Emer's Diary

by Alice hypercolor99@hotmail.com

Es ist Herbst 1994. Ein zarter Wind bewegt das Hausboot, sonst ist alles friedlich. Bis auf die Fans, die kreischend am Ufer warten. Aber das stört Angelo nicht. Die anderen machen grad einen Stadtbummel – Flohmärkte, Einkaufen, Kino, Fun. Aber Angelo ist zu Hause geblieben. Er ist 12, und bereits ein Superstar, Leadsänger von "An Angel", und definitiv KEIN Mädchen. Der Paddy auch nicht. Einmal hat er gefragt: " Wie soll ich es endgültig beweisen, dass ich ein Junge bin?!" Einer der Fans hat darauf schlau gemeint: "Ich hätte eine Idee..." Angelo ist stinksauer geworden: "Nein, die Hose werde ich NICHT runterziehen!" Jetzt wäre es nicht mehr nötig. Sein Stimmbruch bedeutet ihm viele Probleme, aber scheint dieses einzige zu lösen. Heute ist aber niemand zu Hause, deshalb muss er auch nicht sprechen – hallelujah. Und, was noch wichtiger ist – was eigentlich der Grund dafür ist, dass er zum Flohmarkt nicht mitging – er kann ENDLICH nachschauen, was in der alten, kleinen Kiste steckt, die in Kathys Zimmer steht. Die Kiste ist immer geschlossen, aber Angelo hat den Schlüssel geklaut - er hat kurz nachgedacht, ob er sowas doch nicht tun sollte, aber dann hat die pure Neugier gesiegt. Er geht jetzt zu Kathys Zimmer, setzt sich auf den Boden, und öffnet die Kiste vorsichtig...

Darin, unter dem dicken Staub, findet er ein altes Buch. Er nimmt es gespannt heraus, bläst den Staub ab, und erkennt Kathys Schrift auf der Titelseite:

Kathy's Album

Und ganz unten noch was:

PRIVATE. HANDS OFF!

Hände weg?! Angelo überlegt ein bisschen. Schliesslich öffnet er trotzdem das Buch. Auf der ersten Seite findet er ein Foto - mit 14 glücklichen, lächelnden Menschen darauf. Angelo erkennt seine Familie, alle seine Geschwister mit Mama und Papa. Unter dem Bild steht: "Das einzige Foto von der ganzen Familie, Anfang 1982. Papa, Mama, Danny, Caroline, Paul, Johnny, Patricia, Jimmy, Joey, Barby, Paddy, Maite, der kleine Angelo und ich. Mama ist schon krank, aber sie lächelt... Und ihr Lächeln werde ich mir für immer in meinem Herzen behalten." Angelo ist ziemlich gerührt. Er blättert schnell weiter. Fotos von der Familie, von Vincent, von Sean... er findet eins von einer unbekannten Frau. Auf der Rückseite des Bildes ist nur ein fast unsichtbares Wort zu lesen: "Joanna". Kathys Mutter. Hier gibt's keine Anmerkung, nur der Name.

Dann, fast am Ende des Albums, fällt etwas raus. Angelo nimmt es in der Hand, und starrt:

Emer's Diary

Started 3rd July 1813.

Cork, Ireland

Er öffnet das kleine Heft und beginnt den altmodischen Handschrift auf den vergilbten Seiten zu lesen... der Text ist auf englisch.

"3rd July, 1813

Cork Ireland

Hiermit beginne ich mein Tagebuch, das mir Papa Dan geschenkt hat, zum 12ten Geburtstag. Zuerst möchte ich aber erzählen, wie ich mit meinen 14 "Geschwister" überhaupt zu Papa Dan gekommen bin...

Es geschah von einigen Monaten, und alles begann in dem Waisenhaus. Wir sind nämlich alle Waisen, meine 14 besten Freunde und ich. Das Waisenhaus war wirklich schlimm. Miss Brady hatte erzählt, dass wir in schweren Zeiten leben würden, und dass man überall hungere, in ganz Europa, und zum Beispiel in Afrika hungere man sowieso. Wir sollten dankbar sein, dass wir überhaupt was zu essen bekämen und einen Dach überm Kopf hätten. Ich glaube sie aber nicht. Papa Dan ist nicht reich, wir bekommen doch viel zu essen, und auch Geschenke zum Geburtstag. Miss Brady ist eigentlich eine Hexe. Das ist sicher. Sie lässt uns hungern, damit sie alles ihrer Katze geben kann, und vielleicht braucht ihr Besen auch manchmal was zu essen. Das hat uns Barby erzählt, und sie ist 14 und weiss alles. Die Barby hat eine Zwillingsschwester, die Maite, aber sie kichert ständig, und weiss überhaupt nicht so viel wie die Barby. Sie ist aber nett und dick und lustig, und sie hat mal Miss Bradys Brillen gestohlen, Mann, war das witzig! Ich habe noch 12 Freunde ausser Barby und Maite.

Wir schliefen alle in einem Raum, ja, auch die Jungen, denn das Haus für Jungs abgebrannt war, also es gab nur einen Vorhang zwischen den Jungen und die Mädels. John, er ist 18 und sehr klug, er hat gesagt, dass die Jungs das Gebäude selbst entzündet hätten, um zusammen mit den Mädchen schlafen zu können. Es war eine gute Idee, so konnten wir alle 15 bis tief in der Nacht plaudern, wenn Miss Brady schon lange schläft oder auf ihrem Besen draussen herumfliegt. Eigentlich waren wir nur zu vierzehnt, denn die Patricia war dann noch nicht da.

Die älteste von uns ist der Danny, er ist aber ein bisschen komisch. John hat gesagt, dass er verrückt sei, aber nur ein kleines bisschen, und deshalb dürfe er bei uns im Waisenhaus bleiben, und werde nicht ins Narrenhaus geliefert. Vielleicht gibt's da mehr zu essen... aber egal.

Dann kommen Caroline und Kathy, sie sind echte Schwestern, aber nicht Zwillinge wie die Maite und die Barby. Sie sind 19 und 18, und werden bald aus dem Waisenhaus rausgeschmissen, denn Miss Brady hat gesagt, dass sie schon längst auf ihren eigenen Beinen stehen sollten.

Paul und John sind beide 17, Paul spielt Mundharmonika und John ist einfach klug und schlagfertig. John kommt aus England, und hat dort auch eine reiche Familie – das behauptet er jedenfalls. Aber warum würde er im Waisenhaus leiden, wenn er eine reiche Familie hätte? Paul kommt aus Irland, wie wir alle, und er glaubt John seine England-Story nicht.

Die nächsten sind Jimmy und Joey, und sie sind Brüder, 16 und 15 Jahren alt. Sie heissen O'Brien, wie alle anderen in Irland - ausser denen, die O'Kelley heissen.

O'Kelleys haben wir auch, so heissen nämlich die Zwillinge Maite und Barby, sie sind 14.

Der Paddy, er ist 13, und hat ein riesengrosses Maul, er erzählt ständig Geschichten und hat einen Tick für Ziegen.

Bob ist 12 und Sinead ist 8, und sie sind die Kinder des Försters, aber der Förster ist schon längst gestorben und die Mutti auch. Bob und Sinead wissen aber mindestens, woher sie kommen. Sie sehen wie typische Iren aus, sie haben rotes Haar und grüne Augen. Sinead ist extrem sommersprossig.

Der Angelo, er ist zu jung, um überhaupt etwas zu wissen, er ist nur 7 und stellt ständig Fragen.

Ich bin Emer, jaaa, liebes Tagebuch, falls Du mal vergessen würdest, wem du gehörst - ich sag's nochmal, ich heisse EMER und ich bin heute 12 geworden.

Wir sassen also alle am Tisch, und assen dieses uralte Brot, dass Miss Brady wahrscheinlich aus die Mülltonne reicher Familien gestohlen hatte. Es schmeckte jedenfalls so ähnlich. Und Kathy seufzte plötzlich:

"Was sollen wir machen, Carrie, wenn die Hexe uns rausschmeisst?!"

Die Frage hatte sie schon oft gestellt. John kam aber diesmal eine Idee vor:

"Du kannst die Geige spielen, Kath, oder?"

"Ich weiss nicht... seitdem Angelo meine Geige verbrannt hat, bekam ich nicht mehr die Möglichkeit zu spielen... ich hab' kein Instrument..."

Angelo versteckte sich unter dem Tisch, und meinte:

"Ich wollte es nicht, ich war noch klein..."

"Als ob du jetzt so gross wärest..." lachte Maite.

"Bin ich ja!" behauptete Angelo entrüstet.

"Mmmm... ich hätte so gern ein bisschen Käse..." träumte Paddy laut.

"Halt's Maul, du machst mich noch hungriger!" sagte Jimmy.

"Beiss dann meine Lippen, süsser!" forderte Barby, und rollte ihre Augen. Maite kicherte. Jimmy machte eine Grimasse, und lachte - die O'Kelley-Schwester waren schon immer ein bisschen verrückt.

Ich erblickte aber Miss Brady am Horizont.

"Pssssst!" - wenn Miss Brady Barbys Worte gehö;rt hätte - oh, Mann, dann hätte sie uns bestimmt umgebracht.

Miss Brady war nicht allein. Ein blondes Mädchen mit tiefbraunen Augen und einem ängstlichen Blick stand neben ihr. Die beiden kamen zu uns.

"Ich stelle euch die Patricia vor. Sie ist neu hier, also seid lieb zu ihr, und vergesst nicht die Regeln dieses Hauses zu erzählen! Patricia, setz dich hier, und benehme dich gut!"

"Ja, Miss Brady." sagte das Mädchen anständig, und die Hexe verliess uns.

"Ja, Miss Brady." mimte Angelo spöttisch, und lachte. Er bekam sofort eine Ohrfeige von Kathy:

"Du hast kein Recht, anderen auszulachen!" sagte sie streng, und Angelo fing an zu heulen.

"Pssssst!!!" sagten wir alle zusammen. "Willst du, dass Miss Brady hierher kommt?!"

Angelo hörte sofort auf zu brüllen - es war eine schwere Drohung. Patricia schaute einfach zu, und sagte nichts. Barby sprach sie an:

"Hi, ich bin die Barby, und das ist meine verrückte Schwester Maite! Ich hoffe, du wirst es hier mögen..."

"Obwohl das ziemlich schwer ist..." bemerkte Joey.

"Willkommen in der Hölle!" lachte Jimmy. "Kein Essen, keine Schuhe, dafür aber süsse Ratten!"

"Und eine Hexe als Betreuer." fügte Joey hinzu.

"Ach, ihr seid so blöd, es ist eigentlich nicht so schlimm hier." versuchte Barby Patricia Mut zu machen. "Woher kommst du?"

"Aus Cobh. Ich wohnte dort mit meiner Familie..."

"Und wieso bist du hier?"

"Es ist ein Waisenhaus, oder? Ihr dürft dreimal raten." sagte Patricia leise.

"Möchtest du ein bisschen Käse?" fragte John freundlich.

"WAS?! WOHER HAST DU KÄSE?!" schrie Paddy, ganz aus dem Häuschen.

"Pssssst!"

"Du Dummkopf!" flüsterte John. "Willst du, dass es jeder hört?! Ich hab's natürlich von Miss Brady gestohlen."

"Oh, Mann, kannst du mir BITTE ein Stückchen geben?" bettelte Paddy in weinerischer Stimme.

"Ich habe das neue Mädel gefragt."

"Du darfst es haben, ich bin nicht hungrig." sagte Patricia.

"Das ist das letzte Mal, dass du sowas gesagt hast..." stellte Caroline fest. "Hier haben alle und immer Hunger."

"DANKE!" rief Paddy überglücklich. "Du bist sooo nett! Ich liebe dich. Ich bin übrigens Paddy..."

"Liebe geht durch den Magen..." seufzte Maite.

"Paddy, sie ist zu alt für dich!" sagte Sinead ernst.

"Stimmt nicht! Wie alt bist du eigentlich, Patricia?"

"Sechszehn."

"Oh... ich bin 13..." gab Pad zu. "Ich liebe dich trotzdem..."

"Schön!" sagte Patti, und erlaubte sich ein kleines Lächeln.

Unsere Patricia war sehr, sehr nett, aber auch verschlossen. Eigentlich kein Wunder, sie hatte ihre Eltern gerade verloren... ich wusste nicht einmal wer meine Eltern waren, wie sie hiessen. Meine "Muttis" waren Kathy und Caroline.

Wir befreundeten uns mit Patricia relativ schnell. Und in der Nacht, als Miss Brady eingeschlafen war, konnten wir wieder ausgelassen plaudern...

"Es ist dunkel..." jammerte Angelo, wie immer.

"Wahnsinn, was du nicht alles sagst! Wie bist du denn darauf gekommen?!" fragte Joey spöttisch.

"Und hast du Angst oder was?" fragte Jimmy. Es gab eine Pause.

"Nein..." lügte Angelo.

"Ich bin hungrig..." murmelte Maite.

"Du solltest an Gott beten, mein liebes Kind, und dich immer gut benehmen. Dann wäre dein Leben besser!" - das war Braby, mit ihrer Miss Brady-Stil.

"Halt die Klappe!" lachte Maite.

"Wer ist Gott?" kam Angelos Stimme aus der Dunkelheit.

"Oh, nein, er fängt schon wieder mit den Fragen an..." stöhnte Bob.

"Nein, aber ehrlich... ich verstehe es nicht..."

"Weil du nie in der Religion-Stunde zuhörst." sagte Kathy. "Sonst würdest du alles verstehen."

"Stimmt nicht, ich habe bei der ersten Stunde nicht zugehört, und seitdem verstehe ich nichts! Und wenn ich nachfrage, bekomme ich eine Ohrfeige von Miss Brady."

"Kein Wunder..." sagte die kleine Sinead. "...letztens hat er gefragt, warum Adam nicht alle leckeren Äpfel gegessen habe."

"Mädchen sind sowas von blöd!" stellte Angelo fest. "Sie müssen unbedingt alles erzählen..."

Es gab einen Aufruhr in der Mädchen-Sektion.

"Die Frage bleibt: WER IST GOTT?"

Patricia fing an zu sprechen:

"Gott ist der Mann, der mir meine Mutter weggenommen hat. Und dann noch meinen Vater, und meine Geschwister... Er hat unser Haus abgebrannt..."

Wir waren still. Natürlich war es wieder der kleine, der aufpiepste:

"Ich habe keine Mutter. Ich hatte nie eine."

"Du blöder, alle haben eine Mutter." sagte John.

"Ich nicht!" behauptete Angelo.

"Ja, nicht mehr." erwiderte John.

"Ich hatte nie eine!"

"Doch."

"Woher weisst DU das so genau?! DU warst nicht da!"

"Und ich weiss es trotzdem."

"Wieso?"

"Nur so."

"Lüger."

"Dummkopf."

"HÖRT ENDLICH AUF EUCH ZU STREITEN! Habt ihr nichts besseres zu tun?" schrie Patricia, und fing an zu weinen... Wir wurden still, nur Jimmy flüsterte leise: "Frauen..."

...Und plötzlich stand Miss Brady an der Tür. Ich hatte wahnsinnig Angst, wie wir alle. Selbst Patricia hörte auf zu schluchzen - man lernt schnell.

"Was zum Teufel macht ihr denn?! Darf ich mich nicht mal ausruhen?! Ich verbringe mein ganzes Leben mit euch undankbaren Ratten! Ihr solltet schon lange schlafen! Hmmm.... wen habe ich gehört...?!"

Oh, bitte nicht mich..., dachte ich erschrocken.

"Das neue Mädchen. Patricia - du kommst hier und gibst schon Probleme? Was denkst du von dir eigentlich? Du solltest dankbar sein, einen Dach überm Kopf zu haben! Ich erwarte dich morgen früh in meinem Büro!"

"Ja, Miss Brady."

Die Hexe verschwand, und alles wurde still. Einige Minuten später hörten wir Patricias Stimme:

"Was wird sie mit mir tun?"

"Sie hat immer neue Ideen." sagte ich. "Aber fürchte dich nicht, wir haben es schon alle mal überlebt..."

"Sei morgen wahnsinnig höflich, das hilft manchmal." riet Barby.

"Und manchmal nicht..." fügte Maite wahrhaftig hinzu.

Und Kathy erzählte Patricia, was sie uns alle schon erzählt hatte. Sie konnte uns immer Mut machen.

"Vergiss nicht, dass sie keine Macht über deine Gedanken hat! Sie kann uns hungern lassen, uns verprügeln, aber sie hat keinen Zugang zu deinem Gehirn... glaube an dich - wir werden irgendwann unseren eigenen Leben führen, und dabei glücklich sein, und werden nie wieder so behandelt, wie von Miss Brady..."

Kathy wusste nicht, wie sehr sie diesmal die Wahrheit ausgesprochen hatte. Denn Patricia wurde am nächsten Tag nicht verprügelt. Und danach auch nicht mehr. Am folgenden Tag erwartete uns eine Überraschung. Als wir uns noch halbwach aber extrem hungrig ins Esssaal versammelten, entdeckte Bob etwas:

"Hey, Leute, schau mal, wer ist da?!"

Ein alter Mann mit einem langen, weissen Bart sass im Esssaal, und redete mit unserem Sklavenhalter, Miss Brady. Patricia lächelte:

"Er sieht genau wie der Weihnachtsmann aus!"

"Wer ist der Weihnachtsmann?" wollte Angelo sofort wissen.

"ER ist der Weihnachtsmann."

"Pssssst! Er kommt zu uns" flüsterte Barby.

"SMILE!" forderte Maite, nicht unbegründet.

Ich erkannte erstaunt ein Lächeln auch auf Miss Bradys Gesicht. Sowas hatte ich noch nie gesehen. Ich fand es ziemlich erschreckend.

"Hallo Kinder. Ich stelle euch Mr Dan O'Kelley vor. Er hatte die wunderbare Idee ein Kind zu adoptieren. Mr O'Kelley, hier sind die Waisen. Sie sind alle sehr brav und ordentlich. Ich liebe sie über alles..."

Schön zu wissen, wie Miss Brady lügt, dachte ich.

"Das sind die Zwillinge, Maite und Barby O'Kelley..."

Der alte Mann warf den Schwestern ein warmes Lächeln.

"O'Kelley? Wie ich! Oh, das ist ja wunderbar."

"Ja." Miss Brady setzte ihr künstliches Lächeln wieder auf. "Und Sie könnten gleich zwei liebe Kinder haben!"

"Könnte ich ein bisschen mit den Kindern alleine bleiben?" fragte Mr O'Kelley.

"Ja, natürlich!" sagte Miss Brady, und ging weg. Ich konnte es einfach nicht fassen... Maite und Barby werden uns verlassen? Oh, nein...

Aber die Zwillinge blickten aufeinander, und hatten eine viel bessere Idee. Sie setzten sich plötzlich auf Dans Schoss und grinsten wie verrückt. Maite hat es angefangen:

"Mr O'Kelley, wir sind alle sehr froh, dass Sie hier sind..."

"Ja, und wenn Sie uns beide O'Kelleys adoptieren, könnten Sie unser Dan auch mitnehmen, oder?" sagte Barby mit unschuldigem Gesicht.

"Er ist der Danny, da." Maite zeigte auf Danny, der sein linkisches Lächeln aufsetzte, und feundlich "Guten Morgen, Mr O'Kelley!" sagte.

"Hallo, Danny." erwiderte der alte Mann. "Möchtest du auch mitkommen?"

"Ja..." sagte Danny grinsend. Barby nickte zufrieden und schaute Maite an.

"Ich gehe aber nicht ohne meine Mütter." stellte Maite fest.

"Deine Mütter?" fragte Dan verblüfft. "Ich dachte, du hast keine, und du behauptest jetzt, dass du MEHRERE Mütter besitzt?"

"Ich brauche mindestens 2 Stiefmütter, um eine echte zu ersetzen... Sie sind Kathy und Caroline..."

"Sie sind eigentlich nicht mehr Kinder, sie könnten Geld verdienen und so... man braucht sowieso eine echte Frau im Haus - und gleich zwei sind noch besser!" Das war Barbys Argument.

"Vielleicht hast du recht..." stotterte Mr O'Kelley.

"Übrigens sind wir auch schon Mütter!" verriet Maite. Mr O'Kelley hob seine Augenbrauen. "Ich habe zwei Söhne, Angelo und Bob. Ich muss auf sie aufpassen, ich kann sie nicht verlassen!" erklärte Maite.

"Und ich habe zwei Töchter... Sinead und Emer." fügte Barby hinzu. "Ich bin für sie verantwortlich. Sie müssen auch mitkommen..."

"Und meine beste Freundin kann nicht hier bleiben..." sagte Maite entschieden, und zeigte auf Patricia.

"Und Paddy ist in Patricia unheimlich verliebt, er würde ohne sie bestimmt sterben..." war Barbys nächster Versuch.

"Und Barby ist in Jimmy verliebt, und der Jimmy kommt ohne seinen Bruder Joey nicht..." - das war wieder Maite.

"Haben wir schon von Paul und John erzählt?" fragte Barby. "John ist unheimlich klug."

"Und Paul ist mein Fiancé." lügte Maite – sie hatte ihre Träume ausgesprochen...

"Wir wären alle zusammen so eine schöne Familie, oder?" fragte Barby. Wir waren still und warteten. Daumen drücken, schwitzen, hoffen. Bitte-bitte-bitte. Doch Mr O'Kelley stand auf, und sagte:

"Sorry, Kinder, aber ich kann euch alle einfach nicht adoptieren.. es gibt keinen Platz - ich habe nicht genug Geld... es geht nicht... tschuldigung. Maite, Barby - kommt ihr mit?" Es gab wieder eine Pause. Eine lange Pause.

"Nein." sagte Barby absolut entschieden. "Ich gehe ohne die anderen nicht."

"Ich auch nicht." sagte Maite, ein bisschen weniger entschieden.

"Es tut mir leid." sagte Mr O'Kelley, und ging langsam in der Richtung von Miss Bradys Büro.

"Ich wusste es..." sagte Jimmy traurig. "Er ist genau so wie die anderen..."

"Es wäre ja verrückt, 15 Kinder zu adoptieren..." stellte Kathy fest. "Das müssen wir akzeptieren."

Akzeptieren?! Niemals, dachte Paddy, und kickte Angelo:

"Hey, sag was süsses, bitte, schön laut... komm schon!"

Und Angelos klare Stimme füllte plötzlich den ganzen Esssaal:

"Wohin geht jetzt der Weihnachtsmann? Verlässt er uns?"

Mr O'Kelley blieb stehen. Er drehte sich langsam um, und betrachtete uns. Und wir ihn. Die Spannung stieg...

"Ich habe keine 15 Betten. Ich habe genau 2."

"Kein Problem." rief Paddy, und kickte Angelo noch einmal: "Gut gemacht, kleiner!"

"Versteht es... mein Haus ist zu klein..."

"Wir sind auch klein." antwortete ich grinsend.

"Stimmt, Emer!" rief Paddy begeistert. Dan seufzte...

"Wie soll ich euch allen Essen geben?"

"Wir essen nicht viel.." sagte Sinead. Sie hatte absolut recht - im Waisenhaus gab's nie viel zu essen, deshalb assen wir nicht viel. Mr O'Kelley betrachtete uns noch eine Weile. Dann lächelte er plötzlich:

"Ich kann euch schliesslich nicht hier bei dieser schrecklichen Frau lassen, oder?"

Und so kamen wir zu Papa Dan. Es war der schönste Tag meines Lebens.

Jetzt bin ich aber unheimlich müde, liebes Tagebuch. Morgen werde ich vielleicht mehr erzählen. Mach's gut, alles Liebe, Deine Emer

4th July, 1813.

Cork, Ireland..."

Angelo erschreckt wahnsinnig als er Kathys Schrei hört:

"Was machst du da?! Meine, Güte, was machst du?!?!"

"Ach, Kathy, ich..."

"Du... du... wie könntest du sowas machen?!" Bei Kathy fliessen schon die Tränen. Sie schreit ausser sich: "Ich teile mein ganzes Leben mit euch, kann ich nicht etwas... etwas ganz kleines für mich selbst behalten?! Musst du unbedingt mein letztes Geheimnis zerstören?"

Angelo hat es schon längst bereut.

"Kathy, ich schäme mich..." Und er schämt sich wirklich. Wie ist er dazu gekommen, den Schlüssel zu stehlen? Zu STEHLEN?!

Kathy sitzt auf den Boden, neben ihm, und weint. Angelo hat sie noch nie so gesehen.

Sie sitzen nebeneinander und langsam wird auch Kathy still. Sie beruhigt sich, und spricht ihren kleinen Bruder wieder an:

"Und... was hast du gelesen?"

"Ich habe mir das Album angeschaut, und den ersten Eintrag in Emer's Diary gelesen." sagt Angelo leise.

"Also mein Tagebuch nicht."

"Nee."

"Gut... aber Emer's Diary hast du gelesen...ah, Emer... sie war ein wahnsinniges Charakter... unsere Emer..."

"Du hast also nicht selbst das Tagebuch geschrieben?!"

"Was? Nein, natürlich nicht! EMER hat es geschrieben. Ab 1813. Es stammt echt aus dem 19ten Jahrhundert."

"Aber... die Namen... die sind ja unsere Namen!"

"Ach ja...na okay, ich erzähle es dir... es zählt nicht mehr...Emer ist unsere Ur-Ur-Ur-Urgrossmutter. Aus dem Waisenhaus wurde sie mit ihre 14 Freunden von Papa Dan O'Kelley adoptiert. Sie heiratete später einen Mann, der auch O'Kelley hiess, wie so viele in Irland. Das Tagebuch wurde dann in ihrer Familie immer weitergegeben. Es kam endlich zu unserem Vater Dan O'Kelley, später Dan Kelly. Er wollte 15 Kinder, und nachdem er dieses Tagebuch gelesen hatte, wusste er schon die Namen. Du darfst dreimal raten, wie deine 3 kleine Geschwister heissen würden..."

"Bob, Emer und Sinead?"

"Genau."

"Aber... was wäre passiert, wenn ich noch zwei kleine Brüder bekommen hätte?"

"Irgendwie gab's damit nie Probleme. Komisch, eigentlich. Wir wurden in der gleichen Reihenfolge geboren, wie Emers Freunde. Zuerst ein Junge, dann zwei Mädchen, dann zwei Jungen und so weiter. Bis deine Mutter starb... unsere Mutter, würd' ich sagen... Joanna kenne ich überhaupt nicht."

"Noch eine Frage... Warum hast du das Tagebuch verheimlicht? Warum dürfte ich es nicht sehen?"

"Na ja... du hättest es an deinem 12ten Geburtstag sehen dürfen. Ich habe es aber einfach vergessen. Ich bin nicht wegen Emer so sauer geworden, sondern weil du in mein Album gelesen hast... und wahrscheinlich mein eigenes Tagebuch auch angeguckt hättest, wäre ich nicht nach Hause gekommen. Emer hat das Tagebuch mit 12 angefangen, und jedes Familienmitglied darf es mit 12 auch sehen."

"Wieso dann?!"

"Ich weiss nicht... Tradition..."

"Tradition ist immer unlogisch." stellt Angelo fest.

Die Kiste wurde wieder geschlossen, und Kathy & Angelo sitzen schon in der kleinen Küche, und unterhalten sich.

Maite und Barby stürmen plötzlich in die Küche:

"Hallooo! Wir sind wieder hier!" ruft Maite. "Ihr werdet es nicht glauben! Die Barby hat im Kino spontan einen Jungen geküsst!!!"

Angelo und Kathy starren Barby ungläubig an:

"Was?! Die Barby?!"

"Aber nur auf der Wange!" grinst Barby. Maite kichert.

Und Angelo erinnert sich lächelnd: "Die O'Kelley-Schwestern waren schon immer ein bisschen verrückt..."


*T * H * E * * E * N * D *


by Alice

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