It's my life

by Jihong   jihong.lin@web.de

 

Jessie trat kräftig in die Pedale. "Scheiß Regenwetter! Aber bald bin ich ja schon zu Hause", dachte sie. Der Regen goss auf sie nieder und behinderte ihre Sicht. "Ach, hätte ich doch die Bahn genommen, dann wäre ich schon zu Hause oder wenigstens in der warmen, trocknen Bahn!"
In Gedanken versunken achtete sie nicht auf ihren Weg. Plötzlich sah sie einen jungen Mann mit einem Rucksack vor sich und versuchte auszuweichen. Dabei rutschten die Reifen ihres Fahrrades aus und sie fiel donnernd zu Boden. "Oh, Entschuldigung, dass ich auf dem Fahrradweg gegangen bin", sagte der Unbekannte mit sanfter Stimme, " Komm, ich helfe dir hoch!" Er streckte seine Hand nach ihr aus und zog Jessie wieder hoch.
Sie musterte ihn von unten bis oben an. Ihr Blick schweifte von den Füßen auf die Beine, dann auf den Körper. Als sie beim Gesicht angekommen war, klappte ihr Mund auf. Das gibt´s doch gar nicht! Dieser Mund, diese Nase und vor allem diese unverwechselbaren blauen Augen-Paddy Kelly!
"Nein, das kann nicht sein", dachte sie, "es kann einfach nicht sein!" Sie schaute noch einmal genauer hin. Sie war sich nicht sicher. "Vielleicht sieht er Paddy ja nur verdammt ähnlich aus! Außerdem, was sollte Patrick denn hier? Die Kellys sind doch auf Tour, oder?",nachdenklich musterte sie das Gesicht des Fremden. Er sah sehr müde und erschöpft aus. Anders als auf den Postern, aber dafür noch hübscher.
" Hallo. Ist alles okay mit dir?" Oh Gott, diese Stimme. Er sprach mit ihr! "Ja,...ja,...es ist alles...äh...in Ordnung", stammelte sie hervor. "Da bin ja froh!", begann er wieder, "übrigens, mein Name ist Patrick, Patrick Kelly. Aber du kannst mich Paddy nennen. Und, verrätst du mir dein Name?" Ein zuckersüßes Grinsen bildete sich auf sein Gesicht. "Ach du scheiße", dachte Jessie, "Er ist es also doch! Es kann doch nicht sein!" "Ich heiße Jessie.", es klang schon etwas sicherer. "Oh, freut mich, dich kennenzulernen! Das ist ein hübscher Name!" "Danke, aber Patrick ist doch auch schön!" "Wenn du meinst? Hey, darf ich dich auf ein Eis einladen? Schließlich habe ich dich zu Tode erschreckt!"
Hatte er sie da gerade auf ein Eis eingeladen oder hörte sie nicht richtig? " Äh, ...gerne", antwortete sie, "aber bei dem Wetter?" " Warum nicht? Der Regen hat doch aufgehört!", meinte er. "Aber ich bin doch ganz nass", meinte sie, "und du doch auch. Sollen wir so durch die Straßen ziehen? Wollen wir nicht vielleicht erst kurz zu mir, um uns umzuziehen? Ich wohne hier um die Ecke."
Hatte sie ihn gerade gefragt, ob er mit zu ihr will? Jessie staunte über ihren eigenen Mut. "Wär´mir recht", war die Antwort. Jessie konnte es kaum fassen. "Gut, gehen wir", dabei schaute sie ihn lächelnd an. Er erwiderte ihr Lächeln. Also schob sie ihr Rad und die beiden gingen los.

Sie schloss die Haustür auf. "Meine Eltern sind in Urlaub gefahren und wir haben seit vorgestern Osterferien.", erzählte sie beim Eintreten. Paddy folgte ihr. "Das ist ein schönes Haus, ehrlich!" "Ach, euer Schloss ist doch bestimmt viel größer und viel schöner!" "Größer schon, aber nicht unbedingt schöner! Außerdem gibt es da 8 nervende Geschwister, die mir tierisch auf die Nerven gehen." "Wirklich? Hier, du kannst dich im Bad umziehen.", Jessie deutete auf eine Tür, "ich bin in meinem Zimmer", und sie deutete auf eine andere Tür. Paddy lächelte dankend und verschwand im Bad. Jessie zog sich in ihrem Zimmer um und konnte es immer noch kaum fassen, wen sie da bei sich zu Hause hatte.
Währenddessen sah Paddy sich im Spiegel an. Er war blass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. "So sieht man eben aus, wenn man seit 3 Tagen so gut wie keinen Schlaf hatte.", dachte er schweigend. Dann holte er frische Sachen aus dem Rucksack und zog sie sich an. "Das sind die einzigen Sachen, die noch frisch sind. Anscheinend muss ich mir echt eine Bleibe suchen, wo ich meine Sachen waschen kann und wo ich in Ruhe schlafen kann. Schließlich kann ich nicht immer wie ein Penner auf der Straße hocken." Er seufzte tief und blickte noch mal in den Spiegel, ob er in Ordnung aussah.

Langsam verließ er das Bad und betrat Jessie´s Zimmer. Sie saß auf ihrem Bett und deutete auf die Couch. Paddy setzte sich hin. Erst jetzt sah er die vielen Kelly-Poster an der Wand und schmunzelte. " Du bist Kelly-Fan?" " Ja, sieht man, oder?" " Hätte ich nicht gedacht", Paddy´s Gesicht sah verwundert aus. "Warum das?" "Weil die meisten Fans anfangen zu kreischen, wenn die mich sehen. Das geht mir tierisch auf den Geist!" Er sah sie an. "Magst du deine Fans denn nicht?", fragte sie vorsichtig. "Naja, eigentlich schon", er machte eine Pause, " aber nicht, wenn die so hysterisch sind! Weißt du, ich kriege da manchmal richtig Angst und denke nur, bloß weg hier. Manchmal ist es echt nicht auszuhalten."
Jessie konnte ihm ansehen, dass er verzweifelt war. "Bist du denn jetzt böse auf mich?", Jessie spürte wieder diese Unsicherheit in ihr. " Natürlich nicht", Paddy versuchte zu lächeln, obwohl es ihm schwer fiel. Er musste an das denken, was er vor 3 Tagen getan hatte. Jessie sah ihn an. Er schaute auf den Boden und da-seine Augen waren auf einmal ganz rot und eine Träne kullerte über seine Backe. Dann verbarg er sein Gesicht in seinen Händen und schluchzte laut auf.
Jessie sah ihn besorgt an und setzte sich neben ihn. Vorsichtig streichelte sie ihm über den Rücken und sprach leise: "Was hast du? Willst du es mir nicht erzählen? Komm, Paddy, vielleicht verstehe ich dich ja!" Er drehte sich ruckartig um und schrie sie an: "Du verstehst mich überhaupt nicht! Keiner versteht mich! Es will mich auch keiner verstehen!" Dann brach er wieder in Tränen aus und Jessie sah ihn vorsichtig an. "Es...es...tut mir Leid, dass... dass ich dich so an-... angeschriehen habe", schluchzte er wie ein kleines Kind, "In letzter Zeit flippe ich öfters aus. Das ist auch der Grund, warum ich überhaupt hier bin."
Wieder verbarg er sein Gesicht und Jessie konnte das verzweifelte Schluchzen hören. "Komm, beruhig dich! Hör doch auf zu weinen. Bitte erzähl mir doch, was los ist! Du kannst doch nicht ewig hier rumheulen!" Paddy sah auf und wischte sich seine Tränen weg. Dann fing er an zu sprechen: "Es begann alles damit, dass meine Freundin vor 3 Wochen mit mir Schluss machte. Ich war schrecklich traurig, weil ich sie sehr geliebt habe. Bei ihr konnte ich richtig ich sein, ohne mich zu verstellen. Wir waren 4 Monate lang sehr, sehr glücklich. Aber irgendwie bekamen die Fans davon mit und sie wurde mit Telefonterror belästigt. Außerdem bekam sie viele anonyme Drohbriefe. Später standen auch Mädchen vor der Haustür und hätten sie am liebsten umgebracht. Dann hatte sie es nicht mehr ausgehalten und hat mit mir Schluss gemacht. Ich war so sauer auf diese angeblichen "Fans" und hatte kein bock mehr auf alles. Ich machte viele Fehlern auf der Bühne, habe meine Geschwister angeschnauzt und habe mich manchmal vollgesoffen."
Paddy sah aus dem Fenster und schwieg eine Weile. Dann wendete sich sein Gesicht wieder zu Jessie: "Ich bekam oft Streit mit den anderen. Kathy, Jimmy und Joey waren sauer auf mich. John, Maite und Patricia waren genervt von mir. Barby hatte genug eigene Sorgen und ich hab sie mit meinen Problemen in Ruhe gelassen. Angelo hat immer versucht mir zu helfen, aber ich kann ihn einfach nicht ernst nehmen. Auch wenn er schon 18 ist, bleibt er für mich immer der kleine Angelo, mit dem ich früher so viel scheiße gemacht habe. Irgendwann hatte er auch keine Nerven mehr. Ich fühlte mich total im Stich gelassen und mir ging es von Tag zu Tag schlechter."
Er schwieg wieder, bevor er weiter erzählte: "Vor 3 Tagen bekam ich dann total den Ausbruch. Es war nach einem Konzert und ich hatte mal wieder unzählig viele Fehler gemacht. Außerdem hatte ich ein paar Fans angeschriehen, die es geschafft hatten ins backstage-Bereich zu kommen. Ich war so wütend und habe diese Mädchen angeschriehen wie wild. Beinahe hätte ich denen eine runtergehauen, wenn Kathy mir nicht schon eine runtergehauen hätte. Sie schlug krätig zu, dass es richtig brannte. Ich bin dann in meine Garderobe gerannt. Dort habe ich aus Wut meine Gitarre zertrümmert. Von dem Krach kamen dann Patricia, Angelo und Maite zu mir , um zu gucken, was passiert ist. Sie versuchten mich zu beruhigen, aber anstatt auf die zu hören, habe ich mir ein paar Sachen gepackt und wollte gehen. Patricia hat versucht mir klarzumachen, dass ich vernünftig sein und mich nicht wie ein kleines Kind benehmen soll, wo ich doch jetzt schon 22 bin. Ich wäre immer so dickköpfig und würde nur an mich denken. Das machte mich so wütend, dass ich angefangen habe sie zu schlagen. Sie hat angefangen zu weinen und Maite hat sie gerettet, ansonsten hätte ich sie wahrscheinlich noch tot geschlagen. Dann bin ich weggerannt und Angelo ist mir hinterher und hat mir nachgebrüllt, dass ich mit ihm reden sollte. Ich bin stehengeblieben und habe ihn wütend angestarrt. Dann hat er mir´ne Ohrfeige gegeben und gemeint, ich soll wieder runterkommen. Ich habe dann auch angefangen ihn zu schlagen. Da kamen die anderen und ich bin weggerannt, zum Bahnhof und bin mit dem nächsten Zug gefahren, den ich erwischen konnte. Ich tingel jetzt schon seit 3 Tagen rum und übernachte draußen auf der Straße oder im Bahnhof. Ich habe kaum Kleidung dabei und mein Geld ist auch bald verbraucht. Ich schäme mich so für das, was ich getan habe. Aber da war diese Wut in mir und ich musste sie rauslassen. Aber ich hab sie an die unschuldigen Fans rausgelassen und an meinen Geschwister. Aber der ganze Stress hat mich total fertig gemacht und es musste einfach raus. Und jetzt kann ich nicht mehr nach Hause. Ich will auch nie mehr nach Hause. Ich kann Patricia und Angelo nicht mehr ins Gesicht schauen. Ich schäme mich so sehr!"
Wieder schluchzte er auf. Jessie war geschockt, über das, was Paddy durchgemacht hat. Er sah so verzweifelt aus, dass sie ihn in den Arm nahm. Er lehnte seinen Kopf an sie und sie streichelte ihm sanft über die Haare. Nach einer Zeit atmete er ruhig und gleichmäßig. Er war eingeschlafen und Jessie legte ihn vorsichtig auf die Couch. Er tat ihr unheimlich Leid. Er sah so hilflos und so unendlich traurig aus. Aber sie wusste auch, dass er viele Fehler gemacht hat. Sie streichelte ihm übers Gesicht und ließ ihn dann in Ruhe schlafen.

Als Paddy wieder erwachte, wusste er nicht genau, wo er war. Aber dann fiel es ihm wieder ein. Langsam stand er auf und verließ Jessie´s Zimmer. Im Flur roch es nach herrlichem Essen. "Wie lange habe ich nichts mehr Warmes bekommen", dachte er.
Er betrat die Küche und sah, wie Jessie etwas kochte. Sie drehte sich zu ihm: "Hallo Paddy. Bist du endlich wach?" "Ja, danke, dass ich bei dir auf der Couch schlafen durfte. Jetzt fühle ich mich schon viel besser. Weißt du, auf der Straße ist es nicht so gemütlich." "Besonders, wenn man es gewohnt ist, im Schloss zu wohnen", sie grinste ihn herausvordernd an. "Ja, vielleicht. Aber ich glaube, ich geh jetzt lieber. Ich kann dich doch nicht die ganze Zeit nerven. War nett, dass wir uns getroffen haben. Vielleicht können wir uns ja noch mal treffen! Und, danke fürs zuhören und für sonst alles!", Patrick wollte die Küche verlassen. "Hey", rief Jessie, "du kannst doch jetzt nicht einfach abhauen, wenn ich schon so viel gekocht habe. Bleib doch bitte hier zum Essen. Du kannst auch länger hier bleiben, wenn du willst. Meine Eltern sind sowieso nicht da." Patrick drehte sich um: "Oh, ja! Das wäre toll! Ich brauche unbedingt mal wieder Ruhe. Zu Hause bekomm ich die nicht und auf der Straße ist es ziemlich scheiße!" "Du bist hier herzlich willkommen!", Jessie deckte den Tisch, "bitte, setzt dich! Du hast bestimmt Hunger."
Paddy setzte sich hin und die beiden fingen an zu Essen. Nach kurzem Schweigen fragte Jessie: "Willst du deine Familie nicht anrufen?" Paddy schaute sie an: "Das kann ich nicht. Die wollen mich doch bestimmt nicht mehr haben. Ich habe zwei meiner Geschwister geschlagen und wahrscheinlich mussten sie wegen mir die Tour abbrechen." "Aber die machen sich bestimmt Sorgen um dich! Schließlich bist du ihr Bruder! Patrick, du musst sie anrufen! Bitte!" Paddy schaute auf seinen Teller: "Na gut! Ich werde es tun!" "Ja, Paddy, ruf sie gleich nach dem Essen an, okay?", Jessie sah ihn hoffnungsvoll an. "Ja, okay. Aber jetzt erzähl mir doch eine bisschen über dich. Ich weiß ja noch nichts über dich."
"Was soll ich dir denn erzählen? Mein Leben ist nicht so interessant wie deins. Ich lebe nur hier in so einer kleinen Stadt und gehe zur Schule. Was gibt es da zu erzählen?" " Das ist es doch! Das will ich doch wissen. Ich bin schon als Baby mit meiner Familie rumgereist. Ich kenne dieses Leben von dir doch gar nicht! Mich interessiert es. Ich würde auch gerne so leben wie jeder andere auch! ...Tut mir Leid, Jessie, wenn ich das jetzt frage, aber wie alt bist du überhaupt?" "Ich bin 17, warum?" "Bist du schon vergeben?" "Nein." "Was? So ein hübsches, junges Mädchen und noch nicht vergeben?", Paddy lächelte sie an und dachte: "Sie ist echt süß! Wenn ich doch nur mutiger wäre..." "Warum willst du das wissen?", Jessie schaute ihn wieder herausvordernd an. "Los, sag ihr, dass du sie toll findest!", dachte Patrick, aber er sagte nur: "Wollte ich nur so wissen! Aber jetzt erzähl mir doch ein bisschen über dein Leben." So fing Jessie an von ihrer Schule, von Freunden usw zu erzählen.
"Man, hat das gut geschmeckt!", Paddy lehnte sich zurück in seinem Stuhl, "Du kannst echt gut kochen!" "Schön, dass es dir geschmeckt hat!", Jessie war froh über sein Kompliment. "Aber jetzt rufst du zu Hause an, okay?" "Können wir das nicht morgen machen?", Paddy sah sie bittend an. "Patrick!", ihr böser Blick verriet ihm, dass sie sauer war, "Du hast es versprochen. Jetzt drück dich nicht! Irgendwann musst du es sowieso machen! Sei doch froh, wenn du es dann hinter dir hast!" "Du hast ja recht! Wo ist das Telefon?" "Draußen im Flur."

Paddy verließ die Küche und schloss die Tür, damit Jessie nichts mitbekam, falls es großen Ärger gibt. Langsam nahm er den Hörer in die Hand. Sollte er das wirklich tun? Wie würden seine Geschwister reagieren? Waren sie überhaupt traurig, dass er weg war? Also, nachdem, was er getan hatte? Sein Herz klopfte wie wild und seine Hände zitterten, als er die Nummer wählte. Seiner Geschwister würden ihm bestimmt nicht verzeihen! Er hatte Angst, mit ihnen zu reden. Er schämte sich zu sehr.
Dann ertönte das Freizeichen. Einmal, zweimal, dreimal, viermal... klick, jemand nahm ab. Paddy konnte sich vor Angst nicht mehr bewegen, seine Kehle war wie zugeschnürt. Was sollte er sagen?
>Eine ihm bekannte Stimme meldete sich: "Patricia Kelly". Paddy biss sich auf die Lippen. "Tricia? Hallo. Ich bin´s!", leise und schüchtern gab er sich zu erkennen. "Paddy!", Patricia war so aufgeregt, dass sie laut in den Hörer schrie, "Mensch, Junge, wie geht es dir? Ist alles okay?" "Ja, ich lebe noch! Ist alles okay bei euch?" Er hörte Kathy im Hintergrund brüllen: "Okay? Wie kommst du darauf, dass alles okay bei uns ist?! Weißt du, dass wir die Tour wegen dir abbrechen mussten?" Aha, Patricia hatte den Lautsprecher angemacht.
Paddy begann zu schwitzen. Jetzt hörte wahrscheinlich die ganze Familie mit! Er hörte wieder Kathy´s Stimme. Diesmal viel lauter und deutlicher, also hatte sie den Hörer in der Hand: "Was fällt dir eigentlich ein einfach so abzuhauen? Dir geht´s wohl nicht so gut! Weißt du, was das bedeutet hat, dass wir die Tour abbrechen mussten? Du benimmst dich wie ein kleines Kind! Wie alt warst du noch mal? 10, oder? Und jetzt rufst du einfach an und tust, als ob alles in Ordnung wäre! Du entschuldigst dich noch nicht mal!" "Du lässt mich ja noch nicht mal reden! Wie soll ich mich dann entschuldigen?", schrie er zurück.
Aber er spürte, wie Tränen seine Augen füllten und seinen Wangen runterrollten. Kathy hatte ja so recht! Er war wirklich kindisch gewesen und er hatte ja wirklich so getan, als wäre nichts passiert. Zumindest hatte er so mit Patricia gesprochen. Er fühlte sich auf einmal so ertappt und spürte ein leichtes Stechen im Herzen.
Plötzlich schluchzte er laut auf und unzählig viele kleine Tränen, die wie Diamanten glänzten, rollten aus seinen Augen. "Paddy?", es war wieder Patricia, "hör doch bitte auf zu weinen!" Sie sprach sehr behutsam und vorsichtig. Es beruhigte Patrick ein bisschen. Unter Tränen fing er an hastig zu reden: "Patricia! Bitte verzeih mir! Bitte! Es war wirklich nicht mit Absicht gemacht! Ich war nur so wütend und ich konnte mich nicht mehr beherrschen! Ich bereue es ja selbst so sehr und ich schäme mich auch so schrecklich und..."
Wieder schluchzte er laut auf. "Es ist schon okay, Paddy. Aber bitte hör´ auf zu heulen! Du weißt, dass ich das nicht ertragen kann, wenn du heulst! Wo bist du jetzt?" "Tut mir Leid, Tricia. Aber das möchte ich nicht verraten. Aber es geht mir gut! Die letzten Tage habe ich draußen auf der Straße verbracht. Da ging es mir zwar nicht so gut, aber jetzt ist alles okay. Ich habe heute Nachmittag ein Mädchen kennengelernt. Eigentlich habe ich sie zu Tode erschreckt, so dass sie vom Rad gefallen ist. Sie hat mich zu sich eingeladen, weil es doch so geregnet hat. Ich habe heute von ihr auch was warmes zu Essen bekommen. Seit langem wieder. Sie heißt Jessie und ist 17. Jetzt hat sie mich eigeladen ein paar Tage bei ihr zu verbringen. Meinst du, es ist okay, wenn ich mir ein paar Tage Urlaub gönne?" "Du, das musst du mit Kathy klären. Sie ist jetzt aber gerade raus gegangen. Aber Angelo wollte dich gerne sprechen!"
Oh, Gott! Angelo! Den hatte Paddy total vergessen! Bei ihm musste er sich ja auch noch entschuldigen. Sofort klopfte sein Herz schneller. "Hi Patrick!", ja, es war Angelo! "Hallo, wie geht es dir so, Paddy? Hast du mich noch nicht vergessen?" Angelo kicherte ein wenig. Glück, dachte Paddy. Angelo war also nicht mehr sauer auf ihn. "Hi, Lino. Mir geht´s gut. Es tut mir Leid, was ich getan habe! Verzeihst du mir?" "Natürlich! Wann kommst du wieder? Ich vermisse dich schon ganz schön!" "Na ja, weißst du Angelo, eigentlich wollte ich noch ein paar Tage bei Jessie bleiben. Du hast doch gehört, was ich Patricia erzählt habe, oder?" "Ja klar. Aber willst du wirklich noch eine paar Tage weg bleiben?" "Ja, würde ich schon gerne!" "Na gut! Ich gebe dir noch mal Kathy."
"Hallo, Paddy? Habe ich richtig gehört, dass du noch ein paar Tage weg bleiben willst?!" "Ja, würde ich schon gerne!" "Ja, Patrick, sag mal, spinnst du jetzt total? Du kommst jetzt sofort zurück! Das kannst du doch nicht machen! Wir hätten alle auch gerne ein paar Tage Urlaub!" "Kathy, bitte!" "Nein! Du kommst jetzt sofort zurück oder ich hole dich persönlich ab! Ende der Diskussion!" "Aber..." "Kein aber! Du steigst heute noch in einen Zug nach Köln!" Paddy hörte, wie sie auflegte. Noch ein paar Sekunden lang lauschte er dem Piepen in der Leitung,
bevor er auch auflegte.

Er atmete tief durch und betrat wieder die Küche. "Und, was haben sie gesagt?" Jessie sah ihn neugierig an. "Ich muss nach Hause." Er klang sehr enttäuscht. "Ich soll heute noch in einen Zug steigen!" "Das ist aber schade!" Beide sahen sich an und es herrschte peinliches Schweigen. Um das Schweigen zu brechen, schlug Jessie vor einen Spaziergang zu machen. "Okay!" Paddy hatte nicht dagegen und die beiden verließen das Haus.

Langsam gingen sie nebeneinander, bis Paddy stehenblieb und Jessies Hände hielt. Sie sahen sich tief in die Augen. Jessie spürte, dass ihr das Herz bis zum Hals schlug. Er streichelte ihr sanft mit dem Handrücken übers Gesicht. "Du bist so unheimlich süß!", flüsterte er leise. Dann kam sein Gesicht immer näher und schließlich trafen ihre Lippen aufeinander. Jessie schloss die Augen und sie hätte in dem Augenblick die ganze Welt umarmen können. So glücklich war sie noch nie zuvor gewesen.
Nach dem langen Kuss liefen die beide noch Hand in Hand zum Bahnhof. Paddys Zug stand schon und er nahm sie noch einmal in den Arm. Leise flüsterte sie: "Paddy, ich liebe dich so sehr!" "Ich dich auch!", war seine Antwort, bevor er sie noch eine mal küsste. Aber dann musste er schon weg.
Als der Zug losfuhr, lief sie noch ein Stück nebenher und weinend rief sie: "Paddy, ich liebe dich!" "Ich dich auch, Jessie!", rief er zurück und sie konnte an seiner Stimme erkennen, dass er ebenfalls weinte. Aber dann war er in der Ferne verschwunden. Langsam und weinend ging sie wieder nach Hause.

Wochenlang hörte sie nicht mehr von Paddy und sie hatte das Gefühl, dass sie dieses Erlebnis nur geträumt hatte. Aber eines Abends klingelte plötzlich das Telefon. Jessie nahm ab: "Hier ist Jessie! Hallo?" "Hi Jessie! Wie geht es dir?" Ihr Herz begann zu rasen, ihren Hände fingen an zu zittern und ihre Knie wurden weich. "Paddy!", schrie sie aufgeregt, "Ich dachte schon, du hast mich vergessen! Aber wie hast du meine Nummer rausgefunden?" "Telefonbuch, mein Schatz! Du musst noch viel lernen!" "Oh, Paddy, ich bin so froh, dass du dich meldest!" "Ich wollte unbedingt noch mal mit dir sprechen! Ich habe jetzt nämlich begriffen, dass das Leben viel zu schnell vorbei sein kann! Ich wollte dich noch mal hören!" "Aber Patrick! Was soll das schon wieder heißen?" "Nichts, warum?" "Ach, weil man sowas eigentlich nicht sagt, wenn man keinen Grund hat! Na ja, aber jetzt erzähl mir doch ein bisschen, was du so in der Zwischenzeit gemacht hast!"
Sie telefonierten noch eine Stunde, bis er wieder los musste. "Okay, Jessie! Ich muss jetzt los! Ich liebe dich!" "Ich dich auch Paddy!" Glücklich legte sie auf! Anscheinend wird es doch was aus ihnen!

Aber dann kam der große Schock: Vier Tage später las sie es in der Zeitung: "Gestern Abend wurde der Sänger Patrick Kelly (Kelly Family) tot aufgefunden. Er wurde von Passanten beim Spaziergang in einem Fluss entdeckt. Da in der Nähe eine Brücke ist, wird ein Selbstmord vermutet. Grund des Selbstmordes ist nicht bekannt."
Geschockt ließ Jessie die Zeitung fallen. Sie glaubte es einfach nicht, was da passiert ist. Blass und geschockt saß sie noch ein paar Minuten da. Langsam stand sie dann auf.
Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass sie in den Briefkasten schauen sollte. Wie in Trance ging sie darauf zu. Sie fühlte sich leer und es schien ihr, als wäre alles nur ein schrecklicher Alptraum. Zitternd öffnete sie den Briefkasten. Darin lag ein Brief.
Mit schwitzenden Händen holte sie ihn heraus. Er war an sie adressiert. Langsam ging sie wieder in ihr Zimmer. Dort öffnete sie ihn. Die Schrift war sehr unordentlich. Eine zittrige Hand hatte sie wahrscheinlich geschrieben. An manchen Stellen war die Schrift verschwommen. Jessie vermutete, dass der Schreiber geweint hatte. Langsam fing sie an die schwer erkennbaren Buchstaben zu lesen:

"Liebe Jessie,
das Leben war für mich so hart gewesen. Wenn ich jetzt zurück blicke, dann gab es nuf einen kleinen Glanz in meinem Leben. Das waren die Stunden mit dir.
Sonst musste ich immer von einem Auftritt zum nächsten rennen. Unterwegs noch Foto-Shootings und Studioaufnahmen über mich ergehen lassen. Ich habe einfach genug von diesem Leben.
Mein Vater hat mir dann auch noch verboten dich zu besuchen, als es mir sehr schlecht ging und ich unbedingt Ruhe brauchte. Ich war psychisch am Ende, aber er wollte, dass ich noch weiter arbeitete. Ich durfte meine Beziehung mit dir nicht ausleben, weil das meinem Image schadet.
Jetzt bin ich so fertig, dass ich nicht mehr weiter weiß. Ich habe dir nichts erzählt, um dir das alles zu ersparen. Ich dachte, dass alles wieder okay wird. Aber alles wird nur schlimmer! Ich habe jetzt nur noch eine Wahl! Wenn du den Brief hier ließt, dann bin ich schon nicht mehr unter euch. Dann habe ich endlich meine Freiheit gefunden. Dann bin ich endlich wieder bei meiner Mutter. Dann bin ich tot!
Bitte verzeih mir, wenn ich das jetzt tue. Aber ich halte es echt nicht mehr aus! Ich habe mich so entschieden, weil es mein Leben ist! Weil ich es so will, weil ich jetzt endlich sterben will. Ich habe so viel in meinem Leben ausgehalten und jetzt bin ich am Ende! Ich habe so viel getan, was andere von mir wollten und jetzt tue ich etwas, was ich will! Denn: It´s My Life!!!
Dein-dich für immer liebender-Michael Patrick Kelly"

Langsam sah Jessie auf. Sie konnte es nich glauben! Er war tot! Er war wirklich tot! Sie würde ihn nie wieder hören, nie wieder sehen! Tränen strömten wie Bäche ihre Wangen hinunter und bildeten einen Vorhang vor ihren Augen, so dass sie alles nur noch verschwommen sah. Ihr ganzer Körper zitterte und sie ließ sie auf dem Boden fallen. Ihr Gesicht vergrub sie in die Couch, auf der Paddy gesessen hatte.
Dann schrie sie, den Kopf und die Augen zum Himmel gerichtet und ihre Stimme zitterte dabei, "Paddy! Komm zurück! Komm zurück, Paddy!" Dann verstummte sie und allein das verzweifelte Schluchzen war das Zeichen, dass sie noch lebte. Sie hatte nur noch einen Gedanken im Kopf: " Ja, Paddy, es war dein Leben. Aber ohne dich war es auch nicht mein Leben!" Und sie wusste, was sie zu tun hatte, um wieder bei Patrick zu sein.


© Jihong