Der Strom der Langsamkeit
copyright @ Durga, 2004 Wieder war ich in der Halle, wo der Prüfer war – wo die dunklen Wesen auf den Weissen Federn flogen. Und ich war der Prüfer, sass hinter dem Pult und fragte jeden, der/die/das da kam: „wer bist Du?“ und es kamen Antworten wie: „Soldat!“ – „Mutter.“ - „Geliebte.“ – „Ich weiss es nicht.“ Und je nachdem, was die Leute glaubten, wer sie waren, womit sie sich identifizierten, da kamen sie hin – durch irgendwelche Türen schickte ich sie. Und wenn da jemand sagte: „Sünder", nun, dann kam der zu denen, die sich für Sünder hielten. Es gab auch die „Verlierer“, die „Gewinner“. Diejenigen, die sagten „Ich weiss es nicht“ waren mir die liebsten. Sie waren die ehrlichsten – nicht festgelegt, die Tiefsten manchmal. Sie bedurften der Hilfe, spezieller Hilfe – sie wurden von den Wesen, die auf den Federn flogen speziell irgendwo hingebracht. Mir ging der Mann nicht mehr aus dem Kopf, der als kleines Mädchen wiedergeboren worden war, dass missbraucht werden würde – aus irgendeinem speziellen Grund. Und ich sah hinter den Augen des Mädchens den Mann, der Hunde quälte und misshandelte – und irgendwo in grauer Vorzeit schien einmal ein Tier eine Rolle gespielt zu haben, eine Tierseele – aber ich war mir nicht sicher. Nur in einem war ich mir sicher: hier spielten Tiere eine Rolle, Tiere waren gequält worden und durch Tiere musste hier wieder Heilung erfolgen. Und ich legte zu erst dem Mädchen ein kleines, weisses Kätzchen mit blauen Augen in den Schoss. Da begann das Mädchen zu weinen, entspannte sich – sie und das Kätzchen würden gut füreinander sein. Und dann tauchte ich meinen Kopf in den des Mädchens und liess es Tiere sehen, liess es Tierquälerei sehen, liess es schöne, wunderbare Tiere sehen und auch, was die Menschen mit ihnen machten. Und als ich meinen Kopf wieder aus dem des Mädchens herausnahm, war ich sicher, dass dieses Kind Heilung finden würde im Mitleid für die Tiere, vielleicht im Tierschutz irgendwann, wenn es einmal gross sein würde.
Und dann, mit einem Mal, ging ich auf einer langen goldenen Strasse, die sehr schmal war hinter Han Shan her. Rechts und links dieser Strasse war es grün. Wir gingen in Richtung Sonne. Die Strasse unter meinen Füssen war abermerkwürdig weich, sie war nicht fest, sie schien zu fliessen, wenn auch in unvorstellbarer Langsamkeit.
„So wird der Karmastrom verändert“, teilte mir Han Shan mit. „Durch Deine Fußspuren, Deine Schritte. „ Ich durfte aber nicht beiseite gehen, um mir das anzusehen, ich musste gehen, Schritt für Schritt, für Schritt – das war meine Aufgabe, würde es immer sein: Spuren zu hinterlassen Im Strom. Und ich verstand, dass es nicht die Schritte waren, die etwas veränderten, es war das, was durch die Füsse nach unten floss. Und ich öffnete mich nach oben hin und liess den Lichtstrom durch mein Anahata nach unten fliessen in die Füsse, die Fußsohlen. „Shaktipad“ fiel mir ein, und Han Shan lächelte. Ich sah zurück hinter mir, sah meine Fußspuren und immer mal wieder was aus dem langsamen, schmalen Strom auftauchen und davon nehmen, kosten. Und dann hörte ich den Strom: jetzt war er breit und floss unglaublich geschwind vor sich hin, schäumte, strudelte, schwoll an, strömte mit Macht. Und Han Shan hielt die Zeit an, der Strom erstarrte und ich sah eine einzige riesige Fußspur darin. Dann ging ich wieder auf der schmalen Straße, die in Wahrheit (in meiner Wahrheit) ein breiter Strom war, dahin und ging und ging – ich fand es schwer, das Licht nach unten zu leiten, permanent nach oben geöffnet zu sein.
„Es ist das Schwerste überhaupt“, sagte jemand neben mir – ich sah nicht viel, fühlte nur die Grüne Guru kurz, die mir zulächelte.
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