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Berlin: Rot-rote Koalition beschlossen

Berlin - Die rot-rote Koalition in Berlin steht. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte am Montag, SPD und PDS hätten sich in kleiner Runde auf die Verteilung der Ressorts im künftigen Senat und eine Formulierung zur DDR-Vergangenheit im Koalitionsvertrag geeinigt.
Beide Parteien würden jetzt noch einmal intern beraten, anschließend solle die große Verhandlungsdelegation den Koalitionsvertrag billigen.

APA/AFP/dpa/ste


Berlin: Ex-PDS-Chef Gysi wird Wirtschaftssenator

Berlin - Der frühere Partei- und Fraktionschef der deutschen Reformkommunisten, Gregor Gysi, soll neuer Wirtschaftssenator im Bundesland Berlin werden. Wie PDS-Sprecher Hendrik Thalheim am Mittwoch in Berlin bestätigte, hat sich der frühere Chef der Bundestagsfraktion zur Übernahme des Wirtschaftsressorts in der künftigen rot-roten Landesregierung der Hauptstadt bereit erklärt. Offiziell nominiert werden sollen die PDS-Senatoren auf einer Sitzung des Berliner Landesvorstandes am Mittwochabend.


Nach einem Bericht der "Berliner Morgenpost" vom Mittwoch soll der Brandenburger PDS-Fraktionschef Lothar Bisky das Amt des Berliner Kultursenators übernehmen. Im engsten PDS-Kreis sei beschlossen worden, dem früheren Bundesvorsitzenden der Partei das Amt zu übertragen. Dafür gab es zunächst keine Bestätigung.


Die SPD/PDS-Regierung tritt in der kommenden Woche an. Der 53-jährige Gysi selbst sagte der "Bild"-Zeitung: "Wir schaffen eine Anlaufstelle für Investoren, wollen die Investitionsbedingungen durch Entfernen von überflüssigem Gerümpel verbessern. ... Ich werde mit der richtigen Investorenpflege für eine andere Atmosphäre sorgen."

APA/dpa/AFP/ste


Doppelrot für Berlin perfekt

Z ehn Wochen nach der Wahl haben sich SPD und PDS in Berlin auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Den endgültigen Beschluss gaben am Montagabend der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und PDS-Chefunterhändler Gregor Gysi bekannt.
Zuvor waren in einer abschließenden großen Verhandlungsrunde die noch offenen Streitfragen geklärt worden. Nach den Worten Wowereits verständigten sich beide Seiten zuletzt vor allem auf die Verteilung der Ressorts im neuen Senat sowie auf eine Formulierung zum DDR-Unrecht im Koalitionsvertrag.


Vier zu drei

Berlin wird künftig von dem Regierenden Bürgermeister Wowereit und acht Senatoren regiert. Die SPD übernehme vier der Ressorts, darunter Inneres und Finanzen, sagte Wowereit. Zudem schlage die SPD im Einvernehmen mit der PDS einen Senator für das Justizressort vor. Die PDS erhalte drei Ressorts, darunter Wirtschaft und Arbeit.


Rot-rot in Berlin
Der neue SPD/PDS-Senat in Berlin hat die letzte Hürde genommen, wenn auch mit grosser Mühe.

Berlin. - Nach Mecklenburg-Vorpommern ist Berlin das zweite deutsche Bundesland, in dem die PDS - Nachfolgepartei der SED der DDR - an der Regierung beteiligt wird. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und die acht weiteren Mitglieder des Senats sind gestern vom Preussischen Landtag in ihre Ämter gewählt worden. Die SPD stellt fünf Senatoren, die PDS drei.

Die einzeln und geheim durchgeführte Wahl der neuen Regierung verlief nicht ohne Hindernisse. So schaffte Stadtentwicklungssenator und SPD-Landeschef Peter Strieder die Bestätigung erst im zweiten Durchgang, selbst Regierungschef Wowereit hatte zwei Gegenstimmen aus den Reihen von SPD und PDS in Kauf zu nehmen. Zu einem Eclat kam es bei der Wahl des neuen Finanzsenators. Der Wahlgang musste wiederholt werden, denn ein CDU-Abgeordneter wollte beobachtet haben, dass ein PDS-Mitglied zwei Wahlzettel in die Urne gelegt hatte. Der neue Senat übernimmt die Amtsgeschäfte vom rot-grünen Übergangssenat, der nach dem Sturz der grossen Koalition unter Eberhard Diepgen (CDU) eingesetzt worden war. Bei den Neuwahlen war die SPD klar stärkste Partei geworden. Bekanntestes Mitglied des neuen Senats ist der frühere PDS-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi. Er wird Wirtschaftssenator und einer der beiden Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters. (bos)

KOMMENTAR

Berlin bleibt Berlin

Von Werner Bosshardt, Berlin

Keine Frage, die Regierungsbeteiligung der PDS in der deutschen Hauptstadt weckt gemischte Gefühle. Die Herkunft dieser Partei ist noch längst nicht vergessen, das grosse Leid im geteilten Deutschland ebenfalls nicht. Für die SPD von Bundeskanzler Gerhard Schröder dürfte die Koalition in Berlin deshalb eine zusätzliche Belastung im Bundestagswahlkampf bedeuten.

Doch es sind ideologische Nachhutsgefechte des Kalten Krieges, wenn ein CDU-Politiker behauptet, die Koalition öffne nun wieder dem Kommunismus in Deutschland die Tür. Wer die Wählerschaft der PDS und die demokratischen Spielregeln ernst nimmt, wird besser beraten sein, sich politisch mit dieser Partei auseinander zu setzen und sich selbstkritisch mit den Ursachen ihres Erfolgs zu befassen. Dies schliesst nicht aus, die Bewegungen an den Rändern der PDS ebenso aufmerksam zu verfolgen wie jene am rechten Rand des politischen Spektrums.

Was Berlin betrifft, so ist es zweifellos zu bedauern, dass nun zwei Parteien regieren, die sich schwer damit tun, die Fesseln ihrer überbordenden Staatsgläubigkeit abzustreifen. Aus dieser Optik betrachtet, ist die PDS aber eher das kleinere Problem. Schliesslich war es die SPD, die - zusammen mit der CDU - den sorglosen Umgang mit Steuergeldern zur Staatsräson erklärte, von der Bezirks- bis zur Landesebene filzähnliche Strukturen aufbaute und aus den darin gedeihenden Seilschaften ihren politischen Nachwuchs bezog. Weder der Koalitionsvertrag noch die Besetzung der SPD-Senatsposten deuten darauf hin, dass sich daran nun etwas ändern wird: alter Wein in alten Schläuchen.

Das Schlimmste am Berliner Senat ist nicht die Beteiligung der PDS, sondern die erschreckende Perspektivlosigkeit der künftigen Koalition. Es fehlt an Ideen, an kreativen neuen Lösungen, an Konzepten und am Willen zum Aufbau einer dienstleistungsorientierten Verwaltung. Von einem "Mentalitätswechsel", wie ihn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit vollmundig angekündigt hat, kann nicht die Rede sein. Berlin spart, klagt und schimpft einfach weiter - schicksalsergeben und ohne Vision wie eh und je.



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