Ina brachte gerade ihre kleine Tochter Peg ins Bett, als diese anfing zu kreischen:
"Nein Mami ich will noch nicht schlafen!!!"
"Doch du wirst, es ist allerhöchste Zeit, aber wenn du willst erzähl ich dir noch eine Geschichte" sagte Ina mit sanfter Stimme.
"Oh ja" schrie Peg begeistert. "Erzählst du mir die Geschichte wie du Papa kennengelernt hast? Bitte!!!" Ina rückte ihre Brille zurecht und strich sich durch ihre blonden Haare.
"Aber die hast du doch schon hundert mal gehört, aber gut wenn du sie gerne noch einmal hören möchtest erzähle ich sie dir natürlich" Ina kuschelte Peg in die weiche Decke ein, setzte sich auf den Rand des Bettes ihrer Tochter und begann mit einem verträumten lächeln zu erzählen.
Es war im Frühling 1989, ich war im Herbst zuvor gerade 20 Jahre alt geworden und wohnte damals noch in Berlin. Ich liebte Berlin, denn hier hatte ich mein ganzes bisheriges Leben verbracht und viele schöne, aber auch schlechte Zeiten erlebt.
An einem schönen sonnigen Tag, es war Freitag, schlenderte ich gemütlich über den Alexanderplatz. Ich hatte schon alles erledigt, die Arbeit war geschafft und den großen Einkauf fürs Wochenende hatte ich auch hinter mir.
Da ich genügend Zeit und nichts besseres vorhatte, setzte ich mich an den Brunnen des Alexanderplatzes und sah zu wie ein paar junge Leute, es mussten wohl Straßenmusiker sein, sich darauf vorbereiteten für die Leute Musik zu spielen und dazu zu singen. Es waren neun Personen, fünf Jungs und vier Mädchen, da sie eine gewisse Ähnlichkeit mit einander hatten vermutete ich gleich das es sich um Geschwister handelt.
Ein junger Mann viel mir von Anfang an besonders auf, er hatte blonde lange Haare, was eigentlich nichts besonderes war, denn das hatten fast alle der Musiker.
Aber ich hatte von Anfang an meine ganze Aufmerksam nur auf ihn gerichtet.
Dann war es endlich soweit und sie begannen zu singen.
Einige Leute stellten sich um sie herum und betrachteten die Musiker mit der seltsamen Kleidung und den wunderschönen Stimmen, neugierig und viele waren von ihnen und ihrer Musik begeistert. Andere Leute beachteten sie gar nicht oder starrten sie im vorübergehen, mit dem Ausdruck "...was sind denn das für Penner" auf dem Gesicht, an.
Ich saß da auf dem Brunnen und hörte mir in aller Ruhe und mit stiller Begeisterung ihre Musik an.
Als sie aufhörten zuspielen und anfingen alles abzubauen, war es schon fast ganz dunkel geworden, aber ich saß weiter verträumt auf dem Brunnenrand.
Plötzlich kam ein scheinbar reichlich betrunkener Mann direkt auf mich zu, grinste mich an und setzte sich schließlich dicht neben mich.
"Na willste auch´n schluck" lallte er und hielt mir seine Wodkaflache genau vor das Gesicht. Da ich mich vor ihm und seiner Aufdringlichkeit fürchtete wollte ich aufstehen und so schnell wie möglich von hier verschwinden, aber er packte mich am Arm, hielt mich so fest das es schmerzte und fragte in einem wütenden Ton: "Wo willst du denn jetzt hin, du hast doch wohl keine Angst vor mir?"
Auf einmal ergriff eine panische Angst besitz von mir und ich fing laut an nach Hilfe zuschreien. Da kam auch schon aus der Dunkelheit eine Gestallt angerannt und sagte mit mutiger Stimme: "Lassen sie sofort das Mädchen los und verschwinden sie, sonst rufe ich die Polizei!"
Und tatsächlich, der Betrunkene ließ mich los und rannte stolpernd davon.
Erst als die Gestallt den Arm um mich legte und mich mit einer unglaublich lieben Stimme fragte ob ich in Ordnung sei, erkannte ich das es sich bei meinem Retter um den jungen Musiker handelte der mir schon die ganze Zeit aufgefallen war.
"Es ist alles in Ordnung ich habe mich nur furchtbar erschrocken als er mich plötzlich am Arm festhielt" antwortete ich, immer noch zitternd und fügte noch ein: " Vielen dank" hinzu.
"Entschuldige ich hab mich ja noch nicht einmal vorgestellt. Ich bin John Kelly.
Heute Nachmittag habe ich mit meinen Geschwistern hier gesungen" erklärte dein Vater mir etwas verlegen.
"Ja, ich habe euch zu gehört, ihr macht wirklich wunderbare Musik" strahlte ich ihn an und sah in seine schönen blauen Augen.
Wir unterhielten uns den ganzen Abend und er erzählte mir von seinem Leben als Straßenmusikant, von den Ländern die er mit seiner Familie schon bereist hatte und auch von den Träumen die er hatte.
Er stellte mich seinen Geschwistern vor und da er am nächsten Tag wieder weiter reisen musste blieben wir schließlich die ganze Nacht zusammen und unterhielten uns.
Nun war es soweit die Zeit des Abschieds war gekommen, alles war schon bereit für die weiter fahrt, nur John und ich nicht.
So standen wir zusammen neben dem Bus der ihn aus meinem Leben reißen sollte und sahen uns an.
"Wir haben so viel gemeinsam, ich habe noch nie ein Mädchen wie dich gekannt.
Was ich dir jetzt sage klingt für dich bestimmt seltsam, da wir uns ja noch nicht lange kennen, aber ich habe mich in dich verliebt." Es viel deinem Vater schrecklich schwer mir das zusagen, denn er war unglaublich schüchtern, aber er wusste wenn er es nicht sagen würde, würde er mich verlieren und niemals wiedersehen.
"Ich liebe dich auch mein Retter, ich liebe dich seit dem ich dich das erste mal sah" sagte ich, mir einem sanften lächeln auf dem Gesicht, zu ihm.
Dann umarmten wir uns und küssten uns das erste mal.
"Werden wir uns wiedersehen" fragte ich ihn und bemerkte wie schön die Sonne in seinen Augen glitzerte.
Da lächelte er und sagte: " Das werden wir!!!"
Ich gab ihm meine Adresse und Telefonnummer. Er rief mich jeden Tag an und wir Telefonierten manchmal Stundenlang.
Oft schrieb er mir auch liebe Briefe, aber ich konnte die meisten nicht beantworten, da er lange Zeit keine feste Adresse hatte.
Nach 7 Monaten war es dann endlich soweit ich hatte alle Zelte in Berlin abgebrochen, zog zu ihm und begleitete ihn fortan auf all seine Reisen.
Peg war schon längst eingeschlafen, aber trotzdem erzählte Ina die Geschichte bis zuende, denn sie erinnerte sich so gern daran wie er sie "gerettet" hatte und an die Art wie er sie zum ersten mal angesehen hatte.
Dann gab sie ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn und wollte gerade ins Wohnzimmer gehen als sie einen Schlüssel im Schloss hörte.
John kam zur Tür herein, ging auf sie zu und schloss sie in seine Arme.
"Schön das du wieder da bist mein Retter" zwinkerte ihn Ina an.
Da lachte John, denn er wusste natürlich sofort was sie meinte.
Ende
Von Nora Christy
Für meine liebe Schwester und Freundin