Geschrieben im Januar/Februar 2002
Geändert im April 2002
Liebes Tagebuch!
Ich schreibe dir die wohl schönste Geschichte, die mein Leben mir
bringen konnte.
Januar 2002:
Es war ein total verregneter Freitagnachmittag in Köln. Ich war
auf Shopping-Tour, hatte bisher aber nichts Passendes gefunden. Gegen etwa 16
Uhr beschloss ich, einen Abstecher zum Dom zu machen. Es goss in Strömen und
ein kalter Wind fegte über die Domplatte. Ich ging die Mauern entlang zu einem
Seiteneingang. Plötzlich stolperte ich über irgendwas. Ich drehte mich genervt
um, da kam ein teilnahmsloses „Sorry!“ aus einer Nische. Gerötete Wangen, lange
brünette Haare und stumpfe dunkelblaue Augen. Sie gehörten einem jungen Mann,
der völlig durchnässt auf dem Boden saß. Zuerst konnte ich es kaum glauben.
„Paddy? Bist du das? Mensch Junge, was machste denn für Sachen, du holst dir ja
’ne Lungenentzündung bei dem Wetter!“ „Und wenn schon.“ „Du bist ganz blass.
Darf ich mal?“ Ich legte meine Hand auf seine Stirn. „Mensch, du hast Fieber,
du kannst unmöglich hier bleiben! Du gehörst ins Bett!“ Paddy zuckte mit den
Schultern. „Komm mit zu mir. Da kannst du dich aufwärmen.“ Teilnahmslos ging
Paddy mit. Was er wohl hatte?
Nach 30 Minuten U-Bahn und S-Bahn fahren kamen wir bei mir an.
„Komm rein.“ Ich machte die Tür zu, während Paddy sich umsah. Auf der Fahrt war
er sehr still gewesen. Jetzt erhellte ein Lächeln sein Gesicht. „Och, die zwei
sind ja niedlich! Wie heißen die denn?“ „Also, der Hase heißt Wuschel und das
Meerschweinchen Blacky.“ „Darf ich sie mal nehmen?“ „Klar. Hey, Kleiner komm
mal her! Na komm!“ Da mein süßes Häschen ja so gut gehorcht, kam er natürlich
nicht her. „Ach Schlappohr, jetzt komm schon!“ Ich holte ihn aus dem Käfig und
nahm ihn auf den Arm. „So, guck mal, das ist Paddy, der will dich mal tragen.“
Ich gab Paddy den Hasen. „Wow, ist der schwer!“ „Der hat ziemlich dickes Fell.“
Paddy streichelte Wuschel und redete mit ihm. „Hey, er leckt mein Pulli ab!“
„Ja, das macht er immer, wenn er runter will. Er mag das Rumtragen nicht so.“
„OK, dann lass ich ihn wieder runter.“ Paddy setzte Wuschel zurück in den
Käfig. „Du solltest dich hinlegen Paddy, sonst holst du dir eine
Lungenentzündung. Du kannst in meinem Bett schlafen. Warte, ich hab noch einen
Schlafanzug da, wenn du willst, kannst du den anziehen.“ Er nickte. Ich holte
das Teil. „Wenn du dich umgezogen hast, gibst du mir deine nassen Sachen, damit
ich sie trocknen kann, ja?“ Wieder nickte er. Ich machte ihm einen heißen Tee,
den ich ihm in die Hand drückte, als er mir seine nassen Klamotten gab. Ich
wollte mich gerade umdrehen, als er sagte: „Danke!“ und ein kurzes Lächeln
huschte über sein Gesicht. „Gern geschehen! Schlaf gut!“ Er nickte und kroch
ins Bett. Ich legte seine Sachen auf die Heizung und zog mich um. Dann sah ich
nach Paddy. Er schlief fest. Ich holte ein feuchtes Tuch und legte es ihm auf
die Stirn. Dann setzte ich mich ans Fußende und passte auf, dass das Tuch nicht
runterrutschte.
Ich öffnete die Augen. Ich lag auf etwas Hartem. Langsam richtete
ich mich auf – und rutschte vom Bett auf den Boden. „Alles OK mit dir?“ Paddy
lehnte sich über die Bettkante und konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.
„Solange du was zu grinsen hast... jaja, ist noch alles dran.“ „Bin ich froh, dass
du endlich wach bist! Du bist nämlich quer über meinen Schienbeinen gelegen,
die sind schon ganz taub!“ „Oh, sorry! Warum hast du mich dann nicht geweckt?“
„Das wollte ich nicht, du hast so schön geschlafen.“ „Dafür tut mir jetzt alles
weh. Aber wie geht’s dir denn?“ „Och, ganz gut.“ Ich legte die Hand auf seine
Stirn. „Ja, das Fieber ist runter. Hast noch mal Glück gehabt. Sag mal, was
hast du denn da im Regen gemacht und ganz alleine?“ „Komm, ich werde es dir
erklären“, sagte er. Wir setzten uns auf mein Bett und lehnten uns an die Wand,
dann fing Paddy an zu erzählen:
Es begann vor einem Monat. Ich war in Köln. Als ich aus der
U-Bahn stieg, hörte ich eine vertraute Stimme sagen: <Er wird niemals
erfahren, dass es nicht sein Kind ist!> Ich drehte mich um und sah meine
Freundin, wie sie einen anderen küsste. Ich wusste nicht, dass sie anscheinend
schwanger war, sie wollte mir wohl ein Kind anhängen. Jedenfalls war total
geschockt und verstand nicht, was ich falsch gemacht habe. Es tut so weh, wenn
man merkt, dass man der Frau, die man liebt, nicht gut genug ist. Ich bin dann
zum Dom gefahren und hab nachgedacht, ich war so fertig, hab mich immer wieder
gefragt, was ich falsch gemacht hatte.
Am Abend kam Nina dann nach Gymnich. Zuerst hat sie alles abgestritten,
dann hat sie’s zu gegeben. Ich hab dann Schluss gemacht. Es tat so weh, als sie
die Tür schloss und ich wusste, dass sie nie mehr durch diese Tür gehen würde.
Ich hab die ganze Nacht geheult. Die nächsten Tage ging’s mir voll mies, ich
machte mechanisch mein Zeug, fühlte mich wie ein Roboter. Nach zwei Wochen
standen vier Konzerte an. Ich fühlte mich nicht in der Lage, die Bühne zu
betreten, die ersten drei hab ich gemacht, beim vierten war alles anders: Es
waren sehr viele Kreischies da, das hat mich fertig gemacht und irgendwann bin
ich einfach von der Bühne gerannt, ich konnte und wollte nicht mehr. Joey hat
mich dann angefahren, was mir überhaupt einfiele, einfach so von der Bühne zu
rennen. Auch die anderen machten mir Vorwürfe. Da hab ich sie angeschrieen:
<Lasst mich endlich in Ruhe, ihr versteht mich nicht, haut ab aus meinem
Leben!> Dann bin ich weggerannt, ich hörte noch Patricia meinen Namen rufen,
aber ich wollte nur noch alleine sein. Die Fans, die am BS-Ausgang standen,
stürzten sich auf mich, aber ich hab sie noch lauter angebrüllt als meine
Geschwister, genau den gleichen Satz. Dann bin ich weiter gerannt, bis ich an
einem kleinen Bach ankam. Ich folgte ihm und setzte mich irgendwann ans Ufer
und dachte nach, was in den letzten Wochen passiert war. Es tat mir leid, dass
ich meine Geschwister angeschrieen habe, ich hab’s nicht so gemeint. Später
ging ich zurück und legte mich im Tourbus in eins der Betten und tat, als würde
ich schlafen, damit ich nicht mir den anderen reden musste.
Seitdem ist das Verhältnis zwischen den anderen und mir eher kühl
gewesen, aber dann heute morgen hat Maite mir kräftig die Meinung gesagt, ich
sei egoistisch und würde nur an mich, nur an meine Probleme denken, was meine
Geschwister fühlten sei mir völlig egal. Da wurde ich so wütend, dass ich sie
beschimpft habe und dabei hab was Schlimmes über ihre Figur gesagt und als sie
das hörte, sagte sie: <So denkst du also über mich, das bin ich in Wahrheit
für dich.> Ich sah Tränen in ihren Augen schimmern, aber ich verließ die
Küche, selbst schockiert, was ich eben gesagt hatte. Ich ging zu meinen Tieren
und später auf mein Zimmer. Als ich an Maite’s Zimmer vorbeikam, hörte ich, wie
sie <I wanna be loved> sang und es tat mir so unendlich leid. Aber
anstatt mich zu entschuldigen bin ich abgehauen nach Köln zum Dom und den Rest
kennst du ja. Ich habe es nicht fertiggebracht, mich bei einem meiner
Geschwister zu entschuldigen.
Tränen glitzerten in seinen Augen und er sah mich an, als wolle
er sagen: „Sag doch was!“ Aber ich hatte einen Kloß im Hals. Ich sagte nur
leise: „Komm!“ und nahm ihn vorsichtig in die Arme. Er hielt sich an mir fest,
so als würde er versuchen, Hoffnung festzuhalten. Es dauerte lange, bis Paddy
sich aus der Umarmung löste. „Alles OK“, fragte ich leise. Tränen liefen ihm
über die Wangen, aber er lächelte und sagte: „Danke fürs Zuhören!“ „Gern
geschehen. Es wird alles wieder gut“, sagte ich leise und strich ihm vorsichtig
über die Wange, um seine Tränen weg zu wischen. Plötzlich sah er mich mit einem
seltsamen Blick an. Er verwirrte mich und ich zog meine Hand zurück. Wir saßen
schweigend nebeneinander. Nach einer Weile fragte ich: „Paddy?“ „Hm?“ „Hattest
du schon mal das Gefühl, ganz alleine zu sein, das Gefühl gehabt, dass dich
keiner liebt?“ Paddy überlegte eine Weile, bevor er antwortete: „Nein, nicht
direkt. Es gab Tage, an denen ich mich einsam fühlte, aber ich wusste immer,
dass ich eine Familie habe, die mich liebt. Warum fragst du? Fühlst du dich
einsam?“ „Ja, oft. Eigentlich fast jeden Tag. Ich weiß nicht, woran es liegt,
vielleicht an meinen Freundinnen Sandra und Nadine. Wenn wir was zusammen
machen, komm ich mir immer voll überflüssig vor. Und überhaupt: Die beiden
gehen öfters zusammen weg, shoppen oder so. Aber mich fragen sie nie, ob ich Lust
habe, mitzukommen. Neulich haben sie sich die gleichen Pullis und Halsketten
gekauft. Und auf’m Konzert in Böblingen hat Sandra Tanja kennen gelernt, jetzt
redet sie dauernd davon, mit ihr nach Köln zu fahren und nach Irland oder sonst
wohin, aber auf die Idee, ob ich mitkommen will, kommt sie nicht. Vielleicht
liegt’s daran, dass sie ein Einzelkind ist.
Und dann sind da noch meine Eltern: Sie motzen dauernd an mir
rum, ich soll doch mal was für meine Figur tun und so. Ich hab das Gefühl, dass
sie mich nicht lieb haben, sie akzeptieren mich nicht so, wie ich bin. Ich hab
auch keinen, mit dem ich reden kann, ich hab überhaupt niemanden...“ Ich hatte
angefangen zu weinen und Paddy nahm mich wortlos in die Arme und streichelte
meinen Rücken. Ich wusste nicht, wie lange ich geweint hatte, als ich fragte:
„Glaubst du, dass es an mir liegt?“ „Ich weiß nicht, ich kenn deine Freunde und
Familie ja nicht. Ich würde sagen, 60 Prozent deine Familie und Freunde, 40
Prozent du.“ „Danke“, sagte ich leise, „danke für’s Zuhören und für deine
Ehrlichkeit.“ „Ist schon gut.“ „Sag mal, wie spät ist es eigentlich?“ „Fast
zehn.“ „Wir haben den halben Abend verpennt. Hast du Hunger?“ „Ja, schon.“ „Was
hältst du von Spaghetti mit Tomatensoße?“ „Viel!“ „OK, dann koch ich das jetzt.
Du kannst ja hier bleiben oder fernsehen.“ „Oder dir beim Kochen helfen“, fügte
er hinzu und grinste. Wir gingen in die Küche. „Es gibt nix zu helfen, ich kann
das nämlich nur mit Maggi Fix!“ Paddy fing an zu lachen. Ich sah ihn verwundert
an. „Soll ich dir was sagen? Ich kann’s auch nur damit“, erklärte er und wir
lachten. Eine halbe Stunde später saßen wir am Tisch. „Schmeckt echt toll!“,
brachte Paddy zwischen zwei Riesengabeln hervor. „Danke! Aber du hast ja auch
geholfen.“ „Trotzdem.“ Zehn Minuten später. „Ich bin total satt! Danke!“ „Kein
Problem, hab ich gern gemacht.“ Wir räumten ab. Dann guckten wir „Der Schuh des
Manitu“ auf VHS an. Dann saßen wir noch auf der Couch im Wohnzimmer, tranken
Cola und redeten viel. „Ich möchte mich noch mal bei dir bedanken“, sagte Paddy
plötzlich und sah mir in die Augen. „Dass du mich mitgenommen hast und so lieb
zu mir bist. Ich weiß nicht, was getan hätte, wo ich jetzt wäre, wenn ich nicht
hier wäre.“ „Ist schon gut. Ich möchte mich auch noch mal bei dir bedanken,
dass du mir zugehört hast!“ „Keine Ursache!“ Er sah mich lange an. „Es klingt
vielleicht seltsam, aber mein Fieber ist ganz weg. Dafür hab ich jetzt
Herzrasen!“ Er lächelte. „Och du Armer, da müssen wir schnell einen Weg finden,
um dein Herz zu beruhigen, sonst verlierst du es noch!“ „Das hab ich doch
schon“, sagte er leise. Er nahm meine Hand, während er den rechten Arm um mich
legte. Er sah mir tief in die Augen, es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
Schließlich näherten sich unsere Gesichter ganz langsam. Als ich seinen Atem
spürte, schloss ich die Augen und kurz darauf spürte ich seine weichen Lippen.
Vorsichtig erwiderte ich den Kuss, zuerst küssten wir uns langsam und zärtlich,
aber dann wurden unsere Küsse immer leidenschaftlicher. „Ich liebe dich“, sagte
Paddy leise und gab mir wieder einen Kuss. „Ich dich auch!“ Paddy nahm meine
Hand und legte sie auf sein Herz. „Spürst du, wie es schlägt? Mein ganzes Leben
hab ich nie solches Herzklopfen gehabt“, sagte er und strahlte mich an. Ich
kuschelte mich an ihn. „Du bist der Erste, der mich geküsst hat!“ „Wirklich?
Das wundert mich, hat denn vor mir keiner gemerkt, wie lieb du bist?“ Ich
zuckte mit den Schultern. „Ich liebe dich“, flüstere ich und er gab mir einen
Kuss auf die Stirn. „Ich dich auch!“
Am nächsten Morgen fragte ich beim Frühstück: „Was haste denn
jetzt vor, Paddy?“ Er zuckte mit den Schultern. Ich stand auf und umarmte ihn.
„Ich finde, du solltest dich bei deinen Geschwistern melden. Vielleicht machen
sie sich ja Sorgen!“ „Ich hab Angst, dass sie mich nicht sehen wollen.“ „Geh
einfach hin. Wenn du willst, komm ich mit.“ „Das wäre echt lieb von dir!“
„Sollen wir gleich los?“ „Von mir aus.“ Eine halbe Stunde später fuhren wir als
erstes zu Angelo. Als ich klingelte, bekam Paddy kalte Füße und wollte abhauen.
Ich zog ihn an der Jacke: „Jetzt komm schon!“ In diesem Moment machte Angelo
die Tür auf. „Hi Angelo. Hier ist Besuch für dich“, sagte ich und schob Paddy
ins Haus. „Du schaffst das schon“, flüsterte ich, während Angelo die Tür wieder
zumachte. Paddy wandte sich an seinen Bruder: „Ich wollte mich bei dir
entschuldigen. Ich hab mich echt voll daneben benommen. Es tut mir leid!“ „Mit
tut’s auch leid, Paddy. Wir hätten dich nicht so anfahren sollen.“ Die beiden
umarmten sich. „Ich möchte dir jemanden vorstellen: Das ist J (englisch
ausgesprochen), meine Freundin.“ „Hi.“ „Hallo.“ Wir gaben uns
die Hand. Angelo stellte mir noch Kira und
Gabriel vor, dann ging’s ab zu Joey. Danach fuhren wir zu Patricia, die ihren
Bruder sofort in die Arme nahm, als sie die Tür aufgemacht hatte. „Wir haben
uns Sorgen um dich gemacht, als du letzte Nacht nicht heimgekommen bist.“ „Ich
war bei J.“ „Hallo, Patricia.“ „Hi, J.“ Danach wollten wir zu Jimmy. „Also
Paddy, wie soll das mit dir noch enden? Alle vier Wochen ’ne neue Freundin!“
Schien einer von Jimmys Witzen zu sein, denn die beiden fingen lauthals an zu
lachen. Als letztes fuhren wir zu Maite. Sie war wohl in ihrem Zimmer. Paddy
klopfte an ihre Tür und öffnete sie langsam. Maite las gerade ein Buch. „Hallo
Maite“, fing Paddy vorsichtig an. Keine Antwort. „Was ich gestern zu dir gesagt
habe, tut mir leid. Ich hab’s nicht so gemeint, es ist mir so rausgerutscht.
Und dann war ich zu feige, um mich gleich bei dir zu entschuldigen. Es tut mir
leid. Kannst du mir verzeihen?“ Keine Reaktion. Paddy drehte sich mir fragendem
Gesicht zu mir um. Ich zuckte mir den Schultern. „Bitte Maite, es tut mir so
wahnsinnig leid. Es war nicht OK und ich hab’s begriffen. Du bist meine
Schwester und ich hab dich sehr lieb, ich hoffe, du weißt das.“ Jetzt zauberte
sich ein Lächeln auf Maites Gesicht. „Klar weiß ich das, großer Bruder.“ Sie
stand auf und die beiden umarmten sich fest.
Ein paar Wochen später holte Paddy mich von der Schule ab. Es war
ein beschissener Tag gewesen, wir hatten Mathe geschrieben und ich hab’s total
verbockt. Ich fühlte mich wie ein totaler Versager. Geknickt verließ ich die
Schule und ging zum Parkplatz, wo Paddy schon mit Sonnenbrille im Auto auf mich
wartete. Ich musste grinsen, einerseits sah er mit Sonnenbrille voll cool aus,
andererseits sah er total komisch aus. Ich warf den Rucksack auf den Rücksitz
und setzte mich auf den Beifahrersitz. „Hi, mein Engel“, sagte Paddy und gab
mir einen Kuss. „Hallo“, antwortete ich leise. „Was ist denn? Hast du was?“
„Ach nichts.“ „Du kannst immer mit mir reden, das weißt du.“ „Ja, ich weiß.
Deswegen liebe ich dich ja so sehr.“ „Ich liebe dich auch.“ Er küsste mich
wieder. „Kannst du an den Rhein fahren, bitte? Ich brauch jetzt echt mal Ruhe.“
„Klar.“ Dort angekommen, setzten wir uns ans Ufer. Ich betrachtete das Wasser,
während ich fragte: „Hast du dich schon mal für einen totalen Versager
gehalten?“ „Früher, als der Druck so groß war, schon. Deshalb hatte ich zwei
Nervenzusammenbrüche. Ich sag dir jetzt mal was: Für mich wirst du nie eine
Versagerin sein!“ „Ich hab doch heute Mathe geschrieben. Ich hab keine Aufgabe
kapiert und da ist alles über mich hereingebrochen. Wenn ich zurückdenke, was
ich schon alles falsch gemacht habe, wie oft ich schon versagt habe. Du kennst
ja meine zwei Kleinen. Vor ihnen hatte ich schon mal ein Hase und ein
Meerschweinchen. Irgendwann hab ich mich gefragt, ob Meerschweinchen schwimmen
können, weil es ja Meerschweinchen heißt. Dann hab ich’s einfach ausprobiert.
Das Tierchen konnte zwar schwimmen, hat aber soviel Wasser geschluckt, dass es
gestorben ist. Kapierst du, was ich getan habe, ich hab mein Meerschweinchen
getötet, hab es umgebracht, aber ich wollte es nicht.“ Ich schluchzte und wagte
es nicht, ihn anzusehen. „Und ein oder zwei Jahre später bin ich mit dem Hase
zum Grab des Meerschweinchens gegangen, oben am Feldweg. Ich hab sie ins Gras
gesetzt, damit sie fressen konnte. Da kam auf einmal ein Mann vorbei und als er
den Hasen sah, hat er gerufen, ich solle ihn auf den Arm nehmen. Hab ich auch versucht,
aber sie ist fortgelaufen. Und dann kam ein Husky angelaufen, er war nicht
angeleint und als er den Hasen gesehen hat, ist er ihm nachgelaufen. Er hat sie
gefressen und ich bin schuld, weil ich nicht gut genug auf sie aufgepasst
habe!“ Tränen liefen über meine Wangen. „Du willst jetzt bestimmt nichts mehr
mit mir zu tun habe, mit einer, die ihre eigenen Tiere getötet hat!“ „Ach
Quatsch! Ich liebe dich so wie du bist!“ Er nahm mich in den Arm. „Was hältst
du davon, wenn wir es uns heute Abend so richtig gemütlich machen?“ Ich nickte.
„Ok, dann lass uns nach Hause fahren, ich hab Hunger!“ „Paddy? Danke, dass du
mir zugehört hast!“ Er lächelte mich an und gab mir einen Kuss.
Zu Hause nach dem Mittagessen erzählte Paddy mir, dass er
demnächst wieder zu einer Wallfahrt aufbrechen wollte. „Nach Lourdes geht’s
diesmal, es hat mir da so gut gefallen. Willste mitkommen?“ „Muss ich ja wohl,
wer weiß, was du da unten ohne mich anstellst!“ „Och, jetzt muss ich all meinen
anderen Freundinnen absagen!“ „Jaja, du bist der Allercoolste!“ Wir lachten.
„Ich liebe dich“, sagte Paddy und küsste mich. Ich erwiderte seinen Kuss und
antwortete: „Ich dich auch!“ Zuerst küssten wir uns langsam und zärtlich, dann
immer leidenschaftlicher und Paddy begann, mich zu streicheln. Nach einer Weile
zog er den Pulli aus und küsste zärtlich meinen Hals, während ich ihm langsam
das Hemd aufknöpfte. Er zog es aus und küsste mich wieder. „Komm“, sagte er
leise, nahm meine Hand und zog mich ins Schlafzimmer. Er nahm mich in die Arme
und küsste mich. „Ich liebe dich“, flüsterte ich, während ich ihm den Haargummi
aus den Haaren zog. „Ich dich auch, Kleine!“ Auf einmal fing er an zu grinsen.
„Was grinst du denn so?“ Er zuckte mit den Schultern, dann hob er mich
plötzlich hoch, wirbelte mich durch die Luft und ließ sich dann mit mir aufs
Bett fallen. Wir lachten uns fast kaputt, bist ich ihm zwei Finger auf den Mund
legte. „Scht. Komm her zu mir!“ Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Wir
küssten uns leidenschaftlich, dann küsste Paddy zärtlich meinen Hals und meine
Schulter, dann streifte er meinen BH-Träger runter, kurz darauf den anderen. Er
küsste mich lange, während er den BH öffnete. Ich zog Paddy aufs Bett und
streichelte ihn. Wir sahen uns tief in die Augen. „Hast du Angst“, fragte er leise.
„Nein, nicht mehr.“ Er strahlte und zog mich an sich. Nachdem wir uns aus den
restlichen Klamotten befreit hatten, fiel mir ein: „Hast du Gummis besorgt?“
„Na klar!“ Wir küssten uns leidenschaftlich.
Nachdem das Gummi seinen Zweck erfüllt hatte *ggg*...... Paddy
hielt mich im Arm und strich durch mein Haar. Er gab mir einen Kuss auf die
Wange und sagte leise: „Ich liebe dich, du bist das beste, was mir je passiert
ist!“ „Ich liebe dich auch!“ Wir küssten uns zärtlich. „Sag mal, was hältst du
davon, wenn wir heute Abend Essen gehen?“ „Gern. Wohin?“ „Das wirst du schon
sehen“, sagte Paddy geheimnisvoll und küsste mich zärtlich.
Gegen 16 Uhr kam Maite
vorbei. „Hey, hast du Lust, mit mir shoppen zu gehen?“ „Klar, aber ich hab
nicht viel Zeit!“ „Egal. Los!“ Maite schleppte mich durch ihre Stamm-Boutiquen.
In einer entdeckte ich ein wunderschönes Kleid. „Wow, ist das schön, schau mal,
Maite!“ „Ja, das ist echt toll!“ „Aber ganz schön teuer. 500 Euro!“ „Zieh es
mal an“, forderte Maite mich auf. “Du
siehst toll aus. Paddy würde Augen machen, wenn er dich so sehen
könnte!“ „Ich kann mir das Teil aber nicht leisten!“ „Komm, lass das meine
Sorge sein, ich übernehme das für dich!“ „Aber das kann ich doch nicht
annehmen!“ „Doch, kannst du!“ Mit diesen Worten ging Maite zur Kasse und
zahlte. „Du kannst es ja nachher anziehen, wenn du mit Paddy ausgehst.“ „OK,
und vielen vielen Dank, Maite!“ „Ach...keine Ursache!“, meinte Maite und machte
eine ablehnende Handbewegung.
Zu Hause machte mir Maite noch die Haare und schminkte mich ein
wenig. „Es reicht, wenn man die Augen betont“, sagte sie. „So“, meinte sie
später, „jetzt bin ich mal gespannt, was mein Bruderherz zu deinem Styling
sagt. Wahrscheinlich sagt er gar nichts, ich wette mit dir, dass ihm die Worte
fehlen und das ist äußerst selten!“ Wir gingen ins Wohnzimmer, aber von Paddy
keine Spur. Wir warteten einfach und irgendwann kam er aus’m Schlafzimmer.
„Hey, Schatz, wir sollten uns beeilen“, fing er an, aber weiter kam er nicht.
Dann schien er nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich hab’s dir ja gesagt“,
flüsterte Maite triumphierend. Paddy kam zu mir und strahlte mich an. „Du
siehst wunderschön aus!“ Als Antwort küsste ich ihn. „Sorry, aber ich muss los.
Viel Spaß heute Abend“, meldete sich Maite und war dann auch schon weg. Unser
„Tschüs!“ hörte sie schon gar nicht mehr. Paddy hielt meine Hände, sah mich von
oben bis unten an und sagte: „Du bist so wunderschön, ich weiß gar nicht...mir
fehlen echt die Worte!“ „Paddy? Halt die Klappe“, sagte ich und legte ihm den
Finger auf den Mund. „Ich liebe dich“, flüsterte ich. Er küsste mich und
antwortete: „Ich dich auch! So, jetzt müssen wir aber echt los!“
„So wir sind da!“ „Aber da ist es ja stockdunkel“, meinte ich.
Paddy nahm meine Hand und zog mich zur Tür. Wir gingen hinein. „Würdest du mit
mir tanzen“, fragte er leise. „Aber...“, fing ich an, als gedämpftes Licht
anging und leise Musik erhallte. Paddy sah mich abwartend an. „OK.“ Er legte
seinen Arm um meine Taille und nahm meine Hand. „Warte, sonst flieg ich über das
Kleid“, sagte ich und nahm die Schlaufe, die am Kleid befestigt war, ums
Handgelenk. „So, jetzt können wir!“ „Jetzt musst du kurz warten!“ „Warum?“
„Darum“, sagte er und küsste mich zärtlich. Dann tanzten wir lange, sehr lange,
es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Wir sahen uns die ganze Zeit in die Augen und
in Paddys Augen stand pures Glück und ich konnte mir vorstellen, dass er in
meinen Augen dasselbe fand. Ein langsamer Song wurde gespielt. Paddy zog mich
an sich und ich lehnte mich an ihn, während er mich fest umarmte. Als das Lied
zu Ende ging, flüsterte er mir ins Ohr: „Ich liebe dich!“ „Ich dich auch“,
flüsterte ich zurück. Wir küssten uns leidenschaftlich. „So, jetzt haben wir
uns ein gutes Essen verdient, gell?“ Ich nickte und Paddy führte mich an einen
hübsch gedeckten Tisch. Da kam auch schon eine Kellnerin und Paddy bestellte
irgendwas Spanisches, ich hatte jedenfalls keine Ahnung, was das sein sollte.
Ich ließ ihn einfach machen. „Lass dich überraschen“, antwortete er auf meine
Frage, was das denn sei. Kurz darauf bekamen wir unsere Getränke. „Danke,
Maria“, sagte Paddy zu der Kellnerin und sie sagte, dass das Essen in etwa zehn
Minuten fertig sei. „Du bist wohl öfter hier“, meinte ich zu Paddy. „Klar.
<La Patata> ist mein Stammlokal.“ „Hätte ich mir eigentlich denken
können“, meinte ich. „Aber du bringst mich völlig um den Verstand!“ „Ich weiß“,
erwiderte Paddy und grinste. Später kam das Essen. Es war wirklich total
lecker. Gegen 23 Uhr verließen wir das <La Patata> und gingen die Rheinpromenade
entlang. Ich sah zum Mond hinauf, der sich im Wasser spiegelte. Paddy blieb
neben mir stehen. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich zärtlich.
„Ich liebe dich so sehr, dass es schon weh tut. Ich meine, du bist so schön, du
bist so lieb, du bist das beste Mädchen, das ich kenne!“ „Ich liebe dich auch!
Du bist alles für mich!“ Paddy strahlte mich an, dann nahm er mich fest in die
Arme und wir küssten uns leidenschaftlich. Später fuhren wir nach Hause. Es war
etwa halb eins. „Sag mal, hast du was dagegen, wenn ich mir die Eröffnungsfeier
von den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City anschaue? Oder willst du
schlafen?“ „Ach, auf die paar Stunden kommt’s jetzt auch nicht mehr an, da
können wir auch wach bleiben!“ „Schön!“ Die Feier war toll, wir waren
fasziniert von den Eistänzern, den Lichtern und dem Feuerwerk. Als die Flagge,
die man in den Trümmern vom World Trade Center gefunden hatte, ins Stadion
getragen wurde, stiegen mir Tränen in die Augen und Paddy drückte meine Hand.
Als das US-Eishockey-Team von 1980 das Feuer entzündete, jubelte das ganze
Stadion. Es war toll. Irgendwann war ich wohl eingeschlafen.
Am Rosenmontag waren Paddy und ich auf’m Kölner
Rosenmontagsumzug, war voll witzig.
Eine Woche später fing die Schule wieder an *kotz* Es standen
vier Klassenarbeiten an in dieser Woche. Am Montagmorgen verabschiedete ich
mich von Paddy, der mich gefahren hatte, mit einem langen Kuss. In der großen
Pause saß ich mit Sebastian, Natascha, Mara und Nikola zusammen. Ich machte
mein Handy an, könnte ja sein, dass ’ne SMS kommt. Stattdessen klingelte das
Handy. Musste wichtig sein, denn bisher hatte mich noch keine in der Schule
angerufen. Barby war dran. “Es geht um Paddy”, sagte sie leise. „Was ist mit
ihm“, fragte ich besorgt. „J, er hatte einen Autounfall. Er liegt im
Krankenhaus auf der Intensiv und schwebt in Lebensgefahr.“ „In Lebensgefahr?“,
wiederholte ich. „Er ist schwer verletzt. Bitte komm schnell in die Kölner
Unfallklinik.“ „Ich komm so schnell ich kann, ja?“ „OK, bis dann!“ „Ciao!“ Wie
in Trance packte ich meine Sachen in den Rucksack. “Was ist”, fragte Sebastian.
„Mein Freund liegt auf der Intensiv. Lebensgefahr. Autounfall.“ Mehr konnte ich
nicht sagen. „Geh nur, wir erklären den Lehrern das“, sagte Mara. „Soll einer
von uns mitkommen? Nicht, dass du noch vor ein Auto rennst“, fragte Sebastian.
„Ja, das wär lieb, wenn du mitkommst“, meinte ich. Zum Glück war die Klinik nur
eine Viertelstunde entfernt. Als wir dort ankamen, sagte ich zu Sebastian.
„Danke, dass du mitgekommen bist. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet
hat.“ Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. Paddy hatte eh keinen Grund,
eifersüchtig zu sein, da Sebastian schwul ist. „Gern geschehen. Ich drück
deinem Freund die Daumen!“ „Danke!“ Ich hetzte ins Gebäude, wo Barby schon auf
mich wartete. „Wie geht’s ihm?“ „Er hat einige Rippen gebrochen, Schädelbruch,
Schleudertrauma, überall Prellungen, Schnittwunden und Verbrennungen. Einer der
gebrochenen Rippen hat sich in die Lunge gebohrt und innere Blutungen hat er auch.“
Wir gingen zu seinem Zimmer. Paddy lag wie tot im Bett, mit etlichen Schläuchen
und Verbänden. Maite und Papa Kelly waren auch da. „Hallo, ihr zwei“, begrüßte
ich sie leise. „Hallo“, antworteten
sie. Ich nahm Paddys Hand. „Es wird alles wieder gut, Paddy, hörst du? Bitte
gib nicht auf!“ Ich strich über seine Wange. „Wie ist das überhaupt passiert?“
„Paddy hielt an ’ner roten Ampel an. Ein LKW ist ihm mit voller Power hinten
rein gefahren und hat ihn mitten auf die Kreuzung geschoben, wo ihm ein weiteres
Auto in die Fahrerseite gekracht ist. So sagt es die Polizei.“, erklärte Maite.
„Hat die Presse schon was mitgekriegt?“ „Noch nicht, aber wir werden den Grand
Prix absagen müssen, wenn er nicht bald aufwacht. Ich könnte nicht auftreten,
wenn ich weiß, dass Paddy in der Klinik um sein Leben kämpft, verstehst du?“
Ich nickte und sah dann wieder zu Paddy. „Wenn ihr euch damals nicht gezofft
hättet, hätten wir uns nie kennen gelernt“, sagte ich leise. „Wir haben uns oft
verkracht, Paddy und ich“, erzählte Maite und fing an, Erinnerungen
auszugraben. Als das Thema beendet war, sahen wir stumm auf Paddy. Wenn einer
von uns Zweifel kamen, machte Dan uns Mut und in diesem Moment habe ich ihn
wohl am meisten geliebt, dafür, dass er uns gezeigt hat, dass man nie aufgeben
darf, dass man nie den Mut verlieren darf.
Etwa zwei Stunden später gingen Maite und Dan. Sie versprachen, am
späten Nachmittag mit den anderen wieder zu kommen. Ich betrachtete Paddy. Er
sah aus, als wäre er tot. „Barby, was ist wenn er’s nicht schafft, wenn er
stirbt?“ „Er wird nicht sterben, er ist ein Kämpfer!“ Sie lächelte
zuversichtlich. Nach einer Weile stand sie auf und fragte: „Willste auch was zu
trinken?“ „Kaba, wenn’s geht.“ „OK.“ Kaum war die Tür zu, liefen mir Tränen
übers Gesicht. Es tat so weh, ihn so zu sehen – die ganzen Schläuche, Kabel,
Maschinen und Verbände. Das EKG piepste, aber was, wenn plötzlich nur noch
dieser schrecklich laute Ton, wie er in den Arztserien im TV immer zu hören
ist, wenn jemand stirbt, kommt? Ich hielt Paddys Hand. „Paddy bitte, du darfst
nicht sterben, ich liebe dich doch, ich brauch dich doch, wir brauchen dich
doch! Bitte gib nicht auf!“ Ich küsste seine Hand, dann wischte ich mir die
Tränen weg. Plötzlich wurde das Piepsen des EKGs immer schneller und lauter.
Entsetzt starrte ich auf das Gerät, als schon ein paar Ärzte ins Zimmer
stürmten. „Kammerflimmern!“ Ich stand regungslos da, während die Ärzte um Paddy
kämpften. Aber das schnelle Piepsen wurde nicht langsamer, es wurde noch
schneller und plötzlich wurde der Piepston ganz lang und laut und hatte gar
keine Pause mehr. Die Linie auf dem EKG zog sich schnurgerade durch. Die Ärzte
versuchten es mit Elektroschocks. Nach drei Versuchen war es vorbei. Die Ärzte
standen bedrückt neben Paddys Bett. Einer von ihnen drehte sich zu mir um und
schüttelte den Kopf. Ich sank mit Tränen in den Augen auf den Stuhl. Er war
wirklich tot? Das konnte doch nicht sein! Ich wollte es nicht glauben. Die Zeit
mit ihm lief wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Nein, er konnte nicht tot
sein, er durfte nicht tot sein! Ein Leben ohne ihn? Was ist mit seiner Familie,
was ist mit der Band? Er konnte doch nicht einfach so gehen! Tränen liefen über
meine Wangen. Ich fühlte mich so hilflos, ich konnte ihm nicht helfen, ich
konnte nur zusehen. Plötzlich schrak ich hoch. War da nicht gerade ein Piepsen
zu hören? Doch, da war es wieder. Auf dem EKG zeigten sich leichte Kurven. Die
Ärzte konnten es selber kaum glauben. „Wir haben ihn wieder!“ Die Ärzte
versuchten, Paddys Zustand zu stabilisieren, was auch klappte. „Er lebt. Das
Schlimmste hat er überstanden!“, meinte einer zu mir und ich sah, dass er es
selbst nicht richtig glauben konnte. Dann verließen die Ärzte das Zimmer. Kurz
darauf kam Barby wieder. Als sie mein verheultes Gesicht sah, fragte sie: „Was
ist mit dir? Du bist so blass.“ Ich heulte nur noch.
„J, alles OK?“ Barby sah mich besorgt an. „Was ist passiert“,
fragte ich leise. „Du bist ohnmächtig geworden. „Oh.“ Plötzlich fiel mir alles
wieder ein. „Was ist mit Paddy, ist mit ihm alles in Ordnung?“ „Klar, warum?“
„Weißt du’s noch nicht?“ „Was?“ Ich erzählte
Barby alles. “Er wäre beinahe gestorben, Barby, er war tot, eine halbe Minute
lang!“ Barby sah so aus, als glaubte sie das nicht so richtig. Irritiert sah
sie zu Paddy und wieder zu mir. Dann nahm sie mich in den Arm. „Ich sagte doch,
er ist ein Kämpfer und er würde es schaffen“, sagte sie mit zitternder Stimme.
„Sei froh, dass du nicht dabei warst“, antwortete ich. Sie nickte.
Später kamen alle anderen Kellys vorbei. Auch sie wurden blass,
als sie hörten, dass Paddy fast gestorben wäre. Gegen 22 Uhr meinte Patricia:
„Lasst uns nach Hause gehen!“ Die anderen stimmten zu. Nur ich blieb sitzen.
„Komm, geh nach Hause“, sagte Jimmy zu mir. „Nein, ich will bei ihm bleiben!
Brauchst gar nicht versuchen, mich umzustimmen!“ Ich blieb also alleine zurück,
redete mit Paddy, strich über seine Wange und hielt seine Hand ganz fest. Es
wurde 23 Uhr, 0 Uhr, 1 Uhr...
Als ich erwachte, war es dunkel, aber jemand hielt meine Hand.
Langsam richtete ich mich auf, als ich merkte, dass nicht Paddy meine, sondern
ich Paddys Hand hielt. Ich machte die kleine Lampe an und setzte mich wieder
hin. Plötzlich merkte ich, wie meine Hand gedrückt wurde. Ich sah zu Paddy und
merkte erst jetzt, dass er aufgewacht war. Ich konnte gar nichts sagen, nur
lachen und weinen. Paddy schien etwas sagen zu wollen und ich nahm ihm die
Beatmungsmaske ab. Wieder drückte er meine Hand und sagte leise: „Bitte weine
nicht!“ Ich lächelte und fragte: „Wie fühlst du dich?“ „Mir tut einiges weh,
aber ansonsten ganz OK.“ „Paddy, hast du das irgendwie mitgekriegt, heute
Nachmittag, du warst tot, ich fühlte mich so hilflos.“ „Ich hab dich gesehen,
zuerst bist du in der Ecke gestanden und dann auf den Stuhl gesunken. Ich hab
mich gesehen, die Ärzte. Dann war ich in einem dunklen Tunnel, am Ende war
Licht. Ich wollte hingehen, aber eine Stimme sagte zu mir: <Gehe nicht
weiter, Paddy, das Mädchen braucht dich!> <Wer bist du?> hatte ich
gefragt. <Ich bin der, an den du so sehr glaubst!> Das nächste, was ich
wieder wusste, war, dass ich hier aufgewacht bin. So, und jetzt will ich einen
Kuss von dir, dann geht es mir bestimmt wieder viel besser!“ Er grinste. Ich
küsste ihn zärtlich und er erwiderte den Kuss. „Du siehst müde aus“, sagte er
zu mir. „Schlaf weiter.“ „OK.“ Ich löschte das Licht, aber Paddy war vor mir
eingeschlafen.
Gegen 10 Uhr kamen dann die anderen vorbei. Sie waren
erleichtert, als sie sahen, dass Paddy aufgewacht war. „Ihr nehmt am Grand Prix
teil, ist das klar? Und ich trete mit auf!“ Paddy sah uns trotzig an und hätte
bestimmt die Arme vor der Brust verschränkt, wenn er keine Schmerzen gehabt
hätte. „Ach Paddy, bei deinen Verletzungen glaub ich, dass du vor nächster
Woche nicht mal aufstehen darfst“, sagte Maite. Jetzt sagte Paddy gar nix mehr,
aber seine Augen funkelten. „Dann tretet ihr eben ohne mich an“, meinte er,
aber ich sah, dass ihm das gar nicht passte. Als wir alleine waren...“Ich will
da hin und mir ist egal wie!“ „Paddy, bitte reg dich nicht so auf, sonst kriegst
du vielleicht wieder Kammerflimmern oder sonst was!“ „ Ich will aber dahin und
wenn die mich im Bett auf die Bühne schieben, das ist mir scheißegal!“ „Paddy,
bitte!“, sagte ich und nahm seine Hand. Er begann plötzlich, zu schwitzen, das
EKG piepste schneller und fasste sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an sein
Herz. „Paddy, was ist?“ „Es geht schon, mach dir keine Sorgen“, sagte er,
stöhnte dann aber vor Schmerzen auf. Da kam auch schon en Arzt ins Zimmer. Er
versorgte Paddy und ermahnte ihn: „Sie brauchen absolute Ruhe!“ „Ist
angekommen, Doc!“, murmelte Paddy. „Ich soll mir keine Sorgen machen“, sagte
ich bitter, nachdem der Arzt gegangen war. Paddy lächelte unschuldig. „Ich find
das überhaupt nicht lustig Paddy, ich will dich nicht noch mal so knapp vorm Tod
sehen wie gestern verdammt, ich liebe dich! Ich will dich doch nicht
verlieren!“ „Ich dich doch auch nicht. Komm her, ich liebe dich!“ Wir küssten
uns zärtlich.
Während Paddys dreiwöchigem Krankenhausaufenthalt besuchte ich
ihn jeden Tag, er machte meine Englisch-Hausaufgaben und meckerte oft rum, dass
er nicht Gitarre spielen konnte, weil ihm alles wehtat. Den Grand Prix sahen
wir uns im TV an und riefen auch ein paar Mal an und Paddy ärgerte sich ganz
gewaltig, dass er nur zweimal durchkam. „Hey, das Voting ist gefakt, das sieht
ja ’n Blinder mit’m Krückstock!“ „Jetzt warte doch mal ab!“ Als die Top drei
bekannt gegeben wurden, waren wir voll sauer. „So ein Mist!“, fluchte ich, aber
Paddy meinte: „Siehste, so ist das eben, wenn Paddy Kelly nicht da ist. Dann
rufen viele Fans gar nicht an, weil sie nur mich wollen und nicht die anderen.“
„Ach Quatsch, das liegt doch nicht daran! Corinna May hat eben mehr Stimmen
bekommen, es ist zwar scheiße, aber was willste machen?“ „Naja, ist ja auch
egal. Aber Maite wird’s sehr wehtun. <I wanna be loved> ist ihr intimstes
Lied und sie hat alles gegeben, was sie hatte. Hast du gesehen, wie sie
gezittert hat? Sie konnte nicht besser singen, sie war total nervös, das hab
ich ihr angesehen und gehört. Ach, wenn ich nur wüsste, welchen Platz sie
gemacht haben.“
Das bekamen wir zwei Tage später raus. „Scheiße, war das knapp.
Aber überleg mal, wenn da alle, die für uns angerufen haben, immer
durchgekommen wären, hätten wir gesiegt. So’n Mist!“ Paddy lehnte sich zurück.
„Es tut mir echt leid für euch.“ „Ach ist egal. Wir haben unsere Fans!“ „Eine
Brieffreundin von meiner Brieffreundin hat es so geschrieben: <Corinna
May singt für Deutschland und die Kellys singen für uns!>“ „Stimmt, wir
singen für unsere Fans, für die, die uns hören wollen. Mehr brauchen wir
nicht.“
Schließlich durfte Paddy aus dem Krankenhaus raus. Zu Hause
staunte Paddy nicht schlecht: Ich hatte überall Kerzen und rote Rosen
aufgestellt. „Herzlich Willkommen zu Hause!“, sagte ich und wir küssten uns
lange. „Komm mit“, sagte ich leise und führte ihn in die Küche, wo ich den
Tisch hübsch gedeckt hatte. „Ich hab dein Lieblingsessen gemacht!“ „Du bist
echt süß“, sagte er strahlend, dann küssten wir uns leidenschaftlich.
Am Montag in der Schule erfuhren wir, dass wir für TV
(Textverarbeitung am PC) einen neuen Lehrer bekommen würden. Unsere Lehrerin
war krank und wenn man zu zweit an einem PC sitzt, lernt man nicht soviel,
finde ich. Wir waren voll gespannt auf Herrn Schneider. Als er am Dienstag in
den Computerraum trat, war nichts mehr, wie es vorher war. Rico (sein Vorname)
war groß, hatte kurze schwarze Haare und eine klasse Figur. Nach der Stunde
meinte Natascha zu mir: „Der Typ sieht voll geil aus, oder?“ „Aber echt!“,
antwortete ich. „Hey, wenn ich nicht mit’m Michi zusammen wäre, den würde ich
nehmen!“, mischte sich Katrin ein. „Habt ihr gesehen, wie viele Muskeln der
hat? Dieser Body ist einfach perfekt!“, schwärmte Nadine. „Ich dachte, du bist
mit Tobi zusammen?!“, sagte Katrin. „Ja, aber wenn ich’s nicht wäre, würde der
Typ nicht mehr lange Single sein.“ „Woher willste wissen, dass er Single ist?“
„Er hat kein Ring oder sonstigen Schmuck, nur ein Ohrring.“ „Also, was du
wieder alles siehst!“ Wir lachten und gingen in unser Klassenzimmer. Ich blieb
die ganze Zeit still. Rico hatte in mir Gefühle geweckt, die ich nicht kannte
und nicht deuten konnte. Was war nur los mit mir?
In der ersten Schulwoche nach den Osterferien, also in der Woche
vom 08.04., bat Herr Schneider mich, kurz zu warten, ich solle bitte das
Klassenbuch mitnehmen, das Nadine mal wieder vergessen hatte. Nachdem er
eingetragen hatte, gab er mir das Buch. „Hier bitte!“ „Danke!“ Wir sahen uns in
die Augen und mir wurde ganz heiß. Ich wusste nicht, wie lange wir uns in die
Augen sahen, jedenfalls sagte ich: „Ich muss los. Tschüs!“ Schnell ging ich und
lehnte mich auf dem Flur an die Wand. Verdammt, was tat ich hier nur? Ich liebe
Paddy und sonst nichts und niemanden, sagte ich mir im Inneren immer wieder. Zu
Hause erwartete Paddy mich schon. „Hey, mein Schatz“, sagte er und küsste mich
stürmisch. „Was is’n mit dir los?“, fragte ich. „Nichts, ich bin nur gut drauf,
reicht das?“ „OK, reicht!“ Wir küssten uns leidenschaftlich und ich zog ihm
sein Sweatshirt aus, während er meine Bluse aufknöpfte. „Hey, so stürmisch kenn
ich dich ja gar nicht!“ „Tja, Kellys sind immer für eine Überraschung gut“,
grinste er und küsste mich wieder, dann zog er mich aufs Bett...
„So leidenschaftlich kenn ich dich gar nicht, hab ich was
verpasst?“ „Süße, du musst noch viel lernen!“, sagte er und küsste mich
zärtlich.
Zwei Tage später, wir hatten mal wieder TV, merkte ich, wie Rico,
wie ich ihn heimlich nannte, mich anstarrte. Am Ende der Stunde sagte er noch,
dass er am nächsten Tag Prüfungsvorbereitungskurs gäbe, wer Lust hätte, könne
gerne kommen. Ich hörte die anderen hinterher reden: „Ich muss arbeiten.“ Oder
„Ich muss auf Englisch lernen“. PC-Fans sind die Mädels in meiner Klasse
wirklich nicht. Naja, ich beschloss, mir das mal anzugucken. Als ich heimkam,
sagte ich Paddy, dass ich morgen später kommen würde, wegen dem PC-Kurs.
Als ich dann am nächsten Tag in den PC-Raum kam, war noch keiner
da. Ich grüßte Rico und setzte mich an eine Kiste. Wir warteten noch, bis die
Pause vorbei war, da viele von uns sich schnell ’ne Kippe reinziehen. Aber es
kam niemand mehr. „Tja, sieht so aus, als wären wir allein hier“, meinte Rico
dann. „Dann bringen Sie eben nur mir was bei“, meinte ich. „Gut, wenn du
willst.“ Er gab mir ein Aufgabenblatt und überprüfte inzwischen die anderen
PCs, ob sie alle in Ordnung wären. „Scheiße, was ist jetzt?“, fluchte ich, als
eine Fehlermeldung kam. Rico kam zu mir. Er beugte sich über mich, und tippte
auf der Tastatur rum. Sein Gesicht war rechts neben meinem und mir wurde
tierisch heiß. „Siehste, das war’s schon“, sagte er. Ich konnte nur nicken und
ihn mit großen Augen ansehen. In seinen Augen konnte ich Begierde erkennen.
„Sag mal, wir könnten auch was anderes machen“, fing er an. „Was denn?“, fragte
ich. Er stand auf, ging zur Tür und schloss ab. Mir wurde bange. Was würde
jetzt kommen? Ich stand sicherheitshalber auf. Er kam auf mich zu und sah mich
an. Zuerst in meine Augen, dann wanderten seine Blicke über meinen Körper. Dann
zog er mich an sich und küsste meinen Hals, sein Atem ging schnell und erregt.
Ich stieß ihn weg und machte ihm klar, dass mit mir nichts läuft und er solle
die Tür aufschließen. Ich ging zur Tür und wartete. Plötzlich spürte ich seine
Hände an meiner Taille, er tastete sich unter mein Top und streichelte meinen
Bauch. Ich zitterte, denn ich wusste, dass ich keine Chance gegen ihn hatte.
Seine Hände wanderten zu meinen Brüsten und sein schneller Atem strich über
meinen Hals. Lange streichelte er mich so, dann zog er mir das Top aus. Ich
hatte Angst. Dann küsste er wieder meinen Hals und den Nacken, dann ging er
tiefer und küsste meine Brüste, dann meinen Bauch. Er öffnete meine Jeans und
zog sie mir runter. Dann stand er wieder auf, sah mich an und begann, mich zu
küssen, auf den Mund, mit Zunge, auf den Bauch, die Brüste, überall. Mir wurde
ganz heiß und schwindlig, ich wollte das doch gar nicht, aber mein Verstand
schien auszusetzen. Ich riss ihm das T-Shirt vom Leib und begann, seinen
Oberkörper zu küssen und zu streicheln. Rico drückte mich an die Wand und
küsste mich von oben bis unten, öffnete meinen BH und zog mir schließlich den
Slip aus, dann öffnete er seine Jeans und zog sie aus und seine Boxershorts
gleich mit. Seine Hände uns sein Mund waren überall. Er zog mich auf einen
Tisch und drang in mich ein. Es tat sehr weh, aber er war zu geil, um überhaupt
denken zu können. Als er fertig war, legte er sich auf den Tisch daneben und
hatte seine Hand auf meiner Brust. Er atmete schwer und ich fühlte mich
widerlich, beschmutzt und leer. Aber ich hatte keine Zeit, um weiter darüber
nach zu denken, denn seine Hand wanderte von meiner Brust nach unten drehte
einen Kreis und meinen Bauchnabel und ging dann immer tiefer, bis er sein Ziel
gefunden hatte. Ich stand auf und wollte mich anziehen, da sprang er auf und
fragte, wohin ich denn wolle, die Stunde sei erst in 15 Minuten vorbei. Er
hielt mich fest und drückte mich mit aller Kraft gegen die Wand, was ihn nicht
hinderte, mich wieder von oben bis unten zu küssen. Ich wusste nicht, wie er es
schaffte, dass mein Körper darauf ansprach, obwohl sich in meinem Kopf alles
dagegen sperrte. Mein Verstand hatte wohl nichts mehr zu melden, als ich Rico
küsste. Was dann geschah, hatte sich tief in mein Gedächtnis gegraben, obwohl
ich immer noch versuche, es zu verdrängen. Rico forderte doch tatsächlich
Französisch von mir! Ich machte ihm klar, dass ich keine Hure sei und er alles
mit mir tun könne, aber das nicht. Aber das hätte besser nicht sagen sollen,
denn er ging zu seiner Tasche und holte zwei Seidentücher heraus. Dann drückte
er mich ohne Vorwarnung zu Boden, setzte sich auf mich und fesselte mich an
zwei Tischbeinen fest. Ich bekam Angst und er drohte, mich auf den Strich zu
schicken, wenn ich nicht tat, was er wollte und ihn verpfeifen würde. Dann
küsste er mich wieder von oben bis unten und ich tat mein Bestes, um mir meine
Angst nicht anmerken zu lassen. Irgendwie schaffte er es wieder, dass ich es
plötzlich doch wollte, dass ich ihn wieder spüren wollte. Das war doch nicht
mehr normal! Als er fertig war, meinte er: „Na also, Kleine, geht doch! Zick
nächstes Mal bloß nicht so rum!“ Ich nickte nur. Wieso nächstes Mal? Rico band
mich los und ich zog mich an. „Wenn du auch nur ein falsches Wort zu der
falschen Person sagst, passiert was, hast du mich verstanden!?“ Ich nickte
eingeschüchtert. Dann ertönte die Klingel. Diese 45 Minuten kamen mir vor wie
eine Ewigkeit. Wie sollte ich das Paddy bloß erklären oder nicht erklären?
Als ich nach Hause kam, fand ich nur einen Zettel vor: „Ich bin
grad in ’ner Besprechung, bin gegen 17 Uhr wieder da. Ich liebe dich! Paddy“
Tränen liefen über mein Gesicht, es tat mir alles so leid, dass ich das getan
hatte, anderseits hatte ich auch furchtbare Angst vor Ricos Drohungen. Ich
fühlte mich so schmutzig und legte mich in die Badewanne, aber jetzt erschien
mir alles noch viel klarer als vorhin in der Schule. Hoffentlich hatte das
niemand mitbekommen. Der PC-Raum war im zweiten Stock, dort waren in der 7.
Stunde keine anderen Klassen mehr, aber vielleicht im Ersten? Bloß nicht!
Irgendwann stieg ich aus der Wanne und zog mir frische Sachen an.
Als Paddy endlich nach Hause kam, begrüßte er mich mit einem
zärtlichen Kuss. „Hallo, meine Süße!“ „Hi, Schatz! Na, was ist bei der
Besprechung rausgekommen?“ „Ach nur, ob wir die Playlist für die Frühjahrs- und
Sommertour noch mal ändern, werden wir wahrscheinlich auch machen.“ Ich
lächelte matt. „Hey, Engel, was hast du denn?“ Er setzte sich besorgt neben
mich und nahm mich fest in die Arme. „Ich muss dir was sagen, Paddy“, fing ich
mit zitternder Stimme an. „Ich war heute Nachmittag mit ’nem anderen in der
Kiste!“ Sofort ließ er mich los und sah mich ungläubig an. „Das ändert aber
nichts daran, dass ich dich liebe, Paddy!“ „Weißt du überhaupt, wie weh das
tut“, fragte er leise. „Paddy, ich liebe wirklich nur dich, für Rico empfinde
ich gar nichts, ehrlich!“ Im nächsten Moment brannte meine Wange wie Feuer. „Du
hast es mit deinem Lehrer getrieben?!“, rief Paddy völlig außer sich. „Was
konntest du denn bei ihm lernen? Wie oft habt ihr’s denn getrieben, dein geiler
Lehrer und du?“ „Zweimal“, sagte ich
leise. „Ich glaub das einfach nicht! Ich hab dir vertraut und du? Springst mit
deinem Lehrer ins Bett!“ Völlig aufgelöst saß Paddy neben mir. Er tat mir so
leid. Nach einer Weile strich ich ihm vorsichtig über den Rücken. „Lass das
bitte“, sagte er. „Ich hab dich geliebt, ich wollte dich fragen, ob du mich
heiraten willst, ob du mit mir Kinder haben willst. Du hast alles kaputt
gemacht!“ „Ich hätte <ja> gesagt, ich will <ja> sagen, ich will
Kinder mit dir! Paddy, du bist meine erste Liebe, ich hab doch nicht die
Erfahrung, ich wollte dir nicht wehtun, ich wollte das alles doch gar nicht...“
Paddy sah mich nicht mal an. „Sag doch was, bitte!“ „Was soll ich denn sagen,
was willst du denn hören?“, fuhr er mich an. „Sorry, ich wollte dich nicht
anschreien. Sorry auch wegen der Ohrfeige.“ „Ist schon okay, ich hab’s ja auch
verdient. Mit tut’s leid, ich hab das echt nicht gewollt, ich war mir über die
Konsequenzen nicht im Klaren. Ich wollte unsere Liebe nicht aufs Spiel setzten.
Ich liebe dich noch mehr als am Anfang und auch dieser Fehltritt ändert das
nicht!“ Gelähmtes Schweigen. „Weißt du noch, im Krankenhaus, was für Sorgen ich
mir um dich gemacht habe? Jeden Tag bin ich neben deinem Bett gesessen, nur um
bei dir zu sein, und es war schwer, für dich und für mich. Als du dieses
Kammerflimmern gehabt hast und fast gestorben wärst, war ich da, ich war
hinterher total mit den Nerven am Ende, Barby sagte, ich sei ’ne Viertelstunde
ohnmächtig gewesen. Ich hab mich so schuldig gefühlt, dem Menschen nicht helfen
zu können, den ich am meisten liebe. Weißt du überhaupt, wie schlimm diese Zeit
für mich war? Ich hab alles ertragen, wegen dir, weil ich dich mehr liebe als
mein Leben, kapierst du?“ Paddy machte ein Pokerface. „Lass mich mal in Ruhe
nachdenken, okay?“ „Okay.“ Paddy nahm seine Jacke und seinen Schlüssel. „Bin
bald wieder da.“ „Tschüs.“
Ich rief Maite an. Zuerst war sie ein bisschen sauer auf mich,
aber ich erzählte ihr alles, komplett alles, auch von den Drohungen und da
verstand sie mich.
Paddy kam erst spät abends gegen 23 Uhr wieder zurück. Ich sah
ihn abwartend an. Er setzte sich neben mich und sah mich nur an. Er hatte immer
noch Pokerface, aber in seinen Augen war etwas, was vorhin noch nicht da war.
„Sag mal, was ist? Du hast so’n komisches Glitzern in den Augen.“ Als Antwort
umarmte er mich fest. „Ich tu so was garantiert nie mehr, versprochen!“ „Scht!
Lass mich dich einfach nur halten.“, sagte er leise und drückte mich noch
fester an sich.
Aber unsere Beziehung war nicht mehr dasselbe. Paddy war sehr
misstrauisch, wenn ich wegging. Wir küssten uns nur noch selten, er verweigerte
jegliche Zärtlichkeiten. Paddy vertraute mir nicht mehr und ich konnte es ihm
eigentlich nicht verübeln, aber er wusste doch nur die halbe Wahrheit. Seine
Liebe fehlte mir sehr, deswegen hörte ich immer <I wanna be loved>, in
der Hoffnung, dass Paddy es merkte, denn ich traute mich nicht, mit ihm zu
reden, in der Angst, er würde mir nicht glauben. Ich hörte mal wieder <I
wanna be loved>, als Paddy von ’nem Interview zurückkam. „Hi!“, sagte er. „Hallo.“ „Du siehst so bedrückt aus. Was ist los?“ Als Antwort
drehte ich die Stereoanlage noch lauter, wo Maite gerade den Refrain sang. Er
sah mich komisch an, als wüsste er nicht, worum es ging. Das konnte doch nicht
sein! Jetzt brach alles aus mir heraus, ich schrie ihm alles ins Gesicht und
sank dann weinend aufs Sofa. „Oh Gott, J, warum hast du mir das nicht gesagt?“
„Ich dachte, du würdest mir nicht glauben“, sagte ich leise. Paddy umarmte mich
fest. „Ich hab Angst, Paddy.“ „Ich weiß. Ich hab auch Angst. Aber gemeinsam
schaffen wir das schon, hörst du?“ Er nahm mein Gesicht in seine Hände und
küsste mich zärtlich. „Ich liebe dich, J, ich hab dich immer geliebt!“ „Ich
liebe dich auch!“ Wir küssten uns leidenschaftlich. „Wenn du wüsstest, wie sehr
ich das vermisst habe“, flüsterte er. „Aber ich dachte...“ „Was?“ „Ich dachte, du wolltest nicht, du hast
dich immer zurück gezogen, wenn ich dich küssen wollte.“ „Und wenn ich wollte,
hast du die Schotten dicht gemacht!“ „Komisch, was?“ Wir lachten uns an und
umarmten uns fest.
Einige Wochen später kam Paddy von der Firma zurück. „Hi!“, sagte
er und gab mir einen Kuss. Dann zog er die Kapuze von seinem Kopf. Ich bekam
fast einen Schreikrampf: „Oh Gott, was hast du mit deinen Haaren gemacht?!“
„Gefällt’s dir nicht?“ „Naja, etwas gewöhnungsbedürftig ist es schon, dich mit
so kurzen Haaren zu sehen. Warum hast du das gemacht?“ „Ich wolle halt mal was
Neues machen, mein Outfit verändern.“ „Hättest mich ja wenigsten warnen können.
Ich wäre vor Schreck beinahe tot umgefallen!“ Paddy grinste und ich strich ihm
über die kurzen Haare. Dann holte er einen Zettel aus der Jackentasche. „Was
ist das?“ „Ein Fax von Stern TV. Die haben doch wieder eine Tourreportage über
uns gedreht und mir jetzt den Ausstrahlungstermin geschickt. Sie wollen mich
einladen, aber nicht nur wegen der Tour, sondern auch wegen dem Unfall, den ich
damals hatte.“ „Und? Gehste hin?“ „Naja, von dem Unfall hab ich ja nicht viel
mitbekommen. Aber...ach nee, vergiss es!“ „Was denn?“ „Nee, nee, hat sich
erledigt!“ „Jetzt sag schon!“ „Du könntest mitkommen“, meinte er zögernd. „Ich?
Und was ist mit den Fans?“ „Das ist ja das Problem.“ „Und wenn wir erst an dem
Tag bekannt geben, dass wir kommen? Das ist ja live, oder?“ „Ja. OK, ich ruf
mal an und frage, ob das geht.“ Nach dem Telefonat... „Es klappt.“ „Wann ist
das denn?“ „In drei Wochen, also Anfang August.“ „Und du meinst wirklich, ich
soll mit?“ „Vom Kammerflimmern hast du mehr mitgekriegt als ich...“ „Naja, OK,
weil du’s bist!“ „Danke! Ich liebe dich!“ „Ich dich auch!“
Am Tag von Stern TV fuhren wir am Nachmittag schon ins Studio.
Uns wurde alles gezeigt und um kurz vor 22 Uhr wurden wir in die Maske gebeten
und geschminkt, d. h. ich schon, Paddy bekam nur Puder ins Gesicht. Ich war
total aufgeregt, Paddy nicht, er war das ja gewohnt. Kurz bevor wir dran waren,
nahm Paddy meine Hand, küsste mich und sagte: „Das klappt schon, keine Angst!“
Ich nickte und dann wurden wir auch schon ins Studio gebeten. Günther Jauch
begrüßte uns und wir setzten uns auf unsere Plätze. Zuerst quatschte Günther
mit Paddy über die Tour, dann kam er auf den Unfall zu sprechen. Paddy begann
zu erzählen: „Also, ich hab meine Freundin in die Schule gefahren, weil ich
sowieso in die Stadt musste. Nach meinem Termin bin ich nach Hause gefahren. An
einer roten Ampel hab ich angehalten und dann merkte ich plötzlich, wie mein
Auto mit einem Ruck nach vorne geschoben wurde. Im Rückspiegel sah ich den LKW.
Das Letzte, was ich wusste, waren quietschende Reifen. Dann war nichts mehr.“
Günther wandte sich an mich: „Wie haben Sie von dem Unfall erfahren?“ „Bitte
duzen, sonst komm ich mir so erwachsen
vor.“ „OK, also, wie hast du davon erfahren?“ „Paddys Schwester Barby hat mich
in der großen Pause in der Schule angerufen. Ich bin sofort mit Sebastian aus
meiner Klasse in die Klinik gerannt. Er meinte, ich solle nicht allein gehen,
sonst würde ich vor Aufregung noch vor ein Auto laufen oder so. Danke noch mal
Sebi, gell?! Also, falls du zufällig zukuckst! Ok, in der Klinik hat Barby
schon auf mich gewartet, wir sind sofort zu Paddys Zimmer gerannt. Auf dem Weg
dorthin hat sie mir alle Verletzungen aufgezählt. Als ich das Zimmer betreten
habe, dachte ich zuerst, ich hab mich in der Tür geirrt, weil ich ihn vor
lauter Maschinen, Schläuchen, Verbänden und Kabeln gar nicht gesehen habe. Er
sah aus, als wäre er tot. Dan und Maite waren auch da. Wir haben mit Paddy
geredet und uns gegenseitig Mut gemacht. Dan war echt toll, er hatte keine
Sekunde daran gedacht, dass Paddy sterben könnte, er hat uns immer wieder
aufgebaut und Mut gemacht! Später sind Maite und er dann gegangen. Barby hat
uns später was zu Trinken geholt und als ich dann alleine im Zimmer saß und ihn
angesehen habe...ich weiß nicht, irgendwie bekam ich Angst, dass er’s nicht
schafft. Kurz darauf hat er Kammerflimmern gehabt, die Ärzte haben alles
versucht, aber es hat nicht funktioniert...“ Ich atmete tief durch und Paddy
drückte meine Hand. „Die Ärzte haben dann gesagt, er wäre tot. Ich bin dann erst
mal in den Stuhl gesunken, hab immer nur gedacht <Das konnte nicht sein, er
durfte nicht tot sein>, geweint... Und dann, piepste das EKG auf einmal
wieder. Ich dachte zuerst, ich bilde mir das nur ein, aber dann hörte ich die
Ärzte reden und einer sagte mir, Paddy wäre über’n Berg. Dann hab ich nur noch
geheult. Ich meine, er war tot, er war eine halbe Minute lang tot...“ „Ich hab
davon nur soviel mitgekriegt, dass ich das ganze Zimmer von oben gesehen habe,
J, die Ärzte mich... dann war ich plötzlich in einem dunklen Tunnel, an dessen
Ende war Licht. Ich wollte schon hingehen, da hat irgendeine Stimme gemeint,
ich soll da nicht hingehen, J würde mich brauchen. Das nächste, was ich dann
wusste war, wie ich aufgewacht bin, es war dunkel und sie hielt meine Hand.“
„Es war mitten in der Nacht, aber ich war nur so froh, dass er’s geschafft
hatte. Am nächsten Tag hat er dann mit seinen Geschwistern rumdiskutiert, von
wegen er wolle unbedingt in Kiel auftreten und so. Er hat sich den ganzen
Nachmittag darüber aufgeregt, bis er so’ne Art Herzanfall bekommen hat. Dann
hat er’s begriffen.“ „Krankenhäuser sind langweilig, vor allem wenn ich nicht
Gitarre spielen kann. Mit tat ja alles weh.“ „Wie habt ihr euch eigentlich
kennen gelernt?“ „Erzähl du“, meinte ich, aber er erwiderte: „Nee, fang du an.“
„OK, also das war irgendwann im Januar. Ich war in Köln shoppen und bin noch
zum Dom gegangen. Ich geh also die Mauern entlang, bis ich über irgendwas
stolpere. Das war Paddys Fuß. Naja, er saß da, völlig durchnässt, hatte Fieber,
war völlig teilnahmslos. Ich hab ihm gesagt, er gehöre ins Bett, sonst würde er
sich eine Lungenentzündung holen. Er hat bloß mit den Schultern gezuckt, da hab
ich ihn einfach mit zu mir genommen, hab ihn ins Bett gepackt und versucht, das
Fieber runter zu kriegen.“ „Ich konnte damals nicht nach Hause, ich hatte Krach
mit den anderen, weil ich mich so blöd benommen habe. Aber das haben wir wieder
in die Reihe gekriegt.“ „Und wie ging’s weiter“, fragte Günther neugierig.
„Paddy hat ein paar Stunden gepennt, dann ging’s ihm wieder besser.“ „J hat
dann Spaghetti mit Tomatensoße gekocht, ich bin total verrückt danach, da hatte
sie dann schon ein Stein im Brett bei mir.“ Paddy und ich mussten lachen.
„Jedenfalls haben wir viel geredet, noch ein Video geguckt und Tee zusammen
getrunken und irgendwann, spät abends, muss nach Mitternacht gewesen sein, sind
wir uns dann näher gekommen.“ „Können wir das mal sehen?“, fragte Günther mit
Dackelblick und -Ton. Die Zuschauer lachten herzlich. Paddy wurde etwas verlegen,
aber ich sah ihn nur an und dann küssten wir uns zärtlich. Einige Zuschauer
pfiffen. Wir lösten uns voneinander. Paddy kramte in seiner Hosentasche rum und
holte irgendwas raus, ich konnte nicht sehen was. Dann sah er mir tief in die
Augen, drückte meine Hand ganz fest und fragte: „Willst du mich heiraten???“ Im
Studio wurde es ganz still, während mir die Tränen kamen. Paddy sah mich
erwartungsvoll an. Ich musste mich erst mal beruhigen. Als ich mich wieder
eingekriegt hatte, fragte Paddy leise: „Und??? Willst du???“ „Ja, klar, was
denkst du denn?“ Ich sah Erleichterung in Paddys Gesicht, bevor er mich fest in
den Arm nahm. „Ich liebe dich!“ „Ich dich auch!“ Jetzt sah ich, was Paddy
vorhin aus der Tasche zog: Einen silbernen Ring mit einem klitzekleinen blauen
Saphirsplitter. Er steckte mir den Ring an den rechten Ringfinger, während das
Studiopublikum pfiff und klatschte. „So, dann hab ich die Ehre, als Erster zu
gratulieren. Herzlichen Glückwunsch euch beiden! Ihr lasst euch aber noch Zeit,
oder?“ „Wir haben alle Zeit der Welt, J ist auch erst 17 und wir brauchen uns
nicht zu beeilen.“ „OK, dann wünschen wir euch beruflich und privat alles Gute
für die Zukunft!“ „Danke!“ Günther gab uns beiden die Hand. „Das waren Paddy
Kelly und seine Verlobte, meine Damen und Herren!“ Während des nächsten
Beitrags verließen wir das Studio. „Das Wort ist noch total ungewohnt, nicht?“
„Ja, du bist jetzt nicht mehr meine Freundin, sondern meine Verlobte, diejenige
die ich heiraten will und mit der ich zusammen sein will, bis ich sterbe!“ „Du
bist echt süß“, sagte ich und küsste ihn.
Einige Tage später war ich mit Maite shoppen. Es war schon
dunkel, als wir uns verabschiedeten. Ich fuhr weiter mit der Straßenbahn und
hatte es von der Haltestelle nicht mehr weit bis nach Hause. Plötzlich wurde
ich von hinten gepackt und mir wurden Mund und Nase zugehalten, bis mir ganz
schwindlig wurde.
Ich erwachte. Es war dunkel und ich spürte, dass ich mit
Handschellen irgendwo gefesselt war. Ich tastete um mich herum und stellte
fest, dass ich auf einer Matratze auf dem Boden lag. Wo war ich hier bloß? Ich
suchte mein Handy, aber es war weg. Wie spät es wohl war? Paddy machte sich
bestimmt schon Sorgen. Plötzlich ging eine Tür auf und ein Lichtschein fiel in
den Raum. Schien ein Keller zu sein. „Na, Kleine? Du wirst mir noch viel Kohle
einbringen!“ Diese Stimme kannte ich doch... aber woher? „Dein Freund,
‚tschuldigung, dein Verlobter tauscht seine Kohle bestimmt gerne gegen dich!“
„Und was mach ich hier so lange?“ „Du hast Glück, Kleine, wir haben sogar einen
Job für dich!“ Mit diesen Worten befreite er mich von den Handschellen und zog
mich hoch. „Du erscheinst mit zu neugierig, Kleine!“ Er verband mir die Augen
und hielt mir ein Messer an den Hals. „Zick bloß nicht rum!“ In einem stilvoll
eingerichteten Zimmer nahm er mir die Augenbinde ab. Ein Schreibtisch mit Stuhl
stand da, ein kleiner runder Tisch mit zwei Stühlen, ein paar Schränke, ein
großes Bett und im Bad gab’s sogar einen Whirlpool. Was sollte das alles?? Als
ich mich umdrehte, stand neben dem Sonnenbrillentyp, der mich bedroht hatte,
noch ein anderer, ich schätzte ihn auf Mitte 40. Er gab dem Sonnenbrillentyp
mehrere große Scheine und dieser meinte: „Du kannst mit ihr machen, was du
willst! Sie gehört dir!“ „Was?“ rief ich, aber der Sonnenbrillentyp war schon
weg. Jetzt stand ich alleine mit diesem alten Sack da. „Keine Angst, Kleine,
ich tu dir nichts!“, fing er an und begann, mich zu befummeln. „Hey, lass diese
Scheiße!“, sagte ich und wehrte mich so sehr ich konnte. Aber er holte sich
trotzdem, was er wollte, dann ging er und ich blieb weinend zurück. Ich
vermisste Paddy so sehr. „Hey, Kleine, heul nicht!“ Der Typ mit der
Sonnenbrille war wieder da. Er verband mir die Augen und verlangte dann Paddys
Handynummer. „Du darfst kurz mit ihm reden“, sagte und drückte mir sein Handy
in die Hand. Als Paddy sich meldete... „Paddy, ich bin’s!“ „Na endlich, wo bist
du denn, ich mach mir Riesensorgen!“ Tränen stiegen mir in die Augen. „Ich
liebe dich, Paddy!“, schluchzte ich. Da nahm mir der Typ das Handy weg. „Drei
Millionen Euro und du kannst sie wieder haben!“ Er teilte Paddy Übergabeort und
alles mit. „Keine Bullen! Sonst ist sie tot!“ Dann sperrte er mich wieder in
den Keller. Irgendwann, ich hatte geschlafen, holte er mich wieder in dieses
Zimmer, aber diesmal nahm er mir die Augenbinde nicht ab. Ich hörte zwei
Stimmen, dann merkte ich, wie die Tür wieder geschlossen wurde. Plötzlich
spürte ich zwei Hände an meiner Taille, sie tasteten sich unter mein Top und
streichelten zuerst meinen Bauch und dann meine Brüste und schneller, erregter
Atem blies über meinen Nacken. Jetzt wusste ich, wer das war, es war Rico,
wegen dem damals beinahe meine Beziehung zu Paddy kaputtgegangen wäre. Scheiße,
was sollte ich jetzt machen? Jedenfalls tat ich so, als würde ich ihn nicht
kennen und wehrte mich, wie bei den anderen drei Typen vor ihm auch. Irgendwann
war er dann so genervt, dass er mich aufs Bett stieß, sich auf mich warf und
meine Handgelenke festhielt. „Wenn du jetzt nicht aufhörst Zicken zu machen,
kannst du was erleben!“ Also tat ich gar nichts mehr. Diesmal war er voll
brutal, lag wohl daran, dass er glaubte, ich wüsste nicht, wer er war. Als er
fertig war, ging er wohl raus. Eine Weile später kam wieder jemand rein. „Hey,
Kleine, was ist, komm, du bist noch nicht fertig für heute!“ Ich musste an
diesem Tag noch dreimal ran. Als ich an diesem Abend auf meine Matratze im
Keller fiel, hoffte ich nur, dass ich bald hier rauskäme. Irgendwann schief ich
ein. Ein Geräusch weckte mich. Dann leuchteten mir mehrere Taschenlampen ins
Gesicht. „Keine Angst, wir sind von der Polizei!“ Mir fiel ein Stein vom
Herzen. Die Polizisten machten mich los und einer trug mich nach draußen. Es
war dunkel. „J?“ „Paddy? Wo bist du?“ „Hier!“ Der Polizist ließ mich runter und
dann stand Paddy auch schon vor mir und nahm mich in die Arme. „Bin ich froh,
dass ich dich wieder habe!“ „Ich hatte solche Angst!“ „Scht, es wird alles gut!
Ich bin ja bei dir!“ Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, dann brachte er mich
zu dem Krankenwagen, der da stand. Der Arzt meinte, ich solle gerade die Nacht
im Krankenhaus verbringen. Paddy blieb bei mir. Am Morgen kam eine junge
Polizistin, um mich zu befragen. Paddy hielt die ganze Zeit meine Hand, obwohl
er selber erschüttert war. Als die Polizistin wieder gegangen war, liefen mir
Tränen übers Gesicht. „Es tut mir so leid, Paddy, es tut mir so leid!“ Paddy
nahm mich in die Arme. „Was denn?“, fragte er sanft. „Na dass ich mit diesen
vielen Typen im Bett war.“ „Na hör mal, du hattest keine Wahl! Ich bin doch
nicht sauer auf dich, sondern auf die!“ Am Nachmittag durfte ich nach Hause.
Paddy war total lieb zu mir, las mir jeden Wunsch von den Augen ab. „Paddy, ich
bin weder krank noch schwanger! Ich kann mir auch selber Gläser aus der Küche
holen oder den Fernseher einschalten! Ich weiß, du hast es ja nur lieb gemeint.
Aber du musst das wirklich nicht tun, ich möchte das nicht!“ „OK“, sagte er und
begann, mich zärtlich zu küssen und zu streicheln. „Paddy, nicht! Ich kann das
nicht! Nicht nach allem, was passiert ist, verstehst du?“ Er nickte, aber ich
sah, dass er doch enttäuscht war.
Zwei Tage später rief der Arzt an, der mich im Krankenhaus
untersucht hatte. Ich solle zu ihm kommen. „Was ist denn“, fragte ich, als ich
ihm gegenüber saß. „Es tut mir leid, ihnen das sagen zu müssen. In Ihrem Blut
wurden HIV-Viren entdeckt. Das hat aber nichts zu bedeuten. Deswegen möchte ich
gern einen zweiten Test machen.“ Ich fühlte mich, als würde ich in ein tiefes
Loch fallen. Der Arzt nahm eine zweite Blutprobe. Ich rufe Sie in zwei Tagen
wieder an. Bitte machen Sie sich keine Sorgen!“ Ich nickte und ging. Paddy war
nicht da, als ich kam, ich fand nur einen Zettel, er musste Angelo etwas
helfen. Ich beschloss, ihm nichts zu sagen, vielleicht war ich doch nicht infiziert.
Aber was, wenn doch? Würden wir nie Kinder bekommen dürfen, weil sie sonst
mitinfiziert sind? Wie würde Paddy das verkraften? Würde er sich von mir
trennen? Würde er mich überhaupt noch lieben?
Als Paddy später nach Hause kam, bemerkte er sofort, dass etwas
nicht stimmte, aber ich wimmelte ihn ab. „Es ist wirklich nichts, ehrlich!“ „Na
gut!“ Er nahm mich fest in die Arme und küsste mich zärtlich. Ich erwiderte
seinen Kuss. „Ich liebe dich“, flüsterte er. „Ich dich auch!“ Wir küssten uns
leidenschaftlich und sanken knutschend und eng umschlungen aufs Sofa.
Zwei Tage später saß ich im Büro des Arztes. „Und? Bin ich
infiziert?“ „Es tut mir leid, das bestätigen zu müssen.“ Ich war voll
schockiert. Tränen liefen über mein Gesicht. „Hören Sie“, fing der Arzt an.
„Ich kann mir vorstellen, wie sie sich fühlen, aber glauben sie mir, nur weil
Sie mit HIV infiziert sind, heißt das noch lange nicht, dass Sie an AIDS
erkranken. Ihr Freund weiß es noch nicht, oder?“ Ich schüttelte den Kopf. „Wenn
ich schwanger werden würde, wäre das Baby gleich mitinfiziert, nicht?“ „Ja,
leider. Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen?“ Ich schüttelte den Kopf und
verabschiedete mich. „Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich einfach an.“
„Danke!“
Als ich zu Hause ankam, wunderte ich mich, warum es so still war.
Da entdeckte ich auf dem Boden Papier-Hufeisen, die in die Küche führten. Der
Tisch war schön gedeckt, in der Mitte stand ein dreiarmiger Kerzenständer.
Paddy saß mit dem Rücken zu mir, am Stuhl links neben ihm lehnte seine Gitarre.
Ich ging hin und umarmte ihn. „Hey, Süße!“ Er
küsste mich. “Setz dich, ich hab schon alles vorbereitet!“ Ich tat ihm den
Gefallen. Wir aßen und dann spielte Paddy mir ein neues Lied vor, es hieß
„You’re my one and only love“ Ich musste weinen, er sang da dieses wunderschöne
Lied für mich und würde gleich erfahren, dass ich HIV-positiv bin. „Das war
total schön! Danke!“ Ich küsste ihn lange. „Paddy, ich... ich muss dir was
gestehen...“ Ich nahm seine Hand, während er mich etwas ängstlich ansah. „Paddy,
ich bin HIV-positiv. Ich bin infiziert.“ Paddys Gesicht wurde blass, er war wie
versteinert. „Du hast AIDS?“ „Es tut mir so leid. Muss bei der
Entführung passiert sein.“ „Wenn wir Kinder bekommen, sind sie automatisch
mitinfiziert, nicht?“ Er tat mir unendlich leid, er wollte doch so viele Kinder
haben. Mir stiegen Tränen in die Augen. „Paddy, ich... es tut mir leid, aber
ich weiß nicht, wie’s jetzt weitergehen soll...“ „Hey.“ Er umarmte mich fest.
„Bitte wein nicht.“ „Was soll ich denn sonst machen? Mich freuen? Wir wollten
doch Kinder haben und das geht jetzt nicht mehr. Ich hab Angst, dass du
irgendwann nicht mehr damit klarkommst und mich nicht mehr liebst!“ „Wie kannst
du so was nur von mir denken?“ Er schien enttäuscht zu sein. „Es tut mir leid,
aber es erscheint alles so aussichtslos.“ „Hey, hey, damit fangen wir gar nicht
erst an. Wenn du ans Aufgeben denkst, hast du schon aufgegeben, sagt Joey
immer. Bitte, lass dich nicht hängen!“ Er sah mich bittend an. Ich nickte.
Paddy wischte mir die Tränen weg und küsste mich. „Ich liebe dich, egal was
passiert!“ „Ich dich auch“, antwortete ich leise. „So, und jetzt gehen wir ins
Internet und gucken, was wir über HIV und AIDS finden, ja?“ „OK.“ Die
Suchmaschine fand so viele Treffer, dass es unmöglich war, alle an einem Tag
durchzusehen. Also dehnte sich das auf die nächsten Tage aus. Ich lernte andere
Infizierte kennen, unter ihnen auch Anna-Maria. Sie war 16 und infiziert, seit
sie als 11jährige von einem Kumpel ihres älteren Bruders vergewaltigt wurde. Sie
kam gut damit klar und machte mir Mut.
Als Paddy an diesem Abend von ’ner Bandbesprechung zurückkam...
„Du weißt ja, dass wir bald auf Tour gehen, hm?“ „Ja, leider.“ „Hey, sieh’s
nicht so schwarz. Wir können doch telefonieren und Angelo nimmt sein Laptop
mit, dann können wir uns auch mailen.“ „Klar.“ „Komm her“, sagte er leise und
küsste mich. „Ich liebe dich!“, sagte er und küsste mich leidenschaftlich. „Ich
liebe dich auch!“ „Ich bin halt ’n liebes Kerlchen, gell?“ „Jaja, ganz
bestimmt!“ Wir lachten. Paddy sah mir tief in die Augen und küsste mich wieder.
„Komm“, sagte er leise und zog mich ins Schlafzimmer.
Einige Tage später surfte ich wieder auf einer meiner
Stamm-AIDS-Seiten, wo ich las, dass man in Atlanta, USA, ein Medikament
entwickelt hatte, das die Viren abtötet. Man suchte noch junge Freiwillige aus
Europa als Testpersonen. Kurzerhand schickte eine Mail an die genannte Adresse.
Wenn dieses zeug wirklich helfen würde, wäre wieder alles wie früher und Paddy
und ich könnten Kinder haben. Paddy fand meine Idee allerdings nicht so gut.
„Und wenn das Zeug irgendwelche Nebenwirkungen hat? Du willst wirklich deine
Gesundheit aufs Spiel setzen?“ „Welche Gesundheit? Paddy, bitte, einen Versuch
ist es doch wert! Außerdem bist du eh auf Tour.“ „Na gut, dann flieg eben nach
Atlanta. Aber sei bitte nicht enttäuscht, wenn es nicht klappt!“ „Bestimmt
nicht!“
Zuerst schlugen die Medikamente gar nicht an. Aber nach drei
Wochen schien es zu funktionieren, der Prozentsatz der Viren im Blut war bei
allen Patienten niedriger geworden, teilweise sogar bis zu 20 Prozent. Die
nächsten zwei Wochen klappte das auch, aber dann eine Woche vor Ende der Tests,
waren plötzlich alle Viren wieder da. Ich unterhielt mich mit Jenny, meiner
Zimmernachbarin. „Scheiße, dass das Zeug doch nicht hilft!“ „Ja, stell dir vor,
wie vielen Menschen man hätte helfen können“, erwiderte Jenny. „Dieses Virus
scheint echt unbesiegbar zu sein.“ „Was soll’s, wir können es nicht ändern! Für
uns hat sich ja nicht viel verändert. Mir tun Menschen, die im Rollstuhl sitzen
müssen, mehr leid als AIDS-Kranke!“ „Ja, da hast du recht, Jenny.“
Die letzten Blutproben waren genauso ernüchternd wie die eine
zuvor. Der Arzt meinte dann noch zu mir: „In Ihrem Blut wurde noch etwas
anderes gefunden. Sie sind in der 9. Woche schwanger.“ „Oh Gott...das
Kind...wie wird sein Leben aussehen?“ „So, wie Ihres im Moment aussieht. Es
kann sein, dass das Kind gesund bleibt, es kann sein, dass die Krankheit
ausbricht.“ „Mal sehen, was Paddy dazu sagt.“
Paddy holte mich vom Flughafen ab. „Hey, Süße!“ „Hi, mein Schatz!“ Wir küssten uns lange. Zu Hause wartete ein
gedeckter Tisch auf mich. „Du hast doch bestimmt Hunger.“ Hatte ich eigentlich
nicht, weil ich nicht wusste, wie ich ihm die Schwangerschaft erklären sollte.
Außerdem musste das Kondom gerissen sein, sonst hätte ich nicht schwanger
werden können. Könnte es sein, dass er jetzt auch infiziert war? „Paddy, du
weißt ja, dass das Zeug nicht geholfen hat.“ „Leider.“ „Die haben noch was
anderes in meinem Blut festgestellt.“ „Was denn? Hast du noch was anderes?
Krebs oder so?“ „Nein. Paddy, ich bin in der 9. Woche schwanger. Du wirst
Daddy!“ Paddy schien mir das nicht richtig zu glauben. Dann nahm er mich in die
Arme. „Das ist ja super!“ Nach einer Pause fragte er dann leise: „Und jetzt ist
es auch infiziert?“ „Mhm. Lass es uns behalten.“ „Klar, natürlich.“ „Du, ich
glaub, du solltest zum Arzt gehen, es könnte sein, dass du dich jetzt auch noch
angesteckt hast. Das Kondom muss ein Riss gehabt haben oder so, sonst hätte ich
ja nicht schwanger werden können.“ „Ok, ich geh gleich morgen hin.“ „Es tut mir
leid...“ Die Vorstellung, dass ich ihn angesteckt haben könnte, war
unerträglich. „Was tut dir leid? Bitte, wein doch nicht!“ Er nahm mich in den
Arm. „Hör zu: Selbst wenn ich jetzt auch AIDS hab, du kannst nichts dafür, hör
sofort auf, dir das einzureden, bitte!“ „Ja aber wenn du krank wirst und
stirbst, dann bin ich schuld, weil ich dieses scheiß HIV habe!“ „Du kannst doch
nichts dafür. Keine Angst, ich werde nicht sterben und ich werde auch kein AIDS
kriegen.“ Paddy klang zwar zuversichtlich, aber in seinen Augen konnte ich die
Angst sehen, die er hatte.
Die vier Tage Ungewissheit waren unerträglich und Paddy tat mir
so leid, als es immer ans Telefon stürmte und „nur“ einer seiner Geschwister
dran war. Dann, schließlich kam der erlösende Anruf. Paddy war nicht infiziert.
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als er mir strahlend die gute Nachricht
verkündete. Ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn er auch infiziert
gewesen wäre. Glücklich umarmten wir uns fest. „Lass uns heiraten“, sagte er
leise. „OK.“
Wir feierten wie Patricia und Denis im Ausland. Die gesamte
Verwandtschaft von Paddy und mir war da, unsere Freunde und Bekannte. Dan ging
es wieder viel besser nach seinem Schlaganfall und er freute sich richtig für
uns.
Die Schwangerschaft verlief ohne Probleme. Wir machten sogar noch
einen Segeltörn mit der Santa Barbara Anna. Wir konnten sogar einige Wale
beobachten, es war wirklich toll.
Im Mai kam dann unsere Tochter zur Welt und Paddy strahlte wie
ein Honigkuchenpferd, als er sie als Erster im Arm hielt. „Paddy, ich würde sie
gern Nanami nennen. Das ist japanisch und bedeutet <Sieben Weltmeere>.“
„Okay, aber nur wenn wir noch Ann dranhängen.“ „Klar. Nanami Ann Kelly. Klingt gut,
gell?“ „Ja.“ Wir küssten uns zärtlich. „Ich liebe dich“, sagte Paddy. „Ich dich
auch!“
Heute ist Nanami fünf Jahre alt und keiner merkt ihr das
HIV-Virus an. Auch ihr kleiner Bruder Danny (3) ist wohl auf. Paddy ist total
glücklich mit den beiden, er ist gerade mit ihnen im Garten und setzt Blumen.
Ich bin wieder schwanger und Paddy freut sich total auf das Baby. Wenn ich
zurückblicke, merke ich, dass uns alle Krisen noch enger zusammengeschweißt
haben. Mit der Band läuft auch alles super. „Hey, Schatz, komm doch raus“, ruft
Paddy mir zu. Er kommt rein und wir küssen uns, er streichelt zärtlich über
meinen Bauch. Dann holt Paddy seine Gitarre und wir setzen uns mit den Kindern
ins Gras. Paddy singt neue und alte Songs und in seinen Augen sehe ich das Glück
das er fühlt.
So, liebes Tagebuch, das war sie, die Geschichte unserer Liebe,
einer Liebe für die Ewigkeit, über die Paddy ein Lied geschrieben hat, das er
<Love for Ertenity> genannt hat.