Wie passend. Du kämpfst wie eine Kuh.

- Guybrush Threepwood

Was ist die Operation Mindfuck?

In dem Buch 'Illuminatus, Teil 3: Leviathan' von Robert Shea und Robert Anton Wilson findet sich eine exzellente Zusammenfassung der Grundzüge der 'Operation Mindfuck':

OM wurde ursprünglich von Ho Chih Zen von der Erisischen Befreiungsbewegung ins Leben gerufen; Ho Chih Zen ist dieselbe Person, aber nicht dasselbe Individuum, wie Lord Omar Khayyam Ravenhurst, Autor von The Honest Book of Truth. Die Leitphilosophie ist ursprünglich jene von Neumann und Morgenstern in The Theory of Games und Economic Behavior vorgeschlagene: daß die einzige Strategie, die ein Gegner nicht voraussehen kann, eine Zufallsstrategie ist. Die Grundlage dazu war bereits von dem verstorbenen Malaclypse dem Jüngeren, K. S. C., gelegt worden, als er proklamierte: "Wir Diskordier müssen auseinanderhalten."
Diese radikale Dezentralisierung aller Unternehmungen der Diskordier schaffte einen eingebauten Zufallsfaktor, noch bevor die Operation Mindfuck ins Leben gerufen worden war. Bis auf den heutigen Tag weiß weder Ha Chih Zen selbst noch irgendein anderer Apostel der Diskordier mit Bestimmtheit, wer in irgendeiner Phase der Operation Mindfuck mit wem zu tun hat oder in welche Aktion sie verwickelt ist oder nicht, und das ist ein Teil des Projekts.Folglich ist der Außenstehende immer sofort Gegenstand einer Doppel-Bindung: Die einzige sichere Vermutung ist die, daß alles, was ein Diskordier tut, irgendwie in Zusammenhang mit OM steht, aber da dies zu Paranoia führt, ist es überhaupt keine "sichere" Vermutung, und die "riskante" Hypothese, daß alles, was die Diskordier tun, harmlos sei, mag auf lange Sicht vielleicht "sicherer" sein. Jeder Aspekt der OM folgt oder akzentuiert diese Doppelbindung.
OM-Projekte reichen vom Trivialen bis zum Kolossalen.
Ein Beispiel für ersteres ist ein Stempel des Dr. Mordecai Malignatus mit dem Text BERICHTE ÜBER GEISTIGE GESUNDHEIT PRÜFEN. (Dr. Malignatus hatte diesen Stempel in einer öffentlichen Nervenheil-anstalt mitgehen lassen, als niemand hinsah). Jeder Brief, den Dr. Malignatus für impertinent oder beleidigend hält - vor allem, wenn er von einer Regierungsstelle kommt -, wird mit diesem Motto abgestempelt und ungeöffnet zurückgeschickt. Dies bereitet einigen Bürokraten nicht unerhebliches Kopfzerbrechen.
Ein Beispiel für zweiteres bietet das Projekt Jake, von Harald Lord Randomfoctar ausgedacht. Ein- oder zweimal im Jahr wird ein Staatsangestellter, der sich durch mehr als allgemeinen Schwachsinn hervorgetan hat, als Zielscheibe für einen Jake ausgesucht, und alle diskordischen Ränkeschmiede werden in Alarmbereitschaft versetzt - die verschiedenen Zweige der erisischen Befreieungsbewegung eingeschlossen, die Zwölf Berühmten Seelen des Buddha, die St. Gulik Ikonastrie, der Graf der Neunen, der Taktile Tempel der Erotischen Eris, die Bruderschaft der Gelüste Christi, die Gesellschaft für Moralisches Verständnis und Training, die In-Sekte, die Goldener Apfel-Panther, die Paratheo-Anametamystikbruderschaft der Esoterischen Eris, Sam's Cafe, die Seattle Gruppe, der Geheimbund des Steinernen Drachens, die Universelle Erisische Kirche und die Jungen Amerikaner für Echten Frieden.
Am Jake-Tag erhält nun der Staatsangestellte, der geehrt werden soll, von allen diesen Organisationen Briefe, auf derern (zugegebenermaßen manchmal reichlich merkwürdig anmutendem) offiziellen Briefpapier geschrieben, in denen er in einer reichlich verzwickten politischen Angelegenheit, die jeglicher Rationalität entbehrt, um Hilfe gebeten wird. Der so geehrte Beamte kann annehmen, daß er engweder zur Zielscheibe einer Verschwörung wurde, die sich ausnahmslos aus Idioten zusammensetzt, oder daß die breite Öffentlichkeit viel erfinderischer und viel weniger borniert ist, als er bis dahin angenommen hatte.

[...]

Das Prinzip der Überreste des Toten Vogels

Die Aufgabe der diskordischen Bewegung muß es also sein, um es mit Markoff Chaney auszudrücken, immer wieder etwas Entropie in das Getriebe unserer stark aneristisch geprägten Gesellschaft zu streuen. Die Operation Mindfuck ist, wie bereits erwähnt, dazu da, als ein Zufallsfaktor in ebendieser Gesellschaft zu agieren.
Das Endziel der Diskordier ist natürlich die Errichtung einer vollkommen eristischen Gesellschaft, in der jedes Individuum dem anderen gleichgestellt ist, womit die Hierarchie außer Kraft gesetzt und das Snafu-Prinzip (siehe unten) obsolet wird.
Warum wir dieses Ziel aber nie erreichen können, ja philosophisch gesehen gar nicht erreichen dürfen, das erklärt das Prinzip der Überreste des Toten Vogels.
Eigentlich sagt dieser Name bereits alles. Wie der Leser sogleich erkennen sollte, ist die Essenz dieses Prinzipes in etwa: 'Tu soviel Unsinniges wie möglich'. Alternative bzw. ergänzende Varianten sind: 'Tue, was verwirrt, was unerwartet ist, was unlogisch bis wahnsinnig scheint, und besonders, was sinnlos ist.'
Unser Ziel ist es, der Menschheit die inhärente Sinnlosigkeit der Suche nach dem Sinn vor Augen zu führen. Allzu oft passiert es dem routinierten Diskordier (manche sind dies von Geburt an), daß er eine nach außen hin sinnlose Handlung setzt (die für ihn selbst natürlich sehr wohl Sinn macht, allerdings nicht im logischen, sondern im rein gefühlsmäßigen Sinne) und sich daraufhin mit endlosen drängenden Fragen nach dem Sinn ebendieser Aktion konfrontiert sieht - eine Erfahrung, die den philosophisch nicht in seiner eristischen Einstellung gefestigten Diskordier durchaus davon abhalten kann, bei der nächsten Gelegenheit wieder auf seinen 'Bauch' zu hören und das zu tun, was ihm - auch entgegen allen rationalen Überlegungen - instinktiv sinnvoll erscheint.
Die Operation Mindfuck nun steht mit dem Prinzip der Überreste des Toten Vogels dermaßen in Zusammen-hang, als sie dessen aktiver Ausdruck ist, das unverschämte In-die-Welt-gehen (bis -brüllen) einer geistigen Einstellung, mit dem Ziel, die Philosophie auf teils recht direkten, zumeist aber verschlungenen Wegen zu kolportieren, das Vertrauen des Einzelnen in die Rationalität der Welt und den Determinismus des Lebens zu erschüttern und ihm damit zu ganz neuen Erkenntnissen, ja vielleicht gar zur Selbstfindung zu führen.
Im Sinne der Überreste des Toten Vogels sollten also möglichst wenige Handlungen des treuen Diskordiers einen nach außen hin erkennbaren Sinn haben. Dies führt zu einigen interessanten Schlußfolgerungen, wie beispielsweise, daß das Prinzip der Überreste des Toten Vogels nie von einem Anhänger desselben erklärt werden dürfte, oder jedenfalls nicht so erklärt, daß es das jeweilige Gegenüber versteht; denn so hätte die Erklärung ja im landläufigen Sinne ihren Zweck erfüllt und damit im Sinne des Prinzips der Überreste des Toten Vogels eben ihren Zweck genau verfehlt - nämlich den, sinnlos zu sein. (Ich hoffe, Sie haben das jetzt nicht verstanden).
Auch das ist ein Vorteil des Prinzips der Überreste des Toten Vogels: Dadurch, daß es seine Anhänger wieder und wieder in Wieder-, Verzeihung, Widersprüche verwickelt, läßt es diese ebensowenig zur Ruhe kommen wie ihre Opfer und hält ihnen damit den Blick auf stets neue Sichtweisen von den Nebeln der Konformität und der Erstarrung frei.
Damit, allerdings, hat es wiederum seinen Sinn erfüllt und damit seinen Sinn verfehlt . . .

Wirklichkeit und Psychopathie

Einer der schwersten Irrtümer jeder aneristischen Philosophie (und das sind die allermeisten) ist die Annahme, es gäbe eine allgemeingültige Realität. Ja, man muß gar mit Schrecken erkennen, daß die heutige Philosophie selbst ihre Aufgabe oft allgemein als die 'Suche nach einem höheren Sinn/Gesetz/Zweck' definiert.
Sollten Sie, geneigter Leser, ebenfalls diesem Trugschluß aufgesessen sein, so erleben sie jetzt einen weiteren Schritt auf der Erleuchtungsleiter des Prinzips der Überreste des Toten Vogels, deren Sprossen ja aus Enttäuschung, Überraschung und Verwirrung bestehen.
Es gibt keine Wirklichkeit.
"Alles, was ich euch sage ist wahr.
Alles, was ich euch sage, ist unwahr.
Alles, was ich euch sage, ist unwichtig." (Hagbard Celine)
Ebensowenig wie es in der Natur keinen Sinn und Zweck gibt, sondern nur Ursache und Wirkung, so gibt es auch für den Menschen keine allgemeingültige Realität. Um es mit den unsterblichen Worten von Azi Azatoth Jr. zu sagen:
"Wir bestätigen die Existenz subjektiver Realitäten. Wir bestreiten die Wahrnehmbarkeit einer objektiven Realität." ((c) Michael Scheuch)
Wieder einmal offenbart sich hier die inhärente Sinnlosigkeit der Suche nach dem Sinn.

Es ist allerdings in aneristisch-autoritären Gesellschaften nicht möglich, dem Individuum die Freiheit einer eigenen Realität zu lassen. So werden verschiedene Hilfsmittel herangezogen, um die breite Masse in ein allgemeines Schema zu pressen, bemerkenswert darunter sind besonders die beiden (objektiv betrachtet gar nicht so entgegengesetzten) Richtungen Religion und Naturwissenschaft, die beide in vielen verschiedenen Ausprägungen auftreten.
Die Kunst bei der Auferlegung einer (in allen Fällen künstlichen) 'objektiven Realität' ist, diese Schablone gerade so weit und so eng zu fassen, daß möglichst viele der individuellen (und damit die einzig wahren) Realitäten hineinpassen, der Einzelne jedoch nur möglichst selten erkennt, daß er vermittels der Prokrustesmethode (in diesem Falle meist mit dem Euphemismus 'Sozialisation' oder - selten, da negativ behaftet - 'Indoktrination' belegt) in eine fixe Struktur gepreßt wurde. Natürlich gibt es immer Personen, die nicht und nicht mit den anderen in eine Ebene zu bringen sind; die Ausprägung derartiger 'unanpaßbarer' individueller Realitäten wird bei uns der Einfachheit halber meist mit dem Begriff 'Psychose' beschrieben.
Interessanterweise werden diese Phänomene von den gelehrten Vertretern sowohl der Religion als auch der Naturwissenschaft immer wieder mit Begeisterung studiert und im Endeffekt quasi als Begründung für die Notwendigkeit und Richtigkeit der Schablone herangezogen, so etwa nach dem (wunderbar ironischen) Merksatz 'Ausnahmen bestätigen die Regel', bzw. 'wir sind normal, weil die abnormal sind, und wir sind anders als die'.

Gesetze und Rechtsstaat

Es mag als ironische Tatsache betrachtet werden, daß gerade gelehrte Rechtskundler (die ja einen Grundpfeiler jedes autoritären Rechtssystems bilden, zusammen mit Macht und aneristischer Motivation) zum Beleg ihrer Thesen ein altes lateinisches Zitat heranziehen, bei dem jeder Kollege gehorsam nicken wird, denn es wurde ihm auf der Uni oft genug eingetrichtert. Es ist offensichtlich, daß jede Verwendung dieses Zitates in rechtskundigen Kreisen vollkommen unreflektiert geschieht, ausgerichtet allein an dem Dogma, das an der Akademie in Zusammenhang mit diesem Zitat gelehrt und durch dieses gestützt wurde:

Nullum crimem sine lege.

Und nun schließen Sie einmal für einige Sekunden die Augen und denken Sie darüber nach. Befinden Sie sich im Besitz von klassischer Bildung? Dann versuchen Sie einmal, sämtliche Assoziationen in diesem Bereich wegzuschmeißen und betrachten sie diesen Satz und seine Bedeutung praktisch von oben, im objektiven Sinne, nicht aus der Froschposition des braven, angepaßten, staats- und rechtsgläubigen Bürgers.
Alles klar?
Um die Sache noch etwas eindeutiger zu machen, kann ich diese Aussage auch noch steigern zu:

Nullum peccatum sine lege.

Fühlen Sie sich jetzt in ihrem religiösen Schuld- und Sündeverständnis angegriffen? Gut so. Aber es geht noch weiter:

Nullum malum sine lege.

Und nun lehnen Sie sich zurück, lassen Sie Ihre Wut bei den Zehen hinauströpfeln oder machen Sie ihr mit irgendeiner anstrengenden, aber harmlosen Beschäftigung Luft - und wenn Sie Ihre erste Verwirrung abgebaut haben, denken Sie weiter darüber nach.