"The Trouble With Quark..."

Eine DS9-Story von Florian Arnold

erschienen in USS DS9#4, erhältlich im Star Trek Forum

 

Für alle Fans der kleinen geldgierigen, skrupellosen und doch irgendwie anständigen "Großohren". Hey, wie wäre es mit ‘nem Fanclub: "Friends of the Ferengi"?!

 

Höchst zufrieden hielt Quark die Flasche mit der rötlichen Flüssigkeit gegen das Licht und schwenkte sie vorsichtig. Ein breites Grinsen löste den zuvor mißtrauischen Eindruck ab, als der kleine Ferengi erkannte, was für ein Geschäft er gemacht hatte.

"Eine ganze Flasche echten bolianischen Ales... Wenn unser guter Odo das wüßte...", flüsterte der Barkeeper, konnte es jedoch nicht unterdrücken, den Flaschen und Gläsern, die in seiner Nähe standen, einen prüfenden Blick zuzuwerfen. Wer konnte mit Sicherheit sagen, ob Odo nicht in Form der Brosche auf dem Pelz der dicken Romulanerin, die soeben die Bar betrat, den Ferengi und seine in den Augen manch anderer nicht ganz legalen Geschäfte beobachtete? Oder in Form des Glases, das sein Bruder Rom soeben auf das Tablett stellte? Oder als der seltsam schimmernde Schmutzfleck auf der Weste dieses Klingonen, der am Dabo-Tisch stand?

Quark war in dieser Hinsicht von einem Mißtrauen beherrscht, wie es nur jemandem innewohnen konnte, der erleben mußte, wie sich sein Sandwich mit den leckeren Gvavok-Käfern darauf in einen selbstzufrieden grinsenden Sicherheitschef verwandelte. Quark hielt normalerweise nichts davon, sich bei einem lukrativen Geschäft oder - wie er es gegenüber dem unerschütterlich mißtrauischen Formwandler gerne nannte - einer ‘Transaktion’ durch irgendwelche Ängste oder Vorahnungen dazwischenfunken zu lassen. Er allein wußte, wie klein sein Vermögen in diesem Falle gewesen wäre!

Doch wenn es um den unverbesserlich mißtrauischen Formwandler mit dem schmirgelpapierglatten Gesicht ging, ließ Quark alle Unvorsicht fahren und prüfte jedes Glas, jedes Sandwich und jedes noch so unbedeutend erscheinende Detail lieber viermal, bevor er mit seinen Geschäftspartnern verhandelte.

Es hatte ihn einige Mühe gekostet, diese Flasche des kostbaren und - ärgerlicherweise - illegalen Getränks zu bekommen. Quark hatte zahlreiche Beziehungen und noch mehr Streifen Latinums investieren müssen, um diese 0,9 Liter Ales in seinen vor Gier zitternden Händen halten zu dürfen. Und sein Cousin Galen - möge er in der Hölle verrotten! - hatte ihm dabei nicht die Hilfe gewährt, die er ihm noch vor einem halben Jahr so scheinbar großzügig angeboten hatte.

Galen! Quarks Mund verzog sich zu einer abfälligen Schnute, die so ziemlich alle bekannten Emotionen ausdrückte, die mit Abneigung zu tun hatten. ‘Galen, der verdammte Schurke! Nur weil ich nicht so reich bin wie er und keinen Nutzen für seine Geschäfte habe, behandelt er mich wie einen unfähigen Habenichts’, dachte Quark. Er mußte sich allerdings eingestehen, daß er an Galens Stelle genauso gehandelt hätte.

"Quark, Sie nichtsnutziger kleiner Troll, wo bleibt mein Blutwein?" brüllte einer von Quarks Stammkunden, der Klingone Roktar, verstimmt. Er hatte bereits etliche Getränke mit hohem Alkoholgehalt genossen und war dementsprechend schlechter Laune.

Quark fand es immer wieder interessant, wie Alkohol auf verschiedene Spezies wirkte. Menschen wurden entweder übellaunig oder lustig. Das hatte der Barkeeper am besten bei seinen zwei Stammkunden Miles O’Brien und Doktor Bashir feststellen können.

Während sich der Chief mit zunehmender Anzahl genossener Getränke zu einem Ausbund an Heiterkeit entwickelte und Kostproben seiner (leider recht mangelhaften) Gesangskunst gab, wurde der junge Arzt nach dem Genuß mehrerer Getränke trübsinnig und schwermütig. Das war Quark ungleich unlieber, da er sich dann die ganze tragische Geschichte des jungen Arztes anhören mußte, der noch heute wegen einer präganglionalen Faser, die er verwechselt hatte, Gewissensbisse hatte. Was Quark auch nach drei Jahren noch nicht verstehen konnte. Aber wie er sich immer sagte: ‘Menschen - man weiß nie, was sie als nächstes tun!’

"Ich komme schon!" rief Quark seinem betrunkenen klingonischen Gast zu und ließ die Flasche bolianischen Ales hastig unterm Tresen verschwinden. ‘Hoffentlich steckt Odo nicht irgendwo in Form eines Kekskrümels unterm Tresen!’ überlegte Quark ängstlich, dann nahm er den Blutwein aus dem Replikator und eilte zu Roktar.

 

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Roktar nahm seinen siebten Becher Blutwein mit einem unverständlichen Brummen an sich. So manch anderer hätte die Nase gerümpft wegen des unhöflichen Benehmens des Klingonen, doch Quark waren die Manieren seiner Kunden so lange egal, solange sie bestellten und bezahlten.

Und daß Roktar weiterhin bestellen würde, war dank der kleinen Zusak-Bohnen keine Frage. Sicher, dank Odo hatte Captain Sisko die Bereitstellung dieser kleinen heimtückischen Hülsenfrucht verboten, was Quark jedoch nicht daran hinderte, sie weiterhin - nun allerdings "getarnt" - unter die Kunden zu bringen. Die Idee stammte von Rom und war ebenso effektiv wie profitabel: Quark verkaufte kleine Tüten mit Knabberzeug, das aus Erdnüssen, Gnavak-Schalen, einigen anderen exotischen Backwerken und eben besagten Zusak-Bohnen bestand, an der Bar.

Die Kunden kauften es bereitwillig und hatten keine Ahnung, daß die Bohnen ihre Mundschleimhäute innerhalb kürzester Zeit so stark austrockneten, daß sie unbedingt eine größere Menge Flüssigkeit zu sich nehmen mußten.

"Wohl bekomm’s!" wünschte Quark dem Klingonen noch, dann eilte er mit seinem vollen Tablett zu den nächsten Kunden weiter. Er mußte sich dazu einen Weg durch die Menschenmassen bahnen und dabei das Tablett voller gefüllter Gläser balancieren.

Und das war gar nicht so einfach: Da war ein Klingone, der sein Ritualmesser gezogen hatte, als ihm Quark aus Versehen den Ellenbogen an die Schulter stieß. Glücklicherweise hatte auch er schon so viel vom starken Wein intus gehabt, daß er wieder auf seinen Stuhl zurückplumpste, bevor es für Quark brenzlig geworden wäre. Dann waren da die tholianischen Krieger, die aus ihrer Aversion gegen andere Spezies im allgemeinen - und Ferengi im besonderen - keinen Hehl machten, und ihm 'empfahlen', sich außer zum Servieren nicht in der Nähe ihres Tisches blicken zu lassen, sollte ihm an seinem Leben etwas liegen.

Quark kam zum nächsten Tisch, an dem Getränke bestellt waren: Dr. Bashir saß wieder einmal mit Garak zusammen, und sie unterhielten sich offenbar über cardassianische Musik.

Ein seltsames Gespann, dachte Quark, als er den Tee und einen cardassianischen Trunk servierte, der ebenso übel aussah wie er roch. Nur etwas für echte Cardassianer; alle anderen Lebewesen wären vermutlich alleine durch den Anblick dieses Getränks umgekommen...

"Also wirklich Doktor!" bemerkte Garak in diesem Moment ehrlich entrüstet. "Ihre negative Meinung über die einzigartigen Kompositionen Netaks ist völlig unbegründet. Wie können Sie einen solchen musikalischen Genuß nur ablehnen.." hörte Quark noch, bevor er sich zum nächsten Tisch aufmachte. Und als er auch diese Kunden mit Getränken versorgt hatte, machte er sich zur Bar auf, um dort "Nachschub" zu holen.

Gerade, als Quark einen bajoranischen Kräutertee - ein fades und langweiliges Getränk, wie Quark fand - aus dem Replikator nahm, betrat Odo die Bar.

Quark hätte wetten können, was der Formwandler tun würde. Zunächst würde er einfach nur den Blick durch das QUARK'S schweifen lassen, gerade so, als wolle er sich nur davon überzeugen, daß die Geschäfte des Ferengi auch gut gingen.

Ha!

Dann würde der Formwandler langsam in Quarks Richtung gehen, um an der Bar Platz zu nehmen. Ein harmloser Austausch von halbehrlich gemeinten Höflichkeitsbezeugungen würde stattfinden, in dessen Anschluß Odo schließlich mit dem einzigen Grund herausrücken würde, weshalb er sich in die Bar begeben hatte. Vermutlich wollte sich der Constable wegen des kleinen Verkaufsstandes neben seinem Büro beschweren, den Quark an diesem Morgen aufgestellt hatte. Nog verkaufte dort diversen Plunder, wertloses Zeug zu sehr guten Preisen, an einem strategisch günstigen Standpunkt.

Vielleicht würde Odo ein wenig ungehalten sein wegen der Tatsache, daß Nog dort auch eine Puppe verkaufte, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Odo selbst hatte. Und vielleicht hatte er auch Einwände gegen das "Sonderangebot des Tages", das aus einem Blecheimer bestand, auf dem "Odo" stand. Quark hätte es nicht für möglich gehalten, aber es gab tatsächlich Touristen und Besucher, die als Andenken gerne den "Originaleimer des einzigen Formwandlers im Alpha-Quadranten" kauften.

Daß Quark allein an diesem Morgen schon zwölf dieser Unikate verkauft hatte, sprach doch für sich!

Quark drehte dem Replikator den Rücken zu, und normalerweise hätte Odo jetzt erst 3 oder 4 Meter vor dem Tresen stehen müssen. Diesmal jedoch saß der Sicherheitschef bereits und funkelte Quark aus seinen graubraunen Augen mißtrauisch an.

Quark zauberte ein joviales Lächeln auf seine Lippen, und trat zu Odo.

"Nun, Odo, womit kann ich Ihnen helfen? - Wie wäre es mit einem erfrischenden bajoranischen Kräutertee?"

Erwerbsregel Nr. 226: Laß Dir niemals etwas anmerken...

Odo legte den Kopf ein wenig schief, und seine Mundwinkel zuckten kurz. "Quark - Sie wissen doch ganz genau, daß ich nichts trinke...", bemerkte der Formwandler trocken und ließ den Ferengi nicht eine Sekunde aus den Augen. " Nun Quark, ich denke, Sie wissen, warum ich hier bin!" fuhr Odo fort. "Was kam gestern für Sie mit dem bolianischen Frachter an? Ich denke, es waren nicht nur Stricknadeln und Traubensaft, nicht wahr?"

Kein Wort wegen des Verkaufsstandes.

Gut.

Sehr gut sogar.

Quark hatte schon zuviel Erfahrung im Umgang mit dem argwöhnischen Sicherheitschef, als daß er so schnell nachgegeben und alles gestanden hätte. Quark spielte natürlich den Unwissenden - womit Odo seinerseits gerechnet hatte.

"Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen, Odo", bemerkte Quark harmlos. "Und nun bestellen Sie besser etwas, denn dies ist eine Bar! Wie wäre es mit einem erfrischenden Kräutertee?!"

Er hatte sich natürlich getäuscht - so schnell gab der Formwandler nicht auf. Odo stellte dem Ferengi erneut die Frage, was der Bolianer geliefert hatte. Quark beschloß, bereits jetzt ein wenig einzulenken; nichts würde den Formwandler mehr verdutzen als eine Aussage des Barkeepers.

"Da war nur eine Ladung saurianischer Brandy...", erklärte Quark, "ein paar Flaschen romulanisches Ale und die Kräuter für den bekömmlichen bajoranischen Kräutertee - den sollten Sie wirklich mal versuchen. Er wirkt streßhemmend."

Odo seufzte. Hatte er im Ernst erwartet, daß Quark diesmal sofort sagen würde: Ja, ich habe wieder mal etwas Illegales an Bord geschmuggelt und natürlich habe ich es Ihnen nicht mitgeteilt!!

Nein, natürlich nicht.

"Ich meinte die arkturischen Artefakte, die Sie erhielten", sagte Odo im Hilft-das-Ihrem-Gedächtnis-auf-die-Sprünge - Ton und beugte sich vor.

Verdammt, er weiß es! schoß es Quark durch den Kopf, und da Odo nun einmal irgend etwas darüber wußte, beschloß Quark, zumindest teilweise seine vorgetäuschte Unwissenheit aufzugeben. Ansonsten würde es unglaubwürdig wirken!

"Ach sooo, jetzt fällt es mir wieder ein. Hatte ich schon fast vergessen, Sie meinen die arkturischen Andenken! Nun, damit ist alles in Ordnung, glauben Sie mir. Es wurde alles ehrlich bezahlt und verzollt!"

Odo beäugte den Ferengi mißtrauisch. Jeder Zentimeter seines Körpers schien zu sagen: Ich glaube Ihnen kein einziges Wort!

"Wieso habe ich dann das Gefühl, daß Sie mir irgend etwas verheimlichen?" brummte der Constable und ließ Quark nicht aus den Augen. Quark wischte den Tresen (der völlig sauber war). Auf Odos Bemerkung hin sagte er, daß er schon seit Jahren ein großer Bewunderer der arkturischen Kunst sei, und daß er wirklich alles tue, um diese einzigartigen Kunstschätze vor Plünderern und Kunstbanausen, die es nur auf schnöden Profit abgesehen hätten, zu bewahren. Profit zu machen und Kunst zu bewahren sei dagegen eine völlig respektable Angelegenheit und galaxisweit anerkannt, was Odo ja eigentlich wissen müsse. Quark gab sich alle erdenkliche Mühe, diese Bemerkung glaubhaft klingen zu lassen.

Odo kaufte ihm die Sache mit dem Kunstliebhaber nicht ab, also fügte er rasch hinzu: "Ich liebe die Schönheit der arkturischen Kunst einfach, ist denn das so schwer zu glauben?! In unserer Gesellschaft gibt es viele bekannte Kunstkenner und -gönner!"

Aber sicher! dachte Odo und mußte sich ein amüsiertes Lächeln verkneifen. "Ich weiß, Quark..." bemerkte der Formwandler. "Genauso wie Ihr Vetter Galur, der wegen seines Kunstgenußes auf Gandorra Prime inhaftiert wurde. Zu dumm, daß er die Kunst mitgehen ließ, nicht wahr?!"

Quark schnaubte abfällig.

"Man hat ihm nie nachweisen können, daß er die Feuertrommel gestohlen hat", knurrte er ein wenig ungehalten. "Und soweit es mich angeht - ich bin nur ein einfacher Kunstliebhaber! ich erfreue mich an der Schönheit und der ...äh.. Vollkommenheit dieser Schätze und habe nichts Illegales getan. Und jetzt bestellen Sie etwas oder gehen Sie!" Damit wollte Quark die Unterhaltung beenden. Es kam ihm sehr gelegen, daß die Tholianer just in diesem Moment lauthals nach ihm brüllten; Quark schnappte sich ein Tablett und wollte sich wieder in die Menge stürzen. Doch Odos nächster Satz ließ ihn innehalten.

"Nun, wenn das so ist, haben Sie doch sicher nichts dagegen, wenn ich mal einen Blick in die Fracht werfe, oder?" ließ sich Odo vernehmen.

Quark seufzte und stellte sein Tablett mit einem lauten Scheppern wieder ab.

Er hatte es wahrlich nicht leicht mit Odo! Und am meisten machte ihm Odos Dickschädel zu schaffen.

"Ich schätze, Sie möchten sich jetzt gleich davon überzeugen, daß mit den Andenken alles in Ordnung ist?" fragte Quark resignierend. Und als Odo nickte, drückte er kurzerhand dem völlig gestreßten Rom das Tablett in die Hand.

 

tttttttttttttttttttttttt

 

Nachdem sie unterwegs an Quarks Verkaufsstand vorbeigegangen waren und Odo selbigen für "geschlossen" erklärt hatte, waren sie schnurstracks zu Quarks Frachtkammer weitergegangen.

Und zu Odos Erstaunen war mit den arkurischen Gegenständen tatsächlich alles in Ordnung. Selbiges galt für den Rest der Fracht!

Bei der Kontrolle wäre alles völlig problemlos für Quark verlaufen, hätte der nicht aus Versehen einen großen Tontopf umgeworfen, der unscheinbar in einer finsteren Ecke des Frachtraums stand und von Odo bislang übersehen worden war.

In den Scherben des Topfes befand sich der einzige Gegenstand, wegen dem sich Quark bei der Kontrolle unwohl fühlte. Es handelte sich um ein wertvolles Gerät aus dem tarellanischen Reich und es war nicht legal nach DS9 gekommen, wie Quark zugeben mußte. Er wußte weder, wozu das Gerät gut war, noch wie es funktionierte. Quark wußte nur eines: Er wollte nicht riskieren, daß Odo es beschlagnahmte, bevor er es entweder testen oder gewinnbringend weiterverkaufen konnte.

Doch genau das war nun der Fall...

Interessiert hob Odo das kleine Artefakt auf und betrachtete es von allen Seiten.

"Zuerst hätte ich das hier für einen Brummkreisel gehalten", kommentierte er. "Aber da Sie es gekauft haben, ist es sicher kein Brummkreisel...", fügte er ironisch hinzu.

Quark seufzte, allerdings so leise, daß es Odo nicht hören konnte. Der Sicherheitschef hätte es in seiner zweiflerischen Art ja doch als Schuldbekenntnis des Ferengi interpretiert. "Ihr ewiges Mißtrauen ist unbegründet, Odo!" sagte Quark in gekränktem Tonfall und versuchte, das tarellanische "Andenken" an sich zu nehmen, was der Formwandler aber zu verhindern wußte.

"Das denken Sie!" versetzte Odo knapp. "Aber wie heißt es bei den Menschen so schön - Aus Erfahrung wird man klug. Ich habe nun einige Zeit Erfahrung gesammelt, was ihre kleinen Geschäfte angeht, und weiß daher, daß gerade bei den Ferengi nur ein gesundes Maß an Mißtrauen den Kunden vor Schaden bewahrt. Und das gilt ganz besonders für Sie, Quark!".

Der Sicherheitschef sah das Gerät noch einmal genau an, bevor er den Satz aussprach, den er im Laufe der Jahre, die er Quark schon kannte, nur allzu oft schon ausgesprochen hatte: "Das hier ist beschlagnahmt!"

Quark rollte mit den Augen. Es galt zu retten, was noch zu retten war.

"Warten Sie doch, Odo!" rief er und lief dem Sicherheitschef nach. "Lassen Sie uns darüber reden..." Odo hielt inne und sah Quark ungeduldig an. Quark gestikulierte fahrig mit beiden Händen, doch Odo wollte keine weiteren Argumente mehr hören. "Geben Sie es auf, Quark. Ich brauche nichts von dem, was sie mir jetzt wahrscheinlich wieder als Gegenleistung für dieses Souvenir anbieten werden. Worüber also reden?" Ein kurzes angedeutetes Lächeln erschien auf Odos schmalen Lippen, bevor er sich wieder in Bewegung setzte - Quarks tarellanischen Apparat wie einen gelungenen Fang in den Händen haltend. Quark wollte sich aber noch nicht geschlagen geben und folgte Odo weiterhin. Und gerade, als der Barkeeper zu dem Formwandler aufgeholt hatte, passierte das, wovon Quark gehofft hatte, das es nicht geschehen würde: Das Gerät aktivierte sich. Der Brummkreisel begann zu leuchten und stieß dann ein schrilles Geräusch aus. Das letzte, was Quark noch sah, bevor er das Bewußtsein verlor, war, wie Odos Gesicht für kurze Zeit die Züge des Ferengi annahm.

 

ttttttttttttttttttttttt

 

Bashir ließ den Trikorder über Quarks Körper kreisen. Das kleine Analysegerät summte, und schließlich beendete es seine Analyse mit einem schrillen Piepsen. Grünes Licht zeigte an, daß der Ferengi körperlich gesehen völlig in Ordnung war. Bei Odo war das schwerer festzustellen, aber der Doktor wußte mittlerweile einiges über die Physis des Sicherheitschefs und konnte daher mit ziemlicher Gewißheit sagen, daß auch Odo keinen Schaden davongetragen hatte.

Captain Sisko, der ebenfalls zugegen war, hielt den tarellanischen Artefakt in der Hand und begutachtete ihn neugierig.

"Es sieht so aus, als hätte unser Ferengi-Freund wieder einmal ein Sonderangebot wahrgenommen...", bemerkte Kira. Der ironische Unterton in der Stimme der Bajoranerin war deutlich zu hören und Kira gab sich auch jetzt nicht die Mühe, ihre Antipathie gegen Quark zu verbergen.

"Dieses Ding ist ganz offensichtlich nicht ungefährlich. Ich schätze, es ist für die kurze Ohnmacht des Constable und von Quark verantwortlich. Und soweit ich weiß, gehört eine Menge dazu, daß Odo das Bewußtsein verliert...", fügte Bashir hinzu und klappte den Trikorder zusam-

men.

In dem Moment erwachten Odo und Quark.

Odo stand ächzend und stöhnend auf und fuhr sich mit den Händen über die Kleidung, als ob sich Schmutz darauf abgelagert hätte. Sein Gesicht brachte profundes Unbehagen zum Ausdruck. "Wirklich, man kann sich doch nie auf diese Händler verlassen, immer drehen sie einem illegales Schmuggelgut an...", brummte er, verstummte dann aber plötzlich, als er Sisko, Kira und den Doktor sah.

Quark stand schnell und gelenkig auf, Bashirs helfende Hand ignorierend. "Nun, Odo, es hat keinen Zweck! Sie sind hiermit verhaftet!" - Und der kleine Ferengi griff energisch nach Odos Arm. Odo wand sich unter Quarks kräftigem Griff und in seinem Gesicht drückte sich ehrliche Empörung und Unverständnis aus.

"Oh nein, Quark!" sagte er in einem völlig untypischen, weinerlichem Ton. "Dazu haben Sie kein Recht, ich war das nicht - daran war nur dieses Ding...", er deutete auf das Artefakt in Siskos Händen "schuld! Und jetzt lassen Sie mich los - ich habe etwas zu erledigen!" Damit riß sich Odo los und wollte gehen.

Kira warf Sisko einen beunruhigten Blick zu, der

das selbe ausdrückte, was Sisko in diesem Moment durch den Kopf ging. Rasch hielt der Captain den davonstrebenden Formwandler auf, indem er ihm den Weg vertrat. "Einen Moment noch, Constable. Sind Sie sicher, daß Ihnen nichts fehlt?" Odo machte eine wegwischende Bewegung, und setzte ein breites Grinsen auf. "Aber ja doch, Captain, alles klar! Kein Grund zur Besorgnis!"

Sisko sah den jungen Arzt kurz an, und als dieser mit einem sachten Nicken zu verstehen gab, daß er keine Einwände hatte, ließ Sisko den Constable gehen. Odo ging geradewegs zum Turbolift, sah sich auf dem Weg dorthin aber noch einige Male um. Gerade so, als ob er ein schlechtes Gewissen hätte - so wie Quark..., dachte Sisko.

Quark sah dem Formwandler mit einem mißtrauischen Blick hinterher. Sein Gesicht hatte einen Ausdruck bekommen, der sich als Mischung aus Mißtrauen und Griesgrämigkeit beschrieben ließ. Der Ferengi verschränkte die Arme und meinte: "Keine Sorge, Captain. Ich werde den alten Gauner schon im Auge behalten, verlassen Sie sich darauf!" Und ehe dieser sich’s versah, nahm er Sisko den Artefakt mit den Worten "Das hier ist konfisziert - gestatten Sie, Captain?" aus den Händen und ging - Siskos Reaktion darauf nicht beachtend - mit weitausholenden Schritten davon.

Sisko sah Kira und Bashir verdattert an. Und ihre Gesichter drückten das selbe aus, was Sisko momentan empfand.

Irgend etwas stimmt nicht!

"Gehen wir wieder auf unsere Posten...", meinte Sisko schließlich. Und zu Kira: "Behalten Sie die beiden im Auge, Major. Etwas stimmt nicht mit den beiden, und ich möchten wissen, was. - Bevor irgendeine Gefahr für die Station entsteht!"

Kira neigte den Kopf leicht als Zeichen, daß sie verstand. Ein ironisches Lächeln erschien auf ihren Lippen. "Sie haben Recht, Captain - Bei Quark weiß man nie!"

 

Quark fühlte sich schwindelig und unterwegs mußte er einige Male Pause machen. Seit dem Vorfall fühlte er sich höchst merkwürdig. Latinum, Profit - all das interessierte ihn plötzlich nicht mehr. Und dieses Desinteresse nahm von Sekunde zu Sekunde zu. Irgendwie war er nicht mehr er selbst...

Vielleicht sollte ich doch den Doktor konsultieren... dachte er, entschied sich dann aber doch dagegen. Was weiß der junge Föderations-Arzt schon über meine Physis!

Der Ferengi suchte seine Bar auf und alles nahm seinen gewohnten Gang.

Aber nur fast.

Rom wunderte sich an diesem Tag sehr, daß Quark ihn nicht ein einziges Mal rügte, und ein Gespräch mit dem Anführer einer Schmugglerbande lehnte der Ferengi mit den Worten "Das wäre Betrug! Seien Sie froh, wenn ich Sie nicht inhaftieren lasse!" ab.

Auch Odo benahm sich seltsam seit dem Zwischenfall mit Quarks Andenken. Auch ihm war hin und wieder schwindlig, was ihn sehr verwirrte. Er hatte dieses seltsame Gefühl das erste Mal erlebt, als er in den Einfluß der Lebensform aus dem Gamma-Quadranten gekommen war.

Seither war er von ähnlichen Empfindungen verschont geblieben. Doch damals wie heute fühlte er sich merkwürdig. Ebenso wie Quark stellte er fest, das irgend etwas in ihm vorging.

Doch auch Odo konnte nicht sagen, was es war...

 

Am frühen Nachmittag bekam es Odo mit einem Streit zwischen den tholianischen Kriegern zu tun, die drauf und dran waren, Quarks Bar zu demolieren. Quark rief den Constable sogleich herbei, allerdings klang seine Stimme im Gegensatz zu all den anderen Malen, an denen seine Bar durch aus der Kontrolle geratene Diskussionen bedroht war, nicht ängstlich.

Quark klang ruhig und gelassen.

"Was gibt es?" fragte der Constable, als er wenig später den Schauplatz des Streits betrat. "Nun, Constable...", begann Quark, hielt dann aber kurz inne. Es ist seltsam, aber ich habe irgendwie das Gefühl, daß MIR diese Anrede zusteht...!

"Was ist denn nun, Quark? Zeit ist Geld!" ließ sich Odo vernehmen, und trat ungeduldig von einem Bein auf das andere. Odo fand seinen Beruf plötzlich sehr unnütz.

Unnütz.

Kurz darauf korrigierte er diesen Gedanken. Er

war nicht unnütz - er war unprofitabel!

"Nun, Constable...", begann Quark den Bericht, "die tholianischen Krieger begannen einen Streit, in dessen Verlauf sie mein Inventar beschädigten. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn sie sich der Sache annähmen..."

"Na gut", erwiderte Odo gelangweilt. Er warf einen kurzen Blick auf die tholianischen Krieger, die ziemlich erschöpft inmitten der von ihnen demolierten Einrichtung hockten. "Aber vorher hätte ich gerne einen Drink - aber nicht etwas so fades wie bajoranischen Tee, klar?"

Quark machte keine Anstalten, Odos Wunsch zu folgen. "Sie sind im Dienst, Constable! Abgesehen davon fehlen Ihnen jegliche Organe, um das Getränk zu verdauen, warum also trinken?!"

Odo beachtete Quarks Einwand nicht und machte eine wegwerfende Bewegung. Mit einem breiten "machen-Sie-keinen-Aufstand"-Lächeln setzte sich der Formwandler am Tresen nieder. "Ach, Quark! Seien Sie flexibel und nehmen Sie es doch nicht so genau mit den Vorschriften! Die Tholianer sind erstmal ruhig, und ob ich Organe habe oder nicht, ist doch nicht Ihre Angelegenheit, nicht wahr?"

Quark wollte zu einer entschiedenen Erwiderung ansetzen, als er Major Kira die Bar betreten sah.

Erstaunen schlich sich in ihr Gesicht, als sie die Bar sah. Die meisten Gäste waren gegangen. In einer Ecke lagen Tische und Stühle wild durcheinandergeworfen, und mittendrin fünf Tholianer, die fix und fertig vor sich hin starrten. Ihr Blick wanderte weiter zum Tresen, an dem sich Odo mit Quark darüber stritt, ob der Constable etwas trinken könne oder nicht. Odo gestikulierte theatralisch mit den Armen und schien sich außergewöhnlich stark aufzuregen.

Kira runzelte verwirrt die Stirn. Was ging hier vor? Seit wann hielt sich Odo mit solchen Kinkerlitzchen auf? Und auch Quark benahm sich für seine Verhältnisse sehr merkwürdig. Eigentlich hätte Kira erwartet, daß der kleine Ferengi sich heftig aufregen und wortreich einen Schadensersatz von den Tholianern fordern würde. Statt dessen stand Quark gelassen hinter dem Tresen, die Arme auf dem Rücken verschränkt, wie Odo es auch oft tat. Beherrscht hörte er sich Odos Gekeife an.

Die Tholianer erhoben sich nun langsam aus den

Trümmern ihrer Diskussion und gingen zu den Dabo-Tischen hinüber. Der junge Sicherheitsoffizier, der Odo nach Quarks Meldung unaufgefordert gefolgt war, stand desorientiert herum, und wartete auf Anweisungen von seinem Vorgesetzten. Odo hatte ihn jedoch mittlerweile völlig vergessen und kümmerte sich nur um Quarks standhafte Weigerung, ihm während des Dienstes alkoholische Getränke auszuschenken.

Kira seufzte und trat zu den Kontrahenten. Sie sah die beiden direkt an und versuchte, ihr Erstaunen nicht allzu deutlich werden zu lassen, als sie sich erkundigte, was los sei.

"Ah, Major, schön daß Sie da sind!" lachte Odo jovial und beugte sich augenzwinkernd zu der Bajoranerin. "Es ist immer ein besonderes Vergnügen, so bezaubernden Besuch hier zu haben." und der Sicherheitschef vollführte eine Geste, die die Bar umfaßte. Ein anzügliches Grinsen umspielte die schmalen Lippen des Formwandlers, während er Kira von oben bis unten musterte. Dann warf er einen Blick auf Quark, wobei sich seine übertrieben fröhliche Mimik ein wenig verfinsterte. "Darüber hinaus habe ich ein kleines Problem mit unserem Quark", fuhr er fort, während Kiras Verwunderung immer größer wurde. "... er weigert sich, mir etwas zu trinken zu geben..."

Kira wölbte sprachlos eine Braue, sah zu Quark, dann zu Odo und wieder zu Quark. "Was zum Teufel geht hier vor...?" fragte Kira verständnislos und visierte den Ferengi an, wodurch sich dieser sogleich zu einer Stellungnahme herausgefordert fühlte. "Major, Odo verlangt ein Getränk mit berauschender Wirkung von mir, anstatt seinen Dienst zu tun. Sie sollten ihn an seine wahren Pflichten erinnern!" bemerkte der Ferengi kühl und verschränkte die Arme. Odo sprang geschmeidig von seinem Hocker und trat zu Kira. Das Anzügliche war nicht aus seinem Blick verschwunden, und bevor Kira ein weiteres Mal den Mund öffnen konnte, um eine Erklärung für das, was sie hier erlebte, verlangen zu können, setzte Odo zu einer erneuten Bemerkung an.

"Glauben Sie ihm nicht, Major!" bemerkte er leichthin und machte eine wegwischende Bewegung in Quarks Richtung. Quark verdrehte mißbilligend die Augen, sagte jedoch nichts. "Es ist ein ... Mißverständnis", fuhr der Constable

fort und ließ ein gewinnendes Lächeln folgen.

Kira öffnete den Mund und hob die Hände in einer ermahnenden Geste, doch sie kam wieder nicht zu Wort, denn schon ließ sich wieder der Ferengi vernehmen. Quark sprach ruhig und sachlich, aber ein gewisser, für ihn untypischer ironischer Unterton ließ sich nicht verneinen. "Wenn Ihnen in Ihrer Position öfters solche Mißverständnisse unterlaufen, Constable, dann dürften Sie Ihre Stellung schnell los sein. Abgesehen davon dulde ich keine Gesetzesüberschreitungen in dieser Bar!" Quark betonte besonders den Rang des Constable.

Kira erhob erneut die Hände, um dem verbalen Duell der beiden Kontrahenten ein Ende zu bereiten. Ihre Verwunderung hatte sich langsam aber sicher in Ärger verwandelt, und sie hatte keine Lust, sich weitere dumme Argumente anzuhören. Sowohl Odo als auch Quark verhielten sich sehr merkwürdig, und Kira war entschlossen, den Grund dafür herauszufinden. "Es reicht!" sagte sie gepreßt. "Odo, bitte folgen Sie mir - wir müssen uns mal unterhalten." Und im Gehen rief sie Quark zu "Dasselbe gilt für Sie, Quark! Keine Dummheiten, ich komme wieder..."

"Wie Sie meinen, Major", sagte Quark höflich. Dann kümmerte er sich um einen betrunkenen Tellariten. "Das reicht für heute, mein Freund - genug getrunken..."

 

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"Was, zum Teufel, ist mit Ihnen los, Odo? Ich habe Sie noch nie zuvor so gesehen!" rief Siskos erster Offizier besorgt.

Kira stand vor Odos Schreibtisch. Sie hatte die Hände auf den Tisch gestützt und funkelte den Formwandler verständnislos an. Odo saß gelangweilt in seinem Stuhl, die Beine auf den Tisch gelegt. Er zuckte mit den Schultern und lächelte liebenswürdig. "Ach, Major, Sie werden diesen kleinen Vorfall doch nicht allzu ernst nehmen, oder?" Kiras Gesichtsausdruck belehrte ihn eines Besseren. "Odo, Sie verletzten die Dienstvorschriften. Sie wollen etwas trinken..." Sie stockte, suchte nach den Worten für das Unbeschreibliche, das mit Odo vorging. "Odo - Sie führen sich auf wie Quark!" rief Kira. Ihre Stimme zitterte, sie wußte nicht, ob sie sich ärgern oder lachen sollte. Hinzu kam ihre Besorgnis um den Formwandler. Als Odo ihr eine Antwort schuldig blieb, ging die Bajoranerin um den Tisch herum und stellte sich vor den Constable. "Odo, wenn Sie ein Problem haben, sagen Sie es mir! Aber sagen Sie nur nicht, daß Sie kein Problem hätten, das stimmt nicht! Sehen Sie sich an: Sie vernachlässigen Ihre Arbeit, Vorschriften sind Ihnen egal, und ... Sie legen die Beine auf Ihren Arbeitstisch!" Odo nahm die Beine schnell vom Tisch und stand auf. Eine Mischung aus Gekränktheit und Ratlosigkeit zeigte sich in seinem Gesicht. "Sollte ich Sie mit meiner Körperhaltung verärgert haben, so bitte ich hiermit um Entschuldigung..." Jäher Schwindel erfaßte Odo, und alles verschwamm vor seinen Augen. Kurzzeitig schien er wieder der alte, kühle Odo zu sein. Der Schwindel wurde stärker, und Odo mußte sich am Tisch festhalten. Die Form seines Gesichts schien für den Bruchteil einer Sekunde an Kontur zu verlieren, gewann dann aber wieder Stabilität.

Besorgt trat Kira an seine Seite und ergriff stützend seinen Oberarm. "Sollen wir zu Bashir gehen?" fragte sie. Odo nickte kurz. Er schien so etwas wie einen ... Migräneanfall zu haben. Darüber hinaus hatte er das Gefühl, daß er irgendwie die Kontrolle über sein Denken zu verlieren schien. Aber das Gefühl verflog, ebenso wie der Schmerz. "Major, alles ist in Ordnung", meinte er knapp. Für kurze Zeit schien er wieder der kühle, korrekte Constable zu sein, wie Kira ihn kannte. "Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden - ich habe zu tun!" sagte Odo kurzangebunden und ließ Kira im Büro stehen. Er ging nach hinten zu den Gefängniszellen. Nein, Odo, es stimmt nicht alles! dachte Kira als sie ging. Sie würde zu Sisko gehen und ihm den dringenden Rat geben, sowohl Odo als auch Quark erneut von Bashir untersuchen und notwendigenfalls unter ständige Beobachtung in der Krankenstation stellen zu lassen. Irgendwas mußte der Arzt übersehen haben! Kira konnte nicht ahnen, daß sie nur wenige Minuten später wieder in Odos Büro stehen würde...

"Was soll denn das heißen - freigelassen?" rief Sisko fassungslos. Seine Kiefer mahlten zornig, seine rechte Augenbraue war ungläubig in die Höhe gezogen.

Der Captain war gerade mit Jake in einer Holosuite, um dort Baseball zu spielen, als ihn Kiras Anruf unterbrach.

"Nicht mehr und nicht weniger, als daß Odo alle Gefangenen freigelassen hat", erwiderte Kira geduldig, und Sisko glaubte in ihrer Stimme genau die Ungläubigkeit zu hören, die er selbst gerade spürte. Odo hatte alle gefangenen Kleinganoven und Verbrecher, die sich in seinem Gewahrsam befunden hatten, freigelassen - das klang mehr als nur unglaublich.

"Ich hatte also recht, daß mit dem Constable irgend etwas nicht in Ordnung ist!" murmelte Sisko grimmig und informierte Kira, daß er sich mit ihr gleich in Odos Büro treffen würde.

"Entschuldige...", wandte er sich dann an seinen Sohn. Jake lächelte, doch er konnte die Enttäuschung nicht verbergen. "Schon klar, Dad", erwiderte er nur und beendete die Simulation, während sein Vater hinauseilte.

 

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Sisko saß an seinem Schreibtisch und starrte Odo an. Sein rechter Wangenmuskel zuckte - untrügliches Zeichen dafür, wie sehr sich der Captain zusammennehmen mußte, um nicht laut zu werden. Kira stand neben Sisko, und sie schien nach wie vor nicht zu wissen, was sie von alledem halten sollte. Da war einerseits der Constable den sie kannte - pflichtbesessen und korrekt. Und dann war da der neue Odo, wie er sich ihnen jetzt präsentierte. Mit einem unschuldigen Lächeln stand er vor Sisko, und bot einen eher gelangweilten und sich keines Unrechts fühlenden Eindruck.

"Was ist Ihnen eigentlich eingefallen, als Sie die Gefangenen freiließen?" preßte Sisko zwischen den Zähnen hervor, und Odos Antwort war nicht eben dazu angetan, den Ärger des Captains zu verringern: Odo zuckte die Schultern und sah Sisko wieder harmlos an. "Nun?" drängte Sisko ungeduldig. Kiras Gesichtsausdruck brachte ähnliches zum Ausdruck.

"Naja, Captain, viele der Inhaftierten waren wirklich nur kleine Ganoven - harmlose Burschen, die ein bißchen über die Stränge geschlagen haben - Weiter nichts! Ich kenne sie gut, ihre Vergehen waren wirklich lächerlich klein..."

Er grinst so frech wie Quark, wenn man ihn ertappt hat...! fuhr es dem Captain durch den Sinn. Aber als Offizier kann und darf er sich so nicht verhalten... Sisko stand abrupt auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. "Das reicht jetzt, Constable!" donnerte der Captain und sah Kira an. "Major, der Constable ist ab sofort vom Dienst suspendiert. Und rufen Sie Doktor Bashir, er soll sich sowohl den Constable als auch Quark genauestens vornehmen!" Sisko sah Odo streng an. "Ich schätze, es wäre von Nutzen, wenn er unseren Sicherheitschef mal unter die Lupe nimmt, klar?"

Kira nickte kurz und ergriff den Oberarm von Odo - beziehungsweise die Stelle, an der sich der Oberarm des Constables befunden hatte; Kira griff ins Leere. Odo metamorphierte blitzschnell zu einem fast perfekten Abbild von Sisko (nur die Ohren ließen ein wenig zu wünschen übrig...) und stürmte aus dem Büro, bevor Sisko oder Kira ihn hätten aufhalten können. Odo eilte durch die Promenade hin zum Turbolift.

Bashir, der eben zu Odos Büro unterwegs gewesen war, sah dem falschen Sisko noch verdattert hinterher, während der echte Sisko dicht gefolgt von Kira aus dem Büro des Sicherheitschefs stürmte.

"Captain, was ist los?" rief der Arzt verwirrt, und

sein Blick wanderte perplex zwischen dem Turbolift und Sisko hin und her.

"Rufen Sie ein Sicherheitsteam, und weisen Sie es an, Odo aufzuhalten! Es soll außerdem Quark unverzüglich in Gewahrsam nehmen...", preßte Sisko zwischen den Zähnen hervor, dann betraten er und Kira den Lift, um die Verfolgung aufzunehmen.

"Würde mir bitte jemand erklären, was los ist", rief ein ratloser Arzt den beiden hinterher. Doch er bekam keine Antwort, der Turbolift war bereits unterwegs...

 

Als der Turbolift am Promenadendeck anhielt, trat Quark aus dem Lift und ging auf seine Bar zu. Gierig rieb er sich seine Hände und frohlockte innerlich, als er den Lärm von den Dabo-Spieltischen hörte. Menschen, Bajoraner und viele andere Spezies standen um die Spieltische herum, amüsierten sich und gaben Geld aus. "Ah... guter Profit!" zischte der Ferengi zufrieden und trat langen Schrittes in die Bar. Und erschrak.

Er stand sich selbst gegenüber.

"Was soll das?" rief er entrüstet und riß die Augen auf. Ungläubig starrte er auf sein Gegenüber und musterte ihn von oben bis unten.

Das Gegenüber verschränkte die Arme und vertrat Quark breitbeinig den Weg. In seinen Augen funkelte es spöttisch.

"Quark!" meinte der Ferengi, der Quark gegenüberstand. "Sie hätten bessere Vorkehrungen treffen sollen - Sie sind verhaftet!"

Entschlossen schob der eine Ferengi den anderen in Richtung Tür. Einige der Gäste bekamen das seltsame Schauspiel mit und rissen erstaunt die Augen auf.

Quark, der sich selber aus der Bar verwies! Und nun schob er seinen Zwilling zum Sicherheitsbüro...

Weiter als bis zur Tür des Büros kamen sie aber nicht.

Denn da veränderte einer der beiden Ferengi seine Gestalt. Er nahm für ganz kurze Zeit die vertrauten Züge des Constable an, um sich dann ganz in Major Kira Nerys zu verwandeln. Mit großen Sprüngen setzte der Formwandler davon, gefolgt von Quark, der dem Sicherheitschef allerdings auf seinen kurzen Beinen nicht so schnell folgen konnte und die falsche Kira bald verlor.

Zur selben Zeit hatte Captain Sisko in der Nähe des Wissenschaftslabors erhebliche Probleme mit zwei Sicherheitswächtern, die ihn festnehmen wollten...

 

"Der Constable befindet sich jetzt in Frachtkammer sieben!" rief O'Brien Sisko zu, der gerade aus dem Lift trat.

"Ein Sicherheitsteam kümmert sich darum?" mutmaßte Sisko. O'Brien nickte kurz.

"Gut. Und was ist mit Quark?"

"Nun, der ist ebenfalls auf der Suche nach Odo. Und Sir...", O'Brien stockte, schien nicht zu wissen, wie er den folgenden Satz formulieren sollte. "...Quark hat sich von irgendwoher eine bajoranische Sicherheitsuniform besorgt und ist jetzt unterwegs, um Odo einzufangen... Er hält sich offensichtlich für einen Sicherheitsoffizier..."

"...Und Odo hält sich für Quark!" ergänzte Kira.

Sisko hob sprachlos eine Augenbraue und sah den Chief fassungslos an. Hoffentlich klärte sich dieser Zirkus auf, bevor auch andere Offiziere begannen, sich völlig verrückt aufzuführen. Er hätte es nur ungern gesehen, wenn Kira sich plötzlich für einen Ferengi hielt oder der Chief vergaß, wie man einen Trikorder bediente, weil er sich für einen Sänger hielt!

Sisko nickte Kira und O’Brien kurz zu, dann machten sie sich auf den Weg zur Frachtkammer sieben.

 

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Quark erreichte die Frachtkammer und war erstaunt, daß sie mit einem neunfachen Sicherheitscode verschlossen war. Das konnte nur das Werk des Formwandlers sein, der sich hier vor Quarks Zugriff verstecken wollte. Aber er hatte sich verrechnet. Auch ein bajoranischer Sicherheitschef besaß gewisse Tricks und Kenntnisse, ohne die so mancher Verbrecher noch auf freiem Fuß wäre.

Flink gab Quark den Code ein. Grünes Licht signalisierte, daß Odo in der Eile schlampig gewesen war, denn es machte dem Ferengi keinerlei Probleme, das Schott zur Frachtkammer zu öffnen.

Zischend glitt das Schott auf.

Diffuses Halbdunkel herrschte in der großen Kammer. Nummer sieben, wie sie bei der Crew schlicht hieß, hatte eigentlich das neue Arboretum Keiko O'Briens aufnehmen sollen, aber die mangelhafte cardassianische Technik hatte diesen Plan vereitelt. Nun lagerte man hier Dinge, die nur selten gebraucht wurden. Und nebenbei hatte der Barbesitzer hier einige Kleinigkeiten untergestellt, die er Sisko und seinen Leuten nicht

unbedingt zeigen wollte.

Quark ging einige Schritte weit in die Kammer hinein. "Odo!" rief er laut. Seine Stimme hallte von den Metallwänden wider; es war die einzige Antwort, die er erhielt. "Ich weiß, daß Sie hier sind - Sie haben vergessen, einen Sperrcode einzugeben!" Keine Antwort.

Quark ging um einen großen Container herum, der vermutlich Materialien für die Stationssysteme enthielt. Irgendwo knackste es und Quark wirbelte herum.

Keine Sekunde später verformte sich ein Ladecontainer, und nahm die Form des Ferengi an. Der Falsche Quark grinste den echten Quark triumphierend an, und meinte "Tja, so spielt das Leben! Manchmal gewinnt man, und manchmal verliert man... Sie haben mich erwischt!".

Quark setzte zu einer Erwiderung an, doch er kam nicht dazu, denn in diesem Moment kam Dr. Bashir in die Frachtkammer geeilt, dicht gefolgt von Sisko und Kira. Der junge Arzt hielt den tarellanischen Apparat in seinen Händen. Sowohl Quark, der sich für Odo hielt, wie auch Odo, der sich für Quark hielt, sahen das kleine Gerät mit gemischten Gefühlen an.

Erinnern schimmerte in den Augen der beiden, die die Wirkungen dieses heimtückischen kleinen Mechanismus persönlich kennengelernt hatten. Sisko sah Quark und Odo an und ging langsam auf sie zu, die Hände zu einer Geste der Besänftigung erhoben. "Ich denke, wir wissen jetzt, was vorgefallen ist, meine Herren!" begann der Captain. "Dank Mister O’Brien haben wir herausgefunden, daß es sich um ein tarellanisches Gerät zur Bestrafung von Schwerverbrechern handelt. Es ist eigentlich nur dazu gedacht, die Persönlichkeit desjenigen, der diesem Gerät ausgesetzt wird, auszulöschen. Da es jedoch niemals dazu konzipiert war, bei zwei Personen gleichzeitig zum Einsatz zu kommen, wurden höchstwahr-

scheinlich ihre Persönlichkeiten ausgetauscht..."

Quark und Odo wechselten erstaunte Blicke, sagten jedoch nichts. Verwirrung und Erkenntnis spiegelten sich in ihren Gesichtern wider, als Sisko fortfuhr. Nun erst ergaben die Schwindelanfälle und die untypischen Handlungsweisen der letzten Stunden einen Sinn!

"Ich denke, wir haben eine Möglichkeit gefunden, die Wirkungen dieses Gerätes umzukehren...", sagte der Captain und sah Kira und Bashir kurz an, bevor er weitersprach. "Wir werden den Vorgang, der zur Vertauschung ihrer Persönlichkeiten führte, noch einmal durchführen. Mr. O’Brien war in der Lage, genaueste Informationen über dieses Gerät zu bekommen, und daher können wir das Risiko eines Fehlschlages nahezu auf Null reduzieren!"

Quark und Odo tauschten ein weiteres Mal verdatterte Blicke aus, bevor sich Odo zu Wort meldete: "Na gut, dann werden wir dieses Gerät eben einsetzen, aber ich sage es gleich: Ich übernehme keinerlei Haftung für dadurch entstehende Kosten...!"

"Oh natürlich!" schnitt ihm der echte Quark mit Odos Persönlichkeit das Wort ab. "Das müssen Sie auch gar nicht tun. Sie werden ohnehin genügend Ärger bekommen, sobald ich wieder aus ihrem kleinen, schwächlichen Körper heraus bin!"

Sisko warf genervt einen kurzen Blick nach oben und seufzte leise. "Bitte!" ermahnte er die beiden. "Ich denke, darüber können wir uns eingehend unterhalten, sobald wir das hinter uns gebracht haben!"

Zögernd folgten Quark und Odo den drei Offizieren, als diese sich in Richtung Krankenstation aufmachten. "Das kommt davon, wenn man Sonderangebote wahrnimmt!" nörgelte der in Odos Körper steckende Quark. "Nichts als Scherereien..."

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Wie erwartet ging alles glatt. Kaum hatten sich Odo und Quark nahe dem tarellanischen Gerät aufgestellt und alle anderen Personen den Nebenraum der Krankenstation verlassen, wurde das Instrument aktiviert. Abermals begann der Brummkreisel zu leuchten und stieß dann ein schrilles Geräusch aus. Sekunden später verloren sowohl Odo als auch der Ferengi das Bewußtsein, während sich das Gerät selbst wieder abschaltete.

Sisko, Bashir, Kira und O’Brien hatten den Vorgang vom Hauptraum aus über einen Monitor beobachtet. Angewidert verzog Bashir das Gesicht. "Es ist immer wieder erstaunlich, wieviel Phantasie die meisten Rassen entwickeln, wenn es um Folter- oder Bestrafungsgeräte geht...", sagte er bitter. Die anderen mußten ihm zustimmen. "Das ist bei den meisten Völkern so...", sagte Sisko und sah den jungen Mediziner ernst an. "Auch die Menschen hatten bereits hunderte Möglichkeiten entwickelt, um einen Menschen zu töten, bevor sie auch nur begonnen hatten, sich auch um die Erhaltung des Lebens zu sorgen..." Bitterkeit erklang in seiner Stimme. Er konnte es auch jetzt nicht fassen, wie wenig in früheren Epochen ein Menschenleben gezählt hatte. Kira sah den Captain aufmerksam an. "Es war vielleicht einfacher...", meinte sie schließlich zögernd. "Bevor die Cardassianer kamen, hatten die Bajoraner niemals getötet, sie dachten nicht einmal daran! Stellen sie sich ein friedfertiges Volk vor, das die höchste Achtung vor dem Leben hat und nun gezwungen ist, sich Methoden auszudenken, um ein Leben auszulöschen, um das eigene Leben zu erhalten. Millionen Bajoraner zogen es vor, diese Erfahrung nicht zu machen und bezahlten mit ihrem Leben dafür...". Sisko blieb ihr eine Erwiderung schuldig. "Quark und der Constable erwachen...", unterbrach Bashir die eingetretene Stille.

 

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Tage später...

Das Geschäft ging gut, Quark konnte sich nicht beschweren.

Der Ferengi-Barkeeper stand am Tresen und bediente den dicklichen Alien Morn. "Wohl bekomm’s!" wünschte Quark und stellte ein Glas mit einer Flüssigkeit ab, die nur ein Lurianer trinken konnte, ohne davon ernsthafte Probleme mit der Verdauung zu bekommen.

Morn grummelte zufrieden und nahm einen großen Schluck.

Auch Quark war zufrieden. Die Maschine hatte den Schaden, den sie angerichtet hatte, wieder behoben. Er war wieder er selbst mit all seinen Schwächen und Stärken. Mit all seinen Neigungen und Instinkten.

Das selbe galt für Odo. Der Formwandler hatte nach seiner Wiederherstellung als erstes dafür gesorgt, daß die tarellanische Maschine nie wieder für Unheil sorgen konnte. Für Quark hielt sich der Schaden insofern in Grenzen, als daß er nur das Latinum, das er für das Gerät ausgegeben hatte, nie wiedersehen würde. Dummerweise hatte er unter Odos Einfluß auch mehrere Kunden vor dem Genuß seiner Knabbermischung gewarnt, da diese die tückischen Zusak-Bohnen enthielt. Quark wußte nicht, worüber er sich mehr ärgern sollte... Das Gefängnis war Quark glücklicherweise erspart geblieben, da er dem Constable glaubhaft machen konnte, weder von der Funktion der Maschine noch der Tatsache, daß sie mittlerweile als illegal galt gewußt zu haben.

Morn hatte das dritte Glas seines Lieblingsgetränks geleert, als Odo die Bar betrat. Als täte er es seit jeher, setzte sich der Constable auf einen der Barhocker und sah um sich, so, als wolle er sich nur überzeugen, daß Quarks Bar auch gut lief. "Wissen Sie, Quark...", begann der Constable schließlich und sah den Ferengi freundlich an, "irgendwie verstehe ich Sie seit unserem kleinen Malheur viel besser." Quark erwiderte Odos Blick und grinste nur. Seine spitzen Zähne wurden sichtbar. "Dasselbe gilt für mich, Odo... ich denke, jeder von uns wird von nun an ein wenig vom anderen in sich haben."

Odo riß die Augen auf und sah Quark ein wenig übertrieben entrüstet an. "Ich hoffe doch nicht!" sagte er.

Quark grinste und drückte dem perplexen Formwandler ein Tablett mit gefüllten Gläsern in die Hände.

"Probieren wir’s doch aus!" grinste der Ferengi schelmisch. "Die hier müssen zu Tisch 9!"

 

Ende

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