Die Höhle Los Casares: Beitrag zum Erläutern von Gravierungen aus dem Jungpaläolithikum

- Andrés Acosta González (Doktor der Geschichte) & José Manuel Molinero Barroso (Fotograf)

Vorwort

Dieser Beitrag befasst sich mit der Untersuchung eines Ausschnitts einer größeren Gravierung, die sich in einem der größten Räume der Höhle Los Casares befindet. Von dem großen Archäologen Juan Cabré Aguiló, der diese Gravierungen erstmals beschrieb, wurde dieser Teil der Höhle als "Raum A" bezeichnet und wir werden diese Bezeichnung beibehalten. Dieser Raum A ist der erste große Raum der Höhle und liegt 55 m vom Eingang entfernt.
Für die paläolithische Kunst ist die Höhle Los Casares aus folgenden Gründen bemerkenswert: ihre Lage im Inneren der iberischen Halbinsel (Riba de Saelices, Provinz Guadalajara), die hohe Anzahl von Gravierungen (fast 200 Menschen-, Tier- und Zeichendarstellungen), eine sehr geringe Anzahl von Malereien, die relativ große Anzahl von Menschendarstellungen sowie die zoologische, stilistische und chronologische Vielfalt dieser künstlerischen Darstellungen aus verschiedenen Stufen des Jungpaläolithikums.

Die an weiteren Aspekten dieser Höhle interessierten Leser weisen wir auf die Bibliographie am Ende dieses Artikels hin, in der geologische, geographische, paläontologische, archäologische und künstlerische Informationen enthalten sind.
Trotz der Vielzahl an Veröffentlichungen zu dieser Höhle sind wir der Ansicht, dass eine umfassende wissenschaftliche Auswertung dieser Gravierungen erst am Anfang steht und noch viel Aufwand erfordert.

Die von uns interpretierten Szenenfolgen beruhen auf den Durchzeichnungen von Juan Cabré Aguiló und seiner Tochter Ma Encarnación Cabré Herreros. Diese Durchzeichnungen stellen trotz ihres Alters noch heute am besten dar, was unsere Augen in den vielfältigen Arbeitssitzungen vor Ort erfassen konnten.
Das Teilstück des Wandreliefs, das wir mit der größtmöglichen objektiven Genauigkeit beschreiben werden, besteht - von links nach rechts gesehen - aus den folgenden Abschnitten:

1) Einer männlichen und weiblichen Person, jeweils mit ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen.

2) Zwei Elephas. Der von vorne " mit deutlich geringerer Behaarung.

3) Dem tierischen Kopf eines scheinbaren Anthropomorphs mit unklarer Bedeutung.

4) Einer dickbäuchigen Menschendarstellung (Anthropomorph) mit aufzeigendem Arm, die einen Equiden (vermutlich eine Stute auf Grund des gewölbten Bauches) überlagert. Durch schräge Striche sind beide Figuren verknüpft bzw. es scheint ein Zusammenhang hergestellt zu werden.
In diesem Abschnitt ist noch eine große Vulva am Rücken des Anthropomorphs sowie ein weiterer kleiner Anthropomorph in der Vulvenzone des ersteren sowie ein Fisch zu erkennen.
Diese zusammenhängende Gravierungsgruppe befindet sich in einem Raum mit einer maximalen Höhe von 2,50 m und einer maximalen Breite von 4,70 m. Die Zone mit dieser Gravierung befindet sich in dem verengenden Zugangsbereich zu den restlichen Räumen der Höhle. Der Boden ist hier glatt und fast waagrecht, er ist noch nicht von Sickerwasser angegriffen, das im Eingangsbereich immer häufiger auftritt.
Diese Szenenfolge befindet sich in einer langen, welligen Wand, ist aber an vielen Stellen durch Ablösungen unterbrochen. Diese Ablösungen lagen vermutlich teilweise bereits vor Beginn der Gravierungen vor, sind aber auch noch danach aufgetreten. Die Oberfläche dieser Ablösungen weist eine gewisse Härte auf, die Textur ist schuppig und lässt Spalten erkennen.
In diesem Raum gibt es einen ähnlichen Bereich mit gleicher Struktur, wo diese Szenenfolge auch hätte angelegt werden können. Dieser in der selben Wand weiter rechts befindliche Bereich ist jedoch von Szenen mit Menschendarstellungen belegt, die als eine Fortsetzung "unserer Gruppe" angesehen werden könnte. Zu dieser Betrachtung bedarf es noch einer sorgfältigen Beweisführung, zu der wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht in der Lage sind.
Zwei Umstände unterbrechen den Zusammenhang zwischen beiden Gravierungsgruppen:
Der erste und weniger wichtige Punkt liegt in der starken Unebenheit und rauen Struktur der Wand, die Gruppe ist hier an einer tiefer liegenden Stelle graviert.
Der zweite Punkt hat semantischen Charakter; diese Szenen zeigen Personen am Wasser (ein Anthropomorph stürzt sich in See- oder Flusswasser, und rechts daneben sehen wir drei weitere aufgerichtete Anthropomorphen, die sich in das Wasser begeben beziehungsweise aus dem Wasser heraustreten.
Beide Szenen enthalten auch eine Anzahl von Fischen.
Es gibt jedoch auch Gründe, die einen möglichen Zusammenhang der einzelnen Darstellungen ableiten lassen und womit die ganze Gravierungs-Wandfüllung eine zusammenhängende Bedeutung hätte:
Der erste Grund stützt sich auf die Beleuchtung. Wenn man die Lichtquelle an einem bestimmten Punkt (zentral und einige Meter entfernt) postiert, kann man die fünf Szenen gleichzeitig sehen. Es hat den Anschein, als ob sie zu einem Polyptychon gehörten. Dies ist eine sehr seltene Erscheinung bei paläolithischen Gravierungen, wie dem gut unterrichteten Leser sicher bekannt ist.
Der zweite Grund liegt in der Art der Strichausführung. Sie ist vollkommen identisch mit der Art der Gravierung der anderen nachfolgend beschriebenen Szenen.


2. Untersuchung der ersten Gravierungsgruppe

Da der Schwerpunkt dieser Arbeit in der technischen Untersuchung der Gravierungen liegt und weniger in der Beschreibung der Motive, ist es nicht entscheidend, in welcher Reihenfolge wir mit der Untersuchung anfangen.
Wir beginnen links mit der Untersuchung der beiden Menschendarstellungen. Man kann sie recht gut in der ersten Abbildung erkennen. Diese zwei Menschendarstellungen weisen folgende äußerliche Wesenszüge auf:
Der linke Anthropomorph hat ein stark ausgebildetes Gesäß. Gesichts- und Kopfkonturen sind sehr schematisch dargestellt, ähnlich wie bei den anderen Menschendarstellungen der Wasserszene in der Wandfortsetzung rechts in Richtung zum Inneren der Höhle. Dieser Anthropomorph erhebt einen Arm und berührt dabei den flügelförmigen Arm des anderen Anthropomorphs.
Der rechte der beiden Anthropomorphen ist in einer höheren Position eingeritzt. Er besitzt einen tierförmigen, vogelähnlichen Kopf und einen flügelförmigen Arm. Der restliche Körper weist menschliche Konturen auf.
In der Mitte beider Menschendarstellungen und von den Leisten des rechten Anthropomorphs ausgehend, befindet sich ein Zeichnungsdetail, das von einigen als ein riesiger Penis oder von anderen als eine fischförmige Darstellung interpretiert wurde.
Es erforderte viel Zeit, um den richtigen Beleuchtungspunkt zu finden. Wenn wir nur diese beiden Menschendarstellungen sehen wollen, gibt es verschiedene mögliche Positionen für die Lichtquelle. Die beste befindet sich in Höhe des "Elephas"-Auges und 10-15 cm von der Wand entfernt. Als wir jedoch an einem anderen Tag beide "Elephas" sorgfältig untersuchten, zeigte sich unser Irrtum: Wenn man die Lichtquelle an der rechten Seite der "Elephas" platziert, sieht man sehr klar alle fünf Darstellungen (beide Anthropomorphen, den Penis (oder die fischförmige Figur) und beide "Elephas".
Beide Anthropomorphen erscheinen recht vollständig, mit Ausnahme der fehlenden Beine und Füße, was allerdings in allen Menschen- und Tierdarstellungen dieser Höhle der Fall ist. In diesem Zusammenhang sollte man auch Fehlstellen nicht unerwähnt lassen, die auf Grund von Felsabplatzungen vorhanden sind. Die Beschädigungen haben im Laufe der Zeit offensichtlich zugenommen und sind kritisch in einigen Bereichen, in denen man nunmehr die Gravierungslinien nur noch mit Schwierigkeiten verfolgen kann.
Bei den jetzt von uns untersuchten Menschendarstellungen erkennt man Ablösungen bei dem hypothetischen Phallus (oder Fisch) und im unteren Teil des weiblichen Anthropomorphs. In beiden Bereichen sind sie nach der Gravierungsausführung aufgetreten.
Diese Gruppe hat insgesamt eine Breite von 27 cm (vom Hals des linken Anthropomorphs bis zum Rücken des rechten) und eine Höhe von 50 cm. Der Abstand vom unteren Teil der Gruppe bis zum Boden beträgt 1,40 m. Die im Profil dargestellte nächste Figur ist der 5 cm entfernte Elephas. Es gibt jedoch auch noch sehr feine Striche auf dem weiblichen Anthropomorph, die noch nicht ausreichend untersucht wurden; sie scheinen nicht zu dieser Szene zu gehören. Eine sorgfältige Forschung wird aber sicher dazu beitragen, diese Zweifel zu beseitigen. Andererseits überdecken unsere Darstellungen - wie fast alle Gravierungen dieser Höhle - schwache und undeutliche Striche, die auf Grund der Überlagerung schwer zu deuten sind.
Beide Anthropomorphen sind im Profil dargestellt und beide sehen nach rechts, obwohl der Körper des rechten Anthropomorphen nach links zeigt. Der Kopf ist zum Körper um 180° gedreht.

Alle diese Gestaltungsmerkmale vermitteln eine Aktivität. Es scheint, als ob das Anthropomorphenpaar sich betätigt sei, während es in Richtung des einen Elephas oder der beiden Elephas schaut.
Bei dem weiblichen Anthropomorph gibt es zwei Gravierungen, die sich als Vulven (weibliche äußere Geschlechtsmerkmale) deuten lassen (einmal auf Höhe des Phallus und einmal unten links).

Die Untersuchung der Striche hat folgendes ergeben:

1) Eine Besonderheit stellt der Phallus dar: diese Gravierungen wurden in einem einzigen Versuch durchgeführt. Man erkennt keine Korrekturen. Im Phallus selbst ist die Linienführung nicht so klar, mögliche Korrekturen vermischen sich mit Beschädigungen, da die Wand hier nicht von allzu fester Konsistenz ist.

2) Die Rillen sind mit 2-3 mm nicht sehr breit: In bestimmten Bereichen sind sie tiefer als breit. Es gibt keine Neigung der Rillenwand. Alles deutet auf den Gebrauch eines Silexmessers als Werkzeug hin.

3) Die meisten der Striche sind lang und in einem Zug von unten nach oben beziehungsweise von rechts nach links einschließlich der Rundungen und Richtungsänderungen ausgeführt.

Jede Linie ist in einem einzigen Zug ausgeführt. Die Einritzungen sind Einzellinien, klar, sauber und fest.

4) Diese Gravierungen haben im wesentlichen eine linienförmige und nie eine malerische Bestimmung. Die Wandstruktur wird nicht in die Figurengestaltung mit einbezogen. Nur manchmal werden natürliche Spalten verwendet, die die Linien dann erweitern. Im Innern der Figuren wird nur das Wesentliche graviert: in den Menschendarstellungen die Augen und im Phallus die Eichel. Die restlichen Striche sind entweder natürliche Spalten oder Reste vorheriger Gravierungen. Beim Vergleich der Durchzeichnungen mit den vorgefundenen Darstellungen erkennen wir, dass einige dieser früheren Striche nicht sehr deutlich durchgezeichnet wurden. Dies stellt jedoch absolut keine Abwertung der von Cabré erbrachten Leistung dar, er war der erste, der unter schwierigen Bedingungen und mit anderen technischen Voraussetzungen eine große Anzahl von Untersuchungen durchführte. Er selbst berichtet über diese Schwierigkeiten in einem seiner ausgezeichneten Werke. Wir untersuchen nun seit mehr als zwei Jahren diese Höhle, und bei jeder neuen Begehung finden wir weitere Striche oder erkennen Fehler, die uns bei vorherigen Besuchen unterlaufen sind. Ein stetes Problemfeld sind Strichüberlagerungen. Vermutlich sind sie bei einigen Gravierungen chronologisch anders zu datieren. In anderen Fällen sind sie jedoch im selben Zeitrahmen ausgeführt, was man anhand der technischen und künstlerischen Ausführung erklären könnte. In Los Casares gibt es sehr viele Überlagerungen.

5) Der optimale Punkt für die Lichtquelle, um diese Szene am besten auszuleuchten, liegt 15 cm entfernt auf Augenhöhe des im Profil dargestellten Elephas.

3. Untersuchung der zweiten Figurengruppe

Darstellungen von Elephas sind selten in der paläolithischen Wandkunst der iberischen Halbinsel. In dieser Höhle haben wir jedoch zwei "Elephas". Im linken Bereich dieser Szene sehen wir die Gravierung eines "Elephas" im Profil, der nach links blickt.
Unsere erste Annahme war, dass es sich um einen "Elephas" mit glatter, annähernd unbehaarter Haut handelt (Elephas antiquus), aber ein zweiter Blick zeigte, dass auch hier ein Mammut dargestellt ist. Rechts ist ein Kopf eines Wollmammuts (Elephas primigenius) frontal dargestellt. Beide Tiere sind offensichtlich von verschiedenen Künstlern graviert worden und vielleicht auch mit verschiedenen Absichten. Beide Figuren erwecken den Anschein, als wären sie bewusst überlagert graviert worden. Wir werden beide Figuren zusammen untersuchen, sie zunächst aber nicht als Bestandteil einer gemeinsamen Szene betrachten.
Beide Mammuts sind von verschiedenen Lichtquellen aus graviert worden. Das im Profil dargestellte Mammut kann man von allen Seiten klar sehen. Um jedoch das Wollmammut gut erkennen zu können, muss man es von rechts und etwas von unten her beleuchten.
Die Darstellung des Seitenprofil-Mammuts ist nicht vollständig. Dies könnte in der künstlerischen Freiheit begründet sein oder aber auch daran liegen, dass der Kopf des Wollmammuts die hinteren Partien des anderen Mammuts überdeckt. Wir vermuten, dass die Profildarstellung einer älteren Epoche zuzuordnen ist, vor allem deshalb, weil die Gravierung des Wollmammuts die anderen Einkerbungen klar überlagern; des weiteren ist die Strichführung unterschiedlich.
Das Profil-Mammut weist Einritzungen auf, wie sie an anderen Gravierungen in der Höhle wiederholt vorkommen, so zum Beispiel an den Eselsköpfchen in der Nähe des Raumes C. Auch sind folgende Ausführungsmerkmale beachtenswert: Die Breite der Vertiefung und die Neigung der Rillenwand entsprechen den Ausführungen bei dem Vielfraß und dem Nashorn im Raum C, was auch eindeutig von Cabré registriert wurde. Dies trifft jedoch nicht für die ganze Gravierung zu.
Im Rückenbereich des im Profil dargestellten Mammuts erkennen wir Patinaablagerungen.
Patina und Ausführungsart der Einkerbung des Profil-Mammuts gleichen der Gravierung des rechts vom Mammut aufragenden Anthropomorphs. Vermutlich wurde die gleiche Werkzeugart für beide Darstellungen verwendet. Diesen Anthropomorph werden wir in der dritten Untersuchung analysieren. Wenn man die Lichtquelle 1/2 m niedriger, in Wandnähe und mittig zwischen dem Profil-Mammut und diesem Anthropomorphenkopf platziert, kann man gleichzeitig beide Gravierungen gut erkennen, jedoch kaum den Kopf des frontal dargestellten Wollmammuts, obwohl er sich zwischen beiden Figuren befindet. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass das Wollmammut zeitlich anders einzuordnen ist.
Die gesamte Oberfläche der Bildszene weist Beschädigungen auf. Trotzdem erkennt man bei geeigneter Beleuchtung und richtiger Platzierung beide Mammuts vollständig und gut.
Beide Mammuts befinden sich auf der selben Höhe. Der Abstand von den niedrigsten Strichen dieser Gravierungen bis zum Boden beträgt 1,60 m. Das Profil-Mammut hat eine Breite von 16 cm (einschließlich Rücken), eine Kopfbreite von 6 cm und eine Höhe von 32 cm. Das Wollmammut ist 15 cm breit (nur der Kopf, ohne Stoßzähne) und hat eine Höhe von 27 cm. Der linke Stoßzahn dieses Mammuts reicht bis unterhalb des Bauchs des linken Anthropomorphs aus unserer ersten untersuchten Darstellung. Dieser Stoßzahn hat eine Länge von 42 cm. Der rechte Stoßzahn reicht vom Wollmammut ausgehend bis in die vierte Darstellung des "dickbäuchigen" Anthropomorphs einschließlich Stute, ohne diese Figuren jedoch zu berühren. Die Länge des rechten Stoßzahns beträgt 34 cm.
Das Erkennen des Wollmammuts ist der "Schlüssel" zu dieser Szene. Dieses Mammut befindet sich im Zentrum. Der Abstand zum linken Anthropomorphenpaar beträgt 28 cm und zur rechten Stutenhinterhand ungefähr 30 cm. Diese drei Darstellungen (Anthropomorphenpaar, Wollmammut und dickbäuchiger Anthropomorph mit Stute) sind alle auf der selben waagerechten Linie und vom Boden fast gleich weit entfernt (jeweilige Abstände von Unterkante Boden: 1,40 m, 1,60 m und 1,55 m). Diese Gruppe ergibt ein insgesamt harmonisches Bild. Die Abstände sind ausgewogen.
Das Wollmammut wurde als Maske nur von Cabré (1934) und von Jordá (1983) identifiziert. Wir stimmen mit dieser Meinung überein aus Gründen, die wir später erklären werden. Zuvor möchten wir aber unser Erstaunen darüber ausdrücken, dass diese Betrachtung in keiner der Studien über die Anthropomorphen der Höhle oder über die Höhle Los Casares erwähnt wurde. Cabré wagte diese Betrachtung 1940 nicht zu wiederholen. Als Grund hierfür könnte der damals herrschende Nationalkatholizismus und die damit einhergehende Auslegung dieser Anschauung sein. In Ripolls Arbeit über Anthropomorphen in spanischen Höhlen ist nichts darüber erwähnt. Auch Ucko und Rosenfeld kommentieren diesen Aspekt nicht in ihrer ausführlichen Berichterstattung während des Santander-Symposiums. Dasselbe gilt für Delporte, Graziosi und andere Forscher.
Der frontal dargestellte Mammutkopf entspricht in Umfang und Volumen einem Menschenkopf. Die Kontur gleicht einem menschlichen Schädel. Die Augen dieser Figur sind wie in einem menschlichen Gesicht angeordnet. Die Stoßzähne sind so ausgerichtet wie es der Künstler wünscht und nicht wie sie anatomisch bei einem Mammut angeordnet sind. Dies alles deutet auf eine Maske hin.
Die Auslegung Deutung von Jordá ist die bislang tiefgründigste. Er spricht von einer "Mammut-Maske", also einem Wesen mit Mammuteigenschaften.
Die Untersuchung der Rillenstriche hat folgendes ergeben:

1) Beide Mammuts wurden jeweils in einem einzigen Ansatz vom Künstler erschaffen. Es sind keine Korrekturen zu erkennen.

2) Die Rillen sind beim Wollmammut nicht sehr breit (die meisten zwischen 2 und 3 mm, andere bis 4 mm), bei dem Profil-Mammut sind sie ein wenig breiter (sie schwanken zwischen 2 mm beim Rücken und 5 mm beim Schädelumriss). Sie sind bei dem im Profil dargestellten Mammut tiefer eingeritzt als bei dem Wollmammut. Die gravierte Rille lässt keine Neigung erkennen. Alles deutet darauf hin, dass als Werkzeug ein Pfriem benutzt wurde.

3) Der linke Stoßzahn des Mammuts ist mit gestichelten Doppelstrichen ausgeführt.

4) Die Wollbehaarung des Mammuts ist mit Doppel- und Dreifachstrichen ausgeführt.

5) Die Strichführung ist sauber und sicher.

6) Für die äußeren Umrisse des im Profil dargestellten Mammuts folgt der Künstler zum Teil den im Gestein vorhandenen Felsstrukturen.

7) Die Strichzeichnungen sind in einigen Bereichen des Wollmammuts verwaschen, vor allem auch im Bereich des Schädelumrisses verschwommen, vermutlich wegen der zuvor bereits beschriebenen Beschädigungen der Felsoberfläche.


4. Kurze Beschreibung der dritten Darstellung

Diese Ausführungsart dieser Gravur (Figur mit markantem Kopf) ähnelt der Strichausführung des im Profil gravierten Mammuts. Die Darstellung glänzt, wenn sich die Lichtquelle in der für das Mammut optimalen Position befindet. Die restlichen Figuren der Gruppe sind dann jedoch kaum erkennbar.
Der obere Teil der Figur zeigt deutlich den Gesichtsumfang mit Auge, Ohr und Mund. Der stark ausgebildete Kopf mit tierförmiger Kontur ist in der Höhle in ähnlicher Form an noch weiteren Stellen zu finden:
bei einem großen, sitzenden Anthropomorph in der entgegengesetzten Wand des selben Raums
bei einem anscheinend reitenden Anthropomorph, ebenfalls in der entgegengesetzten Wand.
bei einem Anthropomorph mit großem Penis, der sich hinter dem als "Hexenmeister mit unheimlicher Maske" bezeichneten Anthropomorph in einer natürlichen Mauernische des Raumes C befindet.
Der untere Teil der Figur wurde von Jordá als ein Phallus bezeichnet, wir haben aber nur eine Fortsetzung des Striches nach rechts gesehen, die diese Figur dem sogenannten sitzenden Anthropomorph näher bringt.
Diese Figur könnte zu einer früheren Epoche gehören und wurde möglicherweise von den späteren Künstlern verehrt, was in paläolithischen Gravierungen häufig zu sehen ist.


5. Untersuchung der vierten Gruppe

Diese komplexe Gruppe besteht aus:
einem dickbäuchigen Anthropomorph mit erhobenem Arm,
einer (vermutlichen) Stute, die mit dem Anthropomorph überlappend dargestellt ist,
einer großen Vulva im Rückenbereich des Anthropomorphs,
einem kleinen Anthropomorph in umgekehrter Stellung, der seinen Ursprung in der Vulvazone des dickbäuchigen Anthropomorphs hat.
einem Fisch in einer kleinen Mauernische unter den anderen genannten Figuren.
Die Hinterhand der Stute ist 30 cm von dem Wollmammut entfernt. Eine solche Nähe lässt vermuten, dass die Platzauswahl nicht zufällig war. So werden fast 100% der verfügbaren Oberfläche für diese Szenendarstellung verwendet.
Die Figurengruppe beginnt ab 1,55 m oberhalb des Höhlenbodens. Sie ist 40 cm lang und 40 cm breit.
Wie auch bei dem Anthropomorphenpaar und dem Wollmammut liegt der Beleuchtungspunkt 30 cm von der Wand entfernt und an der rechten Seite der Figur, in diesem Fall im Bereich des Stutenvorderbeins.
Die Gravierung weist insgesamt eine sehr große Beschädigung auf: zwischen 30% und 40% der Oberfläche sind betroffen. Der obere Teil des Anthropomorphs und die Mähne der Stute kann man kaum erkennen. Der untere Teil der Figur ist unvollständig in der Ausführung, da eine Felsabkantung in der Wand den Künstler behinderte.
Eine gemeinsame Darstellung von Anthropomorph-Equiden kann man nochmals in der Höhle Los Casares in der gegenüberliegenden Wand des selben Raumes finden sowie auch in der Höhle La Griega. In Altamira gibt es Anthropomorphen in ähnlicher Stellung (mit erhobenen Armen), die auch (zufälligerweise?) im Profil und nach rechts schauend dargestellt sind.
Von dem Anthropomorph erkennt man den Schädel (sehr schwach), Augen, Hals (sehr schwach), Arm, Bauch (für die Bauchwölbung wurde der hervortretende Fels von dem Künstler in die Gravierung eingebunden), Beine, Gesäß, Oberschenkel und Rücken.
Von der Stute erkennt man den Stirnschopf, Kamm, Mähne, Maul, Kopf mit Stirn, Ohren, untere Lefze, Lefzenfurche, Kinnbacken, Auge, Hals, Brust, Rücken, Weichen, Kruppe, Bauch, Schwanz, Vorderbeine, Hinterhand mit Hinterbacken, Oberschenkel, Bein- und Sprunggelenk.
Die Untersuchung der Striche hat folgendes ergeben:

1) Man erkennt verschiedene Ansätze in der Strichführung, allerdings nur bei dem Zusammentreffen der Striche zwischen dem Gesäß des Anthropomorphs und dem Bauch der Stute. Dies hindert nicht daran, um folgendes klar zu erkennen:

a) Die Patina in den Gravierungsrillen der Stute wie auch die in der Gravierung des Anthropomorphs sind in diesem Bereich identisch.

b) Beide Rillen haben die gleiche Breite, die gleiche Tiefe und die gleiche Rillen-Wandneigung.

c) Es gibt eine kleine Strecke, die mit den zuvor genannten Merkmalen eine eindeutige Gemeinsamkeit aufweist. Diese gemeinsame Strecke ist unser wichtigstes Indiz für den Beweis der Kontinuität
2) Die restlichen Rillen sind als Einzelstriche ausgeführt, sauber und in eindeutiger Linienführung.

3) Der Unterschied zwischen der Patina im Inneren der Rillen und der Patina auf der umgebenden Wand ist gering und trifft fast für die ganze Silhouette zu, vor allem im oberen Teil der Figur, was auf die gewölbte Wand in diesem Bereich zurückgeführt werden könnte.

4) Die Rillenbreite schwankt zwischen 2 und 3 mm.

5) Die Rillentiefe ist gering. In manchen Bereichen (z.B. dem Anthropomorphkopf) hat man große Mühe, die Linienführung zu verfolgen.

6) Es gibt kaum schräge Schnitte. Das benutzte Werkzeug könnte in diesem Fall ein Stock oder ein Knochenstück gewesen sein.

7) Der verschwommene, verwaschene Strich herrscht gegenüber dem sauberen vor; dies müsste aber detaillierter untersucht werden, da großflächige Beschädigungen auf dieser Oberfläche vorhanden sind. Außer dem dickbäuchigen Anthropomorph und der Stute sind folgende zusätzliche Gravierungen in diese Gruppe zu erkennen:
Parallele Linien, die schräg laufend die Figuren vom oberen Teil des Anthropomorph-Bauches bis zum Stutenhals durchkreuzen. Diese Linien, die eine sehr dichte und dunkle Patina im Inneren aufweisen, könnten älteren Ursprungs sein.
Eine Figur mit ovaler Form am Rücken des Anthropomorphs. Die Rückenlinie des Anthropomorphs teilt diese Figur, und es erscheint die typische Form der gravierten und gemalten Vulven, wie sie häufig in der paläolithischen Kunst zu sehen sind.
Während einer unserer häufigen Begehungen der Höhle, bei der wir mit Freunden diese Gravierungsgruppe sorgfältig untersuchten, konnten wir eine äußerst kleine Figur in der Vulvazone des dickbäuchigen Anthropomorphs erkennen: die Kontur eines kleinen Anthropomorphs in umgekehrter Stellung. Diese Behauptung erfordert aber eine intensivere und sorgfältigere Untersuchung, auch weil das Innere dieser kleinen Figur rot erscheint; es könnte auch von einer natürlichen Beschädigung der Wand von einer späteren Epoche herrühren.
Ein waagrechter Fisch, der in einer kleinen Mauernische unter allen anderen Figuren graviert ist. In der Höhle gibt es sehr viele Gravierungen, die Fische darstellen, insbesondere in den genannten Wasserszenen, im rechten Teil der selben Wand.
Wir meinen daher, dass es auch eine Beziehung zu Dingen geben kann, die sich nicht auf den alleinigen Zweck des Fisches als Nahrungsaufnahme beschränken. Diese Interpretationen sind allerdings nicht das Ziel dieser Arbeit.


6. Schlussfolgerungen

1) Die untersuchte Gravierungsfolge besteht aus drei laufenden Szenen innerhalb einer sehr komplexen Wandfüllung. Die genannten Szenen dieser Wandfüllung überlagern zwei andere Gravierungen verschiedenen Ursprungs und wahrscheinlich auch aus verschiedenen Epochen. Nach den drei genannten Szenen gibt es zwei weitere mit anderem Inhalt, aber gleichen Ursprungs wie die drei untersuchten Szenen. Weitere Forschungen werden uns zusätzliche Aufschlüsse bringen.

2) Es gibt zwei Beleuchtungspunkte, einen nahe bei der Wand und einen weiter entfernten, von dem aus man die drei untersuchten Szenen (Anthroporphenpaar + Phallus; Mammutmaske; dickbäuchiger Anthropomorp + Vulva, die einen Equiden überlagern) als vollständige Einheit betrachten kann.

3) Die Rillenausführung ist in den drei Szenen ähnlich. Es herrschen die langen und vollen Linien von oben nach unten vor sowie von rechts nach links. Die Rillen sind fest, sicher und sauber in allen drei Gravierungsgruppen.

4) Die Breite und die Tiefe der Einkerbungen sind in den drei Gravierungsgruppen identisch. Die Rillenwand ist ohne Neigung.

5) Die Gesamtheit der Darstellung zeichnet sich durch eine große stilistische Harmonie aus.

6) Die Stoßzähne der Mammutmaske scheinen der Gesamtheit der Darstellung den ikonologischen Sinn zu geben.

Abbildung:
Stobzahn 1º Stobzahn 2º


leichte Drehung
der Gesamtheit.

7) Alle Figuren blicken nach rechts, eine Ausnahme bildet lediglich die Mammutmaske und das im Profil dargestellte Mammut. Allerdings ist auch hier eine leichte Rechts-Orientierung erkennbar.

8) Die Größe der Vulva, die sich am Rücken des dickbäuchigen Anthropomorphs befindet, entspricht der Größe des Phallus bei dem Anthropomorphenpaar. Beide Gravierungen (Vulva und Phallus) befinden sich auf der selben waagrechten Linie.

9) Der linke Stoßzahn der Mammutmaske zielt auf die Vulvenzone des Anthropomorps mit dem ausgeprägten Gesäß.

10) Der Bauch des Equiden findet seine Fortsetzung in dem Hinterteil des dickbäuchigen Anthropomorphs. Dieses Ineinanderlaufen der Gravur zu gemeinsamen Bildlinien hat möglicherweise eine symbolische Bedeutung.

11) Wir möchten diesen Artikel mit dem Schlusssatz beenden: Die drei untersuchten Szenen haben eine linguistisch-förmliche Beziehung mit einem semantischen Rhythmus von links nach rechts. Da wir noch nicht den "Rosetta-Stein" für die richtige Übersetzung haben, lassen wir jedem die Freiheit, diese Gravierungen auszulegen.



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