Die Rose

(von Martina Bernsdorf)

aus MGM Band #2 "...Wer der Wind sät", erhältlich beim Star Trek Forum

 

 

Liebe ist der erste Weg zum Verrat

(Bajoranische Weisheit)

 

 

Tauperlen fingen sich auf den zarten Blüttenblättern der roten Rose und funkelten wie kleine Diamanten im Licht de Morgensonne.

Jamar berührte den Rosenstrauch sehr vorsichtig, er wollte die Tautropfen darauf nicht vertreiben - so sehr sie im Licht an Diamanten errinerten, so waren sie doch vergänglich, wie der Hauch des Nebels, der über dem Gras lag. Er mied die dicken Dornen des Rosenbusches und schnitt miz seinem Gürtelmesser den grünen Stiel der Rose durch. Einige Tautropfen rannen herab, aber es blieb noch ein Großteil in den zarten Blütenblättern gefangen.

Jamar bewunderte die zarte, schöne Form der noch geschlossenen Blüte und verglich sie mit der Frau, mit der er die Nacht verbracht hatte. Wie die Rose war sie zart, schön, aber auch voller Dornen. Seine Fingerkuppe strich über die kräftigen Stacheln und berührten dann die Blütenblätter, die sich samtig und glatt anfühlten. Sie erinnerten ihn an die Haut seiner Geliebten und ein Lächeln glitt über seine Lippen, als er an die vergangene Nacht dachte. So jung und unerfahren sie auch war, als er in sie eingedrungen war, war ihm iihr Schoß wie ein wildes Feuer erschienen, von dem er sich willig hatte vehrzehren lassen.

Jamar ging fast lautlos durch das feuchte Gras zu der Stelle, wo seine Geliebte schlief. Der Morgen kündete noch von frühsommerlicher Kühle und sie hatte sich in die Decke, die sie unter sich ausgebreitet hatten, eingewickelt. Ihr zerzauster Haarschopf lugte darunter hervor und die Strahlen der Sonne ließen feuerrote Lichtreflexe auf ihrem langen Haar tanzen.

Sein Belaklavion ruhte, in ein weiches Tuch eingeschlagen, um die Saiten des Instrumentes zu schützen, unter einem Baum.

Jamar studierte ihr Profil, so schön, und doch war in ihren Gesichtszügen eine Stärke, lag in dem Schwung ihres Kinns das Versprechen eines unbeugsamen Willens.

Es erfüllte ihn mit Stolz, daß er ihr erster Mann gewesen war, daß es sein Gesang und seine Hände gewesen waren, die ihr Herz zur Liebe erweckt hatten. Er hatte sich noch nie über mangelndes Interesse der Frauen beklagen können, gutaussehend und gebildet, ein Künstler auf Wanderschaft in einer Welt, in der Kunst immer weniger zählte. Die Begegnungen mit den meisten Frauen waren ihm wie schöne Erlebnisse auf seinen Reisen erschienen, doch erst bei dieser Frau hatte sein Herz gefühlt, daß er ans Ziel gelangt war.

Er hatte sie zum erstenmal in einem Dorf gesehen, in dem er für Nahrung und Obdach gespielt hatte. Inmitten eines Haufens von Widerstanskämpfern, die mit den Dorfältesten um Unterstützung für ihre Gruppe verhandelten. Ihm war rasch aufgefallen, mit welcher Wut und welchem Zorn diese junge Frau argumentierte, und daß allein ihr blonder Anführer diesen im Zaum halten konnte. Das abenteuerliche Leben dieser Widerstandskämpfer hatte ihn fasziniert, frei und ohne sich unter das Joch der Cardassianer zu beugen. Jamar hatte schon immer Lieder über die Rebellen geschrieben, aber er hatte sehr genau darauf gerachtet, wer seine Zuhörer waren. Er verspürte kein Verlangen danach sich in einem Gefangenenlager zu Tode zu arbeiten, oder gar an Ort und Stelle hingerichtet zu werden.

Jamar errinerte sich an einen Moment in den Bergen, während seiner Wanderschaft zum nächsten Dorf, wo seine Fantasie, beflügelt von der Schönheit dieser namenlosen Widerstandskämpferin Lieder um sie spann. Die beiden Cardassianer, denen er in die Arme gelaufen war, waren gelangweilt gewesen und schlecht gelaunt, weil sie die Paßstraße bewachen mußten Ein junger bajoranischer Musiker schien ihnen geeignet zu sein, ihre Stimmung zu verbessern. Er erinnerte sich an seine Furcht, an die feixenden Gesichter der Cardassianer, die ihm drohten, seine Hände zu zertrümmern, wenn er nicht tat, was sie von ihm wollten. Er hatte Frauen immer verachtet, die sich den Cardassianern aus Furcht hingaben. Aber daß er selbst in eine Situation geraten würde, wo er zwischen seinen Händen und seiner Ehre wählen mußte, hätte er nie gedacht.

Doch die Entscheidung war ihm abgenommen worden, von zwei Phaserschüssen, die das Feixen für alle Zeiten aus den Gesichtern der Cardassianer vertrieben und nur die Leere des Todes in ihnen zurückgelassen hatte. Dann hatte er sie gesehen, sie war aus ihrem Versteck zwischen den Felsen hervorgetreten, mit blitzenden, dunklen Augen und vom Wind zerzausten rotem Haar. Wie hätte er sich nicht in sie verlieben können?

Jamar kniete neben seiner schlafenden Rebellin nieder. "Nerys," der Sänger in ihm flüsterte ihren Namen wie eine Melodie.

Kira Nerys schlief nie tief, man gewöhnte sich den Tiefschlaf schnell ab, wenn man in ständiger Gefahr lebte von den Cardassianern überrascht zu werden. Ihre Hand zuckte zum Phaser, der dicht bei ihr lag, in den Falten der Decke, in die sie sich gewickelt hatte, nachdem der warme Körper neben ihr verschwunden war. Selbst in dieser Nacht, in der sie zum erstenmal erkannt hatte, daß sie nicht nur eine Widerstandskämpferin, sondern auch eine Frau war, hatte sie die Waffe nie vergessen. Sie blickte in die blauen Augen von Jamar, die fast die Farbe der Kornblumen hatten, und ließ den Phaser wieder los. Da er unter der Decke versteckt gelegen hatte, war Jamar diese Reaktion entgangen.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen und eine dunkle Stirnlocke fiel ihm in die Stirn. Er hielt eine wunderschöne Rose über sie und einige Tautropfen fielen auf ihr Gesicht.

"Guten Morgen," Jamar legte die Rose vorsichtig neben Kira ins Gras. Nur mit seinen Hosen bekleidet fröstelte er im frischen Wind.

Mit einer leichten Körperdrehung entwirrte sich aus der Decke und zog Jamar mit einer Umarmung zu sich. Ihr Lachen hallte über die Talmulde.

In diesem Moment vergaß Kira beinahe, daß es noch etwas anderes gab als diese sonnenüberflutete Lichtung -- und den Mann in ihren Armen.

Eine Welt ohne Furcht und Cardassianer schien an diesem Morgen greifbar zu sein, ein Traum, den sie zu träumen wagte und auch bereit war für ihn ihr Leben zu lassen.

 

* * *

 

Die Rose hatte durch das Trocknen und Pressen kaum an Farbe verloren, noch immer war sie von sattem Rot. Kira drehte sie versonnen zwischen ihren Fingern und brachte ihre Nase nahe an die Blütenblätter. Ihr Sein versank in dem berauschenden, ein kräftiger Blütenduft, der sie an den Sommer erinnerte und an Jamar.

Nun waren die Hänge der Hügel, auf die sie herabsah, nicht mehr mit den Farben des Sommers überzogen, die Malerin Natur hatte ihren Pinsel in die Farben des Herbstes getaucht.

Kira betrachtete die Rose. Jamar hatte sie sorgsam gepreßt und sie zwischen zwei Notenblätter eines Liedes für sie gelegt. Damit ein Teil von ihm immer bei ihr sein konnte, wenn sie in den unwegsamen Bergen mit der Shakaar unterwegs war, um für Bajors Freiheit zu kämpfen.

Kira fragte sich, ob Jamar sich bei seiner romantisierten Vorstellung des Daseins als Widerstandskämpfer bewußt war, daß dieses Geschenk seiner Liebe auch dann bei ihr war, wenn sie Cardassianer tötete.

Ein leises Knirschen ließ Kira nach dem Phasergewehr greifen, ehe sie vom Gegenlicht der Sonne geblendet, die Shiloutte von Shakaar wahrnahm und die Waffe wieder senkte.

"Wäre ich ein Cardassianer, wärst du jetzt tot, Nerys." In der Stimme ihres Anführers war nur der Hauch eines Vorwurfes.

Kira kniff wütend auf sich selbst die Augen zusammen, er hatte sie noch niemals dabei überrascht unachtsam zu sein.

"Wärst du ein Cardassianer, hätte ich dich schon früher gehört." Es war eine trotzige und eher schwache Verteidigung, sie wußte, daß sie während ihrer Wache nicht träumen durfte. Aber es war seltsam, ihre Träume von Freiheit und Rache hatten ihre Sinne nie in der Art betäubt wie die Träume von Jamar und seiner Liebe.

Shakaar stieß die Luft zwischen seinen Lippen in einem Stoßseufzer aus. Er hatte dieser Entwicklung lange genug tatenlos zugeschaut, es wurde Zeit, Kira einige bittere Wahrheiten des Lebens klarzumachen. Doch er befürchtete, daß sie diese Wahrheiten nicht annehmen würde, sie wählte nie den leichten Weg. Shakaar setzte sich neben Kira und schlug seine langen Beine unter sich zusammen. Er blickte sie an, in ihren nachtschwarzen Augen waren Ablehnung und Trotz zu lesen. Er deutete auf die Rose zwischen ihren Fingern. "Du blutest."

Kira starrte auf ihre Hand. Sie hatte bei dem Griff nach dem Phaser unweigerlich die Rose fester gefaßt und sich dabei an den Dornen gestochen. Sie legte die Blüte zurück zwischen die Notenblätter und steckte beides in die Innentasche ihrer Jacke.

"Du solltest die Rose und alles was du damit verbindest über die Klippe werfen, Nerys." Shakaars Stimme war rauh, und er bemerkte die Unverständnis und die Wut in ihren Augen. "Ich war auch einmal achtzehn und hatte eine erste Liebe, Nerys." Ein Hauch von Trauer lag in Shakaars Zügen, während der Wind mit seinem blonden Haar spielte. Er trug es seit seiner frühesten Jugend lang, zum Zeichen seiner Unabhängigkeit und seinem Aufbegehren gegenüber den Cardassianern. "Es kann nicht gutgehen, Nerys. An dem Tag, an dem du dich entschieden hast für Bajors Freiheit zu kämpfen, hast du damit auf vieles verzichtet. Damals wird es dir nicht bewußt gewesen sein, so jung wie du warst, noch ein Kind. Aber du hast auch die Liebe und eine eigene Familie für diesen Traum geopfert, den wir hier alle teilen." Shakaar blickte auf seine Hände, um nicht in Kiras Augen sehen zu müssen.

"Jamar hat nichts mit uns zu tun, Shakaar, ich bin eine Widerstanskäpferin, und das weiß er. Wir lieben uns und das geht niemanden, nicht einmal dich etwas an!" Kira war selten so wütend auf Shakaar gewesen. Er war mehr als nur ihr Anführer, er war ihr Freund, fast wie ein Bruder und bisher hatte sie immer gedacht, daß er sie verstehen würde.

"Es hat etwas mit uns zu tun, Nerys. Du begibst dich jedesmal in Gefahr, wenn du dich mit ihm triffst, und damit auch uns. Wenn die Cardassianer dich fangen sollten, wirst du uns verraten."

Sein letzter Satz trafen Kira wie ein Schlag, von seiner Seite hätte sie nie damit gerechnet. "Ich würde eher sterben, als dich zu verraten, Shakaar, oder unsere Gruppe." Ihre Stimme zitterte leicht.

Voller Trauer in seinen sanften blaugrauen Augen blickte Shakaar sie an. "Die Cardassianer würden dich nicht sofort sterben lassen, Nerys. Glaub mir, ich weiß wie stark du bist, ich kenne deinen Willen, und daß es sehr viel brauchen würde, um diesen Willen zu brechen. Aber die Cardassianer würden einen Weg finden."

Kira schüttelte den Kopf. Sie wollte kein Wort, von dem, was Shakaar sagte, annehmen. "Ich bin das erste Mal in meinem Leben wirklich glücklich, Shakaar. Weißt du überhaupt vorstellen, wie sich das anfühlt? Ich will dieses Gefühl für mich bewahren und du sagst mir, ich soll Jamar aufgeben?"

Shakaar dachte an ein Weizenfeld, an sein Heimatdorf, er hatte nie etwas anderes als ein Farmer sein wollen. Er erinnerte sich an die Weizenkörner zwischen seinen Fingern, an die Sonne, wie sie auf den gelben Halmen glitzerte, an den Wind, der Wellen in die Felder blies. Das war für ihn Glück gewesen, aber man hatte es ihm genommen, und er wünschte, er müßte nun Kira nicht das ihre nehmen.

"Was glaubst du, warum alle hier in der Shakaar nicht verheiratet sind, oder ihre Familien verlassen haben? Warum es nur flüchtige Liebschaften mit anderen Widerstandskämpfern gibt? Warum man niemand in sein Herz läßt? Man verschenkt es nicht an jemanden, der kurz darauf sterben könnte. Liebe ist der erste Weg zum Verrat, Nerys. Das eigene Herz ist es, das einen verrät, und wie oft kann man es brechen, bis es nie mehr zusammenwächst?" Shakaars Hand schlug flach auf die Erde, so als könne er dadurch seinen eigenen Zorn und Schmerz lindern. "Jamar wird dich verraten, weil er dich liebt, und du wirst ihn mit deiner Liebe töten, Nerys." Er stand wieder auf und klopfte den Staub von seiner Hose. "Ich will es nicht, Nerys, aber lieber tue ich dir weh, als zuzusehen, wie du in dein Verderben rennst."

Kira erhob sich ebenfalls und reckte angriffslustig das Kinn vor. "Du verlangst von mir, Jamar nie wiederzusehen?"

Shakaar schüttelte den Kopf. "Das kann ich nicht, Nerys, so gern ich es auch möchte. Du würdest ohnehin nicht auf meinen Befeh hören, nicht bei dieser Sache."

Kira senkte den Blick, damit er die Bestätigung seiner Worte nicht in ihren Augen lesen mußte. Doch sie wußten beide, daß er recht hatte. Jamar war das erste Glück in Kiras Leben, wie könnte sie ihn aufgeben?

 

* * *

 

Die Rosen, die den Weg säumten, waren am Verblühen, der Herbst war in das Land gezogen und ein bitterer Winter würde folgen. Jamars vom Spielen des Belaklavion kräftigen Finger hielten Kiras Hand. "Wir müssen uns bald etwas einfallen lassen. Bisher waren die Wälder ein wunderschönes Bett, aber bald wird es zu kalt." Jamar zog ihre Hand an seine Lippen und küßte sie sanft. "Ich habe in Haravan eine Möglichkeit zum überwintern gefunden. Ich werde im Gasthaus spielen und kann dafür dort wohnen. Das Dorf ist nicht weit von deinen Bergen entfernt, in denen du dich aufhältst Nerys."

Kira runzelte die Stirn. In ein Dorf zu gehen, würde noch mehr Gefahren bergen, als sich in den Wäldern zu treffen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sie allen Bajoranern vertraut hatte. Aber dieses Vertrauen war schon vor vielen Jahren gestorben, zusammen mit Tender, ihrem Freund, mit dem sie aus dem Sighaflüchtlingslager geflohen war ... Gestorben mit dem lächelnden Gesicht eines Bajoraners ... mit dem Beutel Latinum, den er für seinen Verrat von dem Cardassianer bekam, an den er sie verkauft hatte ...

"Wen haben wir denn da?" Die rauhe, harte Stimme eines Cardassianers riß Kira aus ihren Erinnerungen.

Jamars Hand umklammerte die ihre fester, als sie beide mitten auf dem Pfad stehenblieben. Dieser Weg war alt und fast ganz überwuchert. Kira hatte ihn als sicher eingestuft, aber jetzt sprang ein Cardassianer von einem Felsen genau vor sie. Kira warf einen Blick über ihre Schulter.

Zwei weitere Cardassianer, die sich im Gestrüpp verborgen hatten, traten aus ihrem Versteck.

Kira dachte an den Phaser, der am Rücken in ihrem Hosenbund stak, verdeckt unter ihrer langen Jacke. Sie sah zu Jamar, dessen Gesicht bleich geworden war und der sein Belaklavion enger an sich drückte. Er war kein Kämpfer ...

Kira überlegte, ob sie dennoch ihre Waffe ziehen sollte. Sie würde lieber im Kampf den Tod finden, als sich gefangennehmen zu lassen. Aber dann würde Jamar mit ihr sterben, und das ließ sie zögern ...

"Wir haben nichts getan, Hauptmann" Jamar schlug die Augen nieder und hielt Kiras Hand weiterhin fest, während die Cardassianer bis auf wenige Schritte näherkamen.

Der Offizier lachte hart. "Das werde ich entscheiden, Bajoraner! Was habt ihr hier zu suchen?"

Jamar ließ die Schultern hängen um seine Körpergröße abzumildern. Er wollte sich so harmlos und einfältig stellen wie nur möglich. Er war kein Kämpfer, aber er war nicht dumm. Er hoffte, daß Kira bei seinem kleinen Spiel mitzog und ihre Finger von ihren Waffen ließ. Es gab keinen Grund dafür, daß die Cardassianer sie anhielten, es eine Routinekontrolle würden sie mit etwas Glück überstehen.

"Wir kommen aus dem Dorf Haravan," erklärte Jamar, und gleich darauf klatschte die Faust des cardassianischen Offiziers in sein Gesicht. Kiras Hand zuckte, aber sie unterdrückte den Impuls, nach ihrer Waffe zu greifen.

"Ich habe nicht gefragt, woher ihr kommt, Bajoraner, oder?" Einer der anderen Cardassianer lachte leise auf diese Bemerkung seines Hauptmanns.

Jamar spürte Blut an seinem Mundwinkel, er senkte den Kopf noch ein wenig tiefer. "Nein, wir sind hier weil Nerys Vater der Dorfvorsteher ist und ich nur ein kleiner Belaklavionspieler bin."

Der Offizier grinste und musterte Kira mit einem verschlagenen Funkeln in den Augen. "Verstehe, Du bist wohl nicht gut genug für seine Tochte?r" Er streckte die Hand aus und hob Kiras Kinn an. "Vielleicht wäre ja ein cardassianischer Hauptmann gut genug?"

Seine Worte lösten erneutes Gelächter bei seinen Kameraden aus und ließen ein eisiges Schaudern über Jamars Wirbelsäule kriechen.

Der Offizier trat einen Schritt zurück, und sein Augenmerk ruhte auf Kira. "Das Problem ist nur, daß ich euch nicht glaube." Ohne Vorwarnung schlug er Kira ins Gesicht.

"Nein!" Jamars Hand glitt aus Kiras, als sie zu Boden stürzte. Ein Cardassianer packte ihn von hinten und hielt ihn fest. So sehr er sich auch in dem Griff wand, er konnte sich ihm nicht entreißen.

Blut tropfte aus Kiras Nase. Ein Cardassianer zerrte sie wieder hoch und verdrehte ihren Arm auf den Rücken.

"Sieh an," der Hauptmann zog zielsicher den Phaser aus ihrem Hosenbund. "Eine beachtliche Waffe für ein harmloses Liebchen! Oder etwa nicht?" Seine Faust traf Kiras Magen, so daß sie sich im Griff des Soldaten zusammenkrümmte.

Der Offizier lächelte versonnen und blickte Jamar an. "Du bist das, was du behauptest zu sein, aber sie ..," er deutete auf Kira. "Ist es nicht. Deine Geschichte hätte ich glauben können, aber ihre Augen haben sie verraten, keine Spur von Angst, nur Haß."

Er trat von dem bleichen Jamar weg und durchsuchte Kira, die halb bewußtlos im Griff des Soldaten hing. Ihr Stiefelmesser warf er im hohen Bogen ins Unterholz, aber die getrocknete Rose und die Notenblätter erregten seine Aufmerksamkeit.

Der Offizier nickte dem Cardassianer zu, der Kira festhiel. Der Soldat ließ die Bajoranerin los, die ohne den Halt durch seine Fäuste auf die Knie sank.

"Zu welcher Rebellengruppe gehört sie?" Seine Frage galt Jamar, der ihn entsetzt ansah. Der Cardassianer ließ die getrocknete Rose und die Notenblätter zu Boden fallen.

Kiras Verstand war umnebelt. Sie sah nur die Rose im Staub, die Worte des Cardassianers waren weit entfernt. Sie streckte die Hand aus, die Rose und die Erinnerungen, die sie damit verknüpfte, wollte sie nicht verlieren ...

Ihre Finger berührten die Blütenblätter, als der cardassianische Offizier brutal auf ihre Hand trat. Kira konnte den Schmerzensschrei nicht unterdrücken, als sie ihre Fingerknöchel unter seinem Stiefel knirschen hörte.

Jamar zitterte im Griff des Cardassianers. "Hören Sie auf, bitte!"

Der Offizier verstärkte den Druck seines Stiefels auf Kiras Hand und entlockte ihr damit noch einen Schrei.

"Zu welcher Gruppe?"

"Shakaar!" Jamar schrie es heraus, die Tränen, die ihm übers Gesicht liefen, bemerkte er kaum. "Es ist die Shakaar, aber bitte, hören Sie auf, ihr weh zu tun!"

Der Cardassianer war zufrieden, er hob seinen Fuß.

Kira zog ihre Hand schützend an ihren Körper. Der Schmerz hatte ihre benebelten Sinne wieder aufgeklärt. Sie starrte zu Jamar auf, aus dessen Mund der Verrat gedrungen war, den sie kaum fassen konnte. Begriff er nicht, daß er ihr damit nicht half?

"Shakaar, wie schön. Dieser kleine Haufen wird zunehmend zu einem Ärgernis." Der Offizier schien erfreut, solch einen Fang hätte er sich auf diesem einsamen Pfad nicht träumen lassen.

"Sie werden ihr nicht mehr weh tun ... bitte!" flehte Jamar den Cardassianer an.

"Ich werde eher sterben, als ein Wort zu verraten," Kira spuckte das Blut, das sich in ihrem Mund gesammelt hatte, dem Hauptmann vor die Stiefel.

"Du wirst sterben, kleine Rebellin, aber zuerst wirst du reden. Wir werden Dich in die Stadt bringen und dort wirst du die Überredungskünste unserer Spezialisten kennenlernen."

Der Offizier blickte nun zu Jamar. "Dich kleinen Sänger werden wir auch in die Stadt mitnehmen. Auf dem Markplatz wirst du dein letztes Lied trällern, wenn der Strick um deinen Hals liegt."

Jamar starrte den Cardassianer an. "Ihr wollt mich aufhängen?" brach es voller Todesangst aus ihm heraus, er wollte nicht sterben. "Ich habe nichts getan!"

Kira sah ihn an, in seinen kornblumenblauen Augen lag Schrecken, Furcht jenseits aller Liebe.

"Ich bin kein Rebell, ich bin unschuldig! Ich habe nichts getan!" Doch in den Augen des Cardassianers las Jamar nur seinen Tod. "Sie ist es doch!" Seine Stimme brach fast, als er auf Kira deutete. "Sie ist die Rebellin! Sie, nicht ich!"

Kira starrte Jamar an. Seine Liebe hatte sie verraten, seine Angst verriet sie nochmals und sie brachte ihm den Tod ...

Shakaar hatte recht gehabt, mit jedem Wort. Aber sie hatte es nicht glauben wollen, nicht glauben können ...

Kira spannte ihre Muskeln und blickte sich verstohlen um. Sie waren fast ganz oben auf dem alten Pfad, der steil auf die Hügel führte, zum Wasserfall.

Sie konnte ihn sogar hören, wenn sie angestrengt lauschte, auch wenn ihr Herz lauter zu schlagen schien als jedes Geräusch. Dort hatten Jamar und sie sich lieben wollen ...

Kira schloß kurz die Augen, dann riß sie sie wieder auf und sprang auf die Beine.

Sie blieb nur einige Sekunden auf dem Weg, während die Stimmen der Cardassianer dumpf an ihr Ohr drangen und Phaserschüsse links und rechts von ihr den Boden trafen.

Kira rannte durch das Unterholz und weiter zur Klippe, dort wo der Wasserfall sich ins Tal stürzte. Die Chance, diesen Sprung zu überleben, war debkbar schlecht, aber daran dachte sie nicht.

Sie dachte an Shakaar, daß sie nicht zulassen würde, ihn zu verraten ...

Es gab kein Zögern, sie stieß sich ab und riß die Arme hoch, so als wolle sie den Tod umarmen. Einige Sekunden hatte sie die Illusion, über Bajor schweben zu können, gehalten von den Propheten ...

Dann begann der Sturz. Es war seltsam, aber in diesem Moment, wo die Erde und der verschwindend gering erscheinende Wasserlauf auf sie zurasten, dachte sie nicht an Jamar und auch nicht mehr an Shakaar -- sondern nur an die Rose.

 

* * *

 

er Offizier kam zurück, er war wütend. So eine gute Beute, und er hatte sie entwischen lassen. Er musterte den jungen Bajoraner, der leichenblaß im Griff seines Unteroffiziers hing.

"Den Sturz kann sie nicht überlebt haben." Ganz sicher war er sich zwar nicht, aber er hatte kein Verlangen danach, den gesamten Flußlauf nach der Leiche abzusuchen.

"Warum lassen Sie mich nicht laufen?" Jamar fragte sich kurz, ob er versuchen sollte, Kiras Beispiel zu folgen. Doch die drohend erhobenen Phaser verwandelten seine Beine in Blei, er würde nicht rennen können.

"Du hast dich in die falsche Frau verliebt, Junge, und wir müssen zeigen, wie es Sympathisanten und Freunden der Rebellen ergeht." Der Hauptmann nickte seinen Männern zu und sie zerrten den jungen Bajoraner mit sich.

Jamars Stiefel traten dabei auf die zarten Blütenblätter der getrockneten Rose, aber er bemerkte es nicht.

Er konnte nur daran denken, daß er unschuldig war, und daß er nicht sterben wollte ...

 

* * *

 

Einzelne Blutstropfen glitzerten im trockenen Staub des alten Pfades. Erde lag auf den Blättern der Rose und trübten die rote Farbe. Manche der Blätter waren zerfetzt, abgetrennt vom Blütenkelch und dem Stiehl der Rose.

Kira kauerte auf dem Pfad, ihre Kleidung war während des langen Aufstieges aus dem Tal getrocknet. Die Cardassianer waren schon lange fort, und mit ihnen Jamar ...

Die Sonne stand schon tief. Sie hatte stundenlang besinnungslos im Wasser gelegen, dort, wo der Fluß sie hingetrieben hatte. Es kam einem Wunder gleich, daß sie nicht ertrunken war. Kira fragte sich unwillkürlich, warum die Propheten ihre Hand über sie gehalten hatten. Warum lebte sie noch? Gab es eine Bestimmung, die sie zu erfüllen hatte? Warum hatte Shakaar recht behalten müssen? Warum war ihr Herz bei Jamars Worten gebrochen? Er hatte sie nicht leiden sehen können und sie deshalb verraten.

Seine Liebe hatte sie verraten und ihre Liebe brachte ihm den Tod ...

Kira sammelte die abgetrennten Blütenblätte mit der linken Hand auf. Die Rechte trug sie in einer provisorischen Schlinge. Shakaar würde sie zu einem heiler schicken müssen, um die gebrochenen Finger wieder richten zu lassen. Doch es gab etwas, das sie noch tun mußte, bevor sie zurück in die Berge ging, zurück zur Shakaar.

 

* * *

 

s war früh am Morgen und der Marktplatz der kleinen Stadt noch leer. Doch heute würden die Händler ihre Waren nicht feilbieten, nicht im Schatten des Galgens ...

Die wenigen Bajoraner, die zu dieser frühen Stunde den Platz überquerten, senkten den Blick, wenn sie an dem Leichnam des jungen, toten Bajoraners vorbeigingen. Das Belaklavion, das die Cardassianer wie zum Spott unter den Galgen gestellt hatten, rührte niemand an, obwohl das Instrument sicher einige Streifen Latinum wert gewesen wäre.

Niemand nahm von der jungen Frau Notiz, die sich langsam dem Galgen näherte und vor ihm verharrte. Kira blickte auf das Schild, das die Cardassianer Jamar um den Hals gehängt hatten, und das eine Warnung beinhaltete, sich mit den Rebellen zusammenzutun, eine Drohung, daß es allen Sympathisanten des Widerstandes genauso ergehen würde.

Jamars dunkle Locken fielen ihm in die Stirn und Kira war froh, daß die Schatten des frühen Morgens einen genauen Blick in sein Gesicht verhinderten. Sie wollte sich nicht an das Grauen erinnern, nicht an die Furcht. Sie versuchte mit aller Macht die Bilder ihrer schönen Erinnerungen an ihn zu beschwören.

Doch alles, was sie sah, waren seine angsterfüllten Augen, seine Stimme, die rief: sie ist die Rebellin, sie, nicht ich ...

Sie konnte Jamar keinen Vorwurf machen, sie verstand seine Furcht, seinen Verrat. Doch wie sollte sie diesen Mann, dessen Leichnam leicht im Wind schaukelte, mit dem in Verbindung bringen, der ihr lachend die Rose geschenkt hatte?

Sie öffnete die linke Hand, die Blüttenblätter lagen in ihrer Handfläche, zerdrückt und eingerissen. Die rote Farbe erinnerte nun an vergossenes Blut.

Der Wind nahm das erste Blatt auf und trug es mit sich über den Marktplatz. Kira betrachtete die zurückgebliebenen Blätter, auf denen im ersten Licht des Morgens kleine Tropfen glänzten, wie Diamanten. Aber diesmal war es kein Tau, diese Tropfen waren Tränen ...

Mit einer heftigen Bewegung warf sie die Blütenblätter in die Luft, der Wind nahm sie auf, trieb sie umher, und eines blieb an Jamars Belaklavion haften.

Kira verließ den Marktplatz, es war ein weiter Weg zurück in die Berge. Sie würde nicht nochmals zulassen, daß ihr Herz brach, das schwor sie sich in den goldenen Sonnenstrahlen des Herbstmorgens. Solange die Cardassianer Bajor beherrschten, würde sie nicht zulassen, daß die Liebe eines anderen sie nochmals verriet -- oder die ihre ein Leben kostete. Wie alle Widerstandskämpfer, die leidenschaftlich und verzweifelt für die Freiheit kämpften, würde sie ihren Weg allein gehen, einsam und niemals glücklich.

 

 

Ende

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