Eine Liebe in Irland

by Claudia   withalms@yahoo.de

 

"Wende dein Anlitz der Sonne zu
und deinen Rücken dem Sturm"

(Irisches Sprichwort)

Schon als sie zum ersten Mal ihren Fuß auf den Boden dieses Landes gesetzt hatte, wußte sie , das ist das Land, nach dem sie gesucht hatte.

Nach dem sie sich gesehnt hatte, ihr ganzes Leben lang. Das Land ihrer Seele und ihrer Träume.

Sie atmete tief ein, sog diese reine, klare Luft in sich ein und wollte sie nie wieder ausatmen.

Dann blickte sie sich um. Grüne Wiesen - sie wußte gar nicht, daß es so viele verschiedene Grüns gab. Und dann dieses Meer, diese unendliche Weite und Tiefe, von der sie sich so angezogen fühlte. Das Blau des Himmels spiegelte sich im Wasser und wurde tausendfach zurückgeworfen.

Sie ging am Ufer des Meeres entlang und fühlte sich eins mit diesem Land, mit diesem Ort.

Wenige Meter entfernt, auf einer Klippe, konnte sie eine Silhouette sehen, die Umrisse eines Mannes. Er saß da, mit dem Gesicht zum Meer, genau wie sie. Auch er schien gedankenverloren.

War auch er auf der Suche nach der Wirklichkeit seiner Träume, genau wie sie? Sie wußte es nicht, ahnte es aber.

Langsam näherte sie sich. Da bemerkte er sie, blickte sie an. Eine Traurigkeit lag in seinen Augen, in seinem Blick.

Was war passiert, das ihn so traurig gemacht hatte?

Sie setzte sich neben ihn, spürte seine Nähe, roch seinen Duft. Sie fühlte sich angezogen von diesem Mann, obwohl sie ihn gar nicht kannte.

War auch er an diesen Ort gekommen, um zu vergessen? Zu vergessen was so weh tat? Um zu weinen, und die Tränen dann doch wieder zu trocknen?

Genau wie sie. Tränen, die fließen, ohne es zu wollen, salzig, und die eins zu werden schienen mit dem Meer.

Sie spürte, das es ein Band gab zwischen ihr und diesem Mann, der ihr fremd war und doch so seltsam vertraut.

Sein Blick schien zu sagen, es ist gut, das du da bist.

Der Wind fuhr durch sein Haar und zerzauste es. Wie schön es war, wie weich. Sie spürte das Verlangen, dieses Haar anzufassen, traute sich aber nicht. Wollte seine Hand nehmen, hatte aber Angst.

Da nahm er ihre und drückte sie sanft.

Wieder blickte sie auf's Meer; der Wind war nun stärker geworden und peitschte riesige Wellen gegen die Klippen. Sie konnte den Duft des Meeres riechen, konnte das Rauschen hören und wollte darin versinken. Mit ihm. Und alles hinter sich lassen, alles vergessen, was so weh tat. Ging es ihm genauso?

Lange saßen sie schweigend nebeneinander; schweigend, aber doch vieles sagend. Mit Blicken, Gesten.

Es ist gut das du da bist.

Ein wohlige Wärme durchströmte ihren Körper, obwohl der Wind kalt war. Es war gut das sie hierher gekommen war, in dieses Land, an diesen Ort. Sie fühlte das es wie eine Bestimmung war, das sie ihn hier getroffen hatte.

Ließ er sie vergessen? Vergessen was so weh tat? Sie wußte es noch nicht. Aber wollte es herausfinden.

Hand in Hand gingen sie am Meer entlang. Wieder atmete sie diese klare, reine Luft ein, die ihr so gut tat.

Da begann er zu erzählen. Er war Musiker und Filmemacher. Beides hatte er mit voller Leidenschaft betrieben. Doch eine Krankheit hatte ihn gezwungen, eine Pause einzulegen.

Man muß manchmal stehenbleiben, um weiterzukommen, sagte er. Er wollte zurück zu seinen Ursprüngen, zu seinen Wurzeln. Und die liegen hier, in diesem Land, an diesem Ort. Hier konnte er wieder spüren, wer er war, was er wollte. Konnte wieder eins mit sich werden mit sich und seinen Träumen. Hier fand er zu dem zurück, was ihm früher so wichtig war - die Ruhe, das Meer, die grünen Wiesen. Hier konnte er vergessen.

Sie spürte immer mehr, das ihre Seelen miteinander verwandt waren. Das sie den gleichen Traum träumten. Auch sie war hierher gekommen, um zu sich selbst zurückzufinden. Um zu vergessen.

Sie blickten sich an. Es ist gut das du hier bist.


Ende


© Claudia