Ein Brief für Paddy Kelly

by Mirjam   baerbern@bluewin.ch

 

 

Die Lichter gehen aus und ein ohrenbetäubendes Geschrei setzt ein. Dunkelblaues Licht und Nebel erhellen die Bühne. Schattenhafte Gestalten huschen über die Bühne. Zuerst hört man das Schlagzeug, dann setzen die anderen Instrumente ein. Das Gekreisch ist immer noch zu hören und tausende Hände klatschen mit dem Takt. Auf einmal singt eine Stimme. Die Fans wissen sofort wer singt. Es ist Paddy und das Gekreisch erreicht nochmals einen Höhepunkt. Die Fans singen das ganze Lied auswendig mit und belohnen die Kellys am Schluss mit lautem Kreischen. Die Kellys fahren gleich mit dem nächsten Song fort. Als das Lied fertig ist und das Gekreisch einwenig verebbt ist, nimmt Paddy das Mikro und fragt:" Geht's euch gut?" Die Antwort ist ebenso eindeutig wie laut. Jaaaaaa!" Paddy lacht und greift wieder zum Mikro."Schön wieder in der Schweiz zu sein!" Die Fans kreischen. Sie lieben es, wenn Paddy solche Sätze sagt.

In der ersten Reihe steht ein Mädchen mit auffallend blonden Haaren. Sie fixiert Paddy mit ihren blauen Augen. Es ist nicht ihr erstes Konzi, aber es ist ihr erstes Konzi in der ersten Reihe.

Die Show geht weiter und als Paddy bei "Take My Hand" die Hände der Mädchen abklatscht, drückt ihm das Mädchen einen Brief in die Hand. Nach mehreren Zugaben verabschieden sich die Kellys von ihren Fans.

Auf dem Heimweg nach Deutschland gehen die Kellys ihre vielen Fangeschenke durch. Sie freuen sich tierisch und sind ganz gerührt. Da fällt Paddy der Brief des Mädchens in die Hand und er öffnet ihn und beginnt ihn neugierig an zu lesen.

LIEBER PADDY

Ich weiss nicht, ob du diesen Brief jemals lesen wirst. Wahrscheinlich kriegst du tonnenweise solche Briefe und meiner wird dich vielleicht nicht mehr intressieren als die anderen. Und doch will ich es versuchen.
Ich möchte dir nicht nur schreiben, wie sehr ich dich liebe, sondern dir von ganzem Herzen danken. Lange Zeit ging es mir sehr schlecht. Ich hatte Krebs. Oft ging es mir so schlecht, dass ich nicht mal einen kurzen Besuch überstand. Ich will kein Mitleid von dir. Das habe ich weissgott genug bekommen. Nein.
In dieser Zeit, als es mir so schlecht ging, habe ich einfach eure Lieder gehört und fühlte mich auf eine merkwürdige Art und Weise getröstet. Eure Musik und vor allem deine Stimme, Paddy, gaben mir die Kraft, all die vielen Chemotherapien und Spritzen leichter zu überstehen. Obwohl ihr mich nicht kennt, würdet mich mit euer Musik nicht im Stich lassen.
Nun habe ich den Krebs überstanden und hoffe, dass er nicht mehr zurückkehrt. Ich glaube, wegen euer Musik habe ich nie die Hoffnung verloren! Dafür möchte ich euch ganz herzlich danken!

MIT LIEBEN GRüSSEN EUER TREUER FAN

Nachdem Paddy den Brief gelesen hatte, legt er ihn mit Tränen in den Augen weg. "Es gibt also doch noch Leute, die den Sinn unseres Musizierens begriffen haben", murmelt er glücklich vor sich hin. Die andern schauen ihn verwundert an, aber er lächelt nur.


© Mirjam