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Alles ist Liebe

© copyright Durga, 2004

 

 
 

 

Alles ist Liebe. Alles strebt zueinander. Deshalb auch gibt es Verfall, Liebe, Kommunikation.

Alles, was geschaffen ist, verfällt irgendwann. Mal geht die Erschaffung langsam vonstatten, der Verfall schnell, mal mag es umgekehrt sein. Aber alles verfällt. Dies ist deshalb, weil alles sich danach sehnt, wieder vereint zu sein. Alles, was geschaffen ist, sehnt sich danach, sich wieder aufzulösen hinein in seinen Ursprung.

Auch Liebe hat diesen Grund, die Liebe der Menschen, die Erotik, die Sexualität. Nichts, was geschaffen ist, verträgt auf Dauer die Vereinzelung. Alles strebt zueinander. Wir Menschen sind Herdengeschöpfe - es gibt durchaus Spezies, die nicht in Gruppen, sondern einzeln leben, aber auch die sind dem Drang der Sexualität unterworfen. Wir sagen, sie sind es, um sich fortzupflanzen. Ich denke, zeigen uns, was in der Auflösung tatsächlich geschieht: etwas Neues, Drittes entsteht. Und es entsteht nur so. Es entsteht nur, wenn die scheinbaren Gegensätze sich vereinen und ein Ganzes ergeben, und mag es auch nur ein kurzer Moment sein. Aus der Selbstauflösung, die dem Tod gleicht, kann dann ein Drittes, etwas Neues entstehen.

Die Kommunikation habe ich oben genannt. Auch sie ist ein Beispiel dafür, dass alles zueinander strebt, sich aufeinander einstellt, sich aneinander reibt, nach einer Lösung strebt aus dem Dilemma, ein Einzelnes zu sein und doch allein gar nicht sein zu können. Tiere kommunizieren, Bäume tun es, Menschen sowieso.

Als ich mir das so überlegte, fühlte ich mit einem Mal alles, was körperlich an mir war - Zellen, Knochen, Blut - nach unten sinken. Ich fühlte die Schwerkraft, ich fühlte das Begehren meines Körpers mit der Materie unter ihm, dem Erdreich, eins zu werden. Und zur selben Zeit, als ich das wahrnahm, bemerkte ich das Bestreben meines Geistes nach oben. Auch er wollte sich vereinen. Er wollte sich vereinen mit dem Weltgeist, dem Bewusstsein, dass alles durchdringt.
Dies alles verstand ich.

Was mich so überraschte, war, dass sowohl mein Geist, als auch meine Körperlichkeit zögerten. Beide wollten hin zu dem Stoff, aus dem sie gebildet waren. Beide sehnten sich danach, aus einer Vereinzelung hin eine Ganzheit, die ihnen gemäss war: Materie der Körper, das alles durchringende Bewusstsein mein Geist. Warum also zögerten sie? Was hinderte sie daran, einfach auseinanderzustreben und “heimzugehen”?

Die Antwort ist einfach. Die Antwort ist Liebe. Sie lieben einander. Geist und Materie sind einander in leidenschaftlicher Liebe verbunden. So sehr sie auch ersehnen sich aufzulösen, so sehr lieben sie einander und können nicht voneinander lassen.
Nur mit einander gewinnen sie so etwas wie ein Selbst. Dieses Wort verwende ich jetzt nicht in dem Sinne von “Ego”, sondern eher in dem Sinne von “sich seiner selbst bewusst sein”. Ich bin der Überzeugung, dass ein Grashalm sehr wohl ein Gefühl dafür hat, wie es ist, wenn der Wind vorüber streicht, er ausgerissen oder niedergetreten wird. Damit besitzt er das Gefühl im Sinne von “Selbst”.
Ein Aal, der sich durch das Wasser schlängelt, hat ein sehr gutes Gefühl dafür, dass dieses Schlängeln die einzig ihm entsprechende Bewegungsform ist. Wenn man ihn dazu zwänge eine andere Bewegungsform sich anzueignen, er würde erkranken und sterben. Davon bin ich überzeugt.
Und der Mensch hat ein tiefes Gefühl für Selbst. Dieses Selbst des Menschen kann dazu dienen, eine Gruppe, eine Spezies, eine Clan zu stärken - jedes neue Mitglied ist wertvoll, wird der Stamm, der Clan, die Spezies doch dadurch stärker. Dieses Selbst kann auch dazu dienen, die Idee von Individualität und Vereinzelung in hohem Sinne zu kultivieren, wie es in den Industrienationen der Fall ist.
Nur ein Selbst erkennt Verletzung und kann Werte bilden, Entscheidungen treffen.

Selbst ist schön, kostbar und wertvoll. Es fühlt sich wunderbar an. Und es gibt es nur, wenn Geist und Materie sich miteinander vereinigen.
Hier also liegt die Begründung der tiefen Sehnsucht nacheinander von Materie und Geist, der Ursprung ihrer leidenschaftlichen Liebe, die so stark ist, dass es kein Hindernis gibt für beide, wieder und wieder aus der ihnen gemässen Heimat auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen zu einander zu finden und sich erneut zu vereinen. Die tiefe Liebe von Materie und Geist, sich selbst ständig neu zu erfahren, zu bilden, zu erschaffen überwiegt letztendlich immer wieder die Sehnsucht danach, jedes sich selber in die Einheit hinein aufzulösen.

Ich bin keine Wissenschaftlerin und auch nur wenig in den Mythologien alter Völker bewandert. Nur ein Forscher und/oder Gelehrter könnte sagen, ob die Gedanken in diesem Text korrespondieren mit den von ihm gemachten Erfahrungen, Untersuchungen, Auswertungen.
Und ich wäre überaus neugierig, seine Kommentare zu erfahren.