Ein Akt der Menschlichkeit

 Martina Strobelt



 
 
 
 

Das Recht steht über allem, doch

über dem Recht steht die Gnade!

(Terranische Weisheit)


 
 
 
 

Die Story spielt zeitlich nach dem Abzug der Föderation von

DS9 und beruht auf dem Kenntnisstand der fünften Season
 
 

Prolog





Zufrieden lehnte Gul Dukat sich zurück und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Wie sehr hatte er dieses Büro, das einmal Zentrum seiner absoluten Macht über Terok Nor und Bajor gewesen war, vermißt. Natürlich war es nicht mehr ganz wie früher in den Zeiten der Besatzung. Dieses Mal war Bajor nicht unterworfen worden, sondern wurde durch einen Nicht-Angriffs-Pakt mit dem Dominion geschützt. Vergeblich hatte er, Dukat, versucht, die Gründer davon zu überzeugen, daß der offenkundige Widerwille, mit dem Bajor die Vereinbarung unterzeichnet hatte, eine ausreichende Rechtfertigung darstellte, dieselbe als null und nichtig zu betrachten und Bajor zu annektieren. Die Gründer hatten ihm und seinen Plänen durch ihren Botschafter Weyoun eine klare Absage erteilt und erklärt, daß sie nicht die Absicht hätten, einen gültigen Vertrag zu brechen - und ihm unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß es dem Dominion ein Leichtes wäre, ihn durch einen anderen zu ersetzen, sollte er auf die Idee verfallen, die Autorität der Gründer in diesem - oder in einem anderen Punkt - je in Frage zu stellen. Dukat wurde das Gefühl nicht los, daß es Weyoun eine boshafte Freude bereitet hatte, ihm diese Antwort zu übermitteln, obwohl der Vorta die Botschaft als geborener Diplomat in höfliche Worte gekleidet hatte.

Dukat spürte, wie seine gute Laune sich bei dem Gedanken an Weyoun verflüchtigte. Als ob es nicht schon lästig genug war, daß die Gründer die ständige Anwesenheit ihres Botschafters auf Terok Nor, wie die Station nun endlich wieder hieß, verlangten, ein Umstand, der ihn - und was noch demütigender war, auch die Bajoraner - ständig daran erinnerte, daß Cardassia, um überleben zu können, seine Autonomie zugunsten einer Mitgliedschaft im Dominion hatte aufgeben müssen. All dies war schwer genug zu ertragen, aber daß dieser glattzüngige Vorta sich zudem erdreistete, sich unter Hinweis auf die Interessen der Gründer mit schöner Regelmäßigkeit in Angelegenheiten zu mischen, die ihn nach Dukats Meinung nichts angingen, machte den Cardassianer rasend.

Hinzu kam, daß Weyoun nicht nur seinerseits Odo wie einen Gott behandelte, sondern doch tatsächlich darauf bestand, daß alle Bewohner und Besucher der Station es ihm gleichtaten. Den Bajoranern bereitete dieses Forderung anscheinend keine Schwierigkeiten, im Gegenteil. Major Kira zumindest hatte offensichtlich Vergnügen daran, Odo mit dem schuldigem Respekt zu begegnen, besonders dann, wenn Cardassianer dabei waren. Vermutlich genoß sie es, ihm und seinen Leuten auf diese Weise deutlich vor Augen zu führen, daß sie in der Hierarchie des Dominions nicht den Platz einnahmen, den sie gerne beansprucht hätten.

Da spielte es keine Rolle, daß Odo dieses Gebahren Weyouns und die erzwungene Ehrfurcht der Cardassianer und Bajoraner erkennbar unangenehm und peinlich waren. Dukat empfand diesen Zustand als persönliche Erniedrigung - und dafür haßte er seinen ehemaligen Sicherheitschef.

Aber noch mehr haßte er Weyoun, der die Verantwortung für diese Demütigung trug.

Dukat beugte sich nach vorne und ergriff den Baseball, der noch immer auf der Platte des Schreibtisches lag, dort, wo Captain Sisko ihn zurück gelassen hatte. Nachdenklich rollte er den kleinen weißen Ball in seiner hohlen Hand. Die Gründer irrten sich gewaltig, wenn sie sich einbildeten, daß er die Anwesenheit Weyouns auf dieser Station - auf seiner Station! - und seine lächerliche Anbetung für einen Mann, der die Besatzung nur Dank seiner Großmut überlebt hatte, länger als unbedingt nötig duldete.

Für den Moment blieb ihm zwar nichts anderes übrig als Weyouns Arroganz ihm gegenüber mit einem Lächeln hinzunehmen, aber seine Zeit würde kommen...

...und dann...

...Dukat plazierte den Baseball wieder auf den Tisch, versetzte ihm einen leichten Schubs und beobachtete mit schmalen Augen, wie er vom Schwung getrieben zur Kante der Platte rollte, wo er kurz verharrte, bevor er hinüberkippte und zu Boden fiel...

...würde Weyoun bereuen, ihn unterschätzt zu haben, genau wie Odo...
 
 


Teil 1





Weyoun, Botschafter des Dominions stellte das hohe Glas, das er gerade zum Munde hatte führen wollen, ab als er sah, wie Odo dicht gefolgt von Major Kira das Quark’s betrat. Der Vorta stand auf und verneigte sich.

Odo versuchte diese Demutsgeste zu ignorieren. Anfangs hatte er mit allen Mitteln dagegen angekämpft, daß Weyoun sich in seiner Gegenwart so ehrerbietig, ja geradezu unterwürfig, verhielt, so als wandele ein leibaftiger Gott in ihrer Mitte. Aber sein Protest war wirkungslos an dem Botschafter des Dominions abgeprallt, und so hatte Odo es schließlich aufgegeben.

"Gründer..."

Odo zuckte bei dieser verhaßten Anrede Weyouns zusammen, die ihn stets daran erinnerte, daß es sein Volk war, das den Gamma-Quadranten gnadenlos unterjocht hatte und nun dabei war, den Alpha-Quadranten dasselbe Schicksal erleiden zu lassen.

Der Vorta stand immer noch mit gebeugtem Rücken und gesenktem Kopf da, verharrte in der Bewegung wie eine Statue...

Odo wußte, was von ihm erwartet wurde, auch wenn er die Rolle, die ihm in diesem bizarren Spiel zugedacht war, zutiefst ablehnte. Aber noch mehr verabscheute er die Blicke der Cardassianer, das versteckte Grinsen, mit dem sie das Bild betrachteten, das er und Weyoun ihnen boten. Nein, es gab keinen Ausweg. Wenn er Weyoun nicht gestattete, sich wieder normal zu benehmen, würde der Botschafter des Dominion sich nicht von der Stelle rühren.

Innerlich seufzend hob Odo seine rechte Hand leicht an, worauf der Vorta sich wieder aufrichtete.

Quark eilte diensteifrig mit einem beladenen Tablett in der Hand herbei. "Ihre Anwesenheit ehrt mich und mein bescheidenes Etablissement, Gründer", sagte der Ferengi zu Odo, um sich, nach einem höflichen Nicken in Kiras Richtung, an Weyoun zu wenden: "Einmal Hasperat und zum Dessert Tulabeeren mit Soße, ich hoffe, es wird Ihnen munden, Botschafter. Falls Sie oder der verehrte Gründer noch einen Wunsch haben sollten...?"

"Allerdings, den habe ich", erwiderte Odo, ohne einen Hehl daraus zu machen, daß es auf der Station eine ganz spezielle Person gab, deren Ehrerbietung ihm nicht peinlich war, die ihn im Gegenteil mit einer gewissen Genugtuung erfüllte. "Verschwinden Sie, Quark!"

Weyouns blaue Augen fixierten den Ferengi, als dieser nicht sofort gehorchte. "Worauf warten Sie? - Sie haben den Gründer gehört!"

"Natürlich." Quark zog sich hastig zurück.

"Ich muß mit Ihnen sprechen, Botschafter!" erklärte Odo. "Als ich eben mein Büro betreten wollte, mußte ich feststellen, daß der Tür-Code auf Anweisung Gul Dukats geändert worden ist, der meinen Aufgabenbereich einem Cardassianer übertragen hat! - Ohne mich vorher davon in Kenntnis zu setzen - und all das mit Ihrer ausdrücklichen Billigung, wie er mir versicherte, als ich mich bei ihm beschwert habe!"

Weyoun nahm sich insgeheim vor, Gul Dukat nachdrücklich auf die Konsequenzen, die ein derart gezeigter Mangel an Respekt gegenüber einem Gründer und zu viel Übereifer nach sich ziehen konnte, hinzuweisen. Laut sagte er: "Ich bitte um Vergebung, Gründer, weil ich es versäumt habe, dafür zu sorgen, daß Gul Dukat wartet, bis ich Sie in der gebührenden Form offiziell informiert habe."

"Dann stimmt es also, daß Sie und das Dominion damit einverstanden sind, daß Gul Dukat mich einfach so gegen den Willen der bajoranischen Regierung - und gegen meinen Willen! - durch einen Cardassianer ersetzt?!"

"Ich bedaure, aber es steht mir nicht zu, die Entscheidung der Gründer in Frage zu stellen", antwortete Weyoun. "Bitte verstehen Sie, das Dominion kann nicht zulassen, daß Sie, ein Gott, sich erniedrigen, eine Beschäftigung im Dienst von Cardassianern, Bajoranern oder anderen auszuüben."

"Aber das tue ich doch gar nicht", widersprach Odo. "Mit meiner Arbeit als Sicherheitschef diene ich nur der Gerechtigkeit, keinem sonst!"

"Ich fürchte, daß die anderen Gründer das leider nicht so sehen."

"Odos Büro könnte von Terok Nor nach Bajor verlegt werden", mischte Kira sich ein.

Weyoun runzelte leicht die Stirn, besann sich dann jedoch darauf, daß diese Bajoranerin von Odo sehr geschätzt wurde. "Selbstverständlich steht es dem Gründer frei, einer Einladung Ihrer Regierung zu folgen, Major", sagte er daher mit einem höflichen Lächeln, "allerdings bitte ich Sie zu bedenken, daß eine solche Geste Bajors als ein Zeichen der Mißachtung verstanden werden könnte, das die freundschaftliche Beziehung zwischen Bajor und dem Dominion belasten könnte, was die Gründer zweifellos äußerst betrüben würde..."

"Zweifellos!" bemerkte Kira zynisch. "Genau wie die Jem Hadar, nicht wahr..."

Weyoun überhörte ihre letzten Worte geflissentlich. Diese Bajoranerin neigte dazu, sich im Ton zu vergreifen. Aber Odo mochte sie - und Gul Dukat war sie ein Dorn im Auge, und beides waren nach Meinung des Vorta gute Gründe, ihre respektlosen Äußerungen zu tolerieren, sofern sie es nicht übertrieb...

"Es tut mir leid, Gründer", wandte Weyoun sich wieder an Odo. "Ich vertrete lediglich die Interessen Ihres Volkes, wenn ich Sie bitte, diese Entscheidung zu akzeptieren, die im übrigen, was Sie mir glauben dürfen, allein zu Ihrem Besten ist."

"Niemals!" erklärte der Formwandler fest. "Sie verbieten mir im Namen meines Volkes, selbst über mein Leben zu bestimmen. Das werde ich nicht hinnehmen! Wenn Sie nicht in der Position sind, diesen Zustand zu ändern, Weyoun, werde ich mit jemandem sprechen, der das ist!"

Der Vorta verneigte sich. "Wie Sie wünschen, Gründer. Ich werde mir erlauben, ein Treffen mit der Gründerin zu arrangieren, die sich im Alphaquadranten befindet. Jedoch muß ich darauf bestehen, Sie zu begleiten, da das Dominion mich damit geehrt hat, mir die Verantwortung für Ihr Wohlergehen zu übertragen, das heißt natürlich, sofern Sie keine Einwände erheben?"

Der Formwandler schüttelte den Kopf, sich nur zu gut bewußt, daß diese Frage nichts weiter als eine reine Floskel war. Weyoun mochte ihn zwar für einen Gott halten, aber er diente allein dem Dominion und würde in erster Linie dessen Befehle befolgen. Ob nun mit oder gegen seinen Willen...
 
 

* * *





Der Flug dauerte nun bereits eine Stunde. Die Gründerin hatte nicht nach Terok Nor kommen wollen und Odo ein Treffen an einem nur ihr und Weyoun bekannten Ort angeboten.

Odo musterte Weyoun verstohlen und fragte sich dabei, wie es wohl kam, daß der Vorta genau wie der Rest seiner Rasse die Gründer für Götter hielt.

Weyoun, der Odos Blick auf sich ruhen fühlte, sah von der Steuerungskonsole auf, die er selbst bediente, weil außer ihm niemand den Kurs zum Treffpunkt kannte.

"Gründer...?"

Odo wollte schon abwinken, als ihm bewußt wurde, daß dies das erste Mal war, daß Weyoun und er allein und ungestört waren. Konnte es eine bessere Gelegenheit geben, um von dem Vorta jene Antworten zu erhalten, denen er im Beisein anderer stets mit glatter Höflichkeit auswich?

"Warum nennen Sie mich so, obwohl Sie wissen, daß mir diese Anrede zuwider ist?" fragte er daher ohne Einleitung.

"Sie sind ein Gründer", entgegnete Weyoun.

"Obwohl ich mein Volk verlassen habe und von ihm bestraft wurde, weil ich einen anderen Formwandler tötete?"

Als Diplomat hatte Weyoun seine Gesichtszüge völlig unter Kontrolle, das galt jedoch nicht für seine Augen. Der Botschafter des Dominions senkte seinen Blick. Jedoch nicht schnell genug, um zu verhindern, daß Odo den Ausdruck in ihnen bemerkte.

"Sie wundern sich, weshalb das Urteil meines Volkes so milde ausfiel...?"

"Es steht mir nicht zu, anderer Meinung als die Gründer zu sein", erwiderte der Vorta.

"Trotzdem verstehen Sie diese Entscheidung nicht." Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, auf die Weyoun jedoch nicht mit dem von Odo erwarteten höflichen Widerspruch reagierte.

Erstaunt registrierte der Formwandler die widerstreitenden Gefühle, die sich deutlich in der für gewöhnlich beherrschten Miene des Botschafters spiegelten.

Weyoun war kein Jem Hadar, und der Umstand, daß er dem Dominion treu ergeben war und ihm in jeder Hinsicht diente, war nicht gleichbedeutend damit, daß er keine eigenen Gedanken und Ansichten hatte, auch wenn es ihm niemals in den Sinn gekommen wäre, diese gegenüber einem der Gründer laut zu äußern. Götter mußten ihre Handlungen nicht erklären oder gar rechtfertigen, und sie pflegten ihre Untertanen nicht nach ihrer Meinung zu fragen, das war undenkbar - und doch hatte Odo genau dies gerade getan.

Weyouns Existenz wurde durch den fundamentalen Respekt für die Gründer bestimmt. Einen Gott zu kritisieren war ein ungeheurer Frevel, der zudem unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Der Vorta war sich all dessen sehr wohl bewußt, doch die Versuchung, einmal, nur ein einziges Mal ohne Rücksichtnahme auf geschuldete Ehrerbietung und diplomatische Zwänge frei heraus zu sagen, was er wirklich dachte, war zu stark, als daß er es schaffte, ihr zu widerstehen.

"Darf ich ganz offen sein...? - Sie irren sich", fuhr Weyoun fort, nachdem Odo genickt hatte. "Ich verstehe die Entscheidung der Gründer. Was ich nicht verstehe ist, daß Sie sich von Ihrem Volk abgewendet haben. Daß Sie, ein Gott, das Leben unter gewöhnlichen primitiven Sterblichen auf dieser Station all dem vorziehen, was Sie in Ihrer Heimat haben können. Ein Gott, der seinen göttlichen Status ablehnt und seine Fähigkeiten, die ihn über andere erheben, dazu nutzt, im Dienste jener, die weit unter ihm stehen, Verbrecher zu jagen... all das ist mir unbegreiflich!"

Bevor Odo zu einer Erwiderung ansetzen konnte, erbebte das Shuttle plötzlich unter einer Explosion, die den Vorta quer durch den Innenraum in den hinteren Bereich schleuderte. Von einem Moment auf den anderen erfüllte beißender Rauch die Kabine.

Warnung! erklang die sonore Stimme des Computers. Bruch in der äußeren Hülle, es besteht Dekompressionsgefahr!

Odo hastete zur Steuerungskonsole und checkte die Hauptsysteme im spärlichen Schein der Notbeleuchtung, die sich automatisch bei Erlöschen des Lichts aktiviert hatte. Der Antrieb und die Lebenserhaltung waren ausgefallen, auch ohne einen Hüllenbruch war ihre Lage kritisch.

"Gründer...?!"

"Mir geht es den Umständen entsprechend gut, Botschafter", beruhigte Odo Weyoun, der hustend aus dem hinteren Teil der Kabine wieder auftauchte.

In seiner rechten Hand hielt der Vorta ein Behältnis, das er dem Wandler hinhielt. "Bitte, Sie müssen sofort in Ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren!"

"Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten", sagte Odo, "bin ich damit beschäftigt, unser Leben zu retten, zum Schlafen habe ich jetzt leider keine Zeit!"

Der Botschafter ignorierte Odos Sarkasmus. "Bei allem Respekt, Gründer, aber dies ist nicht der geeignet Moment, um Einwände zu erheben. Sie müssen sich in diese Sicherheitskapsel begeben! Wir befinden uns in der Nähe eines Mondes der Klasse M - ich werde eine Notlandung versuchen..."

"Ach ja?" fiel Odo ihm ungeduldig ins Wort. "Und wie, wenn ich fragen darf? Der Antrieb funktioniert nicht mehr!"

"Wir haben die Steuerungsdüsen", erwiderte Weyoun. "Ich habe zwar noch nie probiert, ein Shuttle damit zu fliegen, aber es ist möglich, zumindest theoretisch - und eine Bruchlandung wäre eine aufregend neue Erfahrung."

"Sie reden von einer Landung, bei der wir beide sterben könnten!" entfuhr es Odo.

"Sie nicht, Gründer", widersprach Weyoun. "Diese Sicherheitskapsel wurde von den besten Technikern des Dominions eigens für eine solche Notsituation konstruiert und gebaut. Sie besteht aus einem extrem hitzebeständigen und stoßfesten Material. Also bitte..."

"Nein!" damit wandte Odo sich wieder der Steuerungskonsole zu. Die Aufmerksamkeit des Wandlers wurde vollkommen von den blinkenden Anzeigen in Aspruch genommen. Daher entging ihm die Bewegung, mit der Weyoun ein kleines Gerät aus seiner Tasche zog. Einige Sekunden wog der Vorta es unentschlossen in der Hand, bevor er es auf Odo richtete und den daran befindlichen Schalter betätigte.

"Was soll...", begann Odo. Der Rest des Satzes endete in einem undeutlichen Blubbern als der Wandler seine Form verlor.

Weyoun sprang vor und fing die zähflüssige Masse mit dem Behälter in seinen Händen auf, bevor sie zu Boden fließen konnte. "Bitte verzeihen Sie mir, Gründer", murmelte der Vorta, während er die Sicherheitskapsel verschloß und sorgsam in der dafür vorgesehenen Halterung verstaute, bevor er sich an die Steuerungskonsole setzte. "Aber Sie haben mir leider keine andere Wahl gelassen."
 
 


Teil 2





Enge, das unangenehme Gefühl, eingesperrt zu sein, zusammengepreßt in einer Form, die er nicht wollte, die eigentlich keine war, zumindest keine, die er freiwillig angenommen hatte, eine Form, die ihm nicht gefiel. Glatte starre Wände, unnachgiebiges kaltes Metall, das ihn daran hinderte, in eine andere Form zu wechseln. Aber es mußte doch irgendwo eine Öffnung geben.. Da, dort war ein Licht, ein heller Fleck in der Schwärze, die ihn umgab, er mußte ihn erreichen, fort, nur fort aus diesem dunklen Gefängnis, ganz gleich was ihn dort draußen erwartete...

Odo glitt aus der Sicherheitskapsel und nahm sofort seine humanoide Gestalt an. Er hatte angenommen, sich an der Absturzstelle auf dem Mond der Klasse M zu befinden, doch statt dessen stand er mitten auf einer sonnigen Lichtung.

"Wie fühlen Sie sich, Odo?"

Langsam drehte der Angesprochene sich zu der Formwandlerin um, die ein wenig abseits auf einem umgestürzten Holzstamm saß und ihn beobachtete.

"Besser", war alles, was ihm einfiel. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ein Teil von ihm sich nach ihr gesehnt, aber das war lange her - und zu viel war inzwischen geschehen.

"Wie bin ich hierher gelangt?" fragte er, um das Schweigen zu überbrücken. "Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist, daß es im Shuttle eine Explosion gegeben hat, ich saß an den Kontrollen, dann hat Botschafter Weyoun mich mit Hilfe eines technischen Gerätes gezwungen, in meinen ursprünglichen Zustand zurückzukehren..."

Bei Erwähnung des Vortas verfinsterte sich die Miene der Wandlerin.

"Hat der Botschafter den Absturz etwa nicht überlebt?" fragte Odo.

"Weyoun geht es gut. Sie sollten ihn nicht unterschätzen. Er ist nicht nur ein ausgezeichneter Diplomat, sondern auch ein hervorragender Pilot, besser als viele unserer Jem’Hadar. Er hat es geschafft, das Shuttle zu landen und einen Notruf auszusenden. Für einen Solid verfügt dieser Vorta über erstaunliche Fähigkeiten. Er hat dem Dominion in der Vergangenheit viele unschätzbare Dienste geleistet, es ist bedauerlich, von nun an auf ihn verzichten zu müssen..."

"Das verstehe ich nicht ganz", meinte Odo. "Eben haben Sie gesagt, daß es dem Botschafter gut geht. Also wird er doch dem Dominion auch weiterhin dienen..."

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, das wird er nicht..."

Da war etwas in ihrer Stimme, in ihren Augen, das ihm nicht gefiel. "Wo ist Weyoun?" fragte er, von plötzlicher Unruhe erfaßt.

"Warum interessiert Sie das? Dieser Vorta ist unwichtig, ein Solid, weiter nichts - weniger noch als nichts, wenn man es ganz genau nimmt, der Klon eines Klones. Wir können Exemplare dieser Reihe so oft reproduzieren wie wir es wünschen..."

"Ich will wissen, wo er ist!" beharrte Odo. "Bringen Sie mich zu ihm!"

Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Wenn Sie darauf bestehen, obwohl Sie ihm zu viel Ehre erweisen, wenn Sie dabei anwesend sind."

"Wobei?"

Ihr ehrlich erstauntes Lächeln erschreckte ihn nicht minder als ihre Antwort: "Nun, bei seiner Exekution natürlich."
 
 

* * *





In beiden Seiten der Tür standen Jem’Hadar Wachen. In dem Raum dahinter war niemand bis auf Weyoun, der in der Mitte auf dem Boden kniete und sich tief verneigte, als die Gründerin, gefolgt von Odo eintrat. Das hintere Drittel des Raumes, der mehr einer Höhle glich, wurde vom Rest durch ein Kraftfeld abgetrennt. Die Luft war sehr trocken und warm, und unter seinen Füßen spürte Odo weichen, nachgiebigen Sand. Auf dem kurzen Weg von der Lichtung hierher hatte er versucht, eine Erklärung zu erhalten, zu begreifen, warum Weyoun sterben sollte.
 
 

"Er hat Ihr Leben in Gefahr gebracht, Odo - das Leben eines Gründers..."

"Die Explosion war doch nicht seine Schuld. Wäre es ihm nicht gelungen, das Shuttle zu landen, wären wir jetzt beide tot! - Er allein hat uns gerettet!"

"Das spielt keine Rolle, er hat es versäumt, das Shuttle vor dem Abflug zu kontrollieren! Er trug die Verantwortung für Ihre Sicherheit, Odo - und er hat versagt! Seine Nachlässigkeit hätte beinahe Ihren Tod verursacht, den Tod eines seiner Götter! Das können, das dürfen wir nicht dulden! Die Völker des Dominions würden es als Schwäche auslegen - und das wäre gefährlich. Unsere Stärke beruht auf unserem Status der Unantastbarkeit - und Weyoun hat diesen in Ihrem Fall gleich zweimal verletzt. Das erste Mal, als er es pflichtwidrig unterließ, das Shuttle persönlich zu überprüfen, das zweite Mal, als er Sie zwang, Ihre Form aufzugeben..."

"Aber das tat er in der Absicht, mich vor den Folgen des Absturzes zu schützen!"

"Das wissen wir, nur zu diesem Zweck hatte er ein Gerät dabei, das es ihm ermöglichte, die Aufgabe Ihrer Form zu erzwingen...

"Er hatte das Gerät von den Gründern?!"

"Ja wir haben damit gerechnet, daß Sie sich in einer solchen Situation weigern würden, eine Sicherheitskapsel aufzusuchen. Daher haben wir Weyoun ein Gerät gegeben, das speziell für ihre DNA konstruiert worden ist, er sollte es einsetzen, falls es nötig werden würde..."

"Aber wenn er auf Ihren Befehl gehandelt hat, wie können Sie ihn dafür hinrichten?!"

"Sie haben zu lange unter Solids gelebt, um es zu verstehen, Odo. Dieser Vorta ist nichts, seine Existenz beginnt und endet mit den Gründern, nur zu diesem Zweck wurde er von uns geklont. Ja, in Ihrem Interesse befahlen wir Weyoun, bei Gefahr für Ihr Leben so zu handeln, wie er es tat, aber das ändert nichts daran, daß er sich damit an einem seiner Götter vergriffen hat. Wenn Sie Schuld suchen, müssen Sie das bei sich tun, Odo. Hätten Sie sich nicht geweigert, Ihren Status und Weyouns Pflicht, Sie als einen Gott zu schützen, zu akzeptieren, wäre es uns vielleicht möglich, zu vergessen, daß er es versäumt hat, das Shuttle zu kontrollieren. Aber er hat Sie gezwungen, gegen Ihren Willen in Ihren ursprünglichen Zustand zu wechseln! Damit hat er nicht nur Ihre Unantastbarkeit angegriffen, sondern die von uns allen. Befehl oder nicht, unsere Gesetze sind in diesem Fall eindeutig und erlauben keine Interpretation."
 
 

Die Gründerin hatte keines seiner Argumente gelten lassen. Noch nie zuvor hatte Odo sich so hilflos gefühlt. Er war oft in Situationen gewesen, in denen sein Verständnis von Gerechtigkeit sich nicht mit dem anwendbaren Recht gedeckt hatte, aber eine derart gravierende Abweichung war ihm nicht einmal in den Zeiten der Besatzung als Sicherheitschef von Gul Dukat begegnet. Er spürte, daß es der Gründerin sehr ernst damit war, wenn sie auf die strengen Gesetze des Dominions verwies, auf fehlende Interpretationsmöglichkeiten, auf Ursachen für diese Härte, auf die Konsequenzen von Schwäche, auf die Ersetzbarkeit eines Solid. Ja, sie war fest überzeugt davon, richtig zu handeln. Aus Ihrem Mund klang alles so einfach, so logisch - aber das war es nicht, nicht für ihn...

"Wir haben uns entschlossen, anwesend zu sein", unterbrach die Stimme der Gründerin Odos Gedanken.

Weyouns Gesicht war um einige Nuancen blasser als gewöhnlich, aber ebenso beherrscht wie sein Tonfall. "Sie erweisen mir zu viel Ehre, Gründerin."

"Der Dank gebührt nicht mir, sondern Odo", sagte die Formwandlerin. "Es war sein Wunsch, sich persönlich von der Angemessenheit Ihrer Bestrafung zu überzeugen. Und das ist sie doch, oder denken Sie anders darüber?"

Diese Frage kam nicht nur für Odo, sondern offenbar auch für Weyoun überraschend.

Für wenige Sekunden bröckelte die starre Miene des Vorta und zeigte durch die Risse eine Flut von Empfindungen Angst - aber auch Verbitterung, Enttäuschung - und ein leiser Hauch Zorn...

...dann hatte Weyoun sich wieder in der Gewalt. "Es steht mir nicht zu, eine eigene Meinung zu haben, Gründerin."

"Dann finden Sie das Urteil also nicht ungerecht?" hakte die Wandlerin nach, die mit dieser Antwort sichtlich unzufrieden war.

"Wie könnte ich das, da es doch den Gesetzen des Dominions entspricht..."

Odo kam nicht umhin, das taktische Geschick und den Mut Weyouns zu bewundern, seine Sache dadurch zu vertreten, der Gründerin die Antwort zu verweigern, die sie erkennbar zu hören wünschte. Stolz hatte viele Gesichter, wie Odo hier und jetzt einmal mehr begriff...

Die Formwandlerin nahm den Widerstand des Vortas hin. Er war dem Tod geweiht, es spielte keine Rolle. "Sie haben es gehört, Odo...", wandte sie sich an den Constable. "Er selbst erhebt keine Einwände."

Odo wollte etwas erwidern, wurde jedoch durch eine Bewegung hinter dem Kraftfeld abgelenkt, durch schwarze Zacken, die den Sand durchpflügten.

Die Gründerin, die seinen Blick bemerkt hatte, lächelte. "Das dort ist ein Lemoyan. Vor Tausenden von Jahren bevölkerten diese Tiere viele Planeten, aber die Solids haben sie gejagt und fast völlig ausgerottet. Dieses Exemplar haben wir zufällig hier entdeckt. Es ist eines der letzten seiner Art. Der Schmerz, der Haß auf die Solids ist in ihm genetisch verankert - genau wie sein ständiger Hunger."

Odo starrte die Gründerin an. "Sie wollen Weyoun an ein Raubtier verfüttern?" vergewisserte er sich entsetzt.

"Warum nicht? Vor langer Zeit ernährten die Solids sich vom Fleich der Lemoyane, wo liegt der Unterschied?"

"Aber Weyoun ist ein denkendes fühlendes Wesen!"

"Er ist ein Solid", korrigierte sie kühl, während sie zu einem in der Wand eingelassenen Terminal trat und die Schaltfläche berührte.

Das Kraftfeld schimmerte noch einmal auf, dann erlosch es. Die schwarzen Zacken durchschnitten den Sand, langsam, gemächlich näherten sie sich dem Vorta und begannen, ihr Opfer zu umkreisen. Weyoun hatte seine Augen geschlossen, er kniete immer noch reglos auf dem Boden, ohne Anstalten zu machen, zu fliehen oder sich zur Wehr zu setzen.

Odo vermutete, daß der Vorta sich der Sinnlosigkeit sowohl des einen wie auch des anderen bewußt war. Aber selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte Weyoun sich wahrscheinlich nicht anders verhalten. Dort, wo die Götter ein Urteil fällten, hatte man es zu akzeptieren, mochte es auch noch so ungerecht sein...

Odo indessen diente keinem anderen Gott als der Gerechtigkeit, daher war er nicht bereit, aufzugeben, nicht solange der Vorta noch am Leben war. "Tun Sie das nicht", bat er. "Wenn Ihnen etwas an mir liegt, dann beenden Sie dies hier! Zerreißen Sie nicht dieses letzte Band zwischen mir und meinem Volk!"

"Es tut mir leid", sagte die Gründerin, es klang ehrlich. "Aber ich kann nicht. Wie können wir von den Mitgliedern des Dominions verlangen, unsere Gesetze einzuhalten, wenn wir sie selbst nicht beachten? Regeln müssen von allen befolgt werden, auch von denen, die sie aufgestellt haben, nur das gewährleistet Ordnung. Willkürlich angewandtes Recht führt zu Chaos, Anarchie."

Die Kreise des Lemoyan wurden immer enger. Offenbar gehörte dieses Raubtier zu einer Gattung, die es genoß, mit ihrem Opfer zu spielen, bevor es zuschnappte. Hier und da streifte einer der Zacken bereits den Vorta, der unter diesen Berührungen zusammenzuckte.

Odo, der seinen Blick nicht von diesem Bild zu lösen vermochte, fragte sich, wie Weyoun es schaffte, seine Kontrolle nicht zu verlieren. "Niemand verlangt von Ihnen, Ihre eigenen Gesetze zu brechen", sagte er. "Das Recht muß für alle gelten."

"Das ist richtig", stimmte sie sofort zu. "Denn das Recht steht über allem!"

"Dem widerspreche ich nicht", meinte Odo ruhig. "Aber...", er suchte ihren Blick, "...über dem Recht steht die Gnade!"

"Weyoun hat nicht darum gebeten." Ihr ablehnender Tonfall verdeutlichte, daß eine derartige Bitte keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

Odos Blick hielt den der Gründerin fest. "Dann tue ich es an seiner Stelle..."

"Sie erniedrigen sich, für einen Solid um Gnade zu bitten?" vergewisserte sie sich erstaunt.

"In meinen Augen liegt darin nichts Erniedrigendes", sagte Odo. "Aber selbst wenn, würde es nichts an meiner Bitte ändern."

"Und wenn ich Ihnen nun sage, daß Sie zwischen dieser Bitte und der, die der Anlaß dieses Treffens ist, wählen müssent?"

"Selbst wenn ich zwischen seinem und meinem Leben wählen müßte", erklärte Odo, "würde es nichts ändern. Im Gegensatz zu Ihnen halte ich mich nicht für einen Gott. Daher bewerte ich mein eigenes Leben nicht höher als das eines anderen!"

Die Formwandlerin musterte ihn ausdruckslos. "Sie solltem dem Schicksal danken, daß Sie kein Solid sind, Odo. Denn dann würde ich Ihnen jetzt die Gelegenheit geben, Ihre Behauptung zu beweisen." Damit trat sie erneut an das Terminal und betätigte einen Schalter. "Kommandant Nevar, sind die Reparaturarbeiten an dem Shuttle des Gründers Odo beendet? - Gut", fuhr sie fort, als der Jem Hadar bejahte. "Beamen Sie ihn an Bord!" Sie wandte sich zu Odo um. "Gemeinsam mit Botschafter Weyoun!"

Odos Dank ging in dem Flimmern des Transporterstrahles unter, der ihn und den Vorta genau in dem Moment erfaßte, als der Lemoyan sich entschied, aus dem Spiel ernst werden zu lassen.
 
 

* * *





Die Techniker der Jem’Hadar hatten gute Arbeit geleistet. Hätte Odo es nicht besser gewußt, hätte er bezweifelt, daß dieses Shuttle eine Explosion und eine Notlandung hinter sich hatte.

Seit sie wieder an Bord waren, hatte Weyoun, der wieder die Steuerung übernommen hatte, geschwiegen, aber sein Gesicht hatte dem Formwandler verraten, daß der Vorta damit beschäftigt war, das Geschehene zu verarbeiten. Nun wandte Weyoun sich von der Konsole ab und sah Odo an.

"Darf Ich Ihnen eine Frage stellen, Gründer?"

"Natürlich..." Odo lächelte leicht. "Allerdings werde ich sie nur dann beantworten, wenn Sie mir versprechen, mich niemals wieder so zu nennen!"

Weyoun kämpfte mit sich. "Wie soll ich Sie anreden...?" gab er dann nach.

"Mit meinem Namen", erwiderte Odo. "Oder mit Constable, wenn Ihnen das lieber ist."

"Wie Sie wünschen, Grün... Constable..."

"Nun, was ist?" Odo lehnte sich zufrieden mit diesem Erfolg in seinem Sitz zurück und warf dem Vorta einen auffordernden Blick zu. "Sie wollten mich doch gerade etwas fragen..."

Weyoun zögerte. "Warum haben Sie das getan?" fragte er dann. "Sie sind ein Gott, und ich habe nicht nur Ihr Leben in Gefahr gebracht, sondern auch Ihren Willen, Ihre Form zu behalten mißachtet... Trotzdem haben Sie sich für mich verwendet. Wieso...?"

Odos Lächeln vertiefte sich. "Um es mit den Worten zu sagen, die Captain Sisko jetzt hier an meiner Stelle gebrauchen würde: Es war ein Akt der Menschlichkeit..."
 
 


Epilog





Gul Dukat stürmte in das Quartier, noch bevor die Tür sich vollständig geöffnet hatte. Indessen konnte weder diese Unhöflichkeit noch die finstere Miene des Cardassianers den Botschafter des Dominions beeindrucken, der hinter seinem Schreibtisch saß und nun von dem Datenpad aufsah, das er in der Hand hielt. "Ja?"

"Ich war eben auf dem Promenadendeck!" erklärte Dukat.

Weyoun hob eine Braue. "Das freut mich für Sie."

"Tatsächlich?" bemerkte Dukat bissig. "Nun mich hat es weniger gefreut, festzustellen, daß Sie den von mir ernannten Sicherheitschef ohne meine Zustimmung durch einen anderen ersetzt haben! - Ich verlange eine Erklärung!"

"Aber natürlich. Wie nachlässig von mir. Ich bitte um Entschuldigung. Wie Sie wissen, hat Constable Odo offiziell Protest gegen seine Abberufung eingelegt, und nach sorgfältiger Prüfung der Angelegenheit denke ich, daß es im Interesse aller Beteiligten ist, wenn er in seinem Amt verbleibt."

"Sie nennen ihn Constable?" fragte Dukat verblüfft.

Weyoun lächelte. "Stört Sie das?"

Der Cardassianer schüttelte den Kopf. "Nein, aber es stört mich, wenn Entscheidungen, die meine Station berühren, über meinen Kopf getroffen werden."

"Terok Nor ist lediglich ein winziger Teil des Dominions."

"Da Sie das Dominion erwähnen, Botschafter", sagte Dukat. "Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber war es nicht so, daß die Gründer mit Odos Abberufung mehr als nur einverstanden waren? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber mir erscheint dieser Meinungswechsel ein klein wenig plötzlich. - Vielleicht sollte ich die Gründer bitten, mir Ihren Sinneswandel zu erklären?" ergänzte er als der Vorta schwieg.

Weyouns Lächeln vertiefte sich. "Es steht Ihnen selbstverständlich frei, das zu tun. Bei dieser Gelegenheit können Sie ihnen dann auch gleich erläutern, wie ein cardassianischer Sprengsatz sich an Bord unseres Shuttles verirren konnte. Was sicher kein Problem für Sie darstellen dürfte, oder?"

Dukat starrte den Vorta an. "Was soll das heißen?"

Weyoun lehnte sich nach vorn und blickte dem cardassianer direkt in die Augen. "Ich denke, das wissen Sie ganz genau, Dukat! - Aber zum Glück für Sie, bin ich nicht nachtragend. Ob die Gründer diese Sache genauso nachsichtig betrachten kann ich natürlich nicht garantieren. - Aber das werden wir ja dann erfahren..."

In Dukats Gesicht arbeitete es. "Womöglich war ich bei der Abberufung des Constables ein wenig voreilig. Während der Besatzung hat er seine Fähigkeiten mehrfach unter Beweis gestellt."

Weyoun verbarg seine Zufriedenheit darüber, daß er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte, hinter einem zustimmenden Nicken. Die Techniker des Dominions hatten keine Hinweise auf einen Sprengsatz gefunden. Er mußte bei der Explosion vollständig zerstört worden sein. Aber das wußte Dukat nicht...

"Ich freue mich, daß wir uns einig sind", meinte der Vorta liebenswürdig. "Es geht doch nichts über eine gemeinsame Basis als Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich habe mir vorgenommen, das niemals zu vergessen. Und ich hoffe, daß Sie das auch nicht werden..."

Weyoun sah nachdenklich auf die Tür, die sich hinter Gul Dukat geschlossen hatte.

Dieser Cardassianer war eine potentielle Gefahr. Für den Moment hatte er sie zwar gebannt, aber auf Dauer würde das nicht genügen. Zu Schade, daß er seinen Verdacht nicht beweisen konnte. Aber irgendwann würde Dukat mit Sicherheit einen Fehler machen, der geeignet war, ihm das Genick zu brechen. Wenn nicht heute, dann eben morgen oder übermorgen. Alles was er tun mußte, war, darauf zu warten...
 
 

Ende

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