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Die Göttin in dieser Welt

© copyright Durga, 2004, Bremen

 

 
 

Eine Gestalt sitzt da, hockt, eingehüllt in feines schwarzes Tuch. Sie hockt da, völlig gesichtslos, und birgt in diesem Tuch, ihrem Schoss, ihren Armen, die Welt, die Menschheit. Und sie, die kein Gesicht hat, schaut hernieder auf die Menschen und nimmt wahr alle Liebe, alle Hoffnung, allen Schmerz, alle Sehnsucht.

Von ihr geht Licht aus. Die ganze tief eingehüllte Gestalt strahlt Licht aus, weit erstrecken die Strahlen sich in den Raum; lauter feine und feinste Lichtfäden. Und am Ende eines jeden Fadens ruht eine Gottheit. Ich sehe sie mir an und ich sehe die, die ich liebe. Ich sehe auch die, die ich kenne, von denen ich gehört habe, und die mir noch nicht begegnet sind. Und ich sehe mir vollkommen Fremde. Auch Gottheiten in ihrer Tiergestalt bemerke ich.

Jede dieser Gottheiten sehe ich in der Gestalt, in der sie am glücklichsten ist und ich sehe sie selber in ihrem eigenen Glücklich-Sein. Jede hat ein anderes Glücklichsein und jede erstrahlt in dem ihr eigenen Entzücken. Und eine jede ruht in sich selber.

Durch die Lichtfäden, die von mir abgehen halte ich sie, sie sind ja nur Abbilder der Gottheiten, die in meinem Herzen ruhen. Und durch diese Lichtfäden halten sie auch Verbindung zu der Welt, die ich halte in meinem Arm, meinem Schoss. Und die Gefühle der Menschen kommen über die Lichtfäden zu ihnen, die Liebe träumen und Sehnsucht und Schmerz in ihrem eigenen Traum.

Ab und zu erwacht eine Gottheit - wodurch? Durch einen Ruf der Sehnsucht, durch eine eigene Entscheidung? Ich weiss es nicht. Aber sie erwacht und schreitet auf dem Lichtstrahl hin zu mir, schreitet hindurch durch mit, durch sich selber in mir und tritt vorne aus meinem Herzen wieder aus mir heraus. Jetzt ist sie vollends erwacht. Und sie sieht auch anders aus. Ihre Farbe ist anders, das Leuchten matter als zuvor, wenn es auch Menschenaugen noch blenden mag. Aber das kann sie regulieren. Und indem sie durch mich hindurch ging, wurde sie noch einmal genährt, gestärkt, trank aus mir, wurde noch einmal sie selber. Jetzt, da sie eintritt in diese Welt, halte ich sie mit dem rubinroten Faden, der sie als das erhält, was sie ist: eine Gottheit für ewig. So tritt sie ein in diese Welt, wach, entschieden, handlungsfreudig. Und sie wird Göttin sein oder Gott, wird sich hineinbegeben in Mensch, Baum, Blume oder Tier, wird sein ein Gedanke, ein Gefühl oder ein Wort (das nennen die Menschen dann Eingebung).

Und ich hocke da, sehe nicht, höre nicht, schmecke nicht, rede nicht, handle nicht und halte und nehme sie alle wahr: Menschen und Götter, meine unterschiedlichen Kinder. Weit über die Gottheiten hinaus gehen noch andere Lichtfäden. Es sind dies weniger, sie reichen so tief in den Raum, dass auch die Götter in ihrem Schlaf des Entzückens das Ende nicht sehen. Am Ende dieser, ins Dunkel des Geheimnisses reichenden Fäden liegen Wesenheiten und Welten, uns fremd, unbekannt und nur wenige von ihnen werden diese Welt jemals besuchen.
Wir sind ihnen so fremd wie sie uns.

 
 

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