Adieu Schilling
Wo einst Metternichs Bibliothek war, hat sich Kanzler Wolfgang
Schüssel eingerichtet. Ölbilder von Weiler, Pongratz,
Staudacher; zwei Hinkelsteine der Waldviertler Künstlerin
Heidi Warlamies; eine blaue Sitzgruppe, die der Innenarchitekt
Edi Neversal entwarf.
Schüssel nippt entspannt an der Melange. Ein Jahr, in dem
es manche Hiobsbotschaft gab, geht erwartungsfroh zu Ende. Stimmungsmacher
ist der Euro. "Die Österreicher tun sich mit der neuen
Währung leichter als andere in Europa, etwa die Deutschen
oder die Franzosen, weil sie besser informiert wurden. Wir haben
nur ein Problem, das andere nicht haben den kompliziertesten
Umrechnungsschlüssel von allen. Wobei ich von der Umrechnerei
wenig halte. Man muss vom ersten Tag an mit diesem Geld leben
und in diesem Geld rechnen. In zwei, drei Wochen wird sich alles
eingespielt haben."
"Wir haben den kompliziertesten Umrechnungsschlüssel."
Schüssel zu 13,7603
Der Euro, betont Schüssel, habe "dramatisch positive
Wirkungen. Wenn jedes Land die wirtschaftlichen Folgen des 11.
September ohne gemeinsame Geld- und Konjunkturpolitik hätte
bewältigen müssen, hätte es möglicherweise
Abwertungs-Kaskaden wie in den Neunzigerjahren gegeben."
Soll man dem Schilling nachtrauern, ihm vielleicht ein Denkmal
errichten? Schüssel: "Nachweinen sollte man überhaupt
nicht. ,Nicht weinen, weil es vorbei ist, sondern lächeln,
weil es gewesen ist', sagt ein Sprichwort. Wir sollten uns freuen,
dass eine Vision verwirklicht wird und es zum ersten Mal ein europäisches
Zahlungsmittel gibt. Das wird im Alltag Europa viel stärker
zusammenschweißen, als es Symbole wie die Hymne oder die
Fahne könnten." Zum Plan, dem Schilling ein Denkmal
zu setzen, sagt Schüssel knapp: "Das ist von Frankreich
abgepaust, wo man in einer Kleinstadt für den Franc etwas
macht. Wenn jemand so etwas für den Schilling will, möge
er das tun."
"Nicht weinen, weil es vorbei ist, sondern lächeln,
weil es gewesen ist."
Schüssel zum Schilling
Dass mit der alten Währung ein Stück nationaler Identität
verschwindet, glaubt der Kanzler nicht. "Die liegt woanders,
vor allem im kulturellen Bereich. Da ist Österreich bestens
versorgt."
Nach der Einführung des Euro ist die Erweiterung der EU die
nächste gewaltige Herausforderung für die Politik. Vorbehalte
gibt es viele, die meisten wohl bei Schüssels Regierungspartner.
Wird 2002 vom Streit um die Erweiterung dominiert? "Diskutieren
muss man immer", wiegelt der Kanzler ab. "Ich verstehe
die Skepsis, denn es gab noch nie in der Geschichte der EU ein
so umfangreiches Projekt, bei dem mehr als 100 Millionen Menschen
dazukommen. Da wird man mit vielen Fragen konfrontiert. Je mehr
wir positiv beantworten können, um so mehr wird die Zustimmung
steigen." Es gebe jetzt schon sehr viele Befürworter,
"weil wir für die Sicherung der Arbeitsplätze,
für die Verkehrspolitik und die Atomsicherheit Lösungen
erarbeitet haben. Es sind noch große Brocken zu bewältigen
Landwirtschaft, Regionalpolitik, Finanzen. Aber wenn wir
im bisherigen Stil weiterarbeiten, werden wir kein Problem haben,
die Bevölkerung zu überzeugen."
"Ich verstehe die Skepsis, die es wegen der Erweiterung
gibt."
Schüssel zum EU-Projekt
Problematisch ist der Umgang mit Tschechien, das in die EU strebt.
Temelin ist ein Stich-Wort. Brisant sind auch die Benes-Dekrete
(Vertreibung, Enteignung von Sudetendeutschen). FPÖ-Politiker
sagen, Tschechien dürfe nicht beitreten, so lange es die
Dekrete gibt. Bleiben die Blauen bei dieser Bedingung, gibt es
wieder Krach in der Koalition.
Schüssel dazu: "Die Geschichte belastet uns alle. Wir
haben heuer bei der Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern
ein Stück Frieden mit unserer Geschichte suchen müssen.
Diese Aufarbeitung werden Nachbarländer auch machen müssen."
Es gehe bei den Benes-Dekreten darum, "historische Fakten
außer Streit zu stellen und darauf eine politische Bewertung
durch die Regierungen und Parlamente aufzubauen." Muss
es vor Tschechiens EU-Beitritt eine formelle Aufhebung der Gesetze
geben? "Ich würde den Prozess jetzt wachsen lassen",
bleibt Schüssel vage. Die strittigen Dekrete seien "nicht
totes Recht, sondern sie sollen totes Unrecht sein. Das ist bisher
nicht eindeutig geklärt. Eine entsprechende Formel muss aber
gemeinsam gefunden werden."
Wien - Die österreichischen Konsumenten können der Euro-Umstellung am 1. Jänner 2002 eigentlich mit großer Gelassenheit entgegen sehen. Der Schilling gilt noch bis Ende Februar 2002 als gesetzliches Zahlungsmittel und die meisten Umstellungen etwa von Konten, Sparbüchern und Pensionen gehen automatisch vor sich, der Umrechnungskurs von 13,7603 Schilling je Euro bleibt ebenfalls fix. Im Folgenden aus dem Euro Buch der Bundesregierung einige Dinge, die sich durch die Währungs-Umstellung oft unsichtbar im Hintergrund ändern:
Konten
Zeitgleich mit der Einführung des Euro-Bargeldes am 1. Jänner
2002 werden auch alle Konten, die noch auf Schilling lauten, automatisch
und kostenfrei auf Euro umgestellt. Ebenso werden alle Dauer-
und Einziehungsaufträge auf Euro umgerechnet. Egal ob Girokonto,
Bausparvertrag, Kreditkonto oder Sparbuch, die Kontonummern ändern
sich nicht.
Goldmünzen
Gold- und Silbermünzen, die als gesetzliches Zahlungsmittel
gelten, können ebenfalls in Euro getauscht werden. Ein zeitlich
unbegrenzter Umtausch ist bei der Oesterreichischen Nationalbank
(OeNB) und der Münze Österreich möglich. Bei Sammlermünzen,
z. B. Goldmünzen wie dem Wiener Philharmoniker, hat der Nennwert
nichts mit dem Preis zu tun, zu dem diese Münzen gehandelt
werden. Daher ist es nicht empfehlenswert, zum Beispiel Sammlermünzen
in limitierter Auflage in Euro umzutauschen. Historische Gold-
und Silbermünzen wie der Maria-Theresien-Thaler sind keine
gesetzlichen Zahlungsmittel und können daher auch nicht in
Euro umgetauscht werden.
Zahlscheine
Schon seit der Einführung des Euro als Buchgeld am 1. Jänner
1999 gibt es Zahlscheine für Euro-Transaktionen (mit EUR
gekennzeichnet). Ab 1. Jänner 2002 können Überweisungen
und Einzahlungen nur noch mit diesen Euro-Belegen, die sich von
den Schilling- Zahlscheinen durch ein blaues Bestätigungsblatt
unterscheiden, durchgeführt werden. Vorgedruckte Währungs-Bezeichnungen
dürfen nicht verändert werden. Eine Überweisung
in ein anderes Euro-Land bleibt eine Auslandsüberweisung,
das heißt es ist mit den bisher üblichen Spesen zu
rechnen.
Klagenfurt - Für Herrn und Frau Österreicher ist die unmittelbar bevorstehende Umstellung auf den Euro mit einem "positiven Gefühl" verbunden. Ob der Euro Impulsgeber und Erfolgssystem für die österreichische Wirtschaft sein werde, beantworteten 66 Prozent der befragten mit ja. Nur 14 Prozent verneinten dies, die restlichen 20 Prozent erklärten, dies nicht zu wissen. Dies ist das Ergebnis der jüngsten Umfrage des Klagenfurter Humaninstitutes, welche am Freitag veröffentlicht wurde.
Zwölf Prozent ohne Meinung
Laut Umfrage haben weiters 65 Prozent der 470 bundesweit telefonisch befragten Personen und zusätzlich 45 ausgewählten Opinionleader aus Medien, Politik und Wirtschaft die Frage nach dem positiven Glücksgefühl bejaht. Nur 23 Prozent antworteten mit nein, die restlichen zwölf Prozent hatten dazu keine Meinung.
Euro bietet Chancen
Auf die offene Frage mit Mehrfachzuordnung, in wieweit der Euro die persönliche Lebensplanung verändere, antworteten 78 Prozent mit "Der Euro bietet uns die Chance, aus der von der alten Generation übernommen 'Einengung' (Zwänge, Minderwertigkeit) auszubrechen. 63 Prozent sprachen vom "Ende der engen 'Sparstrumpfideologie'". Für 53 Prozent ist der Euro ein "Glücksbringer für eine positive, persönliche Zukunft und die Chance für einen Neubeginn".
"Gefühl der Größe"
Auf die ebenfalls offene Frage, was sich am Selbstwertgefühl der Österreicher und Österreicherinnen im Zusammenhang mit der Währungsumstellung ändere, nannten 82 Prozent das "Gefühl der Größe durch Eingebundensein in die Staatengemeinschaft", 71 Prozent die "Nostalgie der Zeit der Kronen", für 67 Prozent sinkt die "Hemmschwelle für eine Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnerstaaten" und 62 Prozent sind der Meinung, dass der Euro ein "Bindeglied über Ideologie und Sprachgrenzen hinweg" sei.
Heute noch. Schon morgen gehören Schilling und Groschen zum alten Eisen (auch wenn sie noch bis Ende Februar in Zahlung genommen werden). Leise Wehmut des Abschieds macht sich breit. Immerhin begleitete der Schilling 77 Jahre lang die Geschichte und Geschicke Österreichs.
Es war eine Erfolgsgeschichte an deren Beginn Häme und Zweifel standen. Neanderthaler sollte die neue Währung ob ihrer Schlichtheit heißen, schlug der große Spötter Karl Kraus vor und Kommentatoren waren einig, dass sie ohnehin eine Episode bleiben würde. Doch der Schilling überstand die Hyperinflation der 20er- und 30er-Jahre, wurde zum Alpendollar, feierte nach der Exekution durch die Nazis wieder Auferstehung, gesundete nach der Währungsreform und wurde zum Symbol des Wiederaufbaus und des österreichischen Wirtschaftswunders.
Der Schilling war uns stets lieb und teuer. Nie konnten wir genug von ihm bekommen. Adieu und herzlich willkommen Euro und Cents. In möglichst großen Mengen.