Taras Geschenk

copyright @ Durga, 2004



Ich stehe vor Tara, sehe ihre goldflammenden Augen. Und ich möchte hinein. Ich stehe davor, sehe die Schwärze und in der Mitte das goldene Feuer. Dahinein trete ich. Und es verbrennt mich. Ich schreie vor Schmerz und sehe zur selben Zeit, dass meine Haut golden wird. Also kann es nicht schlimm sein. Und es verbrennt mich, ich werde golden, das Gold-Feuer durchzieht meinen Körper, kleidet die Energiebahnen aus, stärkt und festigt sie, „stählt“ sie – so fühlt es sich an. Und die Chakren kreisen und wirbeln, wie sie es vorher noch nie taten. Ich bin ein einziges Gewirbel in unterschiedlichen Kreisen, Bahnen und Rhythmen.
Dann habe ich das Gefühl, dass sie mir eine zweite Schädelschale über die meine setzt.Wessen Schädeldecke – oder welche – es ist, weiss ich nicht.

Sie schickt mich nun fort. Weiter hinein darf ich nicht in ihre Augen reisen. Ich bin traurig, gehe aber.

Und ich höre. Ich höre Gewisper, Flüstern, Blätterrauschen, das Geräusch einer Schlange im Gras, Vogelzwitschern, Kindergeschrei, Handgranaten – alles auf einmal, aber sehr leise, und alles wird zu einem einzigen Geräusch.

Über all dem liegt, wie ein Gewölbe aus Stille, unendliche Lautlosigkeit.

Und etwas ruckelt an mit, zerrt an mir - ein Windstoss! Ich bin ein Zweiglein oder so etwas, und der Wind zerrt an mir, und zerrt und zerrt – und ich halte mich fest, so gut es geht, an meinem anderen Ende.

Und ich fliesse träge, ich gleite. Es ist dunkel. Ich bin im Inneren eines Baumes, bin Harz, Blut der Bäume, träge gleite ich hinunter, habe alle Zeit der Welt.

Und hoch über mir ragt der Wald auf. Er ist aus Halmen. Es ist Gras, jetzt riesengross, bzw. ich bin ganz niedrig darin. Eine Schlange. Ich bin eine Schlange und gleite durch die mir so vertrauten und mich bergenden Wald. Das ist Gras für mich: Bergung und Schutz - ich kenne meine Pfade darin wie mich selber. Und ich fühle mein Gleiten, bin kein Wesen, sondern nur eine einzige lange Bewegung. Dann werde ich zum Blitz. Jetzt, hier, bin ich im nächsten Moment schon woanders. Denn das bin ich auch: ein gleitender Blitz.
Fiepen..Piepsen..ganz in der Nähe..ich höre es nur sehr schwach, aber ich weiss, es sind Mäuse…und es ist ganz klar, sie sind, ausser Nahrung für mich, gar nichts. Nicht einmal Lebewesen. Sie sind Futter. Und sind es für mich.

Und über allem liegt Lautlosigkeit.

Das Rauschen wird lauter, es wird unendlich laut und ich erschrecke furchtbar – ein Affe. Ein kleines Äffchen, das erschrocken ist über den Windstoss im Blätterdach der hohen Bäume – und ich schnelle davon. Einer kleinen furchtbar ängstlichen Affenart muss ich angehören. Warum ich so erschrecke, weiss ich nicht. Ich müsste es, als Affe, gewohnt sein. Oder bin nur „ich“, erschrocken, die in dem Affen jetzt ist? Und die es noch nicht gewohnt ist, mit so feinen Ohren alles so sehr laut zu hören?

Und über allem liegt Lautlosigkeit.

Und ich gleite wieder, diesmal senkrecht. Wieder eine Schlange, diesmal am Baum entlang, und gleite höher und höher – etwas sagt mir, das ich hoch hinauf muss, ganz hoch. Und dann verharre ich regungslos. Zwei Vögel, bunt, sie putzen sich. Und ich werde ganz starr. Ich WERDE Zweig, ich BIN Zweig, ich WERDE zu dem Klopfen, das Zweige haben, die im Wind leicht aneinander schlagen. In Wahrheit klopft gar nichts – ich mache keinen Laut. Und dennoch BIN ich dies Klopfen und schlage leicht, die ich Zweig jetzt bin, an einen anderen Ast, immer und immer wieder, in grosser Langsamkeit. Und dann bin ich Blitz! Zu meiner Überraschung habe ich Federn im Maul. Der andere Vogel ist schon lange fort.

Und über allem liegt Lautlosigkeit.

Und ich bin Viele. Und ich bin fest und stark und gross, unerschütterlich. Termiten. Ein Volk. Ein festes Bauwerk aus Spucke, Sand und Lehm. ICH bin der STOCK. ICH BIN VIELE. Die Tiere, ich fühle sie, ich bin der Staat, in dem sich die vielen tummeln. Und sie krabbeln und bewegen sich und gehen ihren Pflichten nach – ich fühle sie in mir, wie ich mein Blut fliessen fühle. Sie sind ICH. Sie alle sind ein einziges Lebewesen: der Termitenstaat. Sie alle erfüllen ihre Verantwortung, ihre Aufgabe zum Erhalt dieses Staates. Eine einzelne Termite gibt es nicht. Es gibt nur MICH.

Und über all dem liegt, wie ein Gewölbe aus Stille, unendliche Lautlosigkeit.