eroberte sich die Band auf der Bühne, die ich mittlerweile als eindeutig nicht Marilyn Manson indentifiziert hatte, als mein Blick auf den ca. 15-jährigen dauergrinsenden Drummer gefallen war, meine Gunst zurück, indem sie ohne Vorwarnung anfing, unkontrolliert mit Doublebassparts und Gitarrensoli um sich zu schmeißen. Irgendwann verließen die Jungs die Bühne und ich fühlte mich mit dem Versuch, ein Fazit zu ziehen, überfordert. Aus dem nichts erschien ein etwas mittelaltes männliches Exemplar der Spezies Gothic und verwickelte meine Tischnachbarin in ein Gespräch, in welches ich mich unverschämterweise sofort einmischte, und das mit der Zeit sogar ziemlich interessant wurde. Was ich daraus lernte, was folgendes: Es gibt auch Gothics, die eine Abneigung dagegen verspüren, zwei-Schritte-vor-zwei-Schritte-zurück zu tanzen. Was allerdingst sofort redigiert wurde: "Aber eigentlich bin ich ja auch eher ne Metallerin."
Der geneigte Leser hat ja nun schon erfahren, dass das Mädel mit dem Schmetterling eigentlich Tommy hieß - aber ich hatte davon noch keine Ahnung und erlitt einen mittleren Schock, als jenes Individuum das Mikro ergriff und mit gar unweiblicher Stimme zu trällern begann. Meine Nachbarin, die übrigens Christina hieß, war darauf schon gefasst gewesen: "Ich hab den vorher aus dem Männerklo kommen sehen." Was, wie ich ihr erklärte, nichts zu bedeuten hat, da mir ja schließlich an gleicher Stelle auch schon der Gitarrist von Impaled Nazarene aus dem Damenklo entgegengekommen ist.

Mit der Musik der fünf vermeintlichen Franzosen konnte ich mich denn relativ gut anfreunden, denn da das als Sänger entpuppte Mädel eine gute Stimme besaß und der Gitarrist, der sich im Gegensatz zu einem gewissen Lily nicht lumpen ließ und zeigte, dass er was drauf hatte, erinnerte der Sound nicht so sehr an HIM wie man hätte fürchten mögen; äußerst sympathisch fand ich auch, dass man von den Ansagen außer "fuck" nicht viel verstand... Leider bekam ich von jener musikalischen Darbietung nicht gerade viel mit, da ich (ich zitiere ungerne die Sänger von überbewerteten mittelmäßigen Folkmetalbands, aber es entspricht in diersem Fall nunmal der Wahrheit) nicht zum Spaß, sondern zum Saufen da war und, kurz nachdem ich mir nach den drei Bier und zwei Vodka Red Bull zur Abwechslung eine Goaßnmaß geholt hatte, (in der Hoffnung, mich danach vielleicht wenigstens nicht mehr komplett nüchtern zu fühlen,) mit dem Nico eine Unterhaltung über unsere Bands anzettelte, die naturgemäß etwas länger dauerte.
Zum Beginn des To/Die/For-Gigs gaben wir unseren Tisch auf und begaben uns in die erste Reihe, um den Gothics zu demonstrieren, was man unter Headbanging zu verstehen hat. Dies war zum Set der Finnen, das zu meiner Überraschung und Freude erstaunlich viele Songs vom ersten Album enthielt, auch recht gut möglich; lediglich das Outfit des Keyboarders (Samtrock, aber keine Schuhe) und die Angewohnheit sämtlicher Bandmitglieder, jeglichen Augenkontakt mit dem Publikum zu meiden (was schon eine Kunst ist, wenn man etwa 30 cm von jemandem weg am Bühnenrand kniet - der Sänger hattse doch auch net alle...), verwirrten mich etwas. Im Übrigen müssen wir dabei so toll ausgesehen haben, dass ein Repoter mit einem Fotoapparat so groß wie eine mittelgroße Videokamara vollkommen darauf verzichtete, die Band zu fotografieren und sich vollkommen darauf konzentrierte, mit einem unglaublich penetranten Blitzlicht bewaffnet unsere kleine Headbangfront einzufangen. Währendessen leisteten To/Die/For auf der Bühne - genau wie die Soundleute im Dj-Pult - gute Arbeit: alte wie neue Songs wurden fehlerfrei, gefühlvoll und doch etwas härter als auf CD präsentiert. Das ist aber leider auch alles, was sich dazu sagen lässt, denn alles in allem muss man diesen Auftritt wohl leider als zwar gut, aber irgendwie unspektakulär bezeichnen - man weiß einfach nicht, was man darüber sagen soll! Auch das Publikum trug mal wieder nicht viel zur "Spektakulärität" des ganzen bei (irgendwie kam ich mir vor, als wäre ich die einzige im Saale, die von der auftretenden Band mehr als den Namen schonmal gehört hatte), und das alles ist wohl der Grund, warum man diesen Text eher als Erlebniserzählung als als Konzertreview beschreiben kann. Allerdings war die Musik an diesem Abend auch irgendwie Nebensache.
Dementsprechend setzten die Christina und ich - nachdem ich mir noch eine Setliste besorgt und festgestellt hatte, dass die Jungens einige Songs, darunter sogar die neue Single (!), unterschlagen und das Set auf ganze 11 Songs gekürzt hatten und außerdem in Erfahrung gebracht hatte, dass besagter Reporter von der Süddeutschen (!) war ("Und was schreibst du da die ganze Zeit? Das sieht ja schon sehr journalistisch aus...") - unsere Unterhaltung fort, bis wir irgendwann bei Beziehungen, Eltern und ähnlichem Zeug landeten und es wohl besser war, dass der Türsteher uns - nachdem ich einige finnische Gesprächsfetzen aufgeschnappt hatte und sich in mir langsam der Verdacht formte, dass es sich bei Soul Relic eventuell doch nicht um Franzosen handelte, beide mit seinem Jaguar heimfuhr.