Hätte es in den 70er Jahren
zuverlässigere Verhütungsmittel gegeben, wäre ich nie geboren
worden. Mit diesem kleinen „Unfall“ im Schlafzimmer meiner Eltern begann
mein schicksalhafter Weg durch diese kalte, grausame Welt. Mein „Produktionsort“
, oder wie man es auch nennen möchte, sollte mir später noch
einmal zum Verhängnis werden. Wäre es nicht besser gewesen wenn
die Ärzte mich bei der Geburt nicht vor der Nabelschnur gerettet hätten,
die wohl irgendwie ein Eigenleben entwickelt und sich wie eine Schlange
um meinen winzigen Hals gewickelt hatte? Diese Ärzte hätten mein
qualvolles Leben schon beenden können bevor es erst richtig begonnen
hatte. Haben sie aber nicht!
Außer einem Mordanschlag
auf meine drei Jahre ältere Schwester, wobei ich versuchte ihr mit
einem Stift ein Auge auszustechen und einigen Unfällen, bei denen
ich selbst nur knapp dem Tod entkam, verlief meine Kindheit relativ undramatisch.
Dann kam die Schulzeit. in
der Grundschule hatte ich immer ziemlich gute Noten, was ja eigentlich
auch keine allzu große Herausforderung war. Bis zur Oberstufe jedoch
wurden meine Noten und meine Konzentrationsfähigkeit immer schlechter.
Ich mußte mich zahlreichen psychologischen Tests unterziehen, bis
die Ärzte endlich die Ursache meines Intelligenz-Verlustes herausfinden
konnten. Neben den vielen Kindheits-Unfällen und dem jahrelangen Alkoholkonsum,
der meine Leber schon schwer geschädigt hatte, war die Hauptursache
ein Kindheitstrauma. Durch Hypnose kam ans Licht, daß ich als Fünfjährige
meine Eltern beim Sex erwischt hatte, was ein großer Schock für
mich war, wobei mein Schicksal mal wieder an meinem „Produktionsort“ bestimmt
wurde. (Wieso hatten meine Eltern bloß so oft Sex???) Lange Zeit
verdrängte ich dieses Erlebnis, hieß es. Doch als ich in ein
Alter kam, wo ich anfing, ein eigenes Sexualleben zu entwickeln, ( das
übrigens nicht zu verachten war) erlebte ich diesen Schock wieder
und wieder in meinem Unterbewußtsein , was sich wohl irgendwie negativ
auf mein Gehirn auswirkte und diesen Intelligenz-Verlust auslöste.
Die Ärzte empfahlen mir
die sogenannte „Anfang-vom-Ende-Methode“: Ich sollte eine Therapie anfangen
und das Trinken beenden, was ich auch tat, für rekordverdächtige
drei Tage. Ich scheiterte kläglich, weil ich einfach nicht auf mein
heißgeliebtes Bier verzichten konnte. Meine Freunde hielten zu mir,
sie unterstützten mich tatkräftig – beim Trinken!
Wie nicht anders zu erwarten,
wurde ich von der Schule geworfen, weil ich nur noch betrunken am Unterricht
teilnahm und den Lehrern nicht entging, daß ich von Zeit zu Zeit
einschlief oder vom Stuhl fiel.
Erst jetzt wurde mir klar
daß ich den Traum von einer Karriere als Schriftstellerin vergessen
konnte. Das war wieder einer dieser Momente wo ich mir wünschte meine
Eltern würden in getrennten Schlafzimmern schlafen.
Meine Familie wollte bald
nichts mehr mit mir zu tun haben, meine Eltern schämten sich für
mich, obwohl doch sie an allem Schuld waren. Ich frage mich oft wie mein
Leben ohne dieses Sex-Trauma verlaufen wäre. Nachdem mich meine Erzeuger
(ich konnte sie von nun an nur noch Erzeuger nennen, weil ich mir unter
Eltern etwas anderes vorstellte) vor die Tür gesetzt hatten, bat ich
meine Freunde um Hilfe. Anfangs unterstützen sie mich noch, doch bald
hatten sie genug von mir, ich lebte nur noch auf ihre Kosten und war ständig
betrunken. Immer häufiger mußte ich auf der Straße übernachten,
mußte betteln um zu überleben, doch nur die wenigsten gaben
mir Geld. So lebte ich jahrelang. Ich haßte mein Leben mehr denn
je, dachte oft an Selbstmord. Meine Höhenangst und die Tatsache daß
mir schlecht wird wenn ich Blut sehe hielten mich jedoch davon ab. Mich
zu ertränken schloß ich sowieso aus, weil ich im Fernsehen gesehen
hatte, daß Ertrinken eine sehr qualvolle Art ist, zu sterben. Erhängen
konnte ich mich nicht, da ich kein geeignetes Seil hatte. Viel weiß
ich von dieser Zeit nicht, ich war in einem Zustand den man „Dauer-Filmriß“
nennen könnte. Es gibt viele Dinge auf der Welt, die ich mir nicht
erklären kann, eines davon ist woher ich das ganze Geld für den
Alkohol hatte, es muß eine ganze Menge Alkohol gewesen sein, wenn
ich mich an mehrere Jahre nicht mehr erinnern kann.
Irgendwie muß es doch
so etwas wie einen Schutzengel geben, obwohl ich eigentlich nicht an solche
Sachen glaube, denn jedes Mal wenn ich kurz davor bin zu sterben, kommt
etwas dazwischen, bei meiner Geburt der Arzt, der ein Meister mit der Nabelschnur-Schere
war und nun Egon, ein alter Freund aus der Zeit bevor ich von meinem Trauma
wußte. Ich lag gerade halb erfroren auf einer Parkbank, als er vorbeikam
und mich erkannte. Er muß wohl Mitleid mit mir gehabt haben, er nahm
mich jedenfalls mit nach hause und für ein paar Wochen durfte ich
bei ihm wohnen. Ich versuchte erneut, vom Alkohol loszukommen, es fiel
mir nicht gerade leicht, doch mit Egons Hilfe schaffte ich es nach einigen
Monaten in einer Entzugsklinik. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich
glücklich zu leben. Ich bekam sogar einen Job, ich schrieb Kurzgeschichten
für eine Zeitung, wobei mir Egon natürlich ein wenig half, da
ich wegen des Intelligenz-Verlustes die Rechtschreibung nicht mehr allzu
gut beherrschte. Meine Phantasie jedoch hatte ich nicht verloren, die Leser
waren begeistert von meinen Kurzgeschichten. Bald konnte ich mir eine eigene
Wohnung leisten.
Doch vor lauter Freude über
mein neues Leben verdrängte ich den immer schlimmer werdenden Zustand
meiner vom Alkohol geschädigten Leber. Bald konnte ich diese stechenden
Schmerzen weder vor mir selbst noch vor Egon verstecken. Egon mußte
mich regelrecht zwingen mich untersuchen zu lassen. Der Arzt war geschockt
von meiner Leber. Er sagte er hätte nie zuvor eine solch kranke Leber
gesehen. Er gab mir noch drei Monate zu leben.
Heute ist mein 29. Geburtstag,
ich liege hier (wie sollte es auch anders sein) in meinem Schlafzimmer
und zähle die letzten stunden meines kurzen Lebens, bald ist meine
Todesfrist abgelaufen. Wieso muß ich ausgerechnet jetzt sterben,
wo ich so glücklich bin, ich hab tolle Freunde, einen tollen Job,
noch dazu ein Angebot für die Verfilmung meines Lebens. Ich bin noch
dabei darüber nachzudenken. Ich glaub ich werde es machen, dann hatte
mein Leben wenigstens einen Sinn, wenn sich andere Menschen daran erfreuen.
Sie haben mir vorgeschlagen, meinen Tod live zu filmen. Das ist zwar irgendwie
sehr makaber aber ich glaube auch das werde ich tun. Natürlich für
sehr viel Geld und das wird Egon dann nach meinem Tod an alle Obdachlosen
der Stadt verteilen. Also ihr Obdachlosen, freut euch, daß Verhütungsmittel
doch noch manchmal versagen!
Anmerkung der Autorin:
Rechtschreibfehler etc. sind absichtlich
eingebaut, um die authentische Wirkung zu verstärken.