Tagebucheintrag vom 21.08.99
(geschrieben aus der Sicht der Barby Kelly)

by Julia   Julia.Babs@gmx.de

 

 

Der Wecker klingelt. Ich schrecke hoch und weiß erst garnicht, wo ich bin. Gestern haben wir wohl ein wenig zuviel gefeiert, jedenfalls kann ich mich an nichts mehr erinnern. Aber gefeiert? Warum sollten wir feiern? Keiner von uns ist so glücklich, daß er noch Lust zum feiern hat. Aber...genau! Wir waren alle nach Köln gefahren um dort mit Freunden was zu unternehmen, soweit es eben möglich ist, dann sind wir sozusagen in die Feier reingeraten. Es war schrecklich heiß in dieser Disco, wie hieß sie noch gleich?

"Barby, aufstehen, nicht weiterpennen!", damit werde ich immer von Maite aus meinen Träumen gerissen. Wie kann sie bloß immer so fröhlich sein? Das verstehe ich einfach nicht. Ich stehe also auf und zieh mich an, dannach laufe ich ins Badezimmer. Groß, schön eingerichtet...was will man eigentlich mehr? Mal ganz ehrlich, das gefällt mir besser als dieses schäbige alte Klo, das wir auf dem Hausboot hatten - aber glücklich bin ich trotzdem nicht.

Beim Frühstück habe ich keinen großen Hunger, ich muß immer an den Abend denken, der Abend, der mir noch bevorsteht, aber noch schlimmer, morgen Abend das selbe und übermorgen auch. Wie kann ich das bloß durchhalten? Aber ich muß - wohl oder übel.

Vormittags bin ich unterwegs zum Rewe, ich habe heute mal vor, uns einen schönen Kuchen zu backen. Maite sagt immer, daß ich das viel besser kann als sie - dabei ist sie doch der Chef in der Küche. Ich laufe langsam durch den Park. Habe eigentlich keine Lust, am Tor vorbei zu gehen, aber ich werde daher gehen - ob sie da stehen oder nicht, zurück werde ich den anderen Weg nehmen. Aber vorher, bevor ich überhaupt in Richtung Tor gehe, laufe ich noch ein Stück kreuz und quer durch den Park. Ich gucke mir Patricks Anbau an, er macht das ganz schön gut. Vielleicht sollte ich mir auch was anbauen, vielleicht ein paar Blumen oder einfach nur irgentwas. Patrick hat ganz viel Spaß an seinem kleinen Gärtchen. Ein richtiger Bauer, die Fans haben es mir erst neulich erzählt - einen Bauer, so nennen sie Patrick. Ich nenne ihn einfach nur Patrick, er ist einfach Patrick, egal ob Bauer oder nicht. Tierhüter, so könnte man ihn auch nennen. Naja egal, ich geh zurück auf den Kieselweg in Richtung Tor. Schon von weitem sehe ich, was ich geahnt habe. Sie hängen da am Tor, wie angeklebt. Ich finde dieses Gefühl scheußlich. Man ist auf seinem Grundstück und wird von ganzen Herden jungen und hysterischen Mädchen angeglotzt. Ich kann sie einfach nicht verstehen. Haben sie keine Familie? Und warum müßen sie ständig bei uns sein? Ich finde keine Antwort und möchte es auch garnicht wissen. Meine Gedanken schweifen ab. Ich würde am liebsten zurück kehren, zurück ins Haus. Aber es gibt ja auch noch liebe Fans denke ich mir, und dieser Gedanke gibt mir die Kraft weiterzulaufen, immer und immer wieder.

Tony, der Wächter kommt aus seinem Häuschen. Sieht aus, als hätte er geschlafen, aber kein Wunder, daß er so komisch aussieht, es ist bestimmt sehr ermüdend, die ganze Zeit da zu sitzen. Er kommt auf mich zu und fragt mich, wie´s mir geht. Ich deute auf die Mädchen, die am Tor kleben und sage, daß ich rauswill. Rausgehen, ja das will ich - weg von dem Schloß, weg von dem Starsein. Aber es geht nur schwer. Die Fans wollen ihre Plätze nicht verlassen. Ich höre sie ständig mit mir reden. Barby gibt mir ein Autogramm. Barby, machst du ein Foto mit mir? Barby, Barby, Barby. Immer nur Bitten, daß ich etwas tun soll und immer nur Barby - ich kann es nicht mehr hören. Aber kann ich sie nicht auch um etwas bitten? Am liebsten würde ich ihnen sagen, daß sie einfach nur weggehen sollen, sie sollen aus meinem und aus unserem Leben verschwinden - einfach nicht mehr dasein. Ich merke, daß sie heute alle lieb sind, erkläre mich einverstanden, daß sie Fotos machen, aber keine mit mir und keine Autogramme. Ich versuche ihnen zu erklären, daß ich schnell weiter gehen muß.

Mit den eingekaufen Sachen gehe ich noch zum Kiosk. Er liegt auf dem Rückweg - dem anderen Weg, den die Fans nicht kennen. Ich gehe in das Geschäft. "Tag Frau Kelly", der Besitzer lächelt mich an. Kein echtes Lächeln, der tut nur so - das sehe ich ihm sofort an. Ich grüße ebenfalls und drehe mich den Zeitschriften zu, dann höre ich es wieder. Die anderen Leute im Geschäft fangen an, leise über mich zu reden. Ich höre nur ein paar Worte, aber es ist mir egal. Immer, überall, egal wo ich bin, immer höre ich es. Die Leute reden über uns, weil sie denken, wir hätten ihren schönen Ort zerstört. Dabei sind wir nicht die Zerstörer, sondern die, die immer an den Toren kleben haben alles kaputt gemacht. Uns kaputt gemacht und es soweit gebracht, daß uns immer alle die Schuld an dem Lärm geben. Nie können sie uns alleine lassen, nie. Ich reiße mich zusammen, schnappe mir einen "Spiegel" und geh zur Kasse. Der alte Herr lächelt mich nochmal an und sagt mir "Schönen Tag noch, Frau Kelly" zum Abschied, mit voller Ironie in seiner Stimme. "Tschüß" ist das einzigste, was ich noch sagen kann. Schnell mache ich mich wieder auf den Weg nach Hause.

Es ist Spätnachmittag, ich sitze in meinem Zimmer und gucke aus dem Fenster. Das Wetter heute ist schön, wenigstens etwas, worüber ich mich heute freuen kann. Es klopft an der Tür, Kathy stürmt rein. "Kommst du bald? Wir fahren gleich los." "Ja ich komme." Langsam zieh ich mir meine Jacke über und gehe auf den Flur, die lange Treppe hinunter und stehe zwischen meinen Geschwistern. John fehlt noch, ach da kommt er ja schon. Wir laufen hinaus zu den Autos, ich fahre mit John, Angelo und Patrick mit. Natürlich wieder mit Security´s. Wie ich mir diese Typen manchmal weg wünsche. Sie sollen einfach weg bleiben, genau wie die Mädchen an den Toren, einfach weg sein und uns in Ruhe lassen.

Die Fans warten schon, wir sind angekommen. Etwas außerhalb, mit Blick auf die Menschenmasse, parken wir. Ich steige aus und höre plötzlich wieder dieses Geräusch. Dieses Geräusch der vielen Menschen. Sie schreien, oh nein, warum tun sie uns das an? Warum freuen sie sich nicht darüber, daß wir dasind? Muß man vor Freude schreien? Ein Lächeln in ihren Gesichtern, das wäre das, was ich mir wünsche. So wie früher, als noch vieles viel schöner war.

In drei Minuten müßen wir auf die Bühne. Ich gucke durch einen Vorhang auf die Menschen. Loreley wir kommen, Loreley wir sind da. Eilig kommt Patrick zu mir und pfeift mir mal kurz zu. "Schickes Kleidchen hast du da, Schwesterlein!" Heute hab ich zum erstenmal mein rotes Kleid an, ich hatte es schon lange im Schrank hängen, aber heute wollte ich es anziehen. Blumen hab ich mir auch in die Haare gesteckt und zeige es Maite, die sich gerade ihre Haare hochsteckt. Als sie fertig ist, drückt sie mir ein Küßchen auf die Wange, das macht sie oft und es heißt soviel wie "Viel Glück", auf unserer Art.

Jetzt steh ich da und gucke mir die verschiedenen Reihen an. Die Fans scheinen gut drauf zu sein, aber denkt auch mal jemand an uns? Sie schreien noch immer, aber bald kommt der Refrain und ich vergesse die Schreie. Die Schreie nach Patrick, immer und immer wieder.

Es ist fast vorbei, ich bin so froh, daß ich nach vorne gehe und mir Blumen und Geschenke bei den Fans hole. Da sehe ich einige, die mir schreiend etwas vor die Nase halten. Andere gucken mich nur liebevoll an und halten Blumen in der Hand. Die möchte ich haben, die Blumen der liebevollen Fans. Ich nehme sie entgegen und dann lächeln sie mich an. Sind das noch die alten Fans? Ich muß grinsen und lauf schnell wieder an meinen Platz zurück.

Finale. Wir sind erlöst, wir können gehen. Nur Patrick und Angelo müßen nochmal auf die Bühne. Aber nur für ein Lied, dann können wir uns endlich auf den Weg nach Hause machen.


© Julia, summer 2000


© Julia