Entwurf

Bundesgesetz
über die Öffentlichkeit der Verwaltung
(Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
gestützt auf Art. 164 Abs. 1 Bst. g der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom...2
beschliesst:

1. Abschnitt: Zweck und Geltungsbereich

Art. 1 Zweck


Dieses Gesetz hat zum Zweck, der Öffentlichkeit den Zugang zu amtlichen Dokumenten
zu erleichtern und dadurch die Transparenz der Verwaltung zu fördern.

Art. 2 Geltungsbereich

1 Dieses Gesetz gilt für:
a. die Bundesverwaltung;
b. die vom Bundesrat bezeichneten Organisationen und Personen des
öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung
angehören, soweit sie mit öffentlichen Aufgaben des Bundes betraut sind.
2 Die Bekanntgabe von Personendaten, die in amtlichen Dokumenten enthalten
sind, wird durch das Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni 19923
geregelt.
3 Für den Zugang zu amtlichen Dokumenten, die Zivilverfahren, Strafverfahren,
Verfahren der internationalen Rechts- und Amtshilfe, internationale Verfahren zur
Streitbeilegung, Verfahren der Staats- und der Verwaltungsrechtspflege und
Schiedsverfahren betreffen, gelten die entsprechenden Spezialgesetze.
4 In einem erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren richtet sich das Recht der
Partei auf Einsichtnahme in Akten nach dem massgeblichen Verfahrensrecht.

Art. 3 Amtliche Dokumente

1 Ein amtliches Dokument ist jede Information, die:
a. auf einem beliebigen Informationsträger aufgezeichnet ist;
________________
1 SR 101
2 BBl ...
3 SR 235.1
________________

b. sich im Besitz einer Behörde befindet, von der sie stammt oder der sie mitgeteilt
worden ist; und
c. die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrifft.
2 Als amtliche Dokumente gelten auch solche, die durch einen einfachen elektronischen
Vorgang aus vorhandenen Informationen erstellt werden können.
3 Nicht als amtliche Dokumente gelten Dokumente, die
a. nicht fertiggestellt sind, oder
b. zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind.

2. Abschnitt: Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten

Art. 4 Öffentlichkeitsprinzip

1 Jede Person hat das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den
Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten (Recht auf
Zugang).
2 Die Einsichtnahme erfolgt vor Ort oder durch Erhalt einer Kopie.
3 Der Bundesrat kann Vorschriften erlassen über
a. die Bewirtschaftung amtlicher Dokumente;
b. die Information über amtliche Dokumente.

Art. 5 Interessenabwägung

1 Das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten wird eingeschränkt, aufgeschoben
oder verweigert, soweit ihm überwiegende öffentliche oder private Interessen
entgegenstehen.
2 Überwiegende öffentliche Interessen liegen vor, wenn durch die Gewährung des
Zugangs:
a. die freie Meinungs- und Willensbildung einer Behörde wesentlich beeinträchtigt
werden kann;
b. die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet werden kann;
c. die aussenpolitischen Interessen oder die internationalen Beziehungen der
Schweiz beeinträchtigt werden können;
d. die Beziehungen zwischen dem Bund und den Kantonen oder zwischen
Kantonen beeinträchtigt werden können;
e. die wirtschafts-, geld- und währungspolitischen Interessen der Schweiz
gefährdet werden können.
3 Überwiegende private Interessen liegen vor, wenn durch die Gewährung des
Zugangs:
a. die Privatsphäre wesentlich beeinträchtigt werden kann;
b. Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse offenbart werden können;
c. Informationen vermittelt werden können, die der Behörde von Dritten freiwillig
mitgeteilt worden sind und deren Geheimhaltung die Behörde zugesichert
hat.

Art. 6 Besondere Fälle

1 Kein Recht auf Zugang besteht zu amtlichen Dokumenten:
a. des Mitberichtsverfahrens;
b. über Positionen in laufenden oder künftigen Verhandlungen.
2 Zu amtlichen Dokumenten die ein Ämterkonsultationsverfahren betreffen und
anschliessend zu einem Entscheid des Bundesrates führen, besteht der Zugang
erst nach diesem Entscheid. Der Bundesrat kann Ausnahmen bestimmen.
3 Der Zugang zu Evaluationsberichten über die Leistungen und die Wirksamkeit
der Bundesverwaltung ist gewährleistet.

3. Abschnitt: Verfahren für den Zugang zu amtlichen Dokumenten

Art. 7 Gesuch

1 Das Gesuch um Zugang zu amtlichen Dokumenten ist an die Behörde zu richten,
die über das Dokument verfügt.
2 Das Gesuch muss hinreichend genau formuliert sein und hat die nötigen Angaben
zu den verlangten amtlichen Dokumenten zu machen.

Art. 8 Stellungnahme der Behörde

1 Die Behörde nimmt so rasch als möglich Stellung, in jedem Fall aber innert 20
Tagen nach Eingang des Gesuches.
2 Die Frist kann ausnahmsweise um 20 Tage verlängert werden, wenn das
Gesuch umfangreiche, komplexe oder schwer beschaffbare Dokumente betrifft.
Die Behörde hat den Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin über die Fristverlängerung
zu informieren und die Gründe dafür anzugeben.
3 Die Behörde muss auf Verlangen schriftlich kurz angeben, aus welchen Gründen
sie das Recht auf Zugang zu Dokumenten einschränkt, aufschiebt oder verweigert.

Art. 9 Schlichtung

1 Der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin kann einen schriftlichen Schlichtungsantrag
stellen, wenn
a. der Zugang zu amtlichen Dokumenten eingeschränkt, aufgeschoben oder
verweigert wird, oder
b. die Behörde nicht fristgerecht geantwortet hat.
2 Der Schlichtungsantrag ist der oder dem Öffentlichkeitsbeauftragten innert 20
Tagen nach Empfang der Stellungnahme oder nach Fristablauf zu stellen.
3 Betrifft der Schlichtungsantrag die Bekanntgabe von Personendaten, so überlässt
der oder die eidgenössische Öffentlichkeitsbeauftragte das Geschäft von
Amtes wegen dem oder der eidgenössischen Datenschutzbeauftragten.
4 Kommt eine Schlichtung zustande, gilt das Verfahren als erledigt.

Art. 10 Empfehlung

Kommt keine Schlichtung zustande, so gibt der oder die Öffentlichkeitsbeauftragte
innert 30 Tagen nach Empfang des Schlichtungsantrages eine schriftliche Empfehlung
ab.

Art. 11 Verfügung

1 Die Behörde erlässt eine Verfügung nach Artikel 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes
vom 20. Dezember 19684, wenn
a. sie in Abweichung von der Empfehlung das Recht auf Zugang zu einem
amtlichen Dokument einschränken, aufschieben oder verweigern will;
b. der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin nach Erhalt der Empfehlung
den Erlass einer Verfügung verlangt.
2 Die Verfügung ist innert 20 Tagen nach Empfang der Empfehlung oder nach
Eingang des Gesuches zu erlassen.

Art. 12 Beschwerde

1 Verfügungen sind innert 30 Tagen nach der Eröffnung mit Beschwerde an die
Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission anfechtbar.
2 Als Verfügung gilt auch das Verweigern oder Verzögern einer Verfügung.
3 Für das Verfahren gilt das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom
20. Dezember 19685.
4 Die Kommission erlässt ihren Entscheid innerhalb von zwei Monaten.

Art. 13 Gebühren und Entgelte

1 Das Gesuchsverfahren, das Schlichtungsverfahren und das Verfahren auf
Erlass einer Verfügung sind grundsätzlich gebührenfrei.
2 Die Behörde, die über das Dokument verfügt, kann eine Gebühr erheben, wenn:
a. die Antwort auf das Gesuch einen besonderen Aufwand erfordert;
b. ein Gesuch mehrmals gestellt wird;
c. eine Kopie verlangt wird.
3 Der Bundesrat legt den Gebührentarif fest.
4 Sind amtliche Dokumente für eine gewerbliche Nutzung geeignet, kann der
Bundesrat vorsehen, dass für den Zugang ein Entgelt erhoben wird, das sich
nach dem Markt richtet.

4. Abschnitt: Eidgenössischer Öffentlichkeitsbeauftragter oder eidgenössische Öffentlichkeitsbeauftragte

Art. 14 Wahl und Stellung

1 Der Bundesrat wählt einen eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten oder
eine eidgenössische Öffentlichkeitsbeauftragte.
________________
4 SR 172.021
5 SR 172.021
________________

2 Der oder die eidgenössische Öffentlichkeitsbeauftragte erfüllt seine oder ihre
Aufgaben unabhängig und ist der Bundeskanzlei administrativ zugeordnet.
3 Er oder sie verfügt über ein ständiges Sekretariat.

Art. 15 Aufgaben

Der oder die Öffentlichkeitsbeauftragte hat insbesondere folgende Aufgaben; er oder
sie:
a. leitet das Schlichtungsverfahren (Art. 9) und gibt, für den Fall, dass es zu
keiner Schlichtung kommt, eine Empfehlung ab (Art. 10);
b. informiert von Amtes wegen oder auf Anfrage Private und Behörden über
die Art und Weise des Zugangs zu amtlichen Dokumenten;
c. kann sich zu Erlassentwürfen und Massnahmen des Bundes, welche das
Öffentlichkeitsprinzip wesentlich betreffen, äussern;
d. verfolgt die Entwicklung des Zugangs zu amtlichen Dokumenten im Ausland.

Art. 16 Evaluation

1 Der oder die Öffentlichkeitsbeauftragte überprüft den Vollzug und die Wirksamkeit
dieses Gesetzes und erstattet dem Bundesrat regelmässig Bericht.
2 Die Berichte des oder der Öffentlichkeitsbeauftragten werden veröffentlicht.

Art. 17 Auskunfts- und Einsichtsrechte

Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens hat der oder die Öffentlichkeitsbeauftragte
ungeachtet einer allfälligen Geheimhaltungspflicht Zugang zu amtlichen Dokumenten.

5. Abschnitt: Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission

Art. 18


1 Die eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission ist eine
Schieds- und Rekurskommission im Sinne von Artikel 71a-c des Verwaltungsverfahrensgesetzes
vom 20. Dezember 19686.
2 Sie entscheidet über Beschwerden gegen Verfügungen der Behörden.
3 Die Kommission hat im Beschwerdeverfahren ungeachtet einer allfälligen
Geheimhaltungspflicht Zugang zu amtlichen Dokumenten.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 19 Änderung von Bundesrecht


1. Das Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren
Sicherheit7 wird wie folgt geändert:
Ersetzen einer Bezeichnung:
_______________
6 SR 172.021.
7 SR 120.
_______________
Im Artikel 18 Absatz 2 wird die Bezeichnung "Eidgenössische Datenschutzkommission"
ersetzt durch "Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission".
2. Das Bundesgesetz vom 7. Oktober 1994 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen
des Bundes8 wird wie folgt geändert:

Ersetzen einer Bezeichnung:
Im Artikel 14 Absatz 3 wird die Bezeichnung "Eidgenössische Datenschutzkommission"
ersetzt durch "Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission".
3. Das Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni 19929 wird wie folgt geändert:

Ersetzen einer Bezeichnung:
In den Artikeln 25 Absatz 5, 29 Absatz 4, 30 Absatz 2, 32 Absatz 3 und 33 Absatz 1
sowie im Titel vor Artikel 33 des Gesetzes wird die Bezeichnung "Eidgenössische
Datenschutzkommission" ersetzt durch "Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission".

Art. 19a (neu) 
Bezieht sich ein Gesuch nach dem Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der
Verwaltung vom ...10 auf die Bekanntgabe von Personendaten, die in einem
amtlichen Dokument enthalten sind, so kann der eidgenössische
Datenschutzbeauftragte die Bekanntgabe empfehlen, wenn das öffentliche Interesse
an einer Offenlegung das private Interesse an der Geheimhaltung überwiegt, sogar
wenn die Bedingungen von Artikel 19 Absatz 1 nicht erfüllt sind.

Art. 31 Bst. e (neu) 
e. Er leitet das Schlichtungsverfahren nach den Artikeln 9 und 10 des
Bundesgesetzes über die Öffentlichkeit der Verwaltung vom ...11, wenn sich das
Gesuch um Zugang auf Personendaten in einem amtlichen Dokument bezieht.

Art. 20 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Q:\RSPM\Geschaefte\BJFLA\transparence\Vernehmlassung\lex\VE 14.04.2000 d.doc
________________
8 SR 172.213.71.
9 SR 235.1.
10 SR ...
11 SR ...