Einige sehr persönliche Impressionen einer Reise durch die Nordinsel Neuseelands
November - Dezember 1993
Na ja, es kam ja alles etwas plötzlich, etwas unvorbereitet - aber irgendwie hatte ich mich ja
während des Iraneinsatzes doch recht gründlich mit der Möglichkeit einer längeren
Fahrradreise beschäftigt, ja eine solche längere Tour nahezu herbeigesehnt. So richtig zum Auftakt
eines Vorruhestandes, zwar etwas verfrüht aber nach allen allgemeinen Anzeichen der Wirtschaftslage in
Deutschland im allgemeinen und bei KRUPP im besonderen und unter Einschluß meiner besonderen
vertraglichen Vereinbarungen mit dem Hause KRUPP ja auch nicht völlig ausgeschlossen!
Aber wie das denn so ist, habe ich wohl etwas zuviel von solchen schönen Lösungen
geträumt - so ganz realistisch war die Sache nun doch nicht, mit 53 in den Ruhestand,
alles mit einer ordentlichen finanziellen Regelung.
Na ja, stellen wir uns der Realität. Für eine unbestimmte Zeitspanne werde ich dann wohl
nochmals in den Ring steigen. Irgendeinen sinnvollen Beitrag für das neue Unternehmen
KRUPPP-FÖRDERTECHNIK werde ich wohl noch leisten können.
Aber das muß ja nicht sofort nach Rückkehr aus dem Iran beginnen! Der Iraneinsatz wurde
doch eh etwas früher als ursprünglich geplant, beendet. KRUPP-FÖRDERTECHNIK
sollte doch durchaus bis zum Jahresbeginn 1994 warten können!
Und man konnte warten und so ganz nebenbei auch noch die Personalkosten für 2 Monate einsparen!
Jetzt habe ich die erforderliche Zeit für eine etwas ausgedehnte Reise. Aber wohin in dieser Zeit?
Der mal geplante Jakobsweg nach Santiago di Campostella ist zu dieser Jahreszeit wohl nicht mehr die rechte
Wahl. Besser ist da schon Aotearo (New Zealand). Es ist zwar eine recht lange Anreise - aber bei zwei Monaten
Aufenthalt doch zu rechtfertigen.
Na, dann mal ins Reisebüro. Vielleicht sind ja noch zu vernünftigen Preisen passende Flugtermine
verfügbar.
Mit einigen Bemühungen werden gute Reisetermine mit einem vernünftigen Reisepreis
heraussgefunden. Also jetzt kann es wirklich losgehen. Auf nach nach AOTEAROA!
Am 23.10. geht es los! Nach einem längeren Zwischenstop in Kuala Lumpur Ankunft in Auckland am
24.10. Flug MS 6 erreicht Auckland früh genug um in Ruhe zur Pension im Stadtteil Mount Eden zu
fahren, das Fahrrad zusammenzubauen und eine erste Rundfahrt zur Eingewöhnung auf den hier
herrschenden Linksverkehr zu machen. Durch den Zwischenaufenthalt in Kuala Lumpur mit Tageshotel
auf Kosten der Fluglinie bin ich recht ausgeruht. Von Jetlag keine Spur, trotz des 12-stündigen
Zeitunterschiedes!
Ja und wie war denn so im einzelnen die Rundfahrt?
25.10. - 63 Tageskilometer
Eine Rundfahrt entlang des herrlichen Küstenstreifens vom Ferrybuildung ostwärts bis Ende
des Tamakidrives, vorbei und hinauf zum One-Tree-Mount.
26.10. - in Auckland
Kurze Fahrt zum Ferrybuildung, zum Lunch im Waitema-Harbour ein kurzer Segeltrip. Dann kann es losgehen.
Weitere Eindrücke aus Auckland kann ich ja noch in den letzten Tagen vor der späteren
Rückreise nach Deutschland sammeln.
27.10. - 57 Tageskilometer
Erste Tagesetappe der Rundreise. Mit der Fähre nach Devonport. Dann weiter Richtung Orewa.
Immer dicht an der Küste entlang. Das geht mit meinen etwas groben Übersichtskarten nicht
immer ohne Einfahrt in Sackgassen. Beklagen darf ich mich natürlich nicht. Alle Straßen sind
ordentlich bezeichnet. Auch die vielen Hinweise: NO EXIT.
Aber irgendwie komme ich voran. Ich folge zwar nicht dem kürzesten aber vielleicht dem
schönsten Weg nach Orewa. Nach 57 km habe ich dann Orewa endlich erreicht. Nötig
wären wohl nur gut 30 km gewesen. Und die auch noch auf Straßen mit weniger ausgeprägten
Steigungen als ich sie an der East-Coast-Road angetroffen habe.
Orewa bringt ja gleich zu Beginn meiner Rundfahrt einen besonders schönen Kontakt zu den Kiwis.
Gleich am Ortseingang stoppt ein Motorradfahrer neben mir und hat nichts wichtigeres zu tun, als mich in seine
Wohnung, in seine Familie einzuladen. Zum Abendessen, zur Übernachtung, zum Frühstück.
Natürlich bin ich zunächst mal etwas irritiert. Aber der Mann meint es offenbar ernst! Für mich
besteht ja gar kein Risiko. Also nehme ich die Einladung an. Es wird ein schöner Abend mit einer netten
Familie!
28.10. - 80 Tageskilometer
Nach dem Frühstück bei meinen freundlichen Gastgebern geht es dann weiter. Zunächst
folge ich dem Highway No. 1. Gleich hinter dem Ortsausgang Orewas geht's steil nach oben. Auf dem schmalen
Randstreifen an dem hier und heute sehr stark befahrenen Highway kämpfe ich mich mit dem recht
umfangreichen Gepäck nach oben. Und dann geht's steil bergab. Hier kann und will ich auf keinen Fall
einfach die Gesetze der Schwerkraft ausnutzen und mit hoher Geschwindigkeit nach unten rasen. Mit dem
Gepäck, an dieser stark befahrenen Straße ist mir das alles zu riskant. Schließlich habe ich ja
an meinem Fahrrad funktionsfähige Bremsen!
Mit moderatem Tempo fahre ich also die Gefällestrecke hinab. So kann ich zwar keine besonders
hohe Durchschnittsgeschwindigkeit erreichen, aber das ist ja auch nicht Sinn und Zweck der ganzen
Veranstaltung.
Meine kurze Teepause in Wellsford mache ich im richtigen Tearoom. Der Inhaber ist selbst begeisterter
Reiseradler, hat noch vor kurzem die Nordinsel umradelt. Mit einer guten Einstimmung für meine gerade
erst begonnene Tour und mit guten Tips für die heutige Streckenführung abseits des Hauptverkehrs
beende ich die heutige Teepause.
Mein Weg geht weiter über Te Hane und dann über nahezu unbefahrene aber gut ausgebaute
Nebenstraßen nach Mangawhai. Mangawhai hat zwei schöne Campingplätze. Ich bleibe
gleich am ersten Platz, an der Flußmündung, gleich neben einer schönen Mangrovenwaldung.
Auch hier werden schöne Camping-Cabins angeboten. Nicht besonders teuer aber deutlich bequemer
als mein kleines Zelt.
29.10. - 73 Tageskilometer
Mangawhai ist ein wirklich kleiner Ort. Neben den zwei Campinplätzen, der Tankstelle, der Kneipe und
der Schule gibt es auch noch einen "General Store". Aber doch nicht mit besonders frühen
Öffnungszeiten. Vor 9 Uhr ist hier nichts zu erwarten. Na ja, dann muß ich wohl ohne
Früstück losfahren. Aber irgendwo in den kleinen Orten auf dem Weg nach Whangarei wird
sich schon was finden lassen. Mangawhai Heads, Waipu, Waipu Cove, alles Fehlanzeige. Auch hier ist noch
kein Händler in seinem Geschäft anzutreffen. Dann geht's halt weiter. Zwischenzeitlich ist auch
das anfangs schöne, ist das einladende Wetter vorbei. Der ehemals schöne blaue Himmel bekommt
ebenso wunderbare Grautöne. Das Grau des Himmels geht am Horizont nahtlos über in das Grau
des Pacific. Es sieht noch alles recht schön aus. Bis es dann endlich schaurig schön wird. Der Wind
frischt auf, die Schleusen öffnen und in kurzer Zeit bin ich völlig durchnäßt.
Natürlich beginnt der Regen irgendwo im Nichts. Kein Baum, kein Strauch, ganz zu schweigen von
Häusern, bietet Unterschlupf. So kurz vor Whangarei gibt's dann doch eine Möglichkeit, dem Regen
etwas auszuweichen. Eine freundliche Teestube. Ein kleiner Imbis, eine kurze Rast. Vielleicht hört ja der
Regen auch noch auf und ich komme noch halbwegs ordentlich ans Tagesziel Whangarei. Weit gefehlt.
Der Regen hält an. Nur der Wind läßt etwas nach. Ich habe keine Wahl. In der Teestube
kann ich ja nicht auf Dauer bleiben. Also weiter. Es sind ja nur noch etwa 20 Kilometer bis Whangarei.
Einmal durchnäßt, kann ich diese Distanz auch bei anhaltendem Regen fahren.
Völlig durchnäßt erreiche ich Whangarei. Nahe der Innenstadt, oberhalb des Hafens,
auf einem wahrscheinlich netten, heute jedoch wolkenverhangenen Hügel, liegt die kleine Jugendherberge.
Ich habe natürlich besonderes Glück. Die Herberge wurde erst gestern wieder eröffnet.
Die wenigen Gäste sind ausnahmslos mit der Trocknung ihrer Ausrüstungen beschäftigt.
Warum soll es mir da besser gehen!
30.10. - 40 Tageskilometer
Es regnet immer noch. Mal heftiger, mal weniger heftig. Aber es regnet ununterbrochen! Die richtige Gelegenheit,
mal das gesamte Gepäck zu sichten, vielleicht zu reinigen oder zumindest im nächsten Waschsalon
mal ordentlich trocknen zu lassen.
Ja, wie soll es nach dieser Erfahrung mit meinen nicht wasserdichten Gepäcktaschen weitergehen?
Nur bei Trockenheit fahren ist ja keine Lösung. Dann müßte ich wohl bei den relativ
großen Entfernungen gleich bis zum Ende meines New Zealand-Aufenthaltes in Whangarei verbleiben.
Auch wenn Bob, der englische Verwalter dieser Jugendherberge, ein recht sympathischer Mensch ist, ein
Daueraufenthalt hier in Whangarei, hier in dieser Jugendherberge, kann nicht ernsthaft erwogen werden.
Also muß ich mir was anderes einfallen lassen. Irgendwie muß ich für eine wasserdichte
Zusatzverpackung sorgen.
Am späten Nachmittag klart es auf. Man kann sich tatsächlich wieder ohne Regenschirm auf
die Straße wagen. So mache ich dann einige Besorgungen wie z.B. Folien und Schnüre zur
wasserdichten Sicherung der Gepäcktaschen.
Die nähere Umgebung lädt zu einer Rundfahrt ein. Der erste Stop ist - wie sollte es anders sein -
am Airport Whangarei. Hier besteht zwar keine Möglichkeit zum Segelflug aber die Leute vom
örtlichen Aeroclub empfehlen mir, mit dem Club in Kaikohe Kontakt aufzunehemen. Na gut, Kaikohe
liegt so irgendwie im Großraum Kerikeri, so irgendwie auf oder an meinem Weg in den hohen Norden.
Die Sache kann also problemlos aufgeschoben werden.
Für heute folge ich dann weiter dem großen Hafen, der großen Bucht. Wieder reichlich
Mangroven. Viele schöne Buchten. Kleine Dörfer. Einzelne Höfe.
31.10. - 95 Tageskilometer
Heute soll es wieder in Richtung Norden gehen. Das Wetter scheint stabil zu bleiben. Morgens ist es noch
etwas bewölkt. Aber es lockert auf, die Sonne kommt hervor. Also der richtige Reisetag. Am
nördlichen Stadtrand mache ich zur Einstimmung erst einmal in einem schön gelegenen
Tearoom eine ausgiebige Frühstückspause. Der Betreiber des Tearoom meint, ich müsse
unbedingt vor meiner Reise in den Norden den Whangarei Wasserfall besuchen. Er mewint, es handele sich
hier um den schönsten Wasserfall in New Zealand. Na, ob das denn so stimmt? Oder ist der gute
Mensch nur besonders stolz auf seine nähere Heimat? Ich gehe mal davon aus, daß ich noch viele
Wasserfälle auf meiner Reise antreffen werde und entscheide mich daher direkt in Richtung Norden zu
fahren. Ich folge zunächst dem Highway No. 1. Bei recht starkem Gegenwind geht es zwar nicht schnell
aber dennoch stetig voran. Das Wetter wird ständig besser. Die Sonne scheint. Herrlich klare Sichten.
So wird jeder Aufstieg mit einer berauschenden Aussicht von der Straßenkuppe über die Landschaft
belohnt. So lassen sich die teilweise recht anstrengenden Aufstiege doch wesentlich leichter bewältigen!
Bei Hiruanga verlasse ich den Highway No. 1 und biege nach Osten auf eine kleine Nebenstraße ab.
Der Verkehr ist hier deutlich geringer. Man kann hier unbeschwert radeln. Die schmale Straße zieht
sich durch Farmland in Richtung Küste, in Richtung St. Helens Bay. Der allgemeine Straßenverkehr
schläft nahezu ein. Ja, und dann verändert sich auch die Straße. Ende des Teerbelages. Es
geht auf teilweise recht rauher Schotterpiste weiter. Aber bei diesem Wetter! Das dürfte doch keine
Schwierigkeiten bereiten. Schließlich habe ich ja noch die im Iran gekaufte sehr grobstollige Bereifung
montiert. Es macht auch keine Schwierigkeiten - und ich habe ausreichend Zeit. Also zunächst mal eine
ausgiebige Pause am Wegesrand. Die großen Wiesen, der üppige Baubestand am Straßenrand,
laden hierzu ein.
Nach der Rast geht es weiter. Die Straße zieht sich dahin, durch hügeliges Gelände.
Dann einige steile Abschnitte. Schließlich bin ich in Oaks Beach, St. Helens Bay. Nochmals eine
Unterbrechung, ein ausgiebiger Strandspaziergang. Ich habe doch noch Zeit!
Zurück aus der Sackgasse zum Strand, es hat keine 20 Minuten gedauert, hat sich der strahlend blaue
Himmel mit ca. 3/8 Cu-Bewölkerung verwandelt. Alles grau in grau - und die ersten Regentropfen.
Vielleicht wird es ja nicht stärker, vielleicht komme ich ja halbwegs trocken bis nach Russel!
Weit gefehlt. Der Regen verstärkt sich. Keine Spur von alsbaldiger Besserung. Der lehmige Untergrund
der Schotterpiste verwandelt sich langsam aber stetig in eine schlammige Rutschbahn. In nahezu allen Kurven
machen die für einen zügigen Autoverkehr angelegten Überhöhungen des
Straßenprofils recht große Schwierigkeiten. Teilweise kann nur mit großer Mühe
verhindert werden, daß der schwer beladene Hinterbau des Rades wegrutscht. Mit jeder Radumdrehung
werden große Mengen Schmutz hochgerissen und auf Fahrrad, Gepäck und Radler geworfen.
Das Gelände steigt, die Wolkenbasis sinkt. Kurzum, dieser Abschnitt entwickelt sich zu einem wahren
Freudenfest.
Dann, an einer Wegegabelung zwei Wegweisen nach Russel. Beide geben die Information 26 km. Also ist es
unbedeutend, welche Richtung ich wähle. Über die zu erwartenden Höhenprofile habe ich
eh keine Information. Also los, nehmen wir die rechte Gabelung. Der Regen hält an. Die Steigungen
werden häufiger und steiler. Und dann tauchen wieder Buchten auf. Ich erwartete das Meer links von
mir, aber die Buchten liegen alle rechts. Irgendetwas stimmt nicht. Vielleicht meine Erinnerung an das Kartenbild.
Oder habe ich einen Weg gewählt, der auf meiner Karte nicht verzeichnet ist? Zumindest kann ich keine
Weggabelung ausmachen, die in beiden Richtungen etwa die gleiche Entferung bis Russel ausweist.
Zwischenzeitlich hatte ich die in Whangarei erworbenen Plastikfolien als Witterungsschutz um die
Gepäcktaschen gebunden. Aber so richtigen Schutz bietet diese Lösung nicht.
Alles verdreckt, der ständige Regen zehrt doch enorm an meinen Kräften und an meinem Willen,
die heutige Tagesetappe Russel zu erreichen.
Warum schleppe ich ein Zelt mit mir herum? Also bei nächster Gelegenheit Ende der Tagesetappe und
das Zelt aufbauen! Aber wo? Ganz New Zealand schein eingezäunt zu sein. Öffentliche Flächen
scheint es zumindest hier und heute nicht zu geben. Und von Flächen, die als Campingplatz geeignet
sind, ganz zu schweigen. Die einzige Stelle die ich finde, entpuppt sich bei näherem Betrachten als ein
sumpfiges Überflutungsgebiet. Zwar angrenzend wieder ein schöner Mangrovenbestand aber aber ...
Na ja, dann habe ich keine andere Wahl. Ich muß mich irgendwie weiterquälen. Die Straße
ist wie ausgestorben. Selbst wenn ich kapitulieren wollte, wen sollte ich anhalten und darum bitten, mich
zumindest ein Stück in Richtung Russel mitzunehmen? In derartig trübe Gedanken vertieft
überholt mich ein Pickup und stoppt kurz vor mir. Ein freundlicher Farmer spricht mich an. Vermutet
gleich, daß ich nach Russel möchte. Noch mindestens 25 km soll die Entfernung sein. Er bietet mir an,
mich bis zu seiner Farm, ca. 10 km vor Russel mitzunehmen. Kurz hinter seiner Farm ist die Straße auch
wieder geteert und es geht nur bergab bis zum nächsten Campingplatz.
Reichlich durchnäßt, müde und abgespannt erreiche ich dann endlich so gegen 8 Uhr
Campingplatz und Jugendherberge in Orongo Bay kurz vor Russel. Kaum habe ich mein Zimmer bezogen,
das Gepäck versorgt, da ist der Regen zu Ende. Na ja, das hätte etwas früher eintreten sollen!
1.11. - 20 Tageskilometer
Es ist weiterhin regnerisch. Heute jedoch mit größeren Zwischenaufheiterungen. Vielleicht kann
man ja in solchen trockenen Intervallen mal die nähere Umgebung erkunden, zumindest bis nach Russel
vordringen - es sind ja nur 5 km. Aber weit gefehlt. So ganz trocken ist auch diese kurze Distanz nicht zu ü
berwinden. Aber die Entfernungen sind doch so gering, daß der Regen bis zur nächsten Raststelle
erträglich ist. So mache ich mir denn mit verschiedenen Unterbrechungen ein Bild von Russel, dem ehemals
als "Teufelsloch im Pacific" verrufenen Walfängernest. Davon ist heute nichts mehr zu spüren.
Heute ist Russel eine verträumte Kleinstadt in der Bay of Islands! Einige nette Teestuben, schöne
Wanderwege entlang der Küste, eine Personenfähre zu dem lebhafteren, von mehr Touristen
besuchten Pahia.
Zur anderen Seite, in Richtung Süden vom Campingplatz, gehts durch schöne kleine Wohnviertel
nach Opua Bay. Von hier nur mit der Autofähre zu erreichen. Im alten Fährhaus ein
außerordentlich gutes Speiserestaurant. Und für Wanderer beginnt gleich neben der
Fähranlegestelle ein herrlicher Wanderweg entlang der Küste bis nach Pahia und dann weiter zu
den Huraka Falls und durch einen großen Mangrovenhain bis nach Waitangi. Kurzum, Campingplatz
und Jugendherberge liegen in einer schönen Gegend, durchaus für einen längeren
Aufenthalt geeignet.
2.11. - 30 Tageskilometer
Ein schöner Frühjahrstag. Strahlend blauer Himmel, geringe Bewölkung. Der richtige
Tag für einen ausgedehnten Bootsauflug durch die Bay of Islands. Mit dem Fahrrad zunächst nach
Russel. Dann weiter mit dem Boot. Entlang der herrlich zerklüfteten Küste. Hinauf bis Cape Brett.
Dann zurück. Vorbei an kleinen Inseln, vorbei an schönen Buchten.
Anschließend nehme ich in Russel mein Fahrrad an Bord und fahre weiter bis Pahia. Pahia ist deutlich
lebhafter als Russel. Aber jetzt gefällt mir doch mehr die Ruhe und Stille in Russel. Mit dem Rad fahre ich
nach Waitangi.
Waitangi, historischer Boden. Hier wurde das Waitangi-Treaty, die vertragliche Anerkennung der britischen
Krone durch die Maori-Stämme, unterzeichnet. Ein für die damaligen Verhältnisse doch
recht fortschrittliches Vertragswerk zur Regelung der Beziehungen zwischen den Maori (Urbevölkerung)
und den zugewanderten Europäern - auch wenn nach heutigen Maßstaben, nach heutigem
Verständnis von Selbstbestimmungsrechten, diese Vereinbarung noch reichlich Ansatzpunkte zur
Kritik bietet.
Neben dem Treaty-House, an der Stelle des Versammlungsplatzes der zur Beratung und Erstunterschrift
versammelten Chiefs von etwa 50 Maori-Stämmen, wurde ein besonders schön gestaltets
Maori-Versammlungshaus errichtet. Dieses Versammlungshaus ist mit Schnitzereien aller Maori-Stämme
ausgeschmückt. Die Anlage gehört heute zum schützenswerten nationalen Kulturerbe und
wird vom Waitangi-Trust verwaltet.
Diese historische Gedenkstätte wird von gepflegten Grünanlagen, von großzügigen
Sportanlagen, umrahmt. Ein schöner Wanderweg führt oberhalb des Flusses dann weiter durch
einen großen Mangrovenhain bis zum Huraka-Fall.
Nach dem Besuch der Waitangi-Anlage mache ich dann solch einen Spaziergang in Richtung Huraka-Falls.
Hier interressiert mich besonders der Mangrovenhain. Ein für Europäer doch recht ungewohntes
Ökosystem. Über einen Holzsteg kann man hier mitten in dieses Gebiet hineinlaufen und einen sehr
guten Eindruck gewinnen.
Dann gehe ich zurück um vom Treaty-House aus per Fahrrad zu den Huraka-Falls zu fahren und
anschließend weiter nach Opua Bay. Hier in Opua Bay kann ich nicht umhin, ich muß zum
Dinner ins Ferryman's. Mit vorzüglichem Fisch, bestem Wein und guten Beilagen lasse ich diesen
schönen Tag ausklingen. Bis zum Campingplatz ist es nicht mehr weit. Kurz mit der Fähre und
dann etwa 8 Kilometer durch schöne, heute als angenehm empfundene hügelige Landschaft.
3.11. - 47 Tageskilometer
Heute will ich nur eine kurze Strecke fahren, bis nach Kerikeri. Ich wähle den Weg über Opua.
Bis Opua geht's problemlos. Aber dann. Ja was ist dann? Entweder bin ich noch reichlich müde oder
die Steigung zwischen Opua und Pahia ist besonders steil. Nur mit größter Mühe schaffe
ich diesen Berg. Aber irgendwie geht es.
Heute habe ich nun wirklich reichlich Zeit. Also zunächst mal ein Abstecher zu den Huraka-Falls.
Nach einer längeren Pause gehts dann weiter. Kurz vor Kerikeri sehe ich dann die ersten Hinweiszeichen
zum Airport. Vielleicht sollte ich hier mal nachfragen, ob die Gelegenheit zum Segelflug besteht. Natürlich
nicht. Der Flugplatz Kerikeri wird fast ausschließlich kommerziell genutzt, mit regelmäßigem
Linienverkehr nach Auckland und zu anderen Städten des Landes.
Aber in Kaikohe wird intensiv Segelflug betrieben. Das hatte man mir ja schon in Whangarei gesagt. Und
Kaikohe liegt ja ganz dicht bei Kerikeri. Na ja, ganz in der Nähe ist in diesem Fall wohl der Maßstab
von Piloten - nicht der von Radfahrern! Das Fluggelände von Kaikohe liegt so zwischen 30 und 50 km
von Kerikeri entfernt, je nach Wahl der Straße: auf gut ausgebauter Straße 50, auf Schotterwegen
30 km. Mein Rad ist zwar für Schotterwege gut geeignet, aber nach den besonderen Erfahrungen auf
dem Weg nach Russell will ich jedoch solche Wege nur bei trockener Witterung befahren. Zunächst
soll jedoch mal mit dem Club Kontakt aufgenommen werden. Alle angesprochenen Einheimischen sind
außerordentlich hilfsbereit, doch ein Kontakt kommt nicht zustande. Das Telefon ist offenkundig nicht
besetzt. Meine Kontaktadresse beim nationalen Aeroclub in Wellington will ich nicht einschalten.
Einfach hinfahren ist die Devise. Wenn's klappt ist's gut, wenn nicht, der Pureki-Forest und der See
nördlich von Kaikohe sind brauchbare Alternativen. Also alles klar, Freitag geht's nach Kaikohe. Am
Wochenende Segelflug, Montag zurück nach Kerikeri und am Dienstag kann die 2-Tages-Tour nach
Cape Reinga starten! Anschließend ab in den Süden. Ist doch ein ordentliches Programm, oder?
Aber zunächst ein kurzer Aufenthalt in Kerikeri. Die Region um Kerikeri wird durch intensiven
Obstanbau geprägt. Zum Schutz der Kulturen gegen den ständigen Wind sind nahezu alle
Plantagen mit hohen und sehr dichten Bambushecken umgeben. Fast alle Betriebe haben an den Straßen
Verkaufsstände eingerichtet. Überall kann man sich preiswert mit frischem Obst versorgen.
Kerikeri ist eine etwas größere Stadt die sich großzügig am Kerikeri-Inlet ausdehnt.
Viele Motels, einige Teestuben, einige Restaurants und zwei Kneipen.
Ich quartiere mich in der Jugendherberge ein. Gleich anschließend ist noch ausreichend Zeit für
einen Rundgang durch Kerikeri. Vorbei an den alten Gebäuden aus der Frühzeit der
europäischen Besiedlung, entlang des Flusses bis hinauf zum Rainbow-Fall. Ein herrlicher
Wasserfall mit schätzungsweise 25 Meter Fallhöhe.
4.11. - 45 Tageskilometer
Bei besten Wetterbedingungen mache ich heute einen Trip an den Rand des Pureki-Forest. Der Weg
führt über eine Schotterstraße. Kaum Verkehr. An jeder Kuppe herrliche Aussicht über
die schöne Hügellandschaft. Das Gelände wird überwiegend landwirtschaftlich
genutzt. Viel Ackerbau und Rinderhaltung.
Der Pureki-Forest ist eine der vielen übrig gebliebenen Inseln des ursprünglichen Waldes.
Hier finden sich auch noch größere Kauribestände. Und wie das hier so üblich ist,
alle sehenswerten Stellen sind ordentlich erschlossen. Gute Wanderwege. Viele rollstuhlgerecht hergerichtet.
Zunächst kam mir der häufige Hinweis auf diese besonders guten Wege etwas deplaciert
und übertrieben vor. Jetzt scheint mir aber diese Einstellung richtig zu sein. Wenn schon Teile der
Natur erschlossen werden, warum soll dann nicht auf unsere behinderten Mitbürger besondere
Rücksicht genommen werden? Auch - oder gerade - dieser Bevölkerungsgruppe sollte ein
unmittelbarer Kontakt mit sehenswerter Natur ermöglicht werden.
Nachmittags schaue ich mir dann noch das Rewa-Village, die Nachbildung einer Maori-Siedlung zum
Zeitpunkt der ersten europäischen Besiedlung, und die Reste verschiedener alter Befestigungsanlagen
am Kerikeri-Inlet an.
5.11. - 67 Tageskilometer
Aber mal wieder die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Donnerstag war zwar herrliches Wetter - aber das war
kein ausreichender Grund, daß es nicht alsbald zu einer gewaltigen Änderung,
heißt für mich, Verschlechterung kommt. Und der Freitag präsentiert sich mit ordentlichem
Regen und dazu passender Prognose für die nächsten Tage: plenty of rain!
So macht es natürlich keinen Sinn, das Wochenende für Segelflug einzuplanen, also mal einfach
durch den Regen nach Norden. Über das Tagesziel brauche ich mir keine besonderen Gedanken machen.
Ich will dem Highway No. 1 folgen. Diese Route ist in relativ kurzen Abständen besiedelt. Eine Unterkunft
müßte sich also jederzeit finden lassen.
Zunächst geht's bis Kaieo. Gut durchnäßt mache ich in einer netten Teestube eine
längere Pause und dann geht es weiter in Richtung Norden. Vielleicht fahre ich bis Whangaroa
oder auch noch etwas weiter. Unterwegs begegnen mir zwei weitere Radler auf ihrem Weg in Richtung
Süden.
Die beiden Kanadierinnen, denen ich erstmals in Russel begegnete, hatten ja schon gestern abend in Kerikeri
den Entschluß gefasst, mit dem Bus bis nach Kaitaia zu fahren. Und jetzt überholt mich ihr Bus.
Vielleicht haben sie es richtig gemacht!
An der Abzweigung nach Whangaroa entscheide ich mich, doch noch ein Stück weiter in Richtung
Nordwesten zu fahren. Ob's eine gute Entscheidung war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall wird auf dem
jetzt vor mir liegenden Teilstück der Regen noch stärker. Und zur Abrundung frischt auch noch
der Wind auf. Natürlich aus Nordwest.
Manganonui liegt an der Strecke. Hier soll sich ein vorzügliches Speiselokal befinden. Also biege ich
mal ab und schaue nach. Aber heute ist der ganze Ort im Regen ertrunken. Alles grau in grau. Kein Lichtblick.
Keine Menschen auf den Straßen. Wenig einladend. Also zurück zur Hauptstraße und weiter.
Wenige Kilometer später, in Coopers Beach reicht's mir. Ein halbwegs ordentlich erscheinendes
Motel bietet äußerst preiswerte Unterkünfte an. Für heute Ende. Für 12 Dollar
kann ich ein ordentliches Motel-Unit beziehen - allerdings zu Backpacker-Konditionen, d.h. wenn weitere
Leute kommen, werden wir uns dieses Unit mit mehreren Personen teilen müssen. Die Wahrscheinlich,
daß heute, bei diesem Wetter und zu dieser Zeit, noch Tramper oder andere Radler unterwegs sind, ist
nicht sehr groß.
Obgleich die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß war, ein Radler war noch unterwegs. Ein netter junger
Mann aus Lörrach. Heute sein zweiter Reisetag in New Zealand. Der anhaltende Regen hat seine guten
Vorsätze, aus finanziellen Erwägungen nur im Zelt zu schlafen, zunichte gemacht.
Obwohl wir uns auf Anhieb recht gut verstehen, setzen wir unsere Reise jeweils getrennt fort. Bei der vorliegenden
Wetterprognose habe ich zwischenzeitlich längst die Absicht aufgegeben, den hohen Norden per
Fahrrad zu besuchen. Hier gibt es zum Camping keine Alternative. Und das muß bei diesem Regen ja nicht
unbedingt sein.
Aber Ulf läßt sich nicht beirren. Bis Cape Reinga wird mit dem Fahrrad gefahren! Komme was da wolle!
Vor Einbruch der Dunkelheit will ich nochmals einen kurzen Gang zum Strand machen. Es regnet
vorübergehend nicht. Es sollte daher möglich sein. Aber es beginnt gleich mit einigen
Schwierigkeiten. Coopers Beach liegt an einer langen Steilküste. Ein direkter Zugang zum Strand
besteht nur an einigen wenigen Stellen über große Treppen. Nur nicht direkt am Motel. Also erst
einmal einen Zugang suchen. Ja, und dann liegt der Strand vor mir. Es ist Ebbe. Bei Flut ist der Strand in weiten
Teilbereichen bis zum Beginn der Steilküste überflutet und nicht begehbar. Und die meisten Treppen
führen auf irgendwelche Privatgelände. So bin ich erst einmal hier unten gefangen. Der Regen
beginnt wieder, wird stärker und stärker und ich finde noch keine geeignete Treppe, die auf
öffentliches Gelände führt. Als ich dann endlich einen ordentlichen Ausgang gefunden habe,
bin ich mal wieder völlig durchnäßt. Nur diesmal mit Bekleidung, die wesentlich langsamer
trocknet als meine Fahrradbekleidung.
6.11. - 57 Tageskilometer
Es regnet. Keine Besserung in Aussicht. Hier bleiben will ich nicht. Der Weg nach Kaitaia ist nicht besonders
weit. Also nochmals eine Etappe durch den Regen! Ulf sieht das etwas anders. Zumindest will er noch mindestens
eine Stunde die Wetterentwicklung abwarten. Da wir ohnehin spätestens in Awanui in verschiedene
Richtungen fahren, breche ich sofort auf. Der recht starke Regen kann mich nicht erschüttern.
Kurz nach dem Start läßt der Regen etwas nach, geht über in leichten Nieselregen.
Irgendwie liegt eine besondere Ruhe über der Landschaft. Bei Kaingaroa, mit der Überquerung
der Flußmündung, des Mangrovenhains, klart es weiter auf. Es nieselt zwar weiter, aber am
Horizont wird es heller und heller. Erste, noch zaghafte Sonnenstrahlen tauchen die Landschaft in ein kaum
beschreibliches Licht. Ich glaube, es war richtig, in Coopers Beach sofort aufzubrechen. Dieses besondere
Licht in dieser Landschaft ist wohl nur bei dieser Wetterlage zu erwarten.
Bei meiner Ankunft in Kaitaia hat sich die Sonne völlig durchgesetzt. Das richtige Wetter für
das kleine Straßenfest in Kaitaia. Es geht um die Behinderten-Olympiade. Um die Bevölkerung
für dieses sportliche Ereignis einzustimmen, einzustimmen auf die Teilnehmer aus New Zealand, werden
im ganzen Land Aktionen gestartet. Und heute eben in Kaitaia. Ich komme also zur rechten Zeit.
Am Nachmittag mache ich noch einen kurzen Abstecher zum örtlichen Flugplatz. Aber auch hier bestehen
keine Segelflugmöglichkeiten.
7.11.
Das Wetter ist weiterhin unbeständig, zumindest läßt sich keine klare Prognose für
den gesamten Tag machen. Mit dem Fahrrad nach Cape Reinga hatte ich ja spätestens in Coopers Beach
abgehakt und Ulf's Anregung, diese Teilstrecke gemeinsam zu fahren, nicht aufgenommen. Bei diesem
regenerischen Wetter Camping! Das muß doch nicht sein! Und dann noch auf einem, wie es so
schön heißt, naturnahen Campingplatz, ohne Warmwasser, ohne feste Aufenthaltsgebäude!
Ich entscheide mich für eine organisierte Busfahrt. Über den 90-Miles-Beach, durch den Te Paki
Stream, zum Cape Reinga und zurück nach Kaitaia.
Es ist ein Kleinbus, kleine Gruppe, netter Fahrer und Guide. Das Wetter entwickelt sich besser als erwartet.
Der einzige Regenschauer geht irgendwo am 90-Miles-Beach nieder.
Die Fahrt vermittelt einen guten Eindruck von dieser langen Halbinsel im hohen Norden. Die recht erfolgreiche
Aufforstung großer Sand- und Dünenflächen, der lange Strand, die Ursprunglichkeit des
Te Paki Farmparks, Cape Reinga, das Zusammentreffen des Pacific und des Tasmanischen Oceans. Die endlosen
gelben Sandstände an der tasmanischen Küste, die blendend weißen Sandstrände an der
pacifischen Küste.
8.11. - 100 Tageskilometer
Das Wetter ist mal wieder wenig eindeutig. Soll ich nun gleich mit dem Bus in Richtung Süden
fahren oder soll ich's mal mit dem Fahrrad versuchen? Wenn's wirklich wieder regnet, muß ich halt
nochmals meine schönen Plastikfolien bemühen um das Gepäck trocken zu halten. Und
wer gibt mir die Garantie, daß ich mit dem Bus in eine Region des ewigen Sonnenscheins gelange?
Warum soll es südlich von Auckland besser sein? Habe ich nicht erst vor einigen Tagen von neuen
Schneefällen und guten Wintersportbedingungen in Whakapapa gehört?
Also nicht lange zögern, die halbtrockene Wäsche nochmals in den Trockner stecken,
die Taschen packen und es kann losgehen!
Eine gute Entscheidung! Die Gegend um Kaitaia bietet doch überraschend großräumig
fast flaches Gelände. Na ja, noch hiesigen Maßstäben zumindest. Im Süden stehen
verschiedene Regenschauer. Aber zum Glück streife ich diese nur am äußersten Rand.
Die zusätzliche Plastikverpackung der Radtaschen ist nicht erforderlich.
Dann kommt die in der YHA-Routenbeschreibung für die Northland-Umfahrung erwähnte
sich steil nach oben windende Passage. Ja, es ist schon recht mühsam, dieses Teilstück, mit
all dem Gepäck. Die Steigung erscheint endlos. Hinter jeder engen, unübersichtlichen Kurve lockt
eine weitere Steigung. Drei Verschnaufpausen muß ich einlegen. Jetzt muß ich doch öfter an
Ulf's Motto denken: Wo eine Steigung ist, kommt auch wieder eine Abfahrt. Keine Gedanken an die
Mühen der Steigung verschwenden, lieber Vorfreude auf die folgende Abfahrt! Recht hat er!
Und so geht es denn weiter. Ja und dann ist der Gipfelpunkt erreicht. Es folgt eine herrliche Abfahrt
durch den Gorge Mangamuka. Ein herrliches Gebiet. Eine richtige Einladung zu einer mehrstündigen
Wanderung. Aber heute will ich weiter. Ich habe mir 90 km vorgenommen. Und wie sich das Wetter entwickelt
ist auch nicht sicher.
Meine Entscheidung ist richtig. Mehr oder weniger zügig durchzufahren. Zwei kleine Abstecher ins
Gelände muß ich noch einschieben. Und dann noch eine zu früh abgebrochene Suchfahrt
nach der Herberge in Oponoui führen zu einer Tagesstrecke von insgesamt 102 km. Ich komme genau
zum richtigen Zeitpunkt in Oponui an. Ich habe gerade mein Gepäck in die Unterkunft gebracht und
dann geht auch schon wieder ein heftiger Regenschauer nieder. Ein weiterer folgt, als ich gerade zum Essen fahre.
Aber heute war es ein schöner, ein herrlicher Tag. Eine schöne, vielleicht auch die schönste
Etappe der bisherigen Tour!
9.11. - 92 Tageskilometer
Am frühen morgen eine recht indifferente Wetterlage. Wird es nun alsbald regnen? Wird die Sonne
scheinen? Soll ich meine Gepäcktaschen in die Plastikfolien packen? Oder wird es gut gehen und
trocken bleiben? Ich will mal optimistisch bleiben. Die Plastikfolie kann ich immer noch hervorkramen.
Also los! Zunächst bis zum Ortsrand von Omoperre. In einer kleinen Teestube nach wenigen
Kilometern eine Rast zum ausgiebigen Frühstück. Danm geht es weiter. Gleich hinter der
nächsten Kurve geht's mal wieder bergauf. Schön steil, schön langgezogen. Und
der Himmel verfinstert sich. Die ersten Tropfen fallen. Na, soll es doch regnen? Muß ich doch die
Plastikfolie auspacken?
Irgendwie bin ich heute etwas träge. Mal abwarten. Etwas Regen wird doch nicht schaden! Etwas
Feuchtigkeit werden meine Gepäcktaschen schon vertragen! Die Beschäftigung mit dem Wetter,
mit der Möglichkeit oder Notwendigkeit, mein Gepäck durch die Plastikfolien vor Nässe
zu schützen, lenkt mich gründlich von der objektiv recht anstrengenden Steigung ab. Ohne es
so richtig zu bemerken, habe ich die gesamte Steigung geschafft. An der Kuppe liegt vor mir eine relativ
große, ebene Gegend. Alles von äußerst freundlichem Wetter überstrahlt. Es war
also gut, keine Zeit damit zu vergeuden, die Gepäcktaschen mit Folie vor dem befürchteten Regen
zu schützen.
Die Ebene ist mal wieder Neuseeland-typisch kurz und nach kurzer Zeit durchradelt. Und es geht schon wieder
aufwärts. Langestreckt, kurvenreich und immer aufwärts, aber durch schöne Landschaft.
Die Berge rücken immer näher. Näher und näher, bis die Straße in einer Schlucht
verschwindet. Es geht durch die Waiotemarama-Schlucht. Links und rechts ursprüngliche Wälder.
Und dann die Kuppe. Nach allen Seiten atemberaubende Ausblicke auf die hier noch abseits der Straße
unberührte Natur!
Bei einer kleinen Rast an einer schönen Aussichtsstelle werde ich von einigen Japanern angesprochen.
Man möchte gerne wissen, ob dies der richtige Weg zum "großen Baum" sei, wie weit es noch
sei und ähnliche Dinge.
Ja, der große Baum! Er ist in nahezu allen Straßenkarten eingezeichnet. Na, ja, er hat es ja auch
verdient, der uralte Kauri, Tane Mate. Er ist der größte der verbliebenen Kauris. Fast 20.000 qm
bedeckt seine riesige Baumkrone!
Etwas weiter in Richtung des Waipoua-Forest Parks sind noch einige schöne Exemplare dieser herrlichen
Bäume erhalten.
Nach einem kurzen Abstecher zum Infozentrum des Waipoua-Forest Parks geht's für mich weiter in
Richtung Süden, durch abwechslungsreiche Landschaft, hinunter bis Dargaville. Aber ganz so einfach
geht's nun leider auch nicht. An einer längeren Gefällestrecke verabschiedet sich mit großem
Getöse die linke hintere Gepäcktasche. Zum Glück kann das hinter mir fahrende Auto noch
rechtzeitig ausweichen. Größerer Schaden an Tasche und Inhalt wird vermieden. Nur ein
Befestigungsexpander scheint verloren gegangen zu sein. Also weiter. Nach längerer Fahrtstrecke
bergab kommt dann wieder die nächste Steigung. Hier geht es besonders mühsam voran. Von mir
nicht so recht einzuordnende metallische Geräusche und bisher noch nicht beobachtete Schwierigkeiten
mit der Gangschaltung machen mir zu schaffen. Sollte sich so hier mitten im Nichts auch noch das Schaltwerk
verabschieden? Muß ich die nächsten Steigungen Fahrrad mitsamt Gepäck schieben?
Die Schaltschwierigkeiten werden immer größer. Bis es nahezu unmöglich ist, eine
der Steigung angemessene Untersetzung zu wählen. Und die merkwürdigen Geräusche!
Ich sollte wohl doch besser mal nachsehen, wo denn die Ursachen liegen? Vielleicht kann ich ja den Mangel
beheben oder zumindest so eingrenzen, daß keine ernsthaften Beschädigungen des Schaltwerkes
oder anderer Hinterradkomponenten zu erwarten sind.
Zunächst kann ich die Ursache nicht lokalisieren. Ja, und dann entdecke ich die Reste des verloren
geglaubten Expanders der linken Gepäcktasche. Der Sicherungshaken dieses Expanders hatte sich
zwischen Schaltwerk und dem kleinsten Ritzel verfangen, hierdurch den Expander zerrissen und letztlich
zum Herunterfallen der Tasche geführt. Aber damit nicht genug. Der noch immer eingeklemmte
Sicherungshaken behinderte auch eine freie Bewegung des Ritzelpaketes, des Schaltwerkes und der Kette.
So kann man natürlich keinen steilen Anstieg bewältigen! Also geeignetes Werkzeug auspacken.
Den Haken aus dem Ritzelpaket entfernen. Schaltwerk neu justieren.
Ja, warum nicht gleich so! Nun geht es wieder zügig voran. Die Straße von Donellys Crossing
bis Dargaville ist gut ausgebaut und führt überwiegend durch moderat hügeliges
Gelände. Es ist noch nicht sonderlich spät. Also ausreichend Zeit für eine längere
Rast im nächsten schön gelegenen Landgasthof. Dann geht es weiter. Bei Kaihu steht mal
wieder eine Entscheidung an. Soll ich ins Kaihu-Motorcamp fahren und am nächsten Tag den
Trounson Kauri-Park besuchen oder nach Dargaville durchfahren? Ach, es läuft jetzt so schön.
Warum hier abbrechen!
Es geht also weiter in Richtung Dargaville. Eine angenehme, nahezu unbeschwerte Fahrt durch schöne
Hügellandschaft.
In der Jugendherberge Dargaville komme ich dann zufällig mit einem alten Forstmann ins Gespräch.
Der gute Mann will heute abend vom Kaihu-Motorcamp aus mit einer kleinen Gruppe zu einer Nachtwanderung
in den Trounson-Park fahren. Wenn ich mich etwas beeile, könne ich mitfahren. Er wolle mich dann in einer
knappen Stunde abholen. Warum eigentlich nicht? Mittags hatte ich ja schon die Idee, in Kaihu Station zu
machen um auch noch den Trounson-Park zu besuchen. Und jetzt bietet sich die bequeme Möglichkeit
zu einer Nachtwanderung unter sachkundiger Führung an!
Mein Rezept, ohne große Planung so einfach einer groben Reiseroute zu folgen, erweist sich wiederum
als absolut richtig!
Schon auf der Fahrt von Dargaville nach Kaihu bekomme ich eine Speziallektion über die
Forst- und Landwirtschaft in dieser Region. Der Forstmann weiß fesselnd über seine
Heimat, über den hohen Norden zu berichten. Und es setzt sich natürlich bei der
anschließenden Wanderung fort. Die einzelnen Pflanzen, Bäume, Sträucher, Kräuter
werden durch die punktuelle Ausleuchtung besonders plastisch hervorgehoben. Manche Details werden so
besonders deutlich. Und ein besonderes Thema gibt's natürlich auch. Die immensen Schäden
durch Possums. Schäden durch vor zig Jahren zur Pelztierzucht eingeführte Tiere. Heute haben
sich diese Pflanzenfresser zu einer wahren Plage der Forstwirtschaft entwickelt. Die Tiere haben keine
natürlichen Feinde in der neuseeländischen Fauna. Die Tiere konnten sich so ungehindert
ausdehnen. Der Bestand wird heute auf mehr als 20 Millionen Tiere geschätzt. Tendenz steigend!
Das muß unseren Forstmann außerordentlich schmerzen. An fast allen noch erhalten Kauris zeigt
er uns frische Kletterspuren der Possums. Und häufig kommt die eingängige Formel:
"Only a dead possum is a good possum!"
10.11. Bustransfer und 15 km Stadtfahrt
Erneute Änderung des Wetters! Grauer Himmel. Alsbald wird es wohl reichlich regnen. Gut daß
ich gestern abend einer Anregung für die Fahrt nach Auckland einen bequemen Kleinbusservice zu
benutzen gefolgt bin und eine entsprechende Reservierung veranlaßt habe. So kann ich der
Wetterentwicklung gelassen entgegen sehen. Mit dem Kleinbus geht es heute über Tokatoka,
Maungaturoto, Wellstorf, Warkworth nach Auckland.
Gegen mittag erreichen wir Auckland. Auch hier - wie sollte es anders sein - alles grau in grau. Es gibt
also keinen besonderen Grund für einen längeren Zwischenaufenthalt in Auckland.
Zum Glück bietet sich eine termingünstige Weiterreise mit dem Bus nach Taupo an.
Vielleicht haben wir dort unten angenehmeres Wetter. Aber zunächst will ich einen Teil meines
Gepäcks, insbesondere Zelt und Zubehör, in meiner Pension bis zur Rückreise nach
Deutschland zwischenlagern. Die Dinge habe ich bisher nicht benötigt. So kann ich mir für die
weitere Reise das unnötige Gewicht sparen. Bei den doch teilweise recht steilen Anstiegen, bei den
vielen Hügeln, muß ich mir die Sache mit unnötigem Gepäck nicht zusätzlich
erschweren
.
Dann kann's per Bus weiter in Richtung Taupo gehen. Noch ist es trocken. Aber schon wenige Kilometer
südlich von Auckland geht es los. Strömender Regen. Keine Aufhellung in Sicht. So geht es
bis kurz vor Taupo. Der Regen stoppt gerade zur rechten Zeit. Ich komme so zumindest trocken bis zur
Jugendherberge!
11.11. - 86 Tageskilometer
Heute sieht es mal wieder ganz ordentlich aus. Henry, der Eigentümer der Herberge, ist nicht ganz
zufrieden. Zu gerne möchte er mir die schöne Aussicht von den geräumigen Terassen
der Herberge über den Lake Taupo bis zu den schneebedeckten Bergen im Tongariro-Nationalpark
zeigen. Aber so gut ist es noch nicht. Die Sonne gibt sich zwar reichlich Mühe, einen schönen
Radlertag anzukündigen, aber Fernsichten, die sind heute wohl nicht zu erwarten! Na ja, das muß
ja auch nicht unbedingt sein. Ich kann mir schon vorstellen, wie schön ein Frühstück auf
der Terasse bei guter Sicht ist. Vielleicht wird es ja noch. Schließlich will ich 3 Tage in Taupo bleiben.
Heute will ich mir zunächst mal Taupo und die nähere Umgebung anschauen, mal sehen, ob der
örtliche Gliding Club aktiv ist.
Durch den Ort, am See entlang, ein kurzer Stop an der Bungee-Plattform und dann lande ich, wie konnte es
anders sein, am Gelände des Taupo-Gliding-Club. Schön liegt er da, der Segelflugplatz.
Aber keine Aktivitäten. Ein netter Aushang gibt weitere Auskunft. Gastflüge sonntags,
weitere Auskünfte bei Tom Orr. Ein Anruf von der nächsten Telefonzelle bringt Klarheit.
Heute und morgen keine Aktivitäten, bei geeignetem Wetter am Sonntag. Also für einige
Tage Segelflug für mich ungeeignet. Vielleicht schaue ich ja mal am Sonntag vorbei.
Heute mache ich eine Rundfahrt in Richtung Brodlands. Es geht über eine kaum befahrene Straße.
An den Straßenrändern blühender Ginster so weit das Auge reicht. Im Hintergrund dampft
die Erde. Hier muß irgendwo das geothermische Kraftwerk sein. Ja und dann sehe ich den Kühlturm,
das Kraftwerksgebäude, die Rohrleitungen. Großräumig ist hier ein Dampffeld (Steamfield)
mit einer Unzahl von Rohrleitungen erschlossen. Alles recht imposant. Dann geht es über die
Nationalstraße No. 5 zurück nach Taupo. Der jetzt zu befahrende Straßenabschnitt führt
durch einen großen "Man-made-forest", also einen angepflanzten Wirtschaftswald. Entsprechend
eintönig ist das Bild. Durch die vielen Reste der ursprünglichen Bewaldung, die ich in den
letzten Tagen durchfahren habe, fällt mir jetzt der Unterschied zu diesen Baumplantagen deutlich auf.
Obwohl diese Wälder doch nur so aussehen, wie wir es aus vielen Gebieten Deutschlands kennen sollten!
Dann folgen wieder schönere Stellen. Hier wurde offenkundig gestaltend eingegriffen. Die
neuseeländische Elektrizitätsgesellschaft ECNZ hat wohl zum teilweisen Ausgleich der erheblichen
Eingriffe in die Natur durch großflächige Anpflanzung von Ginster, Anlage von Wegen und
Picknickplätzen das Wairakei Thermal Valley zu einem schönen Ausflugsgebiet gemacht.
Natürlich sind die ehemals tosenden Wasserfälle unterhalb des Lake Taupo gebändigt,
auf das für das Wasserkraftwerk erforderliche Maß zurecht gestutzt. Aber insgesamt macht das
Tal noch einen recht ordentlichen Eindruck. Es scheint mir hier ein akzeptabler Kompromiss zwischen Natur
und wirtschaftlicher Nutzung gefunden zu sein!
12.11. - 43 Tageskilometer
Heute mal wieder eine recht undurchsichtige Wetterlage. Eine größere Tour erscheint nicht
angeraten. Also zunächst einmal einen angenehm ruhigen Vormittag im Ort verbringen. Dann mache
ich mich zu einem kleinen Abstecher in die Acacia Bay, nur gut zehn Kilometer außerhalb Taupo, auf.
Selbst auf dieser kurzen Distanz muß ich mehrfach vor einem starken Regenguß in eine Teestube
flüchten. Auch der anschließende Schlenker ins Wairakei Thermal Valley endet im strömenden
Regen. Regen allein wäre ja nicht besonders tragisch. Aber hier und heute ist es lausig kalt, einfach
ungemütlich. Da gibt es nur einen Ausweg. Auf in die besonders gemütliche Teestube im
Thermal Valley! Bei knisterndem Feuer am offenen Kamin läßt sich das Sauwetter gut ertragen.
Hier wird auch endlich mal ein echter Devonshire Tea mit frischen Scones serviert. In einer kurzen Regenpause
bietet sich dann noch ein Rundgang durch thermisch besonders aktive Stellen des Wakarei-Tales an.
13.11. - 36 Tageskilometer
Auch heute ist das Wetter keine besondere Einladung. Es bleibt bei einer kleinen Rundfahrt durch die
nähere Umgebung, Bungee-Plattform, Segelfluggelände.
14.11. - 80 Tageskilometer
Heute ist Henry recht zufrieden. Endlich kann er seinen Gästen neben der äußerst gepflegten
Atmosphäre seiner Herberge auch die so oft versprochene Fernsicht auf die schneebedeckten Vulkane
des Tongariro-Nationalparks bieten. Ja, er hat recht. Mit dieser Aussicht wird aus einem simplen
Frühstück ein grandioser Auftakt zu einem herrlichen Tag!
Was soll ich heute machen? Die Segelfieger besuchen, vielleicht einen etwas ausgedehnten Rundflug
über die Region Taupo machen oder das gute Wetter nutzen und mit dem Fahrrad in den Tongariro
fahren?
Ich entscheide mich für die sofortige Fortsetzung der Radtour. Es geht entlang des Lake Taupo bis
Turangi. Trotz der doch recht zahlreichen, teilweise erheblichen Steigungen, komme ich gut voran. So gegen
mittag bin ich in Turangi. Ich habe ausreichend Zeit zu einer ausgiebigen Rast, zu einem Besuch im lokalen
Informationszentrum. Bevor ich weiterfahre muß ich vorsorglich klären, wo an dieser nahezu
unbesiedelten Straße in Richtung Tongariro eine Raststätte, ein Campingplatz, ein Hotel oder
ähnliches zu finden sein wird. Mir wird im Infocenter die Eiving-Lodge, etwa 30 km vor Whakapapa
genannt. Na ja, bis dahin werde ich es wohl schaffen. Also los. Gleich hinter dem Ortsausgang zieht sich
eine lange Steigung hin. Erbarmungslos geht es aufwärts. Ein Ende ist nicht abzusehen. Immer nur
aufwärts. Aber an jeder Kurve eine herrliche Aussicht. So kann man sich leicht selbst betrügen.
Ich bin natürlich nicht erschöpft oder so. Nein, ich will nur mal kurz anhalten, nur mal einen Blick
auf die herrliche Landschaft werfen!
So geht es dann langsam weiter. Und plötzlich bin ich an der Kuppe. Vor mir der Mount Tongariro,
vor mir der Lake Rotoaira. Eine Bilderbuchlandschaft! Vulkankegel wie im Atelier geformt. Und dann, hinter
der nächsten Straßenbiegung, endlich der Blick auf Mount Ngauruhoe und Mount Ruapehu!
An der Eiving-Lodge, einem Motorcamp irgendwo im Nichts, mache ich am späten Nachmittag Quartier.
Heute geht hier die Wintersaison zu Ende. Heute ist der letzte Tag der diesjährigen Skisaion am Mount
Ruapehu. Entsprechend leer ist das Camp. Außer mir nur noch zwei Wohnmobile.
Unternehmen kann man hier zu dieser Zeit nichts besonderes. Auf Anraten des Tankstellenpächters
mache ich einen ausgiebigen Spaziergang über das Gelände einer alten Maori-Befestigung,
über den Schauplatz einer der großen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen
Europäern und einigen Maori-Stämmen. Später steige ich noch einen steilen Hang hinauf
auf das Plateau unterhalb der hier dominierenden Berge Ngauruhoe und Ruhapehu.
15.11. - 26 Tageskilometer
Wolkenloser Himmel. Die schneebedeckten Vulkane zum Greifen nahe. Ein herrlicher Tag. So habe ich mir
das vorgestellt. Die den Maoris heiligen Berge zur Linken nach Süden. Es läßt sich
auch recht gut an. Aber immerwieder zieht mich insbesondere der Ngauruhoe in seinen Bann. Nein, heute
kann ich nicht so einfach an diesen schönen Bergen vorbeifahren. Die Berge üben auf mich
eine nicht zu erklärende Anziehungskraft aus. So nach etwa 10 Kilometern biege ich auf eine Schotterpiste
ab. So komme ich direkt auf das Plateau unterhalb des Ngauruhoe, kann den Berg in seiner ganzen
Schönheit sehen. Dann steht mein Entschluß fest. Heute fahre ich nur bis Whakapapa, nur bis
zu der kleinen Ansiedlung unterhalb des Skigebietes am Ruhapehu. Also zurück auf die
Nationalstraße und weiter bis zur Abzweigung nach Whakapapa. Nach nur 26 Kilometer mache ich im
Motorcamp Whakapapa Quartier.
Es ist noch recht früh, die richtige Zeit um zu einer ausgedehnten Wanderung durch die Berge zu starten.
Mein Ziel sind die Tama Lakes auf dem Sattel zwischen dem Ruhapehu und dem Ngauruhoe.
16.11. - 94 Tageskilometer
Für heute wird wieder eine Wetterverschlechterung angekündigt. Es ist recht bewölkt
aber für eine weitere Radetappe recht ordentlich. Wahrscheinlich wird das von Westen heranziehende
Regengebiet nur bis zu den Vulkanen ziehen und sich dort ausregnen. Ich sollte mich also beeilen. Die Berge
verlassen, so lange es noch trocken ist.
Meine Entscheidung ist richtig. Es bleibt zunächst trocken. Nach Westen noch überraschend
gute Fernsicht. Fernsicht bis zum Mount Taranaki, ein typisch geformter Vulkan an der Westküste.
Nach einer guten Stunde zieht die angekündigte Regenfront von Westen auf das Gebiet um den Mount
Ruhapehu zu. In Richtung Süden wird es jedoch zunehmend freundlicher.
Nach einer langen Steigung zwischen den Ortschaften Nationalpark und Raetihi verabschiedet sich die Luft
aus dem Hinterrad. Also erst einmal eine kleine Zwangspause. Schlauchwechsel. Aber irgendwie habe ich
erhebliche Schwierigkeiten mit meiner Luftpumpe. Es gelingt mir nur mit größter Mühe einen
halbwegs vertretbaren Luftdruck aufzubauen. Alle noch so intensiven Bemühungen führen zu
keinem besseren Ergebnis. Na ja, bis Raetihi wird es wohl klappen. Der Luftdruck läßt bedenklich
nach. Aber irgendwie komme ich ohne weitere Panne bis nach Raetihi. Aber nirgendwo finde ich einen
Fahrradladen um eine neue Pumpe zu kaufen. Es scheint ja auch nicht besonders nötig zu sein,
schließlich kann ich ja an einer Tankstelle mein Hinterrad ordentlich aufpumpen. Und wie man mir im
lokalen Infocneter sagte, ist irgendwo kurz hinter Kakatahi ein kleines Hostel. Ich kann also unbesorgt in das
dünn besiedelte "Hill Country" fahren!
Mit an der Tankstelle wieder auf ordentlichen Luftdruck gebrachtem Hinterrad kann ich ja nun wieder mit
gutem Tempo fahren. Also los. Und es läßt sich wirklich gut an. Es folgt mal wieder eine lange
Steigung. Ich freue mich schon auf die folgende schnelle Abfahrt. Zu früh gefreut! Nach wenigen
hundert Metern Abfahrt zerplatzt mit einem lauten Knall der hintere Schlauch. Ersatzschläuche habe
ich, aber werde ich mit der defekten Luftpumpe einen ausreichenden Luftdruck aufbauen können?
Natürlich nicht. Es geht nur so halbwegs. Zügiges Fahren ist nahezu unmöglich.
Und es ist noch eine recht beachtliche Strecke bis zu dem kleinen Hostel. Ich muß mich irgendwie
durchmogeln. Dann fliegt mir der zweite Schlauch um die Ohren. Aber ich habe ja noch Vorrat. Und jetzt
gelingt es mir auch, mit der lädierten Pumpe einen ordentlichen Luftdruck aufzubauen. So kann ich die
restliche Strecke wieder mit vernünftigem Tempo fahren. Gut 10 Kilometer hinter Kakatahi finde ich endlich
das Hinweisschild "Backpacker- and Biker-Hostel". Na, ja. Eine Herberge zweifelhafter Qualität. Kein Gast.
Nur der offenkundig arbeitslose Besitzer des Hauses. Er versucht, mit der Vermietung der nach Auszug
seiner Ehefrau nicht mehr benötigten Räume etwas Geld zu verdienen. Viel verlangt er ja nicht
für die Übernachtung und recht freundlich ist er auch. Meine 10 Dollar scheinen seit Wochen die
einzige Einnahme neben der Arbeitslosenunterstützung zu sein!
17.11. - 49 Tageskilometer
Heute will ich sehr früh aufbrechen. Es ist nicht mehr sehr weit bis Wanganui. Noch einige
größere Hügel und dann gut 30 Kilometer nur bergab. Wenn alles gut läuft kann
ich früh in Wanganui sein. Also los.
Aber es kommt mal wieder anders. Über nacht hat sich die Luft aus dem hinteren Schlauch verabschiedet.
Es kostet mich fast eine halbe Stunde, auch nur einen halbwegs brauchbaren Luftdruck aufzubauen. Na, das
kann ja lustig werden. Aber ich habe keine Wahl. Hier in der Einsamkeit kann und will ich natürlich nicht
bleiben. Es geht ja auch irgendwie. Nicht komfortabel, nicht besonders schnell. Mehrfach versuche ich, mit
der lädierten Luftpumpe doch noch einen höheren Luftdruck aufzubauen um endlich mit einer
ordentlichen Geschwindigkeit fahren zu können. Aber alle Versuche sind mehr oder weniger erfolglos.
In der nächsten kleinen Ansiedlung hole ich mir bei einem Farmer Hilfe. Jetzt kann es so richtig
zügig voran gehen. Ordentlicher Luftdruck, ordentliche Reisegeschwindigkeit. Schön wär's.
Nach wenigen Kilometern, in einer schönen Gefällestrecke, zerplatzt der nächste Schlauch
mit lautem Knall. Noch habe ich einen Reserveschlauch. Aber werde ich hier ohne jede Hilfe einen ordentlichen
Luftdruck aufbauen können? Na, ja. So halbwegs geht es. Jetzt will ich nur noch mit größter
Vorsicht und geringer Geschwindigkeit fahren. Zumindest bis Upokongaro will ich kommen. Vielleicht finde ich
ja dort einen Fahrradladen. In den Ort komme ich, aber einen Fahrradladen gibt es dort nicht. Bei aller
Hilfsbereitschaft der Leute, aber für solche Dinge wie Luftpumpen und Fahrradschläuche muß
man schon nach Wanganui fahren. Ich begnüge mich daher nochmals mit einer Handvoll Luft an der
Tankstelle. Bis nach Wanganui werde ich schon kommen!
Trotz der Pannen komme ich noch recht früh in Wanganui an. Es reicht zu einem ausgiebigen
Spaziergang durch Wanganui. Es reicht zur Beschaffung einer neuen Luftpumpe und einiger neuer
Schläuche.
In der Jugendherberge sind heute gleich vier weitere Radler. Die jungen Leute wollen auf jeden Fall zur
Südinsel. Sie wollen am nächsten Tag mit dem Bus bis Wellington und dann weiter mit der
Fähre zur Südinsel. Ich habe mich zwischenzeitlich endgültig entschieden,
schnellstmöglich an die Ostküste, an die Bay of Plenty zu fahren. Dort soll es den Wetterberichten
zufolge trockener und wärmer als weiter südlich sein.
18.11. - 80 Tageskilometer
Gleich nach dem Frühstück breche ich auf in Richtung Palmerston North. Wenn's Wetter
ordentlich bleibt, kann ich unterwegs einige größere Pausen einlegen, vielleicht auch das Museum
der Airforce in Bull besuchen.
Mit solchen Gedanken radle ich aus Wanganui in Richtung Süd-Osten. Aber dann gibt's mal wieder
eine kleine Störung. An einer schönen langen Gefällestrecke, ich fahre gerade mit
erhöhter Geschwindigkeit, entweicht mal wieder die Luft aus der Hinterradbereifung. Nicht ganz so
lautstark wie gestern auf dem Wege nach Wanganui, aber doch deutlich wahrnehmbar.
Na ja, geht es also in bekannter Weise weiter! Ja und jetzt fällt mir erst die wirkliche Ursache auf.
Durch die Fahrt mit geringem Luftdruck ist der Reifen defekt. Durch ein Loch am Felgenrand kann sich
der Schlauch bei höherem Druck hinauspressen und kommt dann ungeschützt mit dem teilweise
recht rauhen Straßenbelag in Kontakt. Unter solchen Bedingungen muß mir ja der Schlauch
regelmäßig um die Ohren fliegen! Mit etwas mehr Sorgfalt hätte ich den Mangel schon
gestern in Wanganui feststellen können. Nun muß ich sehen, wie ich den Weg nach Palmerston
schaffe. Ob ich in den kleinen Ortschaften an der Strecke oder spätestens in Bull einen Fahrradladen
finde, ist mehr als zweifelhaft. Also zunächst den Reifen mit Isolierband notdürftig flicken und
dann vorsichtig weiter. Keine hohen Geschwindigkeiten, keine allzu rauhen Wege. Damit hat sich die Frage
nach einigen kleinen Abstechern abseits der Hauptstraße von selbst erledigt.
Und wie es zu erwarten war, in den Orten auf dem Weg nach Palmerston ist keine Ersatzbereifung aufzutreiben.
Aber ich habe Glück. Das Wetter entwickelt sich sehr gut, der Wind schläft nahezu ein. So komme
ich trotz verminderter Geschwindigkeit noch zu einer vernünftigen Zeit nach Palmerston. Ganz in der
Nähe meiner Unterkunft ist auch ein ordentlicher Fahrradladen.
Hier lasse ich dann nicht nur den defekten Reifen wechseln, sondern tausche gleich die komplette recht
grobstollige Bereifung aus.
19.11. - 58 Tageskilometer
Zunächst lasse ich im Fahrradladen die Bereifung austauschen und noch so einige andere kleinere
Mängel beheben. Gegen mittag kann es dann wieder auf Strecke gehen.
Auch heute ist mir der Wettergott recht wohlgesonnen. Bei strahlendem Sonnenschein geht es zunächst
mit Seitenwind und später ordentlichem Rückenwind in Richtung Manawatu Gorge. Die Schlucht
wird stellenweise recht eng. Neben dem eng eingeschnittenen Fluß zwängen sich an der engsten
Stelle gerade mal eine eingleisige Eisenbahnstrecke und eine zweispurige Straße durch die Schlucht. Zu
beiden Seiten hohe Bergwände, der Fluß gut 50 Meter tiefer.
Hinter der Schlucht tut sich eine große nahezu ebene Fläche auf. Über viele Kilometer nur
ganz geringe Geländewellen. Alles dünn besiedeltes, aber intensiv genutztes Farmland. Die in
der Karte ausgewiesenen Ortsbezeichnungen entpuppen sich als einzelne Gebäude. Mal ein
Geschäft, mal ein ehemaliger Gasthof, mal eine Schule. Oder auch nur die Zufahrt zu einer
größeren Farm.
Dannevirke hat sich aus einem langezogenen Straßendorf entwickelt. Hier haben sich, wie der Name ja
schon vermuten läßt, zunächst dänische Siedler niedergelassen. Noch heute kann
man es an den Namen vieler Einwohner erkennen. Und natürlich weht vor so manchem Geschäft
die dänische Nationalfahne. Am Ortsrand liegt in einer schönen, sehr gepflegten Parkanlage das
Motorcamp. Auch ohne Voranmeldung steht mal wieder eine nette Campingcabine zur Verfügung.
Außer mir sind nur 3 weitere Gäste in der Anlage. Es deutet alles auf große Ruhe hin.
20.11. - 131 Tageskilometer
Lautes Pfauengeschrei macht im Morgengrauen der erwarteten besonderen Ruhe ein jähes Ende.
Das wäre ja noch nicht besonders ärgerlich. Aber es regnet in Strömen! Also keine
Einladung zum sofortigen Aufbruch. Zunächst mal abwarten, wie sich das Wetter entwickelt!
Nach zwei Stunden nur eine leichte Besserung. Aus dem starken Regen wurde ein beständiger
Nieselregen. Und der Wetterbericht verheißt auch nichts gutes.
Dann also mit den Plastikfolien die Gepäcktaschen wetterfest machen und hinein in den Regen.
Zum Glück haben wir recht angenehme Temperaturen. Zunächst wollte ich nur bis Waipukurau
fahren. Aber der Regen hält immer noch an. Einmal richtig durchnäßt kann ich auch noch
ein Stück weiter in Richtung Napier fahren. Vielleicht sieht's ja am nächsten Motorcamp in
Waipawa besser aus. Keine Spur von Besserung. Also weiter.
Am Nachmittag reißt die Wolkendecke plötzlich auf. Die Sonne kommt hervor. Jetzt kann ich
doch gleich bis Napier durchfahren.
Napier ist eine elegante Stadt. Über eine breite, vierspurige, von Palmen gesäumte Straße
fahre ich ins Zentrum, an die Marine Parade. Die örtliche Jugendherberge liegt gleich an der
Strandpromenade, dicht zum eleganten Stadtkern. Der richtige Ausgangspunkt für einen netten
Stadtbummel, für ein kurzes Eintauchen in die netten Kneipen.
21.11. - In Napier
Es regnet mal wieder. Also stehen heute Museen, Galerien und ein kurzer Rundgang durch die Innenstadt
auf dem Programm.
Napier wurde 1931 durch ein starkes Erdbeben zerstört. Der einstige Hafen liegt heute als kleiner
Hügel irgendwo in der Stadt. Vieles hat sich in der Topografie mit diesem Beben verändert.
Nur die Bürger Napiers haben sich nicht sonderlich beeindrucken lassen. Napier wurde wieder aufgebaut.
Nein, Napier wurde vollkommen neu gebaut. Neu, im Stil der Zeit. Neu, Art Deco in Reinkultur.
22.11. - 89 Tageskilometer
Bei nächster Gelegenheit möchte ich die große Festlandbrutkolonie der Australtölpel
am Cape Kidnappers besuchen. Ein guter Ausgangspunkt hierzu ist die kleine Ortschaft Te Awanga mit einem
sehr gepflegten Motorcamp. Bei äußerst heftigem Gegenwind fahre ich die relativ kurze Distanz
von Napier nach Te Awanga. Nur 28 Kilometer. Aber bei dem heute herrschenden Wind eine anstrengende,
eine zeitraubende Angelegenheit.
In Te Awange miete ich mich mal wieder in einer Campingcabine ein. Nach einer kleinen Teepause mache ich
dann noch eine größere Rundfahrt bis nach Havelock.
23.11. - 62 Tageskilometer
Heute kann die Tölpelkolonie noch nicht besucht werden. Die Kolonie ist nur bei Niedrigwasser
zugänglich. Und dazu müßte man heute eine Nachtwanderung machen. Aber morgen
soll es wohl möglich sein. Also steht für heute nochmals eine Radtour zum Te Mata bei Havelock an.
Der Te Mata ist ein schöner Ausflugsberg am Rande von Havelock. Bei geeigneter Wetterlage sind hier
Drachen- und Gleitschirmpiloten aktiv. Meine Rundfahrt führt ausschließlich über kaum
befahrene Nebenstraßen. Nur wenige Autofahrer und einige Radler sind unterwegs. Mit einem, mit
Jim Craig, komme ich ins Gespräch. Und Jim beharrt darauf, daß ich ihn vor meiner Weiterreise
unbedingt in seiner Wohnung in Tardale besuchen muß.
24.11. - Ausflug zum Cape Kidnappers
- Weiterfahrt 38 Tageskilometer
Heute ist es möglich. Niedrigwasser ist zur rechten Zeit und auch ansonsten sind die
Wetterbedingungen günstig. In der Nähe des Motorcamps starten geführte Touren zu dem
Brutgebiet der Australtölpel. Mit von robusten Traktoren gezogenen Bollerwagen geht es unterhalb der
Klippen über den Strand, über Geröllfelder, durchs Wasser zum Cape Kidnappers.
An der Steilküste kann man deutlich eine Verwerfungslinie vom großen Erdbeben erkennen.
Die Felsmassen haben sich hier teilweise um mehr als 10 Meter gegeneinander verschoben!
Mit einem etwa halbstündigen Spaziergang gelangt man vom Strand unterhalb der Klippen bis ans
Cape Kidnappers. An den Brutstellen sitzen die Australtölpel zu Hunderten. Offenkundig unbeeindruckt
von den teilweise doch recht großen Besuchermassen. Die größten Kolonien sind unmitelbar
am Cape Kidnappers. Andere, kleine Kolonien sind auf vielen der vorgelagerten Klippen zu finden. Insgesamt
eine recht beeindruckende Sache!
Am frühen Mittag bin ich zurück im Camp. Nach einer ausgiebigen Teepause entscheide ich mich
zum Aufbruch. Ich will schon heute einen Teil der Gesamtstrecke nach Wairoa schaffen. Zunächst geht's
zurück nach Napier. Es trübt langsam ein. Bis zum Verkehrsbüro komme ich noch. Dann geht's
mal wieder los. Kräftiger Regen. Nur geringe Aussicht auf Besserung. Den vorgesehenen Besuch bei
Jim Craig in Tardale schenke ich mir. Ich beschränke mich auf einen kurzes Telefonat mit Jim und fahre
dann weiter in Richtung Wairoa. In Bay View mache ich dann für heute Schluß.
Auf den nächsten 100 km wird sich wohl kein Motorcamp oder Hotel finden lassen, meinte man im
Verkehrsbüro in Napier. Die Leute sollten's wissen. Ich verzichte bei diesem schlechten Wetter darauf,
die vielleicht vergessene Unterkunftsmöglichkeit irgendwo im nichts ausfindig zu machen.
25.11. - 113 Tageskilometer
Und wieder einmal zeigt sich Neuseeland von seiner besten Seite. Strahlend blauer Himmel und angenehme
Temperaturen laden zu einem baldigen Start in Richtung Wairoa ein. Das Gelände ist durch
äußerst anstrengende, lang gezogene Aufstiege durch herrliche Wälder gekennzeichnet.
Und tatsächlich ist das Gebiet äußerst schwach besiedelt. Erst so nach annähernd
60 km sehe ich den ersten Hinweis auf ein irgenwo am Rande gegelenes Hotel. Es war also richtig, gestern in
Bay View Schluß zu machen. Heute kann ich die gesamte Strecke bis Wairoa durchfahren. Trotz der
teilweise steilen Anstiege habe ich ausreichend Zeit, an besonders schönen Stellen längere
Pausen einzulegen. Am späten Nachmittag erreiche ich Wairoa, eine für neuseeländische
Maßstäbe größere Stadt.
26.11. - 68 Tageskilometer
Heute bin ich mal wieder reichlich unentschlossen. Soll ich nach Gisborne fahren oder in den nahe gegelegen
Urewa-Nationalpark? Erst an der Straßenkreuzung entscheide ich mich, ich fahre in den Urewa-Nationalpark.
Das Motorcamp am Waikaremoana-See soll das Tagesziel sein.
Gut 40 Kilometer geht es über gute Teerstraße in steter Steigung aufwärts. Dann geht es
weiter über eine rauhe Schotterpiste. Das Gelände steigt steil an. Die Fahrt wird teilweise recht
beschwerlich. Aber die Landschaft wird immer schöner. Der Urewa-Nationalpark ist das größte
zusammenhängende unberührte Waldgebiet auf der Nordinsel.
Am späten Nachmittag erreiche ich das Motorcamp am Waikaremoana-See. Die kleinen
Fischerhütten sind alle ausgebucht. Ich habe nur noch die Möglichkeit, Unterkunft im
Backpackerhaus zu finden. Billig ist es und heute kann ich das ganze Haus alleine bewohnen. Leider
werden in diesem Camp keine Küchenausrüstungen bereitgestellt. So muß ich halt bei der
Verpflegung einige Zugeständnisse machen. Muß mich mit dem zufrieden geben, was im kleinen
Camp-Shop zu finden ist und ohne besondere Zubereitung verzehrt werden kann.
27.11. - Im Urewa Nationalpark
Es regnet mal wieder. Alles grau in grau. Nur die Angler scheinen mit diesem Wetter recht zufrieden zu sein.
Na gut, dann lege ich mal wieder eine längere Ruhezeit ein. Aber ab spätem Vormittag bessert
sich das Wetter etwas. Mit geeigneter Kleidung kann man sich ins Gelände wagen. Ich entscheide
mich zu einem ausgedehnten, zu einem 5-stündigen Spaziergang zum Lake Waikareiti und zurück
durch die Hochmoorlandschaft um Lake Ruapani.
Am späten Abend begehe ich dann noch ein Teilstück des Ngamoko-Track mit seinem
äußerst vielseitigen Bewuchs..
28.11. - 101 Tageskilometer
Über Nacht war es trocken und auch für heute ist wieder Sonnenschein angesagt. Ich sollte
die Gelegenheit nutzen und die vor mir liegenden knapp 100 km Schotterpiste heute in Angriff nehmen.
Wer weiß, wie es in den nächsten Tagen aussieht. Wenn irgend möglich möchte ich
es vermeiden, die Schotterpiste bei Regen zu befahren. Also los!
Zunächst folgt die Straße dem See, mal direkt am Ufer, mal etwas abseits. Hinter jeder Kurve neue
Ausblicke. Überall der ursprüngliche Wald. Kleine Bäche, gelegentlich Wasserfälle.
Alles Wasser scheint sich hier irgendwie in den See zu ergießen.
An der nord-östlichen Ecke des Sees führt die Straße dann direkt in den Wald, direkt in
das teilweise doch recht hügelige Gelände. Zwei Pässe sind zu überwinden. Nicht
besonders hoch dafür aber mit erheblichen Steigungen. Und alles auf Schotterpiste mit oft bedenklich
überhöhten Kurven. Das Wetter hält sich und ich komme ohne besondere Schwierigkeiten
bis zur Ortschaft Te Whaiti. Soll ich nun hier am Nord-West-Rand des Urewa-Parks, im Whirinaki Forest Park
nochmals eine Pause einlegen? Wenn ich dem Verkehrsbüro in Wairoa traue, kann ich nicht damit rechnen,
hier in dieser Gegend eine brauchbare Unterkunft zu finden. Aber da ist doch ein eindeutigder Wegweiser zur
Whirinaki-Lodge. Gut, es sind noch 20 km - aber es ist ja auch noch nicht zu spät. Ja und wenn's dann
morgen wieder regnet? Soll ich dann einige Tage pausieren? Soll ich dann gut 50 Kilometer Schotterpiste
befahren, um zumindest nach Murupara zu kommen? Mir ist das alles reichlich unsicher. Warum nicht gleich
bis Murupara durchfahren? Ich will ja noch einige Tage in Rotorua bleiben und die Weiterfahrt an die Bay
of Plenty mit dem Umweg über Whakatane machen. Da können einige Tage Zeitreserve nicht
schaden. Also laß ich's mal mit dem Whirinaki Forest auf sich bewenden und fahre weiter in Richtung
Murupara.
Noch ein gehöriges Stück geht es auf Schotter weiter. Kurz vor der letzten Kuppe beginnt
dann wieder die Teerstraße. Und vor mir liegt die große Ebene. Herrliche Sichten. So in cirka 80
Kilometer Entfernung das Vulkangebiet von Rotorua. Selbst der Mount Maunganui in gut 150 Kilometer
Entfernung ist zu sehen. Bis Murupara führt eine schnurgerade Straße mit stetigem, leichten
Gefälle. Bis zum Motorcamp, meiner heutigen Station, habe ich nur noch eine herrliche Abfahrt über
twa 20 Kilometer vor mir.
29.11. - 66 Tageskilometer
Vor mir liegt die relativ kurze Strecke nach Rotorua. Nur gut 60 Kilometer. Das müßte doch auf dieser
guten Straße ohne Mühe so ganz nebenbei zu erledigen sein!
Von wegen so ganz nebenbei! Es fängt zwar alles recht gut an. Aber schon nach wenigen Kilometern,
mitten durch den größten Wirtschaftswald Neuseelands zieht sich die erste ewig lange Steigung
dahin. Und der Wind! Der Wind wird ständig stärker, steigert sich schließlich zu traumhaften
Mistral-Geschwindigkeiten von mehr als 70 Stundenkilometern. Und natürlich bläst der Wind aus
Richtung Rotorua. Die ganze Strecke muß ich dagegen ankämpfen. Und immer wieder diese
zunächst kaum wahrnehmbaren, dann aber nicht endenden Steigungen. Mehrfach bieten mir verschiedene
Farmer, Forstleute und andere Kraftfahrer an, mich zumindest bis zur nächsten Kuppe mitzunehmen. Aber
ich bleibe standhaft. Die einzige wirkliche Schwierigkeit ist heute der Wind. Sonst sind die Bedingungen optimal.
Also verlasse ich mich auf meine eigenen Kräfte. Zeit habe ich auch ausreichend. Nur so manches Mal,
mitten in der Steigung, wenn ich gerade wieder mal heroisch dankend auf ein Hilfeangebot verzichtet habe,
beschleicht mich so etwas wie Reue. Eigentlich könnte ja so eine kleine Teilstrecke im Auto nicht schaden.
Oder?
Letzlich bleibe ich standhaft, widerstehe allen Versuchungen. Erreiche Rotorua am frühen Mittag,
erreiche Rotorua mit eigener Kraft. Nur reichlich müde bin ich schon. So ganz ohne war der Ritt gegen
den Wind, der Ritt über die vielen Steigungen nun auch wieder nicht!
Ich quartiere mich in der Jugendherberge ein. Nach einer kurzen Pause verbleibt ausreichend Zeit zu einem
Bummel durch Rotorua. Eine Teestube am See, eine Kneipe in der Stadt und abends mal wieder in einem guten
Restaurant zum Essen!
30.11. - in der Region Rotorua
Heute beteilige ich mich an einer geführten Tour in die nahegelegenen thermisch aktiven Zonen
Waiotapu und Waimangu mit einem anschließenden Trip auf den Mount Tarawera.
Diese Gebiete sind das Kerngebiet der vulkanischen Zone. In Waiotapu und Waimangu dampft und brodelt
die Erde an allen Ecken und Kanten.
In besonderem Maße ist diese Region geprägt vom Mount Tarawera. 1886 ist dieser Berg mit
Gewalt ausgebrochen, oder besser gesagt, dieser Berg ist explodiert. Zwei Maori-Dörfer wurden
völlig zerstört. 157 Tote waren zu beklagen. Die ehemals weltberühmten rosa and
weißen Sinterterassen wurden völlig zerstört. Mehr als 20 Krater sind entstanden.
Heute alles schön aussehende kleine Seen. Manche sind immer noch sehr gefährlich, bedürfen
einer ständigen Kontrolle. Noch vor gut 50 Jahren ist im Waimangu Thermal Park ein Geysir explodiert.
Vier Tote waren zu beklagen. Heute ruht dieser ehemals riesige Geysr nur. Ob er mal wieder aktiv wird oder sich
gar mit einer erneuten Explosion in Erinnerung bringt, wer will das schon voraussagen.
Überall in dieser unruhigen Zone werden die thermischen Aktivitäten beobachtet. Sensoren
messen ständig die Temperaturänderungen, die Wasserstände einzelner Kraterseen,
die Farbe der Kraterseen, alles wird überwacht, analysiert und bewertet. Die Fachleute glauben, mit den
heute verfügbaren Methoden mögliche kritische Entwicklungen im Bedarfsfalle rechtzeitig
erkennen zu können um Schaden von den Besuchern, um Schaden von den Bewohnern abzuwenden.
Ich hab' mal darauf vertraut!
1.12. - in Rotorua
Wenn sich noch so ein oder zwei Interessenten finden, könnte ich heute einen Helikopterflug nach
White Island machen. Nach White Island, dem aktiven Vulkan im Pacific, so etwa 80 km nördlich von
Whakatane. Leider findet sich jetzt in der Vorsaion doch kein weiterer Interessent. Und für mich allein
wäre es doch reichlich kostenträchtig. Na, ja, es soll ja auch noch die Möglichkeit bestehen,
mit einem Boot von Whakatane aus zu dieser Vulkaninsel zu kommen.
Also erst einmal aufschieben. Das Wetter ist übrigens auch mal wieder recht unbeständig
geworden. Für heute bietet sich daher in erster Linie ein Bummel durch's Museum an. Etwas
Krimskrams aus der Pionierzeit der europäischen Siedler, etwas Historie zum Maori-Stamm der Arewas.
Der Tag schleppt sich so dahin. Für Außenaktivitäten ist es reichlich regnerisch geworden.
Es bietet sich daher direkt an, den Tag mit dem Besuch eines traditionellen Maori-Essen, mit einem Hangi,
ausklingen zu lassen. Ein Hangi ist das traditionell mit erhitzten Steinen in einem Erdloch zubereitete Essen.
Mit dieser Methode waren die Maoris immer in der Lage für ohne Voranmeldung auftachende Besuche
anderer Stämme oder ähnliche Ereignisse ausreichende Mengen Essen zuzubereiten und zu einem
Zeitpunkt zum Verzehr bereitzustellen.
Ich entscheide mich nicht für eine der in den Hotel angebotetene Veranstaltung sondern ziehe es vor,
auf eine kleine Maorifarm in der Nähe von Waiotapu zu fahren. Auch hier macht man das alles für
Touristen, aber es hat doch noch etwas mehr Beziehung zu den Ursprüngen.
2.12. - 90 Tageskilometer
Es hat sich gründlich eingeregnet. Der Wetterbericht macht keine Hoffnung auf eine alsbaldige
Besserung. Es bleibt mir keine besondere Auswahl. Die beste Wahl ist wohl, die Gepäcktaschen mit den
schönen Plastikfolien ordentlich gegen Regen zu sichern und sich auf den Weg zu machen.
Für heute habe ich noch keine endgültige Zielplanung. Wenn's Wetter besser wird kann ich ja
irgendwo an einem der Kraterseen Station machen, wenn nicht, wird bis Whakatane durchgeradelt.
Zunächst geht's am Flughafen vorbei. Alles grau in grau, keine Aktivitäten, nur Regen! Weiter
bis Hell's Gate. Bei diesem Wetter sieht's auch außerhalb schaurig-schön aus. Ein Besuch dieses
thermisch aktiven Gebietes erübrigt sich daher für heute.
Der Weg führt mich weiter vorbei am Lake Rotoiti, vorbei an Lake Rotoehu zu einem netten Gasthaus
am Lake Rotoma. Eigentlich wollte ich ja nur mal eben etwas trinken. Aber das Gasthaus war so angenehm
gemütlich und einladend. So habe ich denn eine längere Pause am Kaminfeuer gemacht. Eine
ordentliche Alternative zur weiteren Fahrt durch beständigen Nieselregen!
Aber jede Pause geht mal zu Ende! So ging es denn weiter. Bei Kawerau war's dann vorbei mit dem lästigen
Regen. Es klarte auf und wurde schnell ein schöner, sonniger Tag. Weiter über Te Teko erreiche ich
am frühen Nachmittag Whakatane. Einquartierung im Motorcamp und dann geht's auf einen Kaffee in die
Innenstadt. Aber zunächst zum Verkehrsverein. Wenn möglich, will ich doch noch einen Trip nach
White Island machen. Die Leute im Verkehrsbüro machen mir keine besondere Hoffnung.
Die Großwetterlage ist recht ungünstig. Ob die Boote morgen fahren ist nicht sicher. Aber man
kann ja mal vorsorglich buchen. Absagen kann man auch noch morgen!
3.12. - Whakatane
Irgendwie habe ich es ja geahnt. Kurz nach 7 kommt John, der Camp-Verwalter mit der Nachricht. Die
Wetterbedingungen haben sich weiter verschlechtert, sehr rauhe See, die Hafenausfahrt gesperrt!
Na gut, dann wird's wohl nichts mit White Island. Von Roturora kein Hubschrauberanflug, von Whakatane
keine Bootsanreise. Soll der aktive Vulkan doch im Meer liegen bleiben, soll vor sich hin räuchern! Ich
werde doch noch andere Möglichkeiten für einen netten Tag in dieser Region finden!
Zunächst mal ausgiebig frühstücken und die tatsächliche Wetterentwicklung
beobachten! Für einen ausgedehnten Spaziergang kündigen sich beste Wetterbedingungen an.
Nicht zu warm. Nur etwas windig. Aber das sollte wohl nicht weiter stören. Ich entscheide ich für
einen ausgiebigen Fußmarsch nach Ohope. Den Hinweg mache ich über die gut ausgebaute
Straße. Zurück gehts dann über den Wanderweg entlag der Klippen. Eine herrliche Wanderung.
So etwa 5 Stunden mit ständig wechselnden Ausblicken auf die Landschaft.
4.12. - 100 Tageskilometer
Der Hafenmeister hat auch für heute die Ausfahrt aus Sicherheitsgründen gesperrt. Es soll denn
wohl dabei bleiben, White Island werde ich nicht besuchen. Also auf. Also los in Richtung Tauranga.
Tauranga ist ein Begriff aus der Maori-Sprache und bedeutet: Großer Ankerplatz für Kanus. Und
das war diese Stelle zu Zeiten der Maori-Zuwanderung mit Sicherheit. Der riesige Naturhafen zu Füßen
des Mount Maunganui, der Hafen hinter der lang gestreckten Landzunge mit dem relativ schmalen Zugang zum
Pacific muß ein sicherer Zufluchtsort für die Maori-Kanus gewesen sein. Heute sind die beiden Orte
Tauranga und Mount Manganui ein bevorzugter Touristenort am nördlichen Rand der Bay of Plenty.
Für neuseeländische Maßstäbe völlig erschlossen, aber doch noch recht weit
entfernt von der Übererschließung in vielen mitteleuropäischen Urlaubsregionen.
Mein Weg führt mich bei besten Wetterbedingungen über Matata, Pukehina und Te Puke direkt
nach Mount Maunganui.
Zu Füßen des Mount Maunganui ist an diesem Wochenende überall Gedränge.
Die Surf Guards - unserem DLRG vergleichbar - führen hier ihre Weltmeisterschaften aus.
Ein großes Familienfest mit sportlichem Anstrich. Überall Leben, Trubel, Hektik.
Und natürlich reichlich ausgebuchte Hotels und Campingplätze. Ob ich denn noch etwas weiter
fahren muß, vielleicht doch noch nach Tauranga auf der anderen Seite der Bucht?
Zunächst kann ich ja mal in Richtung Flugplatz fahren. So auf halben Weg, direkt in der Einflugschneise
liegt da ein schöner Campingplatz. Und reichlich freie Plätze, freie Caravans. Der richtige Ort
für ein paar Tage Aufenthalt.
Die freundlichen Segelflieger vom Tauranga Gliding Club sind zwar zunächst etwas überrascht
von meinem Wunsch, für einige Tage als Gast und verantwortlicher Pilot an ihrem Flugbetrieb teilzunehmen,
aber nach wenigen Minuten sichert man mir zu, die notwendigen clubinternen formalen Hindernisse zu beseitigen.
Wenn's Wetter ordentlich bleibt könne ich gerne an den nächsten 3 oder 4 Tagen das
Vereinsgerät nutzen!
5.12. - in Mount Mauganui
Es konnte ja nicht anders werden. Das Wetter hat sich wieder mal gründlich geändert.
Tief hängende Wolken. An Segelflug ist heute nicht zu denken!
Zum Glück bleibt es jedoch trocken. Es bleibt Raum für eine ausgiebige Wanderung auf den
Mount Maunganui.
6.12. - in Tauranga 66 Tageskilometer
Auch heute ist die Witterung nicht einladend für genussvollen Segelflug. Vielleicht wird es ja noch
etwas besser. Aber schon auf dem kurzen Weg vom Campingplatz zum Fluggelände beginnt der Regen.
Na ja, dann vergesse ich mal die Möglichkeit, so ganz nebenbei hier in Neuseeland auch noch die Basis
für meine nächste Scheinverlängerung zu legen. Machen wir halt mal einen Besuch in
Tauranga.
7.12. - 113 Tageskilometer
Heute geht's in die große Ebene des Distrikts Waikato. Aber zuvor gilt es nochmals einen Höhenzug
zu überwinden. Die Wetterlage ist zunächst sehr undurchsichtig. Alles grau in grau. Ob's alsbald
wieder regnet? Zum Glück nicht. Nach einer guten Stunde Reisezeit klart es auf. Ich kann heute mal wieder
bei ordentlichen Wetterbedingungen eine größere Teilstrecke fahren.
Nach Überwindung der Kaimai Range geht's in langer Schussfahrt hinunter nach Matamata. Dann fahre
ich weiter auf kleinen Nebenstraße paralell zur Kaimai Range in Richtung Norden.
Am frühen Abend erreiche ich Te Aroha. Die kleine Jugendherberge liegt am Ortsrand. Gleich hinter
dem Haus gehen die Wanderwege in die langezogene Kaimai Range los. Aber leider ist die Herberge ausgebucht.
Außer zwei relativ teuren Motels sind im Ort keine weiteren Unterkunftsmöglichkeiten verfügbar.
Ich ziehe es daher vor, einige Kilometer zurückzufahren. Zurück bis zum Motorcamp vor Te
Aroha. Eine recht ordentliche Anlage. Nur mit reichlich müden Verwaltern gesegnet. Außer
Freundlichkeit keinen besonderen Service! Für eine Nacht wird es wohl reichen!
8.12. - 85 Tageskilometer
Gleich am frühen morgen breche ich auf. Whangamata ist das heutige Ziel. Zunächst geht es
nach Paeroa. Nach einer gemütlichen Teepause fahre ich durch den Kharangakake Gorge bis in die
alte Goldminenstadt Waihi.
In Waihi hat man vor einiger Zeit die alte Goldmine Martha wieder eröffnet. Dem Vernehmen nach soll
sich der Goldabbau wieder lohnen. Und schon kursieren Pläne, die ganze Coromandel-Halbinsel wieder
intensiv für den Goldbergbau zu nutzen. Und das alles im Tagebau! Kein Wunder, daß sich viele
der Bewohner entrüstet gegen derartige Pläne wehren. Mit großräumigem Tagebau
wäre die herrliche Landschaft dieser Halbinsel binnen kurzer Frist unwiederbringlich verloren!
9.12. in Whangamate - 18 Tageskilometer
Heute fahre ich nur wenige Kilometer bis ins Wentworth Valley. An dem schönen Natur-Campingplatz
stelle ich mein Fahrrad ab und mache eine gut 4-stündige Wanderung zu den Wentworth Falls.
Den Tag lasse ich mit einem ausgedehnten Strandspaziergang und einem guten Essen ausklingen.
10.12. - 56 Tageskilometer
Für heute bin ich mal wieder reichlich unentschlossen. Soll ich direkt bis Hahei fahren oder zunächst
mal im nahen Oputerre Pause machen?
Ich fahre mal so einfach los. An der Abzweigung nach Oputerre biege ich dann auch ab. Fahre am großen
Mangrovenwald vorbei, kann mich nicht so recht entschließen, schon am frühen morgen, noch
vor 9 Uhr, Station zu machen. Also zurück zur Hauptstraße und weiter Richtung Norden!
Ich lande dann schließlich in Pananui. Ein ruhiger, schön gelegener Ferienort. Überall
schöne Ferienhäuser. Überwiegend im Besitz wohlhabender Auckländer. Direkt
am Flugplatz das nette Motorcamp "Airtel". Hier quartiere ich mich ein.
Pananui ist recht gepflegt - und sonst gar nichts! Keine Kneipen, nur ein kleines Speiselokal! Also nicht
der richtige Ort für eine längere Pause. Etwas mehr Leben könnte mir jetzt schon gefallen!
Also wird es morgen weiter in Richtung Norden gehen!
11.12. - 38 Tageskilometer
Zwischen Pananui und Tairua verkehrt eine Personenfähre. Ich kann mir also den langen Umweg
über die Hauptverkehrsstraße ersparen.
An der Fähranlegestelle ist es leer. Kein Mensch, kein Boot. Ob ich das mal so alles richtig verstanden
habe? Geht die Fähre wirklich jeden Tag? Oder erst mit Beginn der Weihnachtssaison?
Und dann kommt da endlich das kleine Boot herangetuckert. Ich bin der einzige Fahrgast.
Die Fähre wird von einem Holländer betrieben, der vor gut zehn Jahren seine Heimat
verlassen hat, um sich hier seinen Lebenstraum zu erfüllen. Wie er mir erzählte, macht er sein
Geschäft im wesentlichen in den großen Ferien, die hier Weihnachten beginnen. Er profitiert davon,
daß Pananui eine reine Schlafstadt ist. Die gesamte Gastronomie ist in Tairua angesiedelt.
Und da besteht nun mal der Bedarf nach einer guten Fährverbindung!
Der gute Fährmann gibt mir noch den Rat, bei meiner Weiterfahrt von der Paßhöhe
zurück nach Süden zu schauen. Dann würde ich erkennen, warum er gerade hier gelandet ist.
Und der Mann hat recht. Es ist hier wirklich eine atemberaubend schöne Gegend!
An der Strecke gibt's noch einige kleinere Kauribestände, die eine kurze Rast rechtfertigen.
Am frühen Mittag lande ich dann in Hahei. Ein kleiner Ort in berauschender Landschaft. Hier
könnte ich mir schon einen längeren Aufenthalt vorstellen! Den Ort haben auch viele
Künstler, Maler, Töpfer, Musiker entdeckt!
Von besonderer landschaftlicher Schönheit ist die Cathedral Cove. Eine herrliche Naturgrotte
am Strand! Durch einen cirka halbstündigen Spaziergang leicht zu erreichen.
12.12. - 62 Tageskilometer
Heute soll es über das schwierigste Teilstück auf der Coromandel-Halbinsel gehen. Gut 40 km
Gravel mit teilweise recht steilen Passagen. Für diese Strecke brauche ich gutes, brauche ich trockenes
Wetter. Heute sind die Voraussetzungen hierzu gegeben. Also los!
Zunächst über Cooks Bay und dann mit der Fähre nach Whitianga. Kurz hinter
Whintianga ist's dann vorbei mit der schönen Teerstraße. Die Schotterstrecke beginnt.
Zunächst noch reichlich flach. Aber dann geht's unaufhörlich bergauf. Es wird steil und steiler.
Die Kurven wieder stark überhöht. Die Schwierigkeiten steigen. Wiederholt habe ich Mühe,
das Fahrrad mit dem ganzen Gepäck ordentlich auf der Fahrbahn zu halten. Ständig droht ein
Abrutschen in den Straßengraben. Dann gebe ich auf. Die nächsten 3 Kilometer ist es leichter,
das Rad zu schieben. Dieses Teilstück ist zu steil, mit zu grobem Gravel belegt. Aber dann an der Kuppe.
Dieser herrliche, dieser atemberaubende Blick! Das entschädigt für all die Anstrengungen! Ein Blick
zurück auf die Pacific-Küste, hinaus in den Nordteil der Halbinsel Coromandel!
Der Strecke abwärts ist - wie sollte es anders sein - auch recht steil und mit grobem Gravel belegt. Hier
will ich nicht so einfach 'runterrasen. Ich bremse immerwieder um mit einer vernünftigen Geschwindigkeit
dieses Teilstück zu passieren.
Und dann kurz vor Coromandel, ich befinde mich wieder auf einer guten Teerstraße, lädt ein netter
Landgasthof zum Devonshire Tea ein.
Coromandel selbst ist auch einer dieser "toten Orte". Von der früheren Bedeutung, von der Goldminenzeit,
ist nicht mehr viel geblieben. Es leben hier halt nur noch knapp 1000 Menschen! Was soll da schon viel
geschehen!
13.12. - in Coromandel 25 Tageskilometer
Heute beschränke ich mich auf einen kurzen Trip nach Kauri Grove, einem kleinen Bestand an
schönen alten Kauris. Auf dem Wege mache ich noch einen Stop an den schönen
"Harmony Gardens". Ansonsten lege ich einen Ruhetag im Motorcamp Coromandel ein.
14.12. - 52 Tageskilometer
Heute geht es weiter nach Tapu. Die Strecke führt immer der Küste entlang.
Die Straße erhält ihren besonderen Reiz durch die vielen alten Pohutukawas.
Station mache ich im Motorcamp. Es ist noch recht früh. Gen+gend Zeit für einen
Besuch der schönen Anlage "Watergardens", einer großen privaten Gartenanlage mit
einer vielzahl schön angelegter Seerosenteiche!
15.12. - 68 Tageskilometer
Ich folge weiter der Küstenstraße bis Thames. Auch dieses Teilstück wird in besonderem
Maße durch die Pohutukawa-Bäume geprägt. Leider bin ich einige wenige Tage
zu früh. Die Bäume sind noch nicht erblüht. Es muß einfach herrlich sein,
diese Küstenstraße zu befahren, wenn diese Bäume in voller Blüte stehen.
Dann ist die Küstenstraße in ein riesiges rotes Blütenmeer gehüllt!
Durch Thames fahre ich hindurch. Weiter geht es über Kopu, auf einer langen Brücke über
den Waihou River, immer der Küste entlang bis nach Kaiaua. Zur letzten Übernachtung in einem
Motorcamp während dieser Rundfahrt.
16.12. - 65 Kilometer
Jetzt trete ich zur Schlußetappe der Rundfahrt an. Über Matingarahi, Kawakawa Bay und Stevedon
fahre ich bis Papakura. Hier nehme ich den nächsten Zug und fahre zurück nach Auckland.
Mit der Entscheidung, den Zug ab Papakura zu nehmen erspare ich mir die Durchfahrt des Gewerbe- und
Industriegebietes am Südrand von Auckland.
Die restlichen Tage bis zum Rückflug verbringe ich wieder in Auckland. Leider ist die Witterung nicht
besonders einladend. Meist regnerisch und kalt.
Es bleibt nur Raum für eine Befahrung der 50-Kilometer-Route durch Auckland und für einen
Bootsausflug zur Vulkaninsel Rangitoto.