Barby ging langsam und müde die Treppe hinab, als ihr Finbarr schon mit
ihren großen treuen entgegenblickte. Oh wie Barby diesen Hund liebte.
Jetzt war Finbarr schon so alt und hatte all die schweren Zeiten
miterlebt. Conan war immer noch in Irland und Barby vermisste ihn so. Aber noch so ein großer Hund wäre einfach zu viel gewesen, wo sie doch eh so gut wie nie da sind. Es fiel allen auf, das die beiden Hunde sich seit dem auch sehr vermissten, auch wenn die elenden Streitereien und Deckversuche nun endlich ausblieben.
Barby streichelte dem alten Wolfshund über den Kopf und ging in die Küche, um sich etwas zum Essen zu suchen. Sie machte sich eine Schüssel Müsli fertig und setzte sich an den großen Tisch. Ihre Geschwister waren alle noch nicht auf, hatten wohl gestern zu lange gefeiert.
Sie überlegte kurz, ob sie für die andere auch ein Frühstück
vorbereiten sollte, aber dazu hatte sie heute keine Lust. Sollten die anderen auch mal was tun, sie war ja schließlich nicht für das Wohl der Anderen zuständig.
Verblüfft starrte sie auf das Buch das vor ihrer Müsli Schüssel lag. "Terrier"... Terrier? Barby starrte es an, so ein buch hatte sie noch nie hier gesehen. Wo kam das her? Wahrscheinlich hatte es mal wieder irgendein Fan einem ihrer Geschwister geschenkt, so wie auch schon die anderen Fachbücher über Hunde- und Ziegenhaltung. War ja alles nichts neues.
Trotzdem lachte sie dieser kleine Terrierwelpe auf dem Deckblatt an und sie schlug die erste Seite auf. "Über den Welpenkauf"....
"Die gesunde Haltung"... "Zucht und Aufzucht"... "Der alte Hund"... Barby blätterte es durch und sah sich verzückt sämtliche Bilder an. Von kleinen Terriern, von größeren, von glatthaarigen und rauhaarigen. Sie hatte nicht gewusst, das es so viele verschiedene Terrierrassen gibt. Und sie waren doch wirklich süß, mit ihren drahtigen Beinen und den großen runden Knopfaugen. Ganz anders als der große Langhaarige Wolfshund, den sie seit Jahren hatten. Barby hätte sich zwar nie erträumen lassen, das es einen schöneren Hund als die gute Finbarr gab, aber gegen einen kleinen Terrier hatte sie wirklich nichts einzuwenden.
Überglücklich lachte sie Kathy
an, als diese ihr von ihrem Vorhaben erzählte. "Ich möchte mir einen Jack Russel Terrier kaufen, einen kleinen Hund, mit dem auch Sean spielen und spazieren gehen kann. Und der mich jung und fit hält."
"Oh, das wäre zu schön, dann hätte auch Finbarr endlich wieder einen Freund", sagte Barby Verzückt und schlug das Buch erneut auf, um sich einen Jack Russel genau anzusehen. "Warum keinen irischen Terrier?", fragte sie ihre Schwester.
Doch ihr wurde schnell klar, das diese sehr viel zeit brauchten und auch für einen Terrier recht groß waren. Da wäre ein kleinerer schon wirklich besser geeignet.
Mittlerweile waren auch die anderen Geschwister wach und kamen nach und nach runter um sich etwas zum Frühstück zu machen. Patrick war gar nicht begeistert, als er von Kathys neuer Idee hörte. Seiner Meinung nach hatten sie doch schon alle wirklich genug Arbeit und ein Hund wäre schließlich kein Spielzeug, man müsste sich besonders in den ersten Wochen viel um ihn kümmern. Er liebte Tiere, sie waren für ihn die besseren Menschen. All der Starrummel und Prominentheit war ihnen egal, sie liebten ihren Herren, weil er ihnen Fressen gab und nicht, weil er
einen knackigen Hintern hat. Umso misstrauischer war er, ob es das
richtige wäre, einen neuen Hund in das Haus zu holen und ihn dann tagelang mit dem personal allein zu lassen, wenn sie auf Tour waren.
Doch Kathy hatte alles genauestens durchdacht. Sie hatte einen Zeitpunkt ausgewählt, wo sie erst mal ein paar Wochen frei hatten, und nur liebend gerne würde sie einen grund suchen, um eine kleine Auszeit von dem Tourstress zu nehmen. Es war also wirklich nichts dagegen einzuwenden. Und Sean sah Patrick auch mit traurigen Augen an und beschwörte, er würde sich ganz lieb um den Hund kümmern. Doch seine Mutter war längst entschlossen, all die Mühe hätte sich Sean sparen können.
In den nächsten tagen telefonierte Kathy unentwegt rum, besorgte
Fachzeitschriften und fand schließlich einen Züchter ganz in der Nähe, der gerade erst Welpen bekommen hatte. An einem freien Nachmittag beschlossen sie, zusammen hinzufahren. Kathy mit Sean, Barby, Angelo und auch John wollte unbedingt dabei sein. Die anderen mussten zuhause bleiben um ein paar wichtige Termine zu erledigen und warteten unterdessen gespannt auf die Neuigkeiten, die sie mitbringen würden.
Es war ein Hobby-Züchter in Köln, der eine preisgekrönte Jack Russel-Hündin hatte. Sie hatten zwar lange darüber diskutiert, ob es wirklich ein solcher Hund sein musste, oder ob sie nicht lieber einem Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause geben sollten, doch es war der einfachste und vor allem sicherste Weg,ungefähr zu wissen, was der Hund für Eigenschaften hatte und wie er sich entwickeln würde. Und als sie dann vor der Wurfkiste standen und die
vielen kleinen hilflosen Lebewesen dort sahen, waren alle Zweifel wie
weggewaschen und es konnte gar kein anderer Hund sein, als einer von
ihnen. Der Züchter gab jedem einen auf die hand, sie hatten die Augen noch nicht geöffnet und es war noch viel zu früh, um sie der Mutter zu entreißen und in eine neue Familie zu geben. Trotzdem wollten sie sich schon mal auf einen festlegen, einen Namen aussuchen und sich dann gemeinsam auf den Hund freuen. Sean betrachtete skeptisch das kleine Knäuel in seiner hand und sprach so leise zu ihm, das es niemand richtig verstehen konnte. Aber seinen leuchtenden Augen war anzusehen, für welchen er sich entscheiden würde. Es war ein kleiner Rüde, wie geschaffen als Spielgefährte für Finbarr und Kathy unterschrieb einen Kaufvertrag. Mit einem Murren von Sean verabschiedeten sie sich wieder und fuhren zurück nach Hause.
Es waren nur noch 6 Wochen, bis sie ihn abholen konnten und er von dann ab bei ihnen wohnen würde, aber Sean war das natürlich viel zu lange. Am liebsten hätte er den kleinen Hund sofort mitgenommen und mit ihm in einem bett geschlafen, und nur mit einem bockigen Gesicht konnte er schließlich einsehen, das der kleine Racker noch seine Mutter brauchte und ohne sie nicht groß genug werden könnte um Sean und seine Familie zu beschützen.
So waren Kathys Worte gewesen, und von dann an war nur noch von "Racker" die rede. Das war wirklich ein süßer Name für so einen kleinen Hund, auch wenn er noch etwas wachsen würde, wird er doch immer der kleinen Racker bleiben.
Und schon als Racker die ersten tapsigen Schritte durch das neue Haus zu machen begann, war klar, das er dem Namen alle Ehre gab. Sie
beobachteten den Hund gespannt von der Treppe aus, um ihn bei seiner
ersten Erkundungstour nicht zu stören. "Sieh mal, was für Schritte er
macht, ist das nicht süß?", flüsterte Barby ihrem kleinen Neffen zu. Sean
legte progressiv den Finger auf die Lippen und Barby lächelte. Finbarr
hatten sie solange raus gelassen. Sie würde mit ihrer groben und
ungestümen Art dem kleinen Hund vielleicht weh tun und das wollten sie nicht riskieren. Die beiden würden sich noch früh genug kennen
lernen.
Sie hatten ihm extra ein neues kleines Körbchen gekauft, und eine decke vom Züchter mitbekommen, damit sich Racker in der ersten zeit nicht so verlassen fühlte und Heimweh nach seiner Hundemutter bekam. All das hatte Kathy auch gelesen, sie war wirklich gut vorbereitet und sie konnte sich auch noch genau daran erinnern, als ihr Vater vor Jahren Finbarr und Conan gekauft hatte.
Und ihre Sorge um den Umgang des großen Wolfshundes mit dem kleinen Terrier war auch unbegründet. Finbarr hatte sich ganz und gar nicht ungestüm angestellt, sondern ihn nur vorsichtig mit der Nase angestupst, wenn Racker mal ihrer Meinung nach zu lange auf einem Fleck liegen blieb um sich auszuruhen. Leichte Muttergefühle erwachten in der Hündin, und auch wenn Racker schön längst alt genug war um feste Nahrung, wenn auch noch Welpennahrung, zu sich zu nehmen, kümmerte sie sich um ihn, als wäre es ihr eigener Sprössling.
Alle Kellys betrachteten das Heranwachsen mit größtem vergnügen und als sie schließlich wieder für ein paar Tage wegmussten, musste Sean allen versprechen, gut auf ihn aufzupassen und die anderen täglich eine neue der lustigen Geschichten zu erzählen, die Racker so oft anstellte. Seans Lieblingsgeschichte war die, als Racker versuchte hatte, aus Finbarrs Trinknapf zu trinken. Die Näpfe der Hündin waren auf einem extra Gestell gebaut, damit sie sich nicht so weit hinunter beugen musste. Und eines Morgen hatte Sean Racker dabei beobachtet, wie er mit allen Mitteln versuchte, aus dem Napf zu trinken. Erst stellte er sich auf die Hinterpfoten und versuchte sich an der Schüssel hinauf zu hangeln. Das sah wirklich nur zu komisch aus, wie der kleine Hund da so hang und weder vor noch zurück kam. Letztendlich gab sich Racker einen Ruck und badete in Finbarrs Trinkwasser. Sean hatte gelächelt und wollte schnell seine Mutter holen um ihr den Anblick zu zeigen, aber als beide die Treppe wieder hinunter gekommen waren, war alles schon vorbei und ein kleiner Racker saß nass auf dem Küchenboden und schien die beiden unschuldig anzugrinsen.
Es war wirklich unglaublich, was für eine große Freude so ein kleines Wesen bringen konnte.