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Knochenschwester in Gold

Gedicht von Durga

 

 

 
 

      Die Knochenschwester,
      goldenes Gerippe, fein strahlend,
      mit glutrotem Herzen
      links in der Brust,
      schlüpft hinein in mich,
      ich merk’ es kaum.
      Knochen verschmelzen mit Knochen
      Herz mit Herz
      Und ich fühle fast nichts,
      so selbstverständlich geschieht’s.
      Und ich fühle:
      Totenschädel unter meinen Wangen,
      der Stirne, dem Mund;
      Fühl’ Rippe um Rippe,
      und Wirbel um Wirbel,
      Fühl Schienbein und Kniee
      Und Schulterblatt.
      Und ich trag den Tod in mir
      In strahlendem Gold.
      Ich sehe ohn’ alle Augen:
      Kein Fleisch mehr,
      kein Hirn, kein Gedärm,
      kein Magen, kein Muskel:
      Nur Knochen in Gold
      Von Blüten durchzogen
      Und seltsamen Bahnen.;
      Im Becken
      Perlmuttwand und Feuer,
      und Tiger und Hai,
      und Lotus als Krone auf dem Schädel in Gold.

      Und Licht strahlt auf vor mir, dass es mich blendet,
      ich schaue dennoch und sehe
      sich formen vier Meter hoch
      die Göttin aus Licht,
      erst zarter, dann fester,
      greifbares Licht,
      Hohe Gestalt,
      makellos schön,
      um die Hüfte das Tuch als ein Zeichen:
      „Du gabst es, sieh her, ich trag es.“

      Die Stimme ich höre, wie ich die Augen auch seh' und den Mund
      Obwohl sie nicht spricht.
      Ich höre die Stimme, herb und stürmisch
      Fast männlich und hör keine Worte.
      Sie gibt mir Stimme als Zusatzgeschenk,
      damit ich erfühle, wie sie noch ist.
      Das Gesicht seh' ich undeutlich und gleichzeitig klar.
      Die Augen sind überaus ernst,
      Voll Liebe und Gleichmut und Erbarmen sie sind,
      der Mund etwas spöttisch, voll Mitgefühl auch und heimlichem Witz.
      Sie sieht mich an und sieht in mich rein.
      Sie sieht mich,
      und SIEHT.

      Und links und kleiner als sie, in grün
      Erscheint Chinnamasta und rechts
      Die rote Sodashi, das Kind voller Süsse.

      „Du hast es gewollt“, sagt so die Göttin zu mir
      es klingt wie: „Nun sieh zu, wie Du es trägst.“
      Es klingt auch, als sei es
      doch gleich ob Sodashi, Chinnemasta
      oder ob nichts -
      als ob nichts eine Rolle spielt, was ein Mensch sich so denkt;
      oder als ob doch alles Eins sei.

      Und ich sehe
      Meine Knochen aus Gold
      Senden Strahlen aus Licht zu
      Der Gruppe der Gottheit und halten das Licht.
      So sind Sie Licht und stehen vor mir,
      so erstrahle ich und halte das Bild.
      So bin ich im Licht
      Mit ihnen zusammen.

      Und ich seh' sie mir an,
      Chinnamasta, Durga, Sodashi
      Die Drei:
      Durga die Höchste, die Grösste,
      viel kleiner die zwei;
      und ich seh' Chinnamasta auf dem sich liebenden Paar,
      sehe Sodashi in wildem Ritt auf dem Gott -
      und Durga, die Mitte, gibt dem Büffel den Tod.

      „Du musst beides können“, so sagt mir die Göttin,
      „Du musst erschaffen, gebären, erhalten -
      und Du musst töten, das Leben auch nehmen.“
      Und ich fühle die Knochen in mir,
      Totenschädel und Rippen und weiss: sie hat recht.
      Alles liegt
      Im gleichen Gewicht
      Von Gebären und Tod.

      Und langsam verblasst das Geleuchte,
      die Göttin ist fort,
      mein Gerippe es strahlt noch
      und links sitzt ein fremdes Herz,
      rot-diamantenes Strahlen,
      ein klein wenig über dem meinen. .