Ein gebrochenes Herz

by Heidi   Angels.flying@unicum.de

 

John Kelly lebte ende des 17. Jahrhunderts, er war ein König unter allen Musikern Irlands.
Er konnte Jigs und Reels stundenlang, ohne Unterbrechung, spielen.
Doch nur er kannte eine Melodie mehr als alle anderen Musiker, diese ließ alles, ob tot oder lebendig, anfangen zu tanzen.
Bei Jedem, der sie hörte begannen sofort die Beine zu zucken, und sie tanzten da wo sie standen. Die Leute hüpften und sprangen überall hin, wie ein Blatt im Wind, und sie konnten nicht aufhören bevor die Melodie endete.

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John´s jüngere Schwester Maite begleitete ihn immer, egal wohin er ging. Zusammen kamen sie nach Ivergah, dem Ort, der sich durch seine stürmischen Küsten und steinigen Gebirgen auszeichnet.

John begann am oberen Teil des Strandes seine Geige zu spielen und sofort versammelten sich viele Männer und Frauen, die der Musik lauschten. Nachdem John nach etlichen Melodien einmal innehielt um auszuruhen, rief eine Frauenstimme: "Mehr Mumm in deinen Ellenbogen, Johnny, und einen guten Wind in deine Lunge!"
Mit strahlend roten Wangen kam eine junge Frau mit einem Glas Whiskey auf ihn zu und lächelte. "Hier habe ich einen guten Tropfen für dich, du hast ihn dir verdient!"
Lächelnd nahm John das Glas entgegen und leerte es in einem Zug, dann sprach er zu dem Fräulein: "Das tat gut! Gott segne dich für diesen heiligen Tropfen! Als Dank spiele ich für dich noch eine Melodie!"

John setzte die Geige wieder an und spielte seine Zaubermelodie. Sofort begannen alle, ob sie wollten oder nicht, zu tanzen. Selbst in den Knochen der ältesten Frau unter ihnen regte sich die Tanzeslust so leicht, wie in denen eines jungen Mädchens.

Aber das Getümmel war noch gar nichts gegen dass, was sich unten am Meer abspielte. Jedes Fleckchen war von hopsenden und zuckenden Fischen bedeckt und jeden Augenblick sprangen neue aus den Fluten, um fleißig mitzumachen und alle waren sie angelockt worden von John´s Zaubermelodie.

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Auf dem Höhepunkt der turbulenten Ereignisse sah man unter einem rot und grün schillernden Schwarm von Fischen eine wunderschöne junge Dame tanzen.
Ihr Haar hatte die Farbe der Morgenrote, die Augen die Farbe des Meeres, ihr Lippen waren so rot, wie purpurne Korallen und sie trug ein Kleid, das so weiß war, wie der Schaum des Meeres. Während sie tanzte weinte sie Tränen, die als kleine Perlen aus Perlmutt zu Boden fielen.

Sie tanzte schließlich langsam auf John , der selbst beschwingt die Beine in die Luft warf, zu und säuselte ihm leise ins Ohr:

»Ich bin eine Dame von Ehre und wohne unter der See.
Komm mit mir, John Kelly, und heirate eine Fee.

Auf golden und silbernen Tellern, wird dir dort unten serviert.
Hast du erst zum Weib mich genommen, wirst du als König hofiert! «

John, der es nicht wagte , sein Geigenspiel zu beenden, antwortete leise:

»Gern äße ich von goldenen Tellern, wär´ ich König unter dem Meer.
In Glanz und Glorie zu leben, fiele mir gar nicht schwer.

Auch mit eures Vaters Tochter käme ich wohl zu recht
Doch salziges Wasser zu trinken, dass eben eracht´ ich für schlecht! «

Sie sprachen lange miteinander und tauschten Komplimente aus, während ihre Beine sich, wie von selbst, bewegten.
Die Dame mit den meerblauen Augen verzauberte John so lange, bis er einwilligte sie zu heiraten und König über die Fische zu werden.

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Als John´s Schwester Maite sah, dass ihr über alles geliebter Bruder mit einen Fischwesen zum Wasser hinunter tanzte, rief sie ihm hinterher: "John, komm zurück! Musst du unbedingt mit diesem schuppigen Wesen gehen? Und was ist, wenn ich Tante werde..., ...was weiß ich denn, ob ich nicht einen meiner Neffen oder Nichten vor mir, mit Kräuterbutter übergossen und Kartoffeln als Beilage, auf dem Teller habe?!?"

John drehte sich kurz um, und rief seiner Schwester zu: "Gräme dich nicht, dass wird nicht passieren! Als Zeichen, dass es mir gut ergeht, werde ich dir alle 12 Monate ein morsches Stück Holz hier, an den Strand schicken!"

Dann verschluckte eine tosende Welle ihn selbst und die Fischfrau und fuhr donnernd auf den Strand.

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Auf den Tag genau, nach 12 Monaten, trieb ein Stück morsches Holz an den Strand von Ivergah.
Maite wohnte, seit John ins Meer gegangen war in einem alten Fischerhaus, nahe am Strand, und so bemerkte sie das Holz sofort, ging hinaus und holte es in die Stube.
Beruhigt davon, dass es ihrem geliebten Bruder gut ging las sie eine Botschaft von ihm, die beinhaltete, dass er Vater eins Sohnes geworden war.

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Viele Jahre kam alle 12 Monate ein Stück morsches Holz an den Strand von Ivergah getrieben, doch im 36. Jahr fand Maite keines am Strand, obwohl sie alles abgesucht hatte.
In den Dünen suchte sie ebenfalls, und auch dort fand sie kein Holz sondern ihren lieben Bruder, der ihr völlig verzweifelt in die Arme fiel.

Weinend zog Maite ihn an sich, doch als sie ihn in das Gesicht schaute erschrak sie. In all den langen Jahren war John nicht einen Tag gealtert.
Auch John sah sie an und strich ihr eine Strähne ihres ergrauten Haars aus dem Gesicht.
Maite war eine alte Frau geworden.
5 Jahre nachdem John sie verließ hatte sie geheiratet und in den darauf folgenden Jahren auch Kinder bekommen. Doch seit 8 Jahren war sie allein. Ihr Mann war verstorben und die 5 Kinder waren nach Amerika gegangen, da sie dachten, dass sie dort ein besseres Leben hätten führen können.

Nach langem Schweigen begann John dann zu erzählen.

Er wurde König der Fische, doch vor wenigen Monaten starb seine geliebte Frau. An diesem Schmerz wäre er fast zerbrochen, doch er schätzte sich glücklich, seine beiden Töchter bei sich zu haben. Er dankte ab, überließ seinem ältesten Sohn Aquarius den Thron.
Doch dann verliebten sich die Töchter in zwei Prinzen und heirateten sie im Mittelmeer, dort regierten sie nun und hatten keine Zeit mehr für ihren Vater.

Die Erinnerung an den Schmerz ließ John fast zusammenbrechen. In seiner Trauer ergriff er seine Geige und spielte eine traurige Melodie und sang dazu.
Maite saß ruhig neben ihm und hörte ihm zu.

»Schöne Küste mit deinem Strand,
kristallklares Wasser,
glitzernder Sand.
Ach, hätt´ ich doch nie vergessen,
was ich an diesem Gestande hab´ besessen!«

Manche Leute, die sie sahen fragten einen alten Fischer, der Maite sehr gut kannte, da er ihr Schwiegervater war, wie es denn sein kann, dass John nicht älter geworden war.

Der Fischer lächelte nur und sprach: "... unter Wasser, wenn man erst ertrunken ist, da sind noch ganz andere Dinge möglich, die ihr euch gar nicht vorstellen könnt!"


Titel & Text © by Heidi /14th October 2000


© Heidi