DANIEL
GLATTAUER
Böse
Pazifisten!
Seit dem 11.
September gewöhnen wir uns europaweit an die inhaltliche Umkehrung
von Begriffen. Ein Pazifist ist heute einer (meistens eine,
aber lassen wir die weibliche Form, die hat hier nichts zu suchen),
der nicht verstanden hat, was geschehen ist. Oft ist ein Pazifist
ein Antiamerikanist, was seine böse Absicht beim
Nichtverstehen unterstreicht.
Ein Terrorist
ist dreierlei: einer, der es ist. Einer, der nichts dagegen tut,
sich also mitschuldig macht (z. B. ein Pazifist). Und irrtümlich
auch einer, der unglücklich daneben steht, wenn ein Geschoß einen
echten Terroristen nur knapp verfehlt (z. B. ein Afghane).
Die bösartigste
Form westlicher Realitätsverweigerung tritt im so genannten Radikalpazifisten
zutage. Das ist ein skrupelloser Mensch, dem jedes Mittel
recht ist, um keinen Krieg zu haben. Mit fundigrünem Geschrei
stemmt er sich der Gerechtigkeit (eines langsam wieder steigenden
Dow Jones) entgegen. Was den Radikalpazifisten so unberechenbar
macht: Er kann in jedem von uns stecken. Oft ist er eine ganz gewöhnliche
deutsche Mutter, die nicht will, dass ihr Kind oder ihr Mann für
die Nato in Afghanistan unglücklich daneben steht, wenn ein Geschoß
einen echten Terroristen nur knapp verfehlt.
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DER STANDARD, 30. November 2001
TIPP:
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