Präsidentenwahl auf Italienisch
von Peter Weber
Wenn über vierzig Parteien einen Staatspräsidenten wählen, bleiben Probleme nicht aus. Da Italiens Parteien es auch in dieser Legislaturperiode versäumt haben, die längst überfälligen Verfassungsreformen auf den Weg zu bringen, könnten für die Mitte Mai anstehende Wahl eines Nachfolgers für Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro erneut über zwanzig Wahlgänge erforderlich sein.
Die Italiener würden am liebsten eine Präsidentin wie die EU-Kommissarin Emma Bonino im Quirinalspalast sehen, die in den Umfragen als einzige Sympathiewerte über 50 % erzielt. Die Parteien ignorieren ihre Kandidatur jedoch, da sie von der Radikalen Partei kommt, die ihnen in der Vergangenheit mit ihren Referendumsinitiativen immer wieder das Leben schwer gemacht hat. An zweiter Stelle in der Gunst der Bürger liegt der parteilose Schatzminister Carlo Azeglio Ciampi, der von dem Parteichef der Linksdemokraten, Walter Veltroni (DS), vorgeschlagen wurde. Der Chef der christdemokratischen Volkspartei, Franco Marini (PPI), der mit 10 % die absolut niedrigsten Popularitätswerte unter allen gehandelten Kandidaten erzielt, hat den verdienten früheren Zentralbankchef jedoch abgelehnt und statt dessen die Innenministerin Rosa Russo Jervolino (PPI) vorgeschlagen. Aufgrund der spezifischen Regeln der Kür hat sich ein frühes Vorpreschen bisher jedoch meist als schädlich erwiesen.
Die Spekulationen, Überlegungen und Strategien im Vorfeld dieser römischen Wahlschlacht hat die Tageszeitung „Il Centro" aus den Abruzzen in einer der üblichen Momentaufnahmen zu einem Text verdichtet, der einen wirklich aufschlußreichen Einblick in die Parteipolitik des Landes bietet. Hier die vollständige Übersetzung :
Das Massaker beginnt
„Das Taubenschießen hat begonnen. Ohne den ernsthaften Versuch einer Übereinkunft für den Quirinal annullieren Ciampi und Jervolino, die beiden offiziösen Kandidaten der Mitte-Links-Koalition, sich gegenseitig, sie verschleißen sich und sind heftigem Sperrfeuer ausgesetzt. Der Super-Wirtschaftsminister ist unter Beschuß von der Lega und Mastella [UDR], die ihn für wenig geeignet halten, weil er zu marktorientiert sei. Auch die Jervolino kassiert ein trockenes ’Nein’ von Umberto Bossi [Lega Nord], und gegen sie erhebt sich auch ein immer stärkeres Murren im Freiheitspol, wo man sie für eine Kopie Oscar Luigi Scalfaros hält. Um sie, scheinbar, zu unterstützen, prescht einer der engsten Getreuen von Marini vor, Antonello Soro (PPI), der sie als klare Favoritin bezeichnet. Eine solch offene Unterstützung kommt in der Sprache der Politik einem Versuch gleich, die Kandidatur zu ’verbrennen’.
Wir sind also in einer Patt-Situation. Offiziell sind bisher nur das Datum und die Uhrzeit der ersten Wahlgänge. Donnerstag, 13. Mai um 9 Uhr und um 16 Uhr und Freitag um 9 Uhr finden die ersten drei Wahlgänge statt, bei denen eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Die Daten der folgenden, bei denen dann die absolute Mehrheit reicht, wird man danach ad hoc definieren. Die Abstimmungen werden auch sonntags weitergehen, sofern der neue Präsident nicht schon vorher gewählt wurde. Aber die Prognosen deuten auf ein langes Tauziehen.
Ein Blick in die Gerüchteküche genügt. Das grellste der letzten Stunden berichtete über einen geheimen Pakt, um Regierungschef Massimo D’Alema (DS) zu wählen und Marini auf seinen Posten in den Palazzo Chigi zu schicken. Die PPI dementiert. Andere insistieren eben auf Marini, der nichts unversucht lasse, um den Präsidentenhügel zu erklimmen. Und [Gewerkschaftsführer] Sergio D’Antoni, der ihn bei einem Kongreß seiner CISL in Neapel empfängt, wünscht ihm öffentlich ’Viel Glück’.
In der Zwischenzeit werden andere Kandidaten in Position gebracht. [Senatspräsident] Mancino [PPI] erhält Lob auch vom Fraktionsvorsitzenden der Lega Nord, Gasperini, der aber im Gegenzug den Posten des Senatspräsidenten für die Lega fordert. [Der Sozialist] Giuliano Amato wird dagegen von seinem alten Parteifreund Claudio Martelli vorgeschoben, doch seine Kandidatur würde sicher auch im Freiheitspol auf Einverständnis stoßen. Pisanu, der Fraktionsvorsitzende von Forza Italia in der Abgeordnetenkammer, warnt die Mehrheitskoalition: Wenn sie es nicht schaffe, sich auf einen Namen zu einigen, werde die Opposition einen Vorschlag machen. Eine Einigung mit uns, erinnert er, ist Voraussetzung für die anstehenden Verfassungsreformen. Und auch die Lega, deren Delegation von Maroni geleitet wird, hat bei Veltroni (DS) vorgesprochen, um klarzumachen, daß mit den 81 Parlamentariern aus dem Norden zu rechnen sei, natürlich innerhalb einer größeren Übereinkunft (Sie wollen vor allem Garantien im Hinblick auf das Wahlgesetz).
Die Demokraten Prodis sind schon überzeugt, daß ein großer Kuhhandel in der Luft liegt und bestehen auf dem Namen Carlo Azeglio Ciampis. ’Wenn die Linksdemokraten (DS) bei der Stange bleiben, dann kann Ciampi es schaffen’, hätte der EU-Komissionschef gesagt. Vielleicht nur mit den Stimmen der Mehrheit, aber das wäre auch kein Beinbruch." (Quelle: Il Centro, 7. Mai 1999, S.5)