Sleeping with a smile, waking up crying
Paddy saß auf dem Bett und hielt ihre Hand. Doch dieses Mal war alles anders, als es in den letzten Tagen gewesen war. Sie war geistig nicht mehr bei ihm. Und sie wussten es beide. Doch trotzdem gab Paddy sich noch einmal der Illusion hin und hielt ihre Hand ganz fest.
Irgendwann stand sie auf und stellte sich ans Fenster. Sie hörte die Fans draußen schreien, und obwohl sie nicht richtig hinhörte, wusste sie doch, welchen Namen sie schrien. Ohne sich umzudrehen, sagte sie zu ihm, sie werde morgen um die gleiche Zeit wiederkommen.
Paddy nickte. Er sagte kein Wort und sah nur zu, wie sie ihre Sachen packte und, einen letzten Blick auf ihn werfend, das Zimmer verließ. Dann schlug die Tür zu. Sie sah nicht mehr die Tränen, die er so lange hatte zurückhalten müssen. Doch nun machten die Tränen sich selbstständig, rollten über seine Wangen und tropften auf seine Hände, die von niemandem mehr gehalten wurden und langsam kalt wurden. Er hatte sie gehen lassen, obwohl er wusste, dass er sie nie wiedersehen würde.
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Der Auftritt am Abend war schrecklich. Er drosch so heftig auf seine Gitarre ein, dass die Saiten schon beim zweiten Song rissen. Er schrie. Er schluchzte. Er warf sich auf den Boden und trommelte mit den Fäusten auf den Boden ein. Er weinte echte Tränen.
Die Fans jubelten und waren begeistert. So war Paddy ja noch nie aus sich herausgegangen! Sie verstanden nichts, aber auch gar nichts. Es tat weh und erfüllte Paddy mit einer Bitterkeit, wie er es noch nie gefühlt hatte. Sie wollten immer nur etwas Tolles sehen, aber wie es ihm dabei ging, war ihnen egal. Sie wollten seinen Kopf auf einem Silbertablett, und ob er dazu auch noch etwas sagen wollte, kümmerte sie nicht.
Jimmy beobachtete Paddy schon das ganze Konzert über bekümmert. So hatte er den Kleinen noch nie erlebt. Was war denn nur vorgefallen? Warum ging es Paddy so schlecht? Er warf einen misstrauischen Blick ins Publikum. Gut, heute waren sie besonders laut, aber eigentlich war das ja nichts Neues. Wie konnte er Paddy denn nur helfen? Gab es etwas, welches er tun konnte?...
Paddys Tränen nahmen kein Ende. Take My Hand stand auf dem Programm. Zwei Bodyguards nahmen ihn vorsorglich an den Händen und führten ihn in den Graben. Jimmy riss die Augen auf. Jetzt musste er sogar schon gestützt werden.
"Servus... guten Abend... danke schön... hallo..."
Mechanisch formte Paddys Mund die Worte, während er an den schreienden Fans vorbeigeführt wurde. Er spürte seine Hände schon gar nicht mehr, alle griffen danach. Sollten sie doch. Sollten sie doch seinen Körper nehmen. Seine Seele war schon lange tot. Zumindest seit diesem Nachmittag.
Sie griffen nach seinen Armen. Sie rissen die Geschenke aus seinen Händen. Sie rissen ihm die Ärmel seines Hemdes ab. Sie rissen an seinen Haaren, sie rissen seine Seele in Fetzen und sie rissen sein Herz enzwei. Paddy ließ alles geschehen.
"Nein!" schrie Jimmy ins Mikro, ein schriller Schrei, er übertönte alles. "Lasst meinen Bruder in Frieden!" Er stieß Patricia und Joey, die ihm im Weg standen, zur Seite und rannte hinunter in den Graben, zu den Bodyguards, den Fans, und zu Paddy. Die Fans kreischten, verstanden sie nichts oder wollten sie nichts verstehen? Es gab ein Handgemenge. Jimmy drosch auf alles ein, was Paddy festhielt. Die Bodyguards wollten für Ruhe sorgen. Doch was verstanden sie? Endlich gelang es Jimmy, Paddy den Fans zu entreißen. Manche von ihnen schluchzten wie kleine Kinder, denen man ein Spielzeug weggenommen hatte. Auch Jimmy schluchzte.
Paddy fühlte schon lange nichts mehr. Sie brachten ihn hinter die Bühne. Augenpaare musterten ihn, er hörte Stimmen und Weinen und jemand fühlte seinen Puls. Er konnte Jimmys Stimme erkennen : "Der Junge ist krank, er kann heute nicht mehr auf die Bühne!" Eindringlich redete er auf die Veranstalter ein. Schließlich sagte einer brummend : "Also gut, das Konzert wird abgesagt." Barby und Angelo quiekten. "Hurra, wir sind frei!" Jimmy beugte sich über Paddy. "Paddy, hast du das gehört? Du musst nicht mehr auf die Bühne! Für heute reicht's!"
Und wenn schon, dachte Paddy.
Er war gleichgültig wie niemals zuvor.
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Jimmy brachte ihn zu Bett. "Schlaf schön, Paddy."
Paddy schlief schön. Im Traum war alles in Ordnung, im Traum war alles noch schön. Kein Schmerz. Keine Probleme. Liebe. Glück. Sie. Alles war gut. Er lächelte.
Sleeping with a smile... but waking up crying.
Paddy weinte, als er aufwachte. Es passierte ihm oft, dass er im Schlaf anfing zu weinen, als wüsste er, dass es nur ein Traum war.
Es gab keine Liebe. Es gab kein Glück. Sie war weg. Sie würde nie wiederkommen. Nie wieder. Der Schmerz würde nicht gehen, er würde immer bleiben, er würde sich in sein Herz fressen und dort bleiben.
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Paddy saß auf seinem Bett, mehr tot als lebendig, da öffnete sich die Tür und sie kam herein.
Ein Zucken ging durch Paddys Körper, er begann zu lachen und schließlich zu schluchzen. Und er nahm sie ganz fest in die Arme.
"Du bist zurückgekommen," flüsterte er glücklich.
"Ich habe dir doch gesagt, dass ich morgen um die gleiche Zeit wiederkomme," sagte sie.
Paddy riss die Augen auf.
"Wir können einen Traum erst schätzen, wenn wir auch den Albtraum kennen."
© by Doro