Polens Verhältnisse mit seinen Nachbarländern waren vielfach sehr schwierig: Mit der Sowjetunion hatte Polen bereits am 25. Juli 1932 einen Nichtangriffspakt geschlossen, aber die antikommunistische Haltung der polnischen Regierung machte weitergehende Bündnisse unmöglich: Józef Beck, seit 1935 polnischer Außenminister, der eine Politik des Misstrauens gegenüber der Sowjetunion verfolgte, fürchtete, dass ein Bündnis Polen zu einem sowjetischen Satellitenstaat degradieren und sogar einen deutschen Überfall provozieren könnte.
Mit Litauen war Polen schon seit 1920 verfeindet, denn Polen hatte in jenem Jahr die Stadt Wilno und deren Umgebung, die von Litauen beansprucht war, annektiert. Am 17. März 1938 zwang Beck mit einem Ultimatum die litauische Regierung zur Anerkennung von Wilno als polnisches Staatsgebiet, zur Öffnung der Grenze nach Polen und zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen. Beck ging gegen einen schwachen Nachbarn offensiv vor und sorgte damit für einen Imageverlust Polens in der internationalen Politik.
Auch die Beziehungen zur Tschechoslowakei waren gespannt, und auch hier war ein Landstrich der Streitpunkt: das Zaolzie [1]. Als Hitler das Sudetenland annektierte, richtete Beck an die tschechoslowakische Regierung ein Ultimatum, in dem er die Abgabe dieses Landstücks an Polen forderte, und am 2. Oktober 1938 marschierte das polnische Militär dort ein.
Lediglich die Beziehungen zu Lettland, Rumänien und Ungarn waren weitgehend normal; mit Rumänien schloss Polen einen Bündnisvertrag.
1) Das Zaolzie, ein Landstrich an der tschechoslowakischen Grenze bei Ostrava (vgl. Karte 1 im Anhang), gehörte 1919-1938 zur Tschechoslowakei, war aber mehrheitlich von Polen bewohnt. [¶]
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