Wir schreiben das Jahr 1871. Der Krieg gegen Frankreich ist
siegreich beendet. In Deutschland bricht eine große nationale Euphorie aus. Die
heimkehrenden jungen Leute finden sich in einem militärischen Jargon zusammen:
Man will zackig sein, um etwas darzustellen und um den militärischen Geist zu
bewahren. Vor diesem Hintergrund wird 1872 in Adenstedt die Junggesellschaft
gegründet.
Junge Burschen, die in die Junggesellschaft eintreten wollten,
mussten ihre Lehre beendet haben. Einen Vorstandsposten konnten nur diejenigen
bekleiden, die beim Militär gewesen waren, und somit die Kommandos einwandfrei
beherrschten. Der Vorstand bestand damals wie heute aus dem Hauptmann, dem
Spieß, einem Kassierer, einem Schriftführer, einem Oberst, einem Adjudant,
einem Apotheker, einem Doktor sowie zwei Schaffern. Das Exerzieren begann schon
eine Woche vor dem Schützenfest. Sollte dabei der Hauptmann auch nur ein
Kommando übersehen, war er für alle Zeit erledigt.
Die finanzielle Seite des Schützenfestes war Sache der
Pachtschaffer. Der Gastwirt, der den Junggesellen und ihren Gästen die
billigsten Preise bot, durfte das Schützenfest ausrichten. Auch die anderen
Mitglieder des Vorstandes mussten an die Schaffer zahlen. So zahlte zum
Beispiel der Oberst 20 Mark, während der Adjudant 50 Mark bezahlen muss, da er
wie der Oberst eine Uniform trug, aber keine Rede halten musste. Dieses waren
für die damalige Zeit sehr hohe Beträge. Sie wurden gezahlt, weil es die
Junggesellen als Ehre empfanden, eine Uniform zu tragen.
Vor der Jahrhundertwende veranstalteten die Junggesellen neben dem Schützenfest noch das „Sedansfest“. Einer der Junggesellen wurde als Napoleon verkleidet durch die Straßen und durch den Wald gejagt. Nach seiner Festnahme wurde er feierlich durch das Dorf geführt. Die anschließenden Feierlichkeiten wurden dann regelmäßig von einem erheblichen Alkoholkonsum begleitet. Aufgrund von Unstimmigkeiten bildete sich schon 1874 eine zweite Junggesellschaft, die ihre eigene Fahne anschaffte und auch ihr eigenes Schützenfest feierte. Erzählungen zufolge sind sich beide Umzüge in der Dorfmitte begegnet, so dass allen Teilnehmern der Unsinn bewusst wurde: Ab dem dritten Festtag feierten sie wieder gemeinsam. Als Geste der Versöhnung wurden Friedensbuchen gepflanzt, von denen auch heute noch eine an der Ecke Große Straße/Schützenstraße zu sehen ist. Im Rahmen des 125jährigen Jubiläums wurde an dieser Buche ein Gedenkstein der Junggesellschaft Adenstedt feierlich enthüllt.
1904 wurden die alten Fahnen gegen zwei neue kostbarere Fahnen
ausgetauscht, die auch heute noch von der Junggesellschaft getragen werden.
Einschnitte in die Schützenfesttradition stellten die beiden Weltkriege dar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde erst wieder 1947 Schützenfest in Adenstedt
gefeiert. Es durften weder Gewehre noch Uniformen getragen werden, da die
britische Militärregierung alle militärischen Symbole verboten hatte. Selbst
die Junggesellenscheibe durfte nicht ausgeschossen werden, so dass der
Junggesellenkönig 1947 ausgekegelt wurde. Seit 1949 wird das Schützenfest
wieder in alten Uniformen gefeiert.
1992 wurde das Schützenfest erstmals außerhalb des Dorfes an der
Oedelumer Straße gefeiert. Der alte Platz am Walde musste aufgegeben werden, da
sich einige wenige Gegner der Geselligkeit von dem Lärmpegel der drei Festtage
so gestört fühlten, dass sie sogar rechtliche Schritte gegen die
Dorfgemeinschaft einleiteten.
Mitglied der Junggesellen kann jeder männliche, ledige
Adenstedter werden, der bis zum Schützenfest das 16. Lebensjahr vollendet hat.
Seine Eignung für das harte Junggesellenleben wird beim sogenannten Einseifen
am ersten Februarwochenende während der Fastnachtszeit getestet. Die Inhalte
der einzelnen Prüfungen sind auch heute noch ein wohlgehütetes Geheimnis. Nur
soviel: Der Begriff „Einseifen“ geht auf einen alten Brauch zurück. Den neuen
Kandidaten wurde der spärlich vorhandene Bart mit Getreideschrot eingerieben.
Die Mischung wurde anschließend mit einem stumpfen Gegenstand abrasiert. Den
passenden akustischen Hintergrund bildete das Sensenschleifen auf dem Rad einer
umgekippten Mistkarre. Abgeschlossen wird das Einseifen mit dem Ablegen des
Junggeselleneides unter den beiden Fahnen.
Die jährlichen Beiträge werden in Form des Mädchenverpachtens
bezahlt. Dabei werden Adenstedter Mädchen verpachtet, deren Namen erst nach und
nach bekannt gegeben, meistbietend versteigert. Zum Leid vieler Junggesellen
lassen sich aus dem Ersteigern keine Rechte an den Mädchen ableiten, sondern es
handelt sich nur um eine lustige Art der Beitragsbezahlung. Nach dem
Versteigern ziehen die Junggesellen in tiefer Nacht zur Wohnung der Teuersten,
um ein Ständchen zu bringen.
Am nächsten Morgen, meist nur nach einigen wenigen Stunden
Schlaf, laufen die Junggesellen bunt kostümiert durch das Dorf und sammeln
Groschen, Wurst und Eier, die ein Wochenende später mit Freunden und Förderern
des Vereins gemeinsam beim Wurstessen verspeist werden. Den Abschluss der
jährlichen Fastnacht bilden der bayerische Abend und der Kindertanz für die
kleinen Adenstedter, wobei gerade bei dieser Veranstaltung die Nerven der
stresserfahrenen Junggesellen bis auf das äußerste strapaziert und belastet
werden.
In neuerer Zeit wird von den Junggesellen auch das Osterfeuer
organisiert. Das Feuerholz wird von den Junggesellen zusammengefahren. Am
ersten Osterabend wird auf dem Festplatz bei Einbruch der Dunkelheit das
Osterfeuer angesteckt. Nebenbei werden Bier, Schnaps und Bratwürste im großen
Umfang verkauft. Die Zahl der Zuschauer bzw. der Teilnehmer wird von Jahr zu
Jahr immer größer.
Dass die Junggesellschaft Adenstedt auch in der jetzigen Zeit
ihren Reiz nicht verloren hat, beweisen die jährlich steigenden
Beitrittszahlen, so dass auch in der Zukunft ein wichtiger und nicht zu
unterschätzender Beitrag zur Förderung der dörflichen Gemeinschaft geleistet
werden kann.
Der einst militärische Charakter der Junggesellen ist heute
glücklicher Weise völlig verflogen, geblieben sind lediglich die alten Uniformen,
die Fahnen sowie viele traditionelle Lieder und Gesänge, die auch heute noch in
so manch einer lauen Sommernacht im gesamten Dorf zu vernehmen sind.