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Die Knochenschwester

Gedicht von Durga

 

 
 

      Ich gehe durchs Leben,
      hab’ and der Seite die Schwester,
      das Knochengestell.
      Ich gehe durchs Leben,
      begleitet von Klappern und Ächzen
      und gehauchten Liebkosungen.
      Ich gehe durchs Leben,
      hör’ die Schwester schon nicht mehr
      vor lauter Gewöhnung,
      um dann,
      mit einem Mal,
      erschrocken stillzustehen,
      ist doch das Klappern und leise Heulen verstummt.
      Wo blieb die Schwester,
      die Gefährtin,
      die Tod-im-Leben-Frau?
      Ohne sie geh’ ich nimmer
      Zum Licht.
       

      Traue niemals dem Licht,
      dem der Schatten nicht innewohnt.
      Es trügt.
      Denn Licht gebiert Schatten
      und am Ende des Schattens ist Licht.
      Immer.
      Sie sind ein Paar.
      Und niemals traue einem ohne dem Anderen.

      Dem Leben wohnt zutiefst inne der Tod.
      Auf den Tod folgt immer das Leben.
      So lehrt uns die Erde, die Mutter.

      Das nährende, bergende, fruchtbare Element
      ist auch das der Verwesung, der Knochen,
      der Zersetzung,
      des Fressens und Gefressenwerdens ohne Erbarmen.

      Es ist das Element:
      Eines sei Nahrung dem anderen
      Und gemeinsam zum Leben geschaffen sind beide.
      Es ist das Element des Kreislaufs.

      Vielleicht gibt es das Gute 
      Und gibt es das Böse.
      In dem Fall ist es gut,
      das Gute zu suchen
      und das Böse zu meiden.

      Vielleicht gibt es beides nicht:
      Nicht wirklich das Gute und nicht das Böse.
      Vielleicht sind beide nur Täuschung,
      nur Illusion
      eines uns narrenden Gottes.

      Jetzt magst Du sagen:
      „Aber woher kommt denn dann Gute in der Welt?“
      Da antworte ich:
      „Sahst Du jemals Gutes, dass nur und einzig Güte war
      und nicht auch schon den Keim des Todes
      in sich trug?“

      Und Du magst fragen:
      „Aber woher kommt denn nur das Böse?“
      Und ich antworte dir:
      „Verdränge den Tod aus der Güte
      und das Böse wird geboren.

      Denn nicht das Grauen gebiert das Böse,
      sondern dessen Verleugnung.“
       


 
 

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