Fliegende Drachen
"Kira, schön, dich zu sehen!" empfing Jimmy mich an der Haustür. Er hatte einen teigverschmierten Kochlöffel in der Hand und sah damit so drollig aus, dass ich laut lachen musste. Jimmy und kochen!
"Wenn du zu Angelo willst, muss ich dich leider enttäuschen, Kiri," sprach Jimmy weiter, und schon wich das Lächeln aus meinem Gesicht. "Der ist nämlich mit Patricia in die Stadt gegangen, ein Geschenk für Tanja und Joey kaufen. Du weißt doch, dass die beiden heute kommen?"
Na klar wusste ich das, deswegen war ich schließlich hier! Gut, die Party für Joey, Tanja und Luke stieg erst heute Abend, aber ich hatte gedacht, Angelo würde sich über meinen verfrühten Besuch freuen... tja, Pustekuchen, er war gar nicht da! Ich verzog das Gesicht. Jimmy betrachtete mich aufmerksam. "Hey, nicht traurig sein! Komm' doch einfach mal rein, du bist doch hier schon wie zuhause!"
Ja, da hatte er wohl recht. Ich betrat das Schloss. Jimmy war schon wieder in die Küche verschwunden, weiß der Teufel, was er dort fabrizierte!
Etwas unschlüssig blieb ich in der Eingangshalle stehen. Doch dann lockte mich lautes Geschrei ins Wohnzimmer. Ich öffnete die Tür einen Spalt und spähte hinein. Maite und Johnny saßen vor der Glotze und jubelten, weil gerade einer ein Tor geschossen hatte. Ich schüttelte grinsend den Kopf. Zu denen würde ich mich sicher nicht gesellen!
Ich eilte die Treppe hinauf. Trisha und Kathy waren nicht da, an Paddys Tür hing das BITTE NICHT STÖREN - Schild und aus Barbys Zimmer dröhnte unkontrolliertes Geschrei. Doch im Näherkommen erkannte ich, dass es sich um ihr Lied Ain't Got Nothing To Lose handelte. Gut, beim Üben wollte ich sie nicht stören.
Also betrat ich Angelos Zimmer. Ich meine, ich bin hier ja schon wie zuhause und Angelo erlaubt mir das auch.
Ich lief durch sein Zimmer, nahm kurz die Schlagzeugstöcke in die Hand, warf einen Blick aus dem Fenster, streichelte einem Waschbär aus Plüsch über den Kopf und saß irgendwann auf Angelos Bett. Neben mir lag ein Fotoalbum, mit rotem Samt überzogen. Ich nahm es in die Hand und schlug es auf.
Ein etwa zehnjähriger Angelo mit Zahnlücke grinste mir frech entgegen. Ich strahlte. Wie süß! Ein Album mit früheren Bildern! Ich blätterte weiter. Auf der nächsten Seite waren Arm in Arm Paddy, Angelo und Kathy vor einer Kirche zu sehen, darunter stand in Kathys penibler Schrift Holland, Januar 1992.
Januar 1992? Unwillkürlich begann ich zu lächeln. Ja ja... es war schon so lange her. Kurz darauf war die Zeit gekommen, in der ich die Kellys kennengelernt hatte. Im April war es doch gewesen... ja. Hastig blätterte ich weiter.
Einige Seiten später fand ich, was ich suchte. Ein Bild von Angelo, Maite, Patricia und Paddy vor der Bühne, lachend, in ihrer Mitte ein junges Mädchen mit dunkelbraunen Zöpfchen und großen Augen. Das war ich!
Fasziniert betrachtete ich das Bild, stellte mich dann vor den Spiegel, verglich mich mit dem Mädchen, das ich vor fast zehn Jahren gewesen war. An diesem Tag hatten Angelo und ich uns kennengelernt, damals im April...
Ich denke gerne an den Tag zurück, an dem ich Angelo Kelly kennengelernt habe. Es war in Rostock. Zur damaligen Zeit haben wir noch nicht dort gewohnt. Aber damals, im April 1992, haben wir meine Oma dort besucht. Mein Opa war nämlich gerade gestorben, und wir mussten wegen irgendwelchen formalen Sachen zu meiner Oma fahren. Sie ist inzwischen auch gestorben, genauer gesagt vor drei Jahren. Ich vermisse sie sehr.
Jedenfalls saßen alle Erwachsenen ernst um den großen Tisch und sprachen über Opas Beerdigung und wer das ganze Geld erben sollte. Ich fand das ganz schrecklich. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich meinen geliebten Opa nie mehr wiedersehen würde und dass es den Erwachsenen nur um das blöde Geld ging. Ich murmelte eine Entschuldigung, stand vom Tisch auf und rannte aus dem Haus.
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich durch die Straßen von Rostock gewandert bin. Ich hatte die ganze Zeit über Tränen in den Augen, aber heulen konnte ich erst, als ich auf einem freien Feld angekommen war. Ich sah zum Himmel und heulte und heulte, ich konnte gar nicht mehr aufhören damit. Ich wünschte mir so sehr, mein Opa würde dort oben am Himmel auftauchen und mir zuwinken oder mir irgendein Zeichen geben. Dieser Wunsch blieb natürlich leider unerfüllt.
Jedenfalls weinte ich ganz laut, und plötzlich mischte sich ein anderes Weinen dazu. Ich sah auf und sah nur wenige Meter entfernt ein anderes Kind sitzen. Es war ein Junge mit sehr langen blonden Haaren, etwa so alt wie ich, vielleicht auch ein bisschen jünger. Er trug eine eigenartige Rüschenbluse und sah komisch damit aus. Aber er tat mir Leid. Ich ging zu ihm und legte ihm meine Hand auf die Schulter. "Hey," sagte ich leise, "du weinst ja."
Er sah mich mit nassen Augen an. "Du doch auch."
Meine erste Begegnung mit Angelo Gabriele Kelly. Wir weinten beide. Nicht sehr romantisch also.
"Mein Opa ist gerade gestorben," sagte ich. Der Junge murmelte hastig eine Entschuldi-gung oder so etwas in der Art. Doch ich wunderte mich. Mit einem Mal kamen keine Tränen mehr. Ich hatte meinen Kummer endlich ausgesprochen. Mit nur einem Satz. Aber es half.
"Und was ist mit dir?"
Er wies auf ein großes blaues Ungetüm in seiner Hand. "Mein Drachen ist kaputt!"
Tatsächlich: ein Riss mitten durch den hellblauen Müllsack. "Mist!" murmelte ich. "Aber, äh, kann man das denn nicht reparieren?"
Er runzelte die Stirn, dann hellte sich seine Miene auf. "Vielleicht... ich glaube, der Jimmy kann das. Ich frag' ihn mal! Komm mit!" Er packte mich einfach an der Hand und zog mich vom Feld weg. Ich wurde gar nicht gefragt. Wir rannten durch die Gassen. Irgendwann kamen wir am Marktplatz an. Dort stand der große rote Bus, er war vorhin auf der Hinfahrt vor uns gefahren, meine Eltern hatten sich darüber gewundert.
Wir blieben stehen. Vereinzelt liefen Leute über den Platz, einige hatten genau so lange Haare wie mein Begleiter, sie schienen zu ihm zu gehören. Eine Frau mit dunklen Haaren saß auf den Treppen zum Bus und schnippelte Gemüse. Der Junge zog mich zu ihr hin. "Kathleen," sagte er, "du, weißt du, wo Jimmy ist?"
Kathleen sah kaum auf. "Hinter dem Bus," sagte sie. Sie schien müde zu sein.
"Bingo!" Er drückte meine Hand etwas fester und zog mich hinter den Bus.
Auf einer schiefen Bank saß ein Typ mit einem langen Zopf und trank aus einer Flasche.
"Hey Jimmy!" brüllte der Junge und ließ endlich mal meine Hand los. "Kannst du mir den hier reparieren?" Er rannte zu ihm und zeigte ihm den Drachen.
Jimmy stand seufzend auf, wischte sich den Mund ab und untersuchte dann fachmännisch den Drachen. "Hm, Angelo, ich weiß gar nicht, ob da noch was zu machen ist... der Riss ist mittendurch... ich glaube nicht, dass man das kleben kann..." Angelos Unterlippe zitterte bedenklich. Als Jimmy das sah, beschwichtigte er schnell: "Aber ich kann's ja mal versuchen." Er brüllte in Richtung Bustür: "Hey Babs, kannst du mir mal Tesafilm besorgen?" Ich sah auf, konnte aber keine Babs mehr erkennen, sie war offenbar schon auf der Suche nach dem Tesafilm.
Auch gut, ich wandte mich wieder Jimmy und Angelo zu. Ja, jetzt wusste ich schon den Namen meines Begleiters: Angelo. Das war doch spanisch, oder?
"Hier!" Ohne dass ich es realisiert hatte, war Angelo zum Bus gerannt und hatte den Teseafilm aus der Hand eines jungen blonden Mädchens in einem langen Rock entgegen genommen. Angelo rannte wieder zu uns. "Hier, Jim." "Danke." Jimmy hatte im Schneidersitz auf dem Boden Platz genommen. Er nahm den Drachen in seinen Schoß und begann sorgfältig den Riss zu kleben. "Hey, prima, das sieht ja schon wieder ganz gut aus! Na, den könnt ihr heute sogar schon wieder steigen lassen."
"Hurra!" jubelte Angelo und drückte meine beiden Hände.
"Ach übrigens, Angelo," Jimmy sah grinsend auf, "du hast mir noch gar nicht den Namen deiner jungen Freundin verraten!"
"Ähhh..." Angelo lachte unsicher, "da bin ich auch überfragt."
"Kira," sagte ich. "Kira Harms."
"Und wir sind Jimmy und Angelo Kelly."
"Freut mich."
"So, schon getrocknet! Viel Spaß beim Steigen lassen!" Jimmy gab uns den Drachen zurück.
Tja, der Drachen flog an diesem Tag nicht mehr. Der Wind war einfach zu schlecht, aber Angelo und ich beschlossen, es morgen nochmal zu versuchen. Wir würden beide noch einige Tage hier sein. Trotzdem hatten wir sehr viel Spaß mit dem Drachen. Wir lachten uns fast tot, bis Angelo plötzlich erschrocken die Hand vor den Mund hielt. "Oh mein Gott, Kira! Ich muss sofort zurück zu den anderen, es ist ja schon halb sechs!"
"Bekommst du Ärger, wenn du zu spät kommst?" fragte ich.
"Das nicht, aber wir müssen ja jetzt auftreten! Komm einfach mit!" Er packte meine Hand und den Drachen und rannte wieder mal davon.
"Ihr müsst WAS??"
WAS sie mussten, erfuhr ich nur wenige Minuten später, als ich zwischen vielen begeisterten Zuschauern auf dem Marktplatz vor einer Bühne stand, auf der Angelo und seine Geschwister Joey, Barby (Babs), Jimmy, Kathy, Paddy (oder Patrick) und John (oder Johnny) ein Konzert gaben. Zu dieser Familie gehörten sonst auch noch Maite und Patricia, und die fuhren alle immer zusammen in der Welt herum und machten Musik, verriet mir das Mädchen neben mir. Sie mochte Paddy total gerne und rief ab und zu nach ihm. "Ach Monika," sagte dieser Paddy zu ihr, er kannte sie wohl schon.
Sie sangen die meiste Zeit englisch, aber auch ab und zu deutsch, zum Beispiel Wir Lieben Die Stürme und Wenn Ich Ein Vöglein Wär' - das sang sogar Angelo - und Paddy und Kathy sangen zusammen ein holländisches Lied. Es war total schön, aber auch komisch. Ich hatte noch nie so etwas erlebt. Auf der Bühne schienen alle total Spaß zu haben. Babs tanzte die ganze Zeit und als John ein langsames Lied sang, zog sie eine Maske auf und wirbelte um ihn herum. Paddy sprang auf und ab, und als Angelo nach vorne ging, schrien alle nach ihm. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte gerade eben versucht, mit ihm einen Drachen steigen zu lassen, und nun jubelten ihm hier alle zu!
Leider war es schon sechs, aber das Konzert war noch nicht zuende. Ich musste nach Hause. Meine Familie machte sich doch sicher Sorgen um mich. Schade, ich hätte so gerne noch länger zugehört. Und Angelo gefragt, wann ich morgen wiederkommen sollte zum Drachen steigen lassen. Aber na ja... Ich kämpfte mich durch die Massen der Leute. Am Bühnenrand stolperte ich fast über Jimmy, der ganz kurz weggegangen war und jetzt wiederkam. "Schade, du gehst schon?" sagte er.
"Ja, ich würde gerne noch bleiben, ich find's ganz toll... soll ich denn morgen wiederkommen?"
"Na klar, mit Angelo und dir klappt es sicher noch... äh, ich meine, mit dem Drachen." Jimmy grinste. "Warte noch eine Minute, ich sag' schnell dem Angelo was."
Ich blieb stehen. Jimmy hüpfte zurück auf die Bühne und flüsterte Angelo an den Trommeln etwas zu. Gerade hatte Kathy ihr langsames Lied beendet, und Angelo ging wieder nach ganz vorne, um etwas zu singen. Auf halbem Wege drehte er sich plötzlich zu mir um und winkte heftig.
Ich erwiderte das Winken meines zukünftigen Verlobten, dann machte ich mich schnell auf den Weg zurück nach Hause.
"Kira! Kira! Na endlich!"
Überrascht öffnete ich die Augen. Ich war doch tatsächlich eingeschlafen, und das auch noch auf dem Fotoalbum! Die ganze Seite hatte einen Knick, och nee!
Angelo setzte sich neben mich aufs Bett und küsste mich. "Da bist du ja endlich," sagte ich. "Ja, sorry, dass ich nicht da war, Trisha und ich mussten was für Joey und Anhang besorgen."
"Und, habt ihr was gefunden?"
"Einen Nussknacker."
Ich lächelte, aber nicht nur wegen dem Nussknacker. Die ganzen Erinnerungen... es war unglaublich, dass Angelo und ich noch immer zusammen waren. Wir waren reifer geworden... und wir waren zusammen älter geworden. Wir hatten uns verändert, wir hatten auch Schweres zusammen erlebt... und wir waren immer noch zusammen.
Angelo schob das Fotoalbum zur Seite und gab mir einen leidenschaftlichen Kuss. Ja, wir waren älter geworden. Ich erwiderte den Kuss.
"Ja ja, böse, böse Kinder!" Paddy, der gerade zu seinem Gebetskreis gehen wollte, stand grinsend und kopfschüttelnd in der Tür.
Wir schreckten auf. Angelo warf spielerisch ein Kissen nach seinem Bruder, und ich lachte. "Wir wissen schon. Saint Paddy tut das natürlich nicht!"
"Nein, wirklich nicht! Ich mache mal hier lieber die Tür zu, denn wenn Kathy oder Johnny euch so erwischen, halten sie euch gleich wieder große Reden über Verhütung!" rief Saint Paddy lachend und machte schnell die Tür hinter sich zu, bevor Angelo mich wieder küsste.
Nur eine Stunde später hatten Angelo und ich schrecklichen Streit. Er konnte einfach nicht verstehen, warum ich heute nicht... hatte das tun wollen, was wir sonst regelmäßig taten. Ein Wort gab das andere. "Ich kann dich nicht verstehen, Kira! Sonst willst du doch auch immer... und warum heute nicht? Liebst du mich nicht mehr? Langweilst du dich mit mir? Oder gibt es einen anderen..."
Ich seufzte. Wie sollte ich Angelo erklären, dass ich in Gedanken immer noch im Jahre 1992 war? Damals, als wir zusammen gespielt hatten... als wir versucht hatten, den Drachen fliegen zu lassen... da passte es nicht, dass er zur Tür herein kam und mich aufs Bett warf! Aber wie sollte ich ihm das erklären? Er hielt mich dann bestimmt für extrem meschugge.
Angelos Augen blitzten. "Die ganze Zeit bist du schon so komisch! Warum willst du nicht mit mir... ich meine, vor dem Schloss stehen TAUSENDE, die sich alle zehn Finger danach lecken!"
"Weißt du eigentlich, wie weh du mir tust, wenn du so etwas sagst?" fragte ich,
"Ach, und weißt DU, wie weh du MIR tust, wenn DU nicht mit mir ins Bett willst?" brüllte er zurück.
Jemand klopfte an die Tür. "Alles okay bei euch?" hörte ich Patricias Stimme.
Wütend drehte ich mich um, riss die Tür auf und stapfte an der erschrockenen Trisha vorbei. Sollte Angelo ihr doch erklären, was bei uns los war. Und sowieso: mit Angelo wollte ich jetzt gar nicht reden. Der drehte zur Zeit ja echt ab. Und Rücksicht auf meine Gefühle nahm er schon gar nicht mehr!
Ich ging ins Wohnzimmer, wo John und Maite noch immer vor der Glotze saßen und "Tor, Toor!" jubelten. Mit Grabesmiene setzte ich mich zwischen die beiden. "Super, Kira, du kommst auch!" Maite machte mir Platz auf dem Sofa. "Auf welche Mannschaft stehst du denn?" fragte sie eifrig. Ich verstehe nichts von Fußball und zeigte auf den Spieler, der gerade auf dem Bildschirm zu sehen war. "Das ist MEINE Mannschaft!" stellte John befriedigt fest. Ich ließ sie weitergröhlen. Desinteressiert starrte ich in die Glotze. Im Moment regte mich alles auf. Hoffentlich brachte mich wenigstens die Party mit Joey und Tanja auf andere Gedanken.
Der Abend endete damit, dass ich die ganze Zeit Tanjas und Joeys Baby Luke auf dem Schoß sitzen hatte. Eigentlich verstehe ich unter einer Party, dass man laute Musik hört und auch mal tanzt und eben Spaß hat. Doch Tanja und Joey waren von ihrem Flug so kaputt, dass wir uns alle nur ins Wohnzimmer setzten und redeten.
Auch Vater Dan war gekommen, ebenso wie Patricias Mann Denis, Johns Freundin Maitey und ein Typ, den Maite angeschleppt hatte und der Jimmy total auf die Palme brachte, weil er ständig Anti-Kelly-Witze erzählte.
Jedenfalls wollte Luke von Anfang an zu mir. Zuerst hatte Tanja ihn auf dem Schoß, aber Luke weinte grell und streckte die Arme nach mir aus. Ich und die anderen waren total perplex. Irgendwann gab Tanja mir entnervt ihren Sohn, denn es hatte ja keinen Sinn. "Tja, Kira ist wohl 'ne gute Mutter!" sagte Paddy grinsend. "Ach Gott, auch das noch!" kam Angelos Kommentar. Ich warf ihm einen giftigen Blick zu, aber der Spaß war mir vergangen.
Irgendwann standen Denis, Jimmy, Kathy, Angelo und John auf und gingen nach draußen, um eine zu rauchen. Ich hasse es, dass Angelo raucht.
Vater Dan unterhielt sich mit Tanja über den Flug. Patricia und Maitey reden übers Stricken, Barby und Paddy erzählten sich Witze (genauer gesagt er ihr) und Maite kuschelte mit ihrem blöden Typen. Mit mir redete niemand. Eine Weile spielte ich mit dem brabbelnden Luke auf meinem Schoß, doch irgendwann fing er an zu quengeln und "Bappa, bappa" zu wimmern. "Der will zu dir, Joe," sagte ich lässig, doch da bemerkte ich, dass Joey überhaupt nicht mehr neben mir saß.
Überrascht fragte ich in die Runde: "Sagt mal, wo ist Joe hin?"
Babs sah auf. "Keine Ahnung. Vielleicht ist er auch eine rauchen gegangen?" Doch da kamen gerade Jimmy und Denis von den Rauchenden zurück und beantworteten meine Frage. Joey war nicht bei ihnen.
"Warum suchst du ihn nicht, du hast ja nichts zu tun?" fragte Denis mich. Ich ärgerte mich! Woher wollte der denn wissen, dass ich nichts zu tun hatte? Schließlich hatte ich ja Luke auf dem Schoß! Aber bitte. Ich stand auf, übergab Tanja ihren Luke und ging nach oben.
"Joey, bist du hier?" Im Bad sah ich Licht. Ich öffnete die Tür und wurde von John, der gerade auf dem Klo hockte, total angeschrien. Huch! Ich wich zurück und stieß gegen etwas Weiches. Ich kreischte.
"Hey, das bin doch nur ich!" flüsterte Joey. Ich lachte erleichtert. John warf uns einen bösen Blick zu und machte die Tür zu.
"Ich sollte dich suchen, Joey," begann ich.
"Ja? Ich hab' nur kurz geguckt, ob in meinem Zimmer noch alles da ist. Überhaupt, warum bist du nicht bei Angelo?"
"Ach der..."
"Probleme? Schwierigkeiten? Ihr habt Streit?" Ich antwortete nicht darauf. "Mensch Kira, Mädel, tu' mir das nicht an. Angelo und du... ihr seid doch ein Traumpaar. Ihr wollt euch doch nicht etwa trennen? Mensch Kira, was ist denn los bei euch?" Er kratzte sich am Kinn und sah mich verlegen an.
Und dann - ich kann es heute nicht mehr verstehen, kann nicht mehr erklären, was in mich gefahren war, wahrscheinlich war es die Rache an Angelo, der kein Verständnis für mich hatte, vielleicht auch etwas anderes, ich verstehe es ja selbst nicht mehr - schnappte ich ihn mir und küsste ihn.
Die Tür zum Bad ging auf und John kam heraus, sich die Hose hochziehend. "Das nächste Mal klopfst du an!" meckerte er in meine Richtung und ging schnell die Treppe hinunter.
Die kurze Pause hatte uns gut getan. Joey und ich sahen einander entsetzt an. Er sprach zuerst. "Oh Gott Kira, was hast du denn da gemacht??"
"Wieso? Du hast doch mitgemacht!" sagte ich feindselig.
Joey griff sich an den Kopf und stöhnte. "Kira! Ich bin verlobt! Und du bist mit Angelo zusammen!"
"Ach der..." wiederholte ich.
"Wir haben gerade eben einen Seitensprung begangen!" jammerte er. "Das... das wird Tanja mir nie verzeihen!"
"Dann sagst du's ihr halt nicht!" meinte ich locker, doch ich war gar nicht so gelassen.
"Natürlich werde ich es ihr sagen! Ehrlichkeit ist das oberste Gebot einer Beziehung!" Joey schenkte mir keinen weiteren Blick und eilte die Treppe hinunter.
"Joey!! Du wirst doch nicht..." schrie ich und rannte ihm hinterher.
Alle waren wieder im Wohnzimmer, auch die Raucher, als Joey und ich unten ankamen. "Na seht ihr, Kira hat Joey gefunden," sagte Maite lachend. Aber mir war nicht nach Lachen zumute.
Joey baute sich vor Tanja auf. "Tanja, Schatz... ich muss mit dir reden."
Alle staunten, als sie Joeys ernstes Gesicht sahen. Tanja stand auf. "Na klar." Sie drückte Jimmy Luke in die Hände.
"Nimm' das Kind mit. Wir fahren nach Hause. Dort sage ich es dir," sagte Joey.
Überrascht packte Tanja zusammen. Joey stand schweigend und mit verschränkten Armen neben ihr und wartete, bis sie alles hatte. "Sagt mal, ist was?" fragte John. Tanja zuckte mit den Schultern, ebenso wie Joey. Dann nahm Tanja Luke wieder aus Jimmys Armen und baute sich vor Joey auf. "Ich bin soweit," sagte sie.
John ergriff eine Tasche. "Kommt, ich helfe euch noch, die Sachen zum Auto zu tragen."
"Ist korrekt," sagte Joey.
Tanja und Joey umarmten alle, dann gingen sie mit Luke nach draußen, gefolgt von John. Ich starrte den dreien hinterher wie eine Todgeweihte.
Zornig schloss Barby die Tür hinter ihnen. "Sagt mal, was ist denn mit Joey los?"
"Der benimmt sich ja wirklich komisch," meinte Maitey.
"Weißt du nicht was?" fragte Paddy. Ich schüttelte blitzschnell und ohne nachzudenken den Kopf. Angelo musterte mich aus schmalen Schlitzaugen und sah wieder weg.
Johnny kam wieder. "Und, was ist mit Joey los?" überfiel Jimmy ihn gleich. John schob Jimmy weg. "Weiß ich doch nicht! Der hat mir nichts gesagt!"
"So, und was jetzt?" fragte Maite mutlos.
"Beenden wir die Party!" ordnete Vater Dan an.
So wurde es gemacht. John und Maitey und Denis und Patricia verschwanden nach oben, ebenso wie Vater Dan. Paddy und Barby gingen auch schlafen, und Maite brachte ihren unmöglichen Typen zur Tür. Kathy, Jimmy, Angelo und ich blieben zurück. Die drei Kellys begannen, den Tisch abzuräumen. Halbherzig griff ich auch nach einem Teller. Kathy streifte mich mit ihren Blicken. "Kira, bleibst du über Nacht?"
Ich öffnete schon den Mund, um Nein zu sagen, da sagte Angelo laut: "Natürlich bleibt sie."
Zugegeben, jetzt war ich überrascht. Ich hatte fest damit gerechnet, dass Angelo mich heute Nacht nicht bei sich haben wollte. Schließlich hatten wir Streit gehabt und auch die ganze Party über kein Wort miteinander gesprochen. Doch jetzt wollte er, dass ich blieb... hatte er mich doch noch ein bisschen gern?
Doch nicht nur Freude, auch Angst erfüllte mein Herz. Wie konnte zwischen Angelo und mir alles wieder gut werden, wenn doch noch die Sache mit Joey zwischen uns stand? Warum hatte ich den nur geküsst... sollte ich Angelo alles sagen? Er würde mich bestimmt verlassen... Joey war ja nicht irgendwer, sondern sein Bruder!
Und Joey wollte Tanja auch alles sagen... Ehrlichkeit ist das oberste Gebot einer Beziehung, hatte er gesagt... hatte er Recht? Ich musste es Angelo sagen. Es musste sein. Angelo war ja nicht blöd. Er würde es merken, wenn Joey und ich uns nie wieder in die Augen sehen können würden. Und vielleicht würden Tanja oder Joey selbst petzen. Nein, ich musste es Angelo sagen.
Kathy gähnte und wieherte dabei wie ein Pferd. "Ab ins Bett, Leute." Jimmy und sie stiegen die Treppen hinauf. Angelo und ich sahen uns unsicher an, dann lächelten wir und folgten ihnen.
Oben in seinem Zimmer machte Angelo Licht. Ich setzte mich aufs Bett und atmete tief durch. Sollte ich es sagen? Oder doch nicht? Bevor ich mich entschieden hatte, strich Angelo plötzlich ganz sanft über meine Wange. Überrascht sah ich auf. Er lächelte mich an. "Es tut mir so Leid, dass wir uns gestritten haben, Kira."
"Mir auch..." entgegnete ich unsicher.
Angelo setzte sich zu mir und schob das Fotoalbum zur Seite. Unser Drachen! dachte ich verzweifelt. Damals war noch alles gut... wir wollten doch immer ehrlich zueinander sein, Angelo und ich...
"Kira, ich... ich finde, wir sollten für immer zusammen bleiben."
"Hm, ja," murmelte ich. Ich hörte ihm gar nicht zu. Ich musste es ihm sagen. Es gab keinen anderen Weg. "Angelo, ich... ich..."
"Warte." Er stand auf und drehte sich um. Nach einer Weile drehte er sich wieder zu mir und hielt mir eine geöffnete Schachtel hin. Darin befand sich ein schmaler goldener Ring, auf dem mein Name eingraviert war.
"Kira, ich möchte, dass du meine Frau wirst."
Und ich war so dumm und sagte es ihm. In diesem Moment.
Zwei Tage später betrat ich unter Tränen wieder das Schloss. Gut, ich war hier natürlich immer noch willkommen (ich war ja auch noch Pattys und Maites Freundin), aber zwischen Angelo und mir war alles kaputt. Alles. Den schönen Ring hatte er noch in derselben Nacht irgendwo an der Rheinaue weggeworfen. Ich Idiotin!
"Hallo... ist jemand da?" fragte ich zaghaft. Niemand antwortete, nur meine Stimme hallte wieder im riesigen Flur. Es schien niemand zuhause zu sein. Und gerade jetzt hätte ich doch jemanden zum Reden gebraucht.
Alles hatte ich falsch gemacht. Angelo war so enttäuscht gewesen. Er hatte nicht ausdrücklich Schluss gemacht, aber wir redeten nicht mehr miteinander. Auf mich war er sauer. Auf Joey nicht. Ich verstand es, aber es war ungerecht. Noch ungerechter war, dass Joey und Tanja wohl gar keinen Streit wegen dem "Ausrutscher" gehabt hatten. Gestern waren sie dagewesen, um Jimmy einen Blumentopf zu bringen. Sie hatten Händchen gehalten und sehr glücklich gewirkt.
Im Wohnzimmer lief der Fernseher, ein altes Video. War doch jemand da? Ach, egal. Ich ließ mich vor die Glotze fallen. Das Video, das da lief, war LIVE IN EAST GERMANY. Von 1990! Gerade waren Johnny und Paddy bei Who'll Come With Me zu sehen. Als ich Paddys dicke Backen sah, musste ich trotz meiner Heulerei grinsen. Damals war der bestimmt noch nicht so tüdelig gewesen mit seinem Gebetskreis und allem. Ach egal. Als ich Angelo auf dem Bildschirm sah, schaltete ich den Fernseher aus.
"Kira, du?" Überraschend war Patrisha ins Wohnzimmer getreten. Sie trug einen Bademantel und hatte nasse Haare. Als sie mein Gesicht sah, stutzte sie. "Immer noch so schlimm, hm? Na, komm mal her!"
Sie nahm mich in den Arm und streichelte mein Gesicht. Ich habe Patricia wirklich lieb. Also gut, sollte sie eben alles erfahren. Also gut.
"Ach Patricia, es geht ja nicht nur um Angelo..." Meine Stimme brach ab.
"Um was denn noch?"
"Willst du's wirklich wissen?"
"Ja, natürlich," sagte Patty.
"Ich bin schwanger."
Doch da hatte ich nicht mit Pattys Reaktion gerechnet. Erst jubelte sie, dass die Wände wackelten, und dann tanzte sie durchs ganze Wohnzimmer. Erst als ich sie darauf aufmerksam machte, dass ihr Bademantel aufgegangen war, wurde sie rot und setzte sich wieder hin. Doch trotzdem war sie happy, redete darüber, dass Angelo bestimmt total stolz wäre und dass sie Patentante werden wollte etc. "Jetzt halt' doch mal die Luft an!" unterbrach ich sie energisch. "Kannst du mal an die negativen Aspekte dieser Schwangerschaft denken?"
"Was ist denn negativ?" fragte Patricia.
Ich holte tief Luft. "Na ja... Angelo und ich, das wird ja wohl nichts mehr."
"Sag' doch sowas nicht, Kiri. Was meinst du, wie sich der Angelo freut! Er wollte doch schon immer Vater werden... und am allerliebsten mit dir!"
"Schon, aber... seit der Sache mit Joey... wir reden ja gar nicht mehr miteinander... und auch so... ich meine, das war ja nicht geplant und... weißt du eigentlich, wie alt wir sind? Und... es war so... einfach so... ach Gott, Patty, ich schaff' das nicht!" schluchzte ich und fiel ihr um den Hals. Sie streichelte mich und flüsterte beruhigende Worte.
"Hey, was heult ihr denn hier rum?" Paddy war überraschend ins Zimmer gekommen. Er warf Patricia und mir einen verwirrten und besorgten Blick zu. Ich stellte fest, dass er wirklich nicht mehr so dicke Backen hatte und ärgerte mich, dass ich jetzt an so etwas dachte.
Patricia warf mir einen Blick zu und meinte dann leise: "Patrick... ich glaube, das geht dich nichts an. Noch nicht..."
"Ach!" Ich wischte mir über die Wangen. "Sag's ihm halt, Patricia."
Patricia warf mir noch einen skeptischen Blick zu. Doch da ich wieder nickte, seufzte sie schließlich und meinte, den Kopf zurückwerfend: "Also gut. Paddy - Kira und Angelo bekommen ein Kind."
Ich wagte, jetzt, da sie es ausgesprochen hatte, kaum zu atmen.
"Oops!" machte Paddy. "Wäre vielleicht doch besser gewesen, wenn Kathy und John euch doch mal Reden über Verhütung gehalten hätten!"
"Paddy, doch jetzt keine Witze!" zischte Patricia.
"Was höre ich da, Kira und Angelo bekommen ein Baby?" Kathy betrat mit begeistertem Gesicht das Zimmer. Oh nein, das ging ja schon wieder in der Welt rum! Und morgen würde es in der Zeitung stehen... und Angelo...
"Das soll jetzt aber nicht jeder erfahren!" sagte Patricia mahnend - das war das Letzte, das ich hörte, bevor mir schwarz vor Augen wurde.
Eins muss man den Kellys lassen: sie können sich toll um jemanden kümmern. Als ich die Augen wieder aufschlag, lag ich auf der gepolsterten Bank in der Küche. Maitey, Barby, Kathy, Denis, Joey, Patricia, Tanja, Jimmy, Johnny und Vater Dan beugten sich über mich. Maites Typ war nicht dabei, hatte sie den abserviert? Ich blinzelte und versuchte zu lächeln.
"Gott sei Dank, sie kommt zu sich!" sagte Kathy erleichtert.
"Kannst du dich aufrichten?" fragte Barby besorgt und stützte mich, und Jimmy raste gleich in den Keller, um irgendein kaltes Getränk für mich zu besorgen. Ich fühlte Dankbarkeit. Liebe Kellys!
So gelehnt an Barby, konnte ich die anderen besser ansehen. Alle grinsten mich an. Ich blinzelte zu Patricia. "Wissen... ich meine, wisst ihr alle..."
"Ja, wir wissen es," sagte Joey. "Wir wissen es alle," fügte Johnny hinzu. "Paddy ist gerade losgefahren, um Maite aus der Stadt abzuholen. Dann wird er es ihr wohl auch sagen."
"Und Angelo?" fragte ich noch ganz benommen.
"Angelo ist bei einem Freund und hilft dem was am Computer. Er weiß von nichts. Du solltest es ihm wohl lieber selbst sagen," meinte Tanja.
"Ja, und, äh, was sagt ihr denn dazu?" fragte ich.
Alle jubelten durcheinander. "Wir finden es super, wir finden es klasse, endlich mal wieder ein Baby im Haus, Angelo und du, ihr seid sicher super Eltern, wir freuen uns total für euch, ich hätte auch gerne ein Baby, wie wollt ihr es denn nennen, wir finden es irre!" schrien alle. Kathy puffte Denis, der am lautesten war, in die Seite. "Jesses, das Kind braucht Ruhe!" Mit "Kind" meinte sie aber mich.
Vater Dan musterte mich mit seinen gütigen Augen. Ich kann es nicht erklären, aber irgendwie hat er gütige Augen. "Ich finde es auch wundervoll, Kira," sagte er. "Jetzt gehörst du richtig zu uns." Ich grinste.
"Ach ja Babys, wo ist eigentlich euer Kind?" wandte Patty sich an Tanja und Joey. "Luke ist bei einer Nachbarin," sagte Tanja.
Als ich Tanjas Stimme hörte, wurde mir ganz anders. Ich gab mir einen Ruck. "Tanja, ich... du weißt ja..."
"Ich weiß," bestätigte Tanja leise. "Aber es ist nicht so schlimm." Sie lächelte mich an. Dankbar ergriff ich ihre Hand. Auch Babs drückte meine andere Hand. Fast wäre ich umgefallen. Aber ich war froh.
"Mann, Leute!" Mit besorgtem Gesicht und dem Handy in der Hand kam Jimmy aus dem Keller gerannt. "Jetzt ist die Kacke aber echt am Dampfen!"
"Jimmy, sag' doch nicht immer so ekelerregende Sachen!" jammerte Kathy. "Was ist denn los?"
"Das war Paddy am Telefon. Er wollte doch Maite aus der Stadt abholen. Und dabei hat er ihr natürlich erzählt, dass Kira ein Kind bekommt. Ja, und jetzt die Maite! Aus dem Auto ist sie gehüpft und rennt jetzt gleich zu Angelo, um ihm zu gratulieren! Paddy hatte gar keine Gelegenheit, ihr zu erklären, dass Angelo noch gar nix weiß!"
Mir wurde wieder schwarz vor Augen. "Nein! Angelo darf das doch nicht von Maite erfahren... was wird denn dann..." "Vorsicht, Barby, sie fällt!" sagte Joey besorgt. Doch bevor Barby reagieren konnte, hatte sich auch Johnny hinter mich gestellt und hielt mich ganz fest.
"Was machen wir denn jetzt?" fragte Patricia. "Ihr seht ja, Kira will nicht, dass Angelo es von Maite erfährt." "Rufen wir Maite doch einfach an und sagen ihr, dass sie die Klappe halten soll!" meinte Jimmy und tippte gleich auf seinem Handy herum. Doch Maite ging nicht dran. Ich war fast am Heulen.
"Gib's doch auf, Jim!" sagte John irgendwann genervt. "Sie hebt nicht ab. Ruf' lieber Angelo an." "Aber sein Handy ist kaputt!" meldete Denis. "Dann rufen wir eben bei seinem Freund an," meinte John. "Gut, bei wem ist er denn?" fragte Jimmy und hatte schon wieder das Handy in der Hand. "Bei Bastian," sagte Patricia. "Nein, bei Daniel," sagte Barby. "Ich dachte, er ist bei Max," sagte Joey. "Wieso, ich dachte, er ist bei Christian!" mischte Kathy sich ein.
"Jetzt gib's auf, die einigen sich doch nie!" meinte John und nahm Jimmy das Handy aus der Hand. "Wir wissen es nicht."
Ich rappelte mich stöhnend auf. "Das gibt eine Katastrophe!" jammerte ich. "Wenn Angelo das von Maite erfährt... er hält mich doch für die letzte Idiotin! Seht ihr, das wird nix mehr, wir können gar nicht mehr richtig miteinander reden und..." Ich brach wieder in Tränen aus und schluchzte laut.
"Aber wir können doch nichts machen!" sagte Barby besorgt.
Im selben Moment flog die Tür auf und dann standen Angelo und Maite in der Küche. Ich senkte die Augen und konnte gerade noch erkennen, dass Angelos Gesicht ziemlich starr war und dass Maite mir einen entschuldigenden Blick zuwarf. Aber toll, davon hatte ich jetzt auch nichts mehr!
"Hallo Angelo!" sagte Patricia.
"Und, du weißt es, nicht wahr?" fragte John.
"Was sagst du denn dazu?" wollte Paddy wissen.
Angelo schob Patricia, Paddy und John energisch zur Seite. "Ich möchte allein mit Kira reden," sagte er. Mir wurde schlecht.
Er nahm meine Hand und zog mich hoch in sein Zimmer. Die anderen Kellys sahen uns betreten hinterher. "Oh Mann, hoffentlich gibt's jetzt keinen Ärger!" hörte ich gerade noch Jimmy bedrückt sagen.
In Angelos Zimmer musste ich mich erst mal aufs Bett setzen, weil mir so schwindelig war. Und schlecht war mir ja auch. Waren das schon die ersten Schwangerschaftsbeschwerden?
Na supi!
Ich starrte zu Boden, bis ich plötzlich eine ganz leichte Berührung spürte. Angelo hatte seine Hand auf meinen Bauch gelegt. "Du, Kira..." sagte er leise, "ist das wahr?"
Ich nickte.
Er lachte leise. "Ich werde Vater!"
Überrascht sah ich ihn an. "Du freust dich?"
Er drehte sich zu mir, ein Lächeln im Gesicht. "Aber natürlich freue ich mich! Wir beide werden Eltern! Es ist ein Kind der Liebe, es ist das Produkt unserer gemeinsamen Gefühle. Kira... du weinst ja."
Ich schluchzte laut. Er nahm mich in den Arm und wiegte mich hin und her, als wäre ich selbst ein kleines Baby. Ich wusste genau, was das Problem war.
"Was ist los, Kira?" flüsterte er.
Und da brach alles aus mir heraus. "Ach Angelo, wie sollen wir das denn schaffen mit einem Kind? Wir sind doch beide noch so jung! Und überhaupt... es ist alles nicht mehr so wie früher. Damals war alles noch gut, da haben wir uns noch super verstanden. Und jetzt geht alles kaputt. Ich meine, wie sollen wir denn ein Kind erziehen, wenn wir es noch nicht mal schaffen, einen Drachen zum Fliegen zu bringen?"
So hatte ich es eigentlich gar nicht sagen wollen, weil es bescheuert klang. Es war einfach nur, dass ich mich nach dieser Zeit zurücksehnte. Angelo sah mich lange an.
Und plötzlich sprachen wir gleichzeitig.
"Meinst du, wir könnten jetzt..."
"Haben wir den Drachen noch im..."
Und da wusste ich, dass er mich verstand.
Wir sprangen vom Bett auf und rannten in den Keller, wo wir in allen Kisten herumwühlten. Irgendwann kam Joey in den Keller und fragte, was wir da eigentlich suchen würden. Und als wir sagten: "Unseren Drachen!" , da machte er ein komisches Gesicht und tippte sich an die Stirn.
"Ich hab' ihn!" Angelo zog das hellblaue Ungetüm aus einer Kiste und schwenkte es triumphierend.
Wir wollten keine Zeit verlieren. Mit dem Drachen rannten wir vors Tor, sprangen in ein vorher bestelltes Taxi und waren schon bald in Köln am Rhein angekommen. Es war windig, oh ja.
"So, Kira, los geht's!" Angelo ließ den Drachen steigen. Er wurde vom Wind ergriffen und flatterte lustig in der Luft hin und her.
"Er fliegt, Kira! Er fliegt!" schrie Angelo.
Ja, er flog!
"Er fliegt! Er fliegt! Wir haben ihn zum Fliegen gebracht! Wir haben ihn endlich, endlich zum Fliegen gebracht!" jubelten wir, sprangen auf und ab und fielen uns immer wieder in die Arme. Der Drachen flatterte dem Himmel entgegen und die Sonne brach durch die Wolken.
War es endlich das Zeichen meines Opas?
"Opa, Oma, ihr werdet Urgroßeltern!" rief ich in den Himmel. Und auf einmal wusste ich, dass ich mein Kind liebte. Es kam alles auf einmal.
"Shit!" rief Angelo plötzlich. "Jetzt hat sich unser Drachen im Baum verfangen!"
Wir rannten hin. Als wir vor dem Baum ankamen, fiel er zu Boden. Ein Riss war mittendurch, wie damals.
"Jetzt wissen wir ja, dass Jimmy ihn reparieren kann!" sagte Angelo grinsend.
Keine Zeit verlieren. Wir riefen wieder ein Taxi, fuhren zurück zum Schloss, rannten hinein und riefen: "Jimmy, du musst uns helfen!"
Jimmy, der gerade mit Kathy und Barby in der Küche saß, stöhnte, das habe er ja schon ewig nicht mehr gemacht, ging aber dann doch mit uns in den Garten und versuchte, den Drachen wieder zu reparieren. Plötzlich sah er auf und meinte: "Guckt mal, was hier dranhängt!" Er hob einen schmalen goldenen Reif auf.
Angelo fing ungläubig an zu lachen und sagte: "Lies mal, was da draufsteht, Kira!"
Ich beugte mich vor und las meinen eigenen Namen. KIRA.
"Aber das ist ja unmöglich! Du hast ihn doch in den Rhein geworfen..."
"Ich habe ihn nur AM Rhein weggeworfen. Doch, ehrlich, ich hab' ihn hoch in den Baum geschmissen."
"Und jetzt könnt ihr ihn endlich verwenden!" sagte Jimmy.
Ich streifte den Ring über meinen Finger. Er passte wie angegossen. Ich sah Angelo an und lachte voller Freude.
© by Doro