Crazy Story 1

byBarby H.a.barbina@planet-interkom.de


Haus der Kellys lag in einem rötlichen, schimmernden Schatten, die Sonne verkündete in hellen Farben ihre Auferstehung aus der tiefen Nacht. Von weitem wirkte das Anwesen friedlich und ruhig, schlafend. Nichts regte sich, sogar der Wind war noch nicht aus seinem Schlaf erwacht.
Doch in der Mitte des wunderschönen Bildes bewegte sich etwas. Es war Patrick, der aus seiner nächtlichen Kneipenwanderung wieder kam. Er war so voll gewesen, daß er nun schon beinahe wieder nüchtern war. Völlig übermüdet kruschte er in seiner Hosentasche herum und fluchte ungeduldig: "Nun mach schon, Du Schißding, wo steckst Du!"
Endlich hatte er den Hausschlüssel gefunden. Er hatte große Mühe, ihn in das kleine Türschloß zu schieben, die Türe aufzuschließen und hinter sich wieder zu schließen. Die Müdigkeit schwächte ihn, jeder Schritt viel ihm schwer, jede einzelne Bewegung.
Stöhnend setzte er einen Fuß vor den anderen, bis er es endlich geschafft hatte, die Treppe hinter sich zu lassen. Keuchend blieb er für einen Moment stehen, um wieder zu Kräften zu kommen.
"Es ist nur noch ein kleines Stück," dachte er sich. Als er schließlich an seinem Zimmer angekommen war, lehnte er sich erschöpft gegen die Türe und blickte ganz langsam auf. Seine Augen waren gerötet, von dem Alkohol, von der Müdigkeit, aber auch von dem Spaß, den er heute Abend wirklich gehabt hatte. Es schien, als würde er erst jetzt begreifen, daß er es tatsächlich alleine nach Hause geschafft hatte. Ein Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht als er triumphierend zu sich selbst sagte: "Ja, sir!"
Er lachte seinen Stolz noch ein wenig in sich hinein, bevor er die Türe hinter sich schloß und sich seuzend auf sein Bett fallen ließ. Bereits nach wenigen Sekunden war er samt seiner Kleidung und seinen Schuhen eingeschlafen.

"Hey, Paddy, was geht, bist Du bereit?!"
Angelo hatte die Türe zu Patricks Zimmer aufgerissen und stand strahlend in seinem Zimmer.
"Hä, was, wer, ich hab' keine Zeit für Fans..."
Patrick war aus seinem Tiefschlaf, den er erst vor kurzem gefunden hatte, aufgeschreckt, und als er Angelo sah, wurde ihm einiges klar.
Verschlafen und verärgert murmelte er: "Nein, Angelo, nein, also wirklich nicht, verschwinde, ich will schlafen! Los, hau ab, Du hast mich geweckt, Mann!"
"Hey, Pad, weißt Du, wie spät es ist? Wir wollten jetzt kickboxen!"
Ein Flehen lag in der Stimme seines Bruders, doch Angelos trauriger Ausdruck verriet, daß er die Hoffnung bereits in diesem Moment aufgegeben hatte.
"Nein, nein, nein, nein, nein, Angelo, ich bin arsch müde, ich bin doch gerade erst nach Hause gekommen! Und jetzt mach' 'ne Fliege!"
Betrübt schlich Angelo aus Patricks Zimmer und schloß die Türe hinter sich. Für einen kurzen Augenblick blieb er grübelnd drot stehen, und plötzlich kehrte das Glänzen in Angelos Augen zurück. Eilig rannte er die Treppe hinunter und suchte nach Joseph:
"Hey, Joey, komm, laß uns kickboxen!"
Joey, der immer noch über einem halb aufgegessenem Frühstücksbrötchen saß, zeigte wenig Begeisterung: "Mnaoch, ich weiß nich'... was ist denn mit Paddy?"
Genervte verdrehte Angelo seine Augen: "Der schläft... was sonst."
Joey lachte, als er sich in Gedanken ausmalte, was Patrick gestern Nacht wohl so alles erlebt hatte... und mit wem, bestimmt hatte er tolle Mädchen "kennengelernt". Und er wünschte sich, er wäre an seiner Stelle gewesen. Aber er selbst hatte gestern endlich einmal wieder etwas trainieren müssen. Das war der Nachteil, wenn man als Musikstar auch noch Erfolg im Sport haben wollte. Er wollte Angelo gerade absagen, doch als er den enttäuschten Blick dessen sah, seufzte er schließlich und sagte: "Ich wette, Du hast keine Chance gegen mich!"
"Ha, das wollen wir doch sehen! Wer als erster da ist!"
Gemeinsam rannten sie los, und hätten beinahe Barby über den Haufen gerannt, die verschlafen und Geistes abwesend im Wohnzimmer herum spukt.
"Hey, Barby, kommst Du auch mit kickboxen?" witzelte Angelo.
Diese streckte ihm die Zunge raus.
Da blieb auch Joey stehen: "Das ist aber echt keine schlechte Idee, die Pillen helfen Dir auch nicht auf ewig... Du solltest den Fans lieber mit Deinen Kickboxer - Schlägen drohen, als Dich vor ihnen in Deiner künstlichen Welt zu verstecken, wo Du nichts mehr vom Leben mit kriegst!"
Als er Barbys wütenden Blick sah, machte er sich lieber schnell aus dem Staub... man sollte sich doch besser nicht mit ihr anlegen.

"Lauter Idioten," dachte sich Barby und wanderte ins Wohnzimmer, wo sie sich auf ein Sofa setzte, und überlegte, ob sie nun etwas malen sollte, oder ob sie nach den Blumen im Garten schauen sollte, ob sie schon wieder neue Blüten hatten. Doch dann entschloß sie sich, zuerst das tägliche musikalische Üben zu überwinden... wie hieß es doch so schön, erst die Arbeit und dann das Vergnügen.
"Barby, schau mal, ich habe ein neues Outfit! Ist das nicht sexy?"
Maite "tänzelte" um sie herum und blieb schließlich mit gekonntem Augenaufschlag vor ihr stehen, in Vorzeigeposition, und starrte sie erwartungsvoll an.
"Hääää?? Was sagst Du, hm? Is' doch stark, oder?"
Sie drehte sich ein paar Mal und wäre dabei fast über den Teppich gestolpert. Als sie merkte, daß Barby nicht sonderlich an ihr interressiert zu sein schien, rückte sie ihren Ausschnitt noch etwas tiefer, ihren Rock noch etwas höher, und hüpfte durch das ganze Zimmer, wobei sie laut schrie: "Yeah, baby, uuuuh, sexy, yeeaah... " Schließlich begann sie "get down" von den Backstrett Boys zu singen.
Barby schenkte dem ganzen immer noch keine Beachtung. Statt dessen stand sie auf und machte sich auf den Weg zum Klavier.
Maite war so in Ecstase, daß sie nicht einmal bemerkte, wie ihre Schwester den Raum verließ. Plötzlich kam Patricia angehetzt: "Verdammt, wo ist sie nur, ich weiß ganz genau, daß ich sie gersten hier her gelegt habe!"
Als sie Maite bemerkte, blieb sie ruckartig stehen und schaute fassungslos zu, was ihre Schwester da fabrizierte. Endlich fand sie wieder zu Worten: "Maaaite? Was um alles in der Welt machst Du da?"
"Hää?" Verwirrt blickte sich Maite um: "Was meinst' n Du?"
Patrica überlegte angestrengt: "Moment, ich glaube, das nennt man das posttraumatische Streßsyndrom... wenn die Psyche dem Streß nicht mehr gewachsen ist, dann kann es durch aus zu Annomalien in dem Verhalten derjenigen Person führen, und... "
Maite stampfte ungeduldig mit ihrem linken Fuß auf den Boden: "Patriciaaaa!!"
Patricia wachte aus ihren Medizinbüchern auf: "Ja?"
"Hey, Du, ich hab Dich fei was gefragt! Was Du da überhaupt mit meinst!"
"Daß Du hier so..." Patricia schien nach den Worten zu suchen "... herum hüpfst."
"Ach so, DAS meinst Du!" Maite lachte laut.
"Na, das mache ich, damit sich die Barby mein neues Outfit bewundern kann, gell, Barby?" Völlig geschockt starrte Maite auf das leere Sofa. Sie konnte es einfach nicht begreifen: "Hääää, wo is' sie denn? Kapier ich nicht. Die kann sich doch wohl schlecht in Luft auflösen... oder, geht das, Patricia?"
Maite dachte ernsthaft darüber nach, ob sich Barby vielleicht in Luft aufgelöst hatte, während Patricia die Frage nicht ernst nahm, und weiterhin fieberhaft nach ihrer Wimperntusche suchte.
"Barby... Barby, wo bist Du, ich kann Dich nicht sehen! Ruf mich mal, vielleicht hör ich Dich dann! Baaaarby."
Beschäftigt suchte Maite unter dem Teppich und in den Sofaritzen nach Barby.
"Gott sei Dank, da ist sie ja!" Schnell machte sich Patricia aus dem Staub, sie mußte zu einer dringenden Besprechung, und war schon wieder viel zu spät dran. Immer dieser Streß!
John kam daher getrottet und blieb wie angewurzelt stehen, als er Maite sah, die mittlerweile im Eßschrank alle Tassen untersuchte und nach Barby rief.
"Maite, was machst Du da?"
Maite ließ eine Tasse fallen.
"Hä? Ach Du bist es, John. Ich suche nach der Barby, sie hat sich in Luft aufgelöst. Wenn wir sie nicht finden, dann verhungert sie!"
John schien von Maites Worten keines Wegs überrascht zu sein. Schließlich kannte er seine Schwester.
"Nein, Maite, das geht nicht, man kann sich nicht in Luft auflösen."
Nun war Maite völlig ratlos: "Nicht? Aber... aber was ist denn dann mit ihr passiert?"
John zuckte die Schultern und ging an ihr vorbei: "Wahrscheinlich ist sie aufgestanden und gegangen."
Plötzlich schien Maite ein Licht aufzugehen, und sie schien es langsam zu begreifen.
"Ach soooo. Daran habe ich ja gar nicht gedacht. Cool. Danke, John."
Mittlerweile war eine ganze Weile vergangen, und die Kellys befanden sich im Backstage Bereich hinter der Bühne. In weniger als einer halben Stunden hatten sie ihren Auftritt. Alle waren bereits mit Make up und dem üblichen Kram versehen, bis auf Patrick, der sich weigerte, dieses Zeug auch nur in seine Nähe zu lassen.
Maite stand vor dem Spiegel und übte noch ihren Rappart für One more freaking dollar, wobei sie immer wieder neue Methoden ausprobierte. Barby rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her, während sie in bunten Farben die Silhouette einer Frau auf ein Papier brachte.
Joey war immer noch nicht zurück gekehrt, seitdem er mit seinem Fahrrad davon gebraust war. Kathleen war bereits unruhig: "Er denkt immer nur an seinen Sport, wegen ihm werden wir noch einmal eine Stunde zu spät auf die Bühne kommen! Vielleicht schaut er ja auch gar nicht auf die Uhr, und kreuzt erst heute Nacht wieder auf! Man kann nun einmal nicht alles haben, und er ist Musiker! Er kann seine Karriere nicht wegen einem Hobby so vernachlässigen! Er bringt uns noch einmal alle in Mißkredit!"
John hatte sich neben seine Schwester gesetzt und versuchte, sie zu beruhigen:
"Kathy, es ist noch eine halbe Stunde bis zur Show, er wird bald kommen."
"Ja, fünf Minuten vor unserem Auftritt... er ist noch nicht gedresst und hergerichtet!"
"Dazu braucht Uschi doch nicht lange, sie schafft es in fünf Minuten!"
"Irgendwann wird er gar nicht mehr kommen. Es reicht schon, daß Jimmy nicht mehr dabei ist, und wenn das so weiter geht, dann wird er irgendwann mit seinem Fahhrad durchbrechen und keinen Bock mehr auf seinen Job hier haben! Und noch einer, das könnten wir den Fans nicht erklären. Eine Band, wo nach und nach alle weg gehen, die hat bald keine Fans mehr! Wer will schon Fan von einer gebrochenen Band sein, die selbst keine Lust auf ihre Arbeit hat!"
Kathleen steigerte sich immer mehr in die Sache hinein. Früher hatte sie immer ganz alleine den Laden geschmissen, als ihr Vater sich nicht mehr darum kümmern konnte. Irgendwann hatte sie das alles nicht mehr alleine geschafft, als der Erfolg gekommen war, und alles noch viel mehr wurde. Patrick und Patricia halfen ihr nun. Doch sie hatte immer noch das Gefühl, die Verantwortung dafür zu tragen, den Haufen in Zaum zu halten, das Chaos zu bändigen, und ihre Geschwister wie eine Herde Schaafe zusammen zu halten. Früher war ihr das immer relativ gut gelungen, sie waren alle abhängig voneinander gewesen und brauchten sich. Nicht, daß es nun nicht genau so wäre, im familiären Sinn, doch in dem Beruf.... . Nun waren sie berühmt, und sie brauchten sich gegenseitig nicht mehr, um an ihr Ziel zu kommen. Die berühmte Kelly Family gab es nun. Und das Geld auch. Der Erste war bereits gegangen, und auch wenn sie es sehenstlichst hoffte und wünschte, so wußte sie nicht, ob er jemanls wieder zurück kommen würde, und seinen Platz wieder dort einnehmen, wo er ihn verlassen hatte. Sie mochte es nicht sonderlich, ihn durch Adam zu ersetzen. Sicherlich, sie konnte Adam leiden, aber es war nicht dasselbe. Und sie merkte auch, daß die Fans in gewisser Weise genau so darüber dachten. Auf eine Art haßte sie Jimmy dafür, daß er ihr und ihren Geschwistern so viele Unannehmlichkeiten bereitete, und daß er seinen Sinn für Fairness verloren und sie im Stich gelassen hatte. Doch auf der anderen Seite konnte sie ihn verstehen, und manchmal war sie sogar neidisch auf ihn und wünschte sich, in seiner Situation zu sein. Aber Jimmy war schon immer so gewesen. Sie erinnerte sich daran, als Jimmy einmal nach Irland abgehauen war. Er hatte schon damals keine Lust mehr gehabt. Nun schien er das richtige Mittelmaß gefunden zu haben... er beteiligte sich nicht mehr an der Band, und trat nicht mehr auf... außer, wenn das Fernsehen da war, dann ersparte er ihnen doch die Peinlichkeit und zeigte den Fans, daß es ihn noch gab, nur um sie zu beruhigen. Er hatte die Familie nicht verlassen, denn er wußte aus Erfahrung, daß er das nicht konnte. Niemand konnte das, sie waren zu sehr verbunden. Aber aus seinem Job hatte er sich befreit.
"Kathy, singen wir jetzt heute wieder "We are the world", oder nicht?"
Patrick riß sie aus ihren Gedanken: "Ja. Wir singen das heute wieder. Sind alle fertig?"
"Ja. Bis auf Joey, er sitzt noch in der Maske."
Erleichterung kennzeichnete sich in Kathleens Stimme: "Ist er da?"
"Ja, vor ein paar Minuten gekommen."
Patrick wandte seiner Schwester den Rücken zu und schlenderte zu seinem Bruder, der immer noch ein wenig außer Atem zu sein schien.
Mit liebevoller Herablassung meinte Patrick: "Wie willst Du denn den Auftritt heute überstehen?"
"Kein Problem für mich, ich bin da drin geübt." Joey wirkte Sieges sicher.
"Na dann, Sportsfreund..."
Patrick drehte sich wieder um und wollte gerade seine ziellosen Wege durch die Halle beginnen, die so kurz waren, daß er hätte stehen bleiben können, als Angelo vor ihm stand und ihn ansah: "Wer ist ein Sportsfreund?"
Bevor Patrick antworten konnte, kam Maite daher. Sie hielt eine große, zusammen gefaltete Pappe in der Hand.
Patrick war neugierig: "Hey, Maite."
Sie blieb stehen und sah ihn fragend an.
"Was ist das?"
Stolz faltete sie die Pappe auf und zum Vorschein kam ein riesiges, aufgeklebtes Poster von Leonadro Di Caprio.
Patrick war enttäuscht: "Ach so."
Er bedeutete Angelo ihm zu folgen und ließ Maite mit ihrem Schwarm stehen.



Teil 2

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