LIECHTENSTEIN
- neue Verfassung
Verfassungsvorschlag
Fürst: Skepsis, aber auch Zustimmung
Landesfürst spricht gegenüber
Wirtschaftszeitung 'Cash' Klartext
Vielfältige
und interessante Diskussion rund um die Verfassungsfrage gestern
Abend im Balzner Restaurant «Falknis». Zahlreiche
Besucher nutzten die Plattform der Bürgerpartei, sich eine
Meinung in der Verfassungsfrage zu bilden und Argumente auszutauschen.
Gegenüber dem Verfassungsvorschlag des Fürsten war mehrheitlich
Skepsis zu vernehmen, jedoch befanden sich unter den Diskussionsteilnehmern
auch zahlreiche Befürworter des fürstlichen Vorschlages.
Peter Kindle
Wer soll in Liechtenstein künftig für die Bestellung
von Richtern verantwortlich sein? Einige Diskussionsteilnehmer
der FBPL-Verfassungsoffensive in Balzers konnten dem Verfassungsvorschlag
des Landesfürsten positive Elemente entnehmen. «Es
ist vielleicht besser, wenn ausländische Richter in unserem
Land Entscheidungen fällen. Ich persönlich möchte
mich nicht vor jedem liechtensteinischen Richter verantworten
müssen», stellte ein Diskussionsteilnehmer fest.
Andere Besucher der Veranstaltung hingegen betonten ausdrücklich,
dass die Parteien bei der Bestellung von Richtern nicht ausgeschlossen
werden können und dürfen. Zudem sei es gefährlich,
die Richterbestellung nur auf eine einzelne Person, den Landesfürsten,
zu reduzieren. Dieses Recht müsse bei Volk und Landtag bleiben
- gerade auch, weil es eine grosse Errungenschaft der weltweiten
Geschichte gewesen sei, die Richterbestellung klar von der Monarchie
zu trennen. «Es darf nicht sein, dass der Monarch die uneingeschränkte
Kontrolle über die Judikative besitzt».
Sachfrage mit Drohungen vermischt
«Wir sind nicht gegen die Monarchie, jedoch wollen wir etwas
am Image des Fürsten kratzen», stellte eine Diskussionsteilnehmerin
fest, «denn der Fürst behandelt das Volk als unmündige
Bürger». Ein anderer Teilnehmer stellte fest, dass
der Fürst selbst an seinem Mythos kratze. Dies geschehe allein
schon aus dem Umstand, dass das Fürstenhaus eine Sachfrage
mit Drohungen vermische.
Wichtig erschien es den Diskussionsteilnehmern auch, dass es ein
grosser Unterschied sei, ob das Volk über die Abschaffung
der Monarchie abzustimmen habe, oder ob es sich lediglich um die
Frage drehe, wo der Fürst künftig seinen Wohnsitz haben
wolle.
Mehr Demokratie - mehr Monarchie?
«Was im Jahre 1992 passiert ist, darf nicht mehr geschehen.
Darum will der Landesfürst die Regierung und den Landtag
jederzeit in die Wüste schicken dürfen», lautete
eine Feststellung, als über das Notverordnungsrecht diskutiert
wurde.
Es sei wichtig, dass jeder für sich selbst abkläre,
ob nun der Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses mehr Demokratie
oder Monarchie bringe.
FBPL-Veranstaltung zur Verfassungsdiskussion in Mauren
Rund 35 Personen informierten
sich gestern Abend in Mauren über den Stand der Dinge in
Sachen Verfassungsdiskussion und deren kritische Punkte. Ein dichtes
Programm erwartete die Gäste nach der Begrüssung durch
Maurens Parteiobmann Gebhard Malin.
Iris Frick-Ott
Moderator Michael Biedermann zeichnete zu Beginn das Bild der
Verfassungsweges auf und formulierte die Zielsetzungen des Abends.
Dabei ging es vor allem darum, die Unterschiede der beiden Verfassungsentwürfe
aufzuzeigen und zu diskutieren. Im Vordergrund stand der Verfassungsvorschlag
des Fürsten mit den Artikeln zur Freiwilligkeit der Mitgliedschaft
der Gemeinden im Staatsverbund, zur Notverordnung, der Richterbestellung
und betreffend Auflösung von Landtag und Regierung.
Toter Artikel?
Als toten Artikel, der nie zum Tragen komme, weil keine Gemeinde
je aus dem Verbund austreten werde, bezeichnete ein Diskussionteilnehmer
Artikel 1, in dem es um die freiwillige Mitgliedschaft geht. Otmar
Hasler, Landtagsabgeordneter und Mitglied der Verfassungskommission
trat zu diesem Punkt auf die Frage, wie der Fürst überhaupt
auf diesen Artikel gekommen sei, ein: «Das Selbstbestimmungsrecht
ist ein vom Fürsten seit längerem propagiertes Ziel,
für welches bereits einige universitäre Untersuchungen
gemacht wurden. Doch die Verfassungskommission hat Bedenken, dieses
Recht in Liechtenstein umzusetzen, weil wir ohnehin an der unteren
Grenze der Einwohnerzahl rangieren. Und was noch wichtiger ist,
mit diesem Artikel könnte eine Gemeinde eine Entscheidung
treffen, die sich zwar auf den ganzen Staat auswirkt, diesem aber
kein Mitbestimmungsrecht einräumt». Gar als «Zückerchen»
für alles, was der Fürst uns an Rechten sonst wegnehme,
bezeichnete einer der Gäste besagten Artikel. Und ein Weiterer
zeichnete die Hintergründe, wie es zu Liechtenstein als unveräusserliches
Ganzes gekommen sei und wies ausserdem auf die psychologische
Wichtigkeit des seit 1921 bestehenden Artikels hin.
Beim Artikel über die Notverordnung stand vor allem die Interpretationsfrage
im Vordergrund: Wann wird dieses wie angewandt? Gilt es nur bei
Naturkatastrophen und Kriegen oder kann es gar bei politischen
Unstimmigkeiten zwischen Fürst und Landtag zum Zuge kommen?
Auf diese Frage wird vermutlich, falls der Vorschlag des Fürsten
angenommen wird, die Erfahrung die Antwort geben.
Von heikel bis Misere
Auch die Artikel 11, 97 und 105, in welchen es um die Richterernennung
geht, gaben einiges zu reden. Als heikel bezeichnete ein Diskussionteilnehmer
die Tatsache, dass auch die Zusammenstellung des beratenden Gremiums
in den Händen des Fürsten liege. Ein anderer meinte
zum Vorschlag: «Das ist schon eine Misere mit unseren Richtern.
Vielleicht wäre es jetzt wirklich Zeit, dass der Fürst
die Richter selbst ernennt, wenn man an die verschleppten und
schubladisierten Verfahren denkt». Auf das Argument des
Fürsten, er sei parteiunabhängig und deshalb neutraler,
steht der Vorschlag der Verfassungskommission, dass der Landtag
künftig nur noch mit einer 2/3-Mehrheit einen Entscheid herbeiführen
kann. Momentan stehen noch drei der vier Gutachten aus, die die
Verfassungskommission in Auftrag gegeben hat. Die Verfassungsrechtler
beschäftigen sich mit der Aufgabe, die beiden Entwürfe
auf demokratische und völkerrechtliche Grundlagen hin zu
überprüfen. In zwei bis drei Wochen sollten die noch
ausstehenden Gutachten eintreffen und hoffentlich eine Basis für
neue Gespräche zwischen dem Fürsten und der Kommission
bieten. Denn der vorliegende Entwurf des Fürsten vermag anscheinend
diese Grundlage nicht zu bieten und ein Zuhörer formulierte
es abschliessend so: «Ich habe während drei besuchten
Veranstaltungen noch keinen Befürworter gehört!»
Wer lässt
sich schon für den Landtag aufstellen, wenn er jederzeit
mit seiner «Kündigung» rechnen muss?
Die Verfassungsrechtler haben bisher auf der ganzen Welt keinen
Staat gefunden, wo das Staatsoberhaupt die Richter bestellt.
Die bisherige Verfassung funktioniert doch. Es gibt nur einen,
der behauptet, sie funktioniere nicht.
Der Fürst spielt darauf hinaus, ob er geht oder nicht. Dabei
geht eine sachliche Meinungsbildung verloren.
Egal, für welche Verfassung sich das Volk entscheidet, wenn
sie vom Fürsten nicht sanktioniert wird, tritt sie nicht
in Kraft.
Wir sollten Unterschriften sammeln, um damit dem Fürsten
zu zeigen, dass wir mit seinem Vorschlag nicht einverstanden sind.
Die alten Landesnöte waren Rhein, Föhn und Rüfen.
Heute sind es Fürst, Bischof und HSG-Absolventen.
Wir stimmen nicht darüber ab, ob der Fürst nach Wien
geht oder nicht, sondern über unsere Verfassung.
Ich sehe schon, dass der Fürst die Richter vorschlägt.
Bei Nichteinigung hat das Volk ja die Möglichkeit zum Referendum.
Der Fürst kann doch nicht unbegründet die Volksvertretung
auflösen.
Für grosse Staaten mit verschiedenen Kulturen mag das Selbstbestimmungsrecht
eine geeignete Lösung sein, nicht jedoch für unser kleines
Land.
Der Fürst kratzt selbst an seinem Mythos, wenn er eine Sachfrage
mit einer Drohung vermischt.
Der Landtag ist die Vertretung des Volkes. Die Richterbestellung
muss beim Volk bleiben.
Ich möchte mich nicht vor jedem liechtensteinischen Richter
verantworten müssen.
Der Grundgedanke des Selbstbestimmungsrechtes ist positiv, aber
es scheint mir nicht praktikabel.
Beim Selbstbestimmungsrecht geht es nicht um mehr Gemeindeautonomie,
sondern nur um den Austritt.
Landesfürst Hans-Adam
II. hat in einem Interview mit der Schweizer Wirtschaftszeitung
'Cash' Klartext gesprochen. Der Landesfürst tat kund, dass
er in den letzten Monaten auf den Tisch gehauen habe. Zudem sieht
das Staatsoberhaupt personelle Konsequenzen unausweichlich. Er
führt aus: 'Ich glaube, man wird personelle und organisatorische
Konsequenzen ziehen und Zeichen setzen müssen.' Zudem tat
der Landesfürst kund, dass sein Vertrauen in die Regierung
schwer erschüttert sei.
Alexander Batliner
Landesfürst Hans-Adam II. machte im Interview mit der Wirtschaftszeitung 'Cash' deutlich, dass Sonderstaatsanwalt Spitzer alle Kompetenzen habe. Das Staatsoberhaupt führte aus: 'In den letzten Monaten habe ich aber auf den Tisch gehauen. Ich habe Staatsanwalt Spitzer bei seinem Amtsantritt gesagt, wenn ihm von politischer Seite Widerstände erwüchsen, sei das für mich Grund, der Regierung das Vertrauen zu entziehen, sie zu entlassen und eine ernsthafte politische Krise zu riskieren, um dann unter Umständen auch mit Notrecht zu regieren. Ich habe keine Zweifel gelassen, dass ich da konsequent durchgreife.' Auf die Frage, ob dadurch ein Reinigungsprozess ausgelöst werde und somit Köpfe rollen werden, betonte der Landesfürst: 'Ich glaube, man wird personelle und organisatorische Konsequenzen ziehen und Zeichen setzen müssen.' Hans-Adam II. äusserte zudem, dass ihm Sonderstaatsanwalt Spitzer regelmässig Rapport erstattet. Auf die Frage, weshalb dies so sei, betonte der Landesfürst: 'Weil es eine Forderung von mir war, einen unabhängigen Staatsanwalt einzusetzen. Sie wissen ja, dass seit Ende Jahr das Vertrauen in meine Regierung schwer erschüttert ist, weil man mir gewisse Informationen verheimlicht hat.'
Problemfall Justiz
Im Interview ging der Landesfürst auch auf die Justiz unseres Landes ein. Er führte aus: 'Ich bin der Meinung, dass man schon seit langem hätte handeln müssen. Das Problem mit der ungenügenden Gerichtsbarkeit und dem politischen Einfluss auf die Justiz ist schon lange bekannt. Es fehlt der politische Wille, Reformen anzugehen.' Zudem äusserte der Landesfürst, dass die Gerichtsbarkeit 'stark parteipolitisch beeinflusst' sei und man ihr jetzt die Möglichkeit zum Agieren geben müsse. Er unterstrich: 'Man muss jetzt der Justiz die Möglichkeit geben, dass sie agiert. Wir haben gegen zwei Richter ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs, die immer noch im Amt sind. Alle anderen Richter haben sich in diesen Fällen für befangen erklärt.' Auf die Frage, ob dies nicht eine Bankrotterklärung der Justiz sei, betonte der Landesfürst: 'Ja, ein bisschen . . . '. Der Landesfürst machte weiterführend deutlich, dass der Einfluss auf die Justiz zurückgebunden werden müsse. Er sagte auf die Frage, was er glauben würde, was das Volk erwarte: 'Dass ich den eingeschlagenen Weg Richtung Aufklärung fortsetze. Es müssen Massnahmen getroffen werden, um solche Vorkommnisse zu vermeiden. Insbesondere muss der Einfluss der Politik auf die Justiz zurückgebunden werden. Das ist der Kernpunkt.'
Rechtshilfe
Für den Landesfürsten hat die Problematik um die Rechtshilfe unseren Staat in die Krise geführt. Er betonte: 'Was das Land in eine Krise geführt hat, ist eine Reihe von Fällen, bei denen Rechtshilfe nicht funktioniert hat, weil die Richter ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Ob dahinter Absicht steht oder nicht, wird sich in den Verfahren klären. Das ist ein Versagen der Gerichtsbarkeit und teilweise auch der Aufsicht über die Gerichtsbarkeit.' Des Weiteren ging der Landesfürst im Interview auf das BND-Dossier ein. Er führte aus, dass der BND zugegeben habe, dass er keine Beweise besitzen würde. Hans-Adam II. betonte: 'Der Bundesnachrichtendienst hat aber uns gegenüber mehr oder weniger zugegeben, dass sie keine Beweise haben . . . Es (das Dossier) basiert nicht auf Ermittlungstätigkeiten oder Abhöraktionen, wie in der Zwischenzeit erwiesen ist. Die Behauptungen wurden von den Deutschen nicht überprüft, das ist mein Vorwurf. Und den liechtensteinischen Behörden werfe ich vor, dass keine Abklärungen stattgefunden haben.'