The long, hard way to Rostock

by Honeygirl   honeygirl@kellys.com

 

Vorwort
Keiner weiß so ganz genau, warum Jimmy an diesem Tag mit solch einer Verspätung auf der Bühne erschien. Alles was ich hier schrieb, ist reine Fantasie - aber vielleicht steckt ja auch ein klitzekleines Bisschen Wahrheit darin ... Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind gewollt und nicht ganz zufällig! :-D



02.06.2000 18.56h - Dublin 
Es nieselte leicht... die beiden Personen, die durch den Park spazierten, hatten Kapuzen über ihre Köpfe gezogen. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Außenstehende hätten sie leicht für ein Liebespaar halten können, doch es waren Bruder und Schwester, die dort allein ihre Runden zogen. Sonst war dieser kleine Park immer recht belebt - zumindest während der Besuchszeiten - doch aufgrund des Regens hatten die meisten Leute es vorgezogen, innerhalb der Mauern des vornehmen Sanatoriums zu bleiben. 
Immer wieder warf Jimmy einen Blick auf seine kleine Schwester. Barby wirkte zerbrechlich, doch längst nicht mehr so völlig verwirrt, wie noch vor einigen Wochen. An die erste Zeit, die sie hier in der Klinik verbracht hatte, wollte er lieber nicht mehr zurück denken. Jedes der Geschwister entwickelte mit der Zeit seine eigene Art, um mit dem Druck, der nun seit Jahren auf ihnen lastete, fertig zu werden - Barby hatte sich in ihr Schneckenhaus verzogen, aus dem sie leider nicht mehr heraus fand. Lange hatte sie sich gewehrt, doch schließlich musste sie einsehen, das sie ohne die fremde Hilfe in diesem Sanatorium, zugrunde gehen würde. So oft es ging war Jimmy her geflogen, um ihr Gesellschaft zu leisten, immer öfter hatte Paddy ihn in letzter Zeit begleitet. Barby ging es nun besser, aber ganz gesund war sie noch nicht. 
Jimmy war es vor drei Jahren ähnlich ergangen - nur hatte er früher reagiert und war aus dem goldenen Käfig ausgebrochen. In Dublin hatte er sich ein eigenes Leben aufgebaut. Dort fand er sogar einen Menschen, der nicht den Star in ihm gesehen hatte... das die Beziehung zu Melanie letztendlich trotzdem in die Brüche gegangen war, war sicher Schicksal. Keinesfalls konnte er dafür seinem Berühmtheitsgrad die Schuld geben, denn hier in Irland war er ein Nichts... und das war auch gut so! Glücklich war er trotzdem - auch wenn er nun wieder auf Freiersfüßen stand und seit einigen Monaten auch wieder bei den Konzerten der Family mitmachte. Es machte sogar richtig Spaß, seit er neben Paddy wieder die Show abziehen konnte. Von je her war er ein Showmensch gewesen - oft nur Blödsinn im Kopf, war er zum Clown der Family avanciert. Das auch er seine ernsten Phasen hatte, glaubten die wenigsten Fans...
"Ich muss jetzt gehen.", Jimmy sah auf die Uhr und blieb stehen.
Mit großen Augen sah Barby zu ihm auf: "Schade..."
"In ein paar Tagen komme ich zurück - und dann bringe ich dir Paddy mit, ok?", versuchte Jimmy seine Schwester aufzumuntern.
Sie nickte: "Gut... wo ist euer Konzert morgen?"
"In Rostock."
"Oh...", Barby lächelte, "Rostock ist gut..." Ihre Gedanken schienen meilenweit entfernt.
"Hmm... ich freu mich auch schon drauf!" Jimmys Augen blitzten - auch in ihm erweckte der Name dieser Stadt einige angenehme Erinnerungen. Er legte den Arm um seine kleine Schwester, die so oft wirklich wie ein kleines Mädchen wirkte, und führte sie zu dem großen, villenähnlichen Gebäude zurück...

20.35h - Dublin 
Der Blick in den fast leeren Kühlschrank war mehr als ernüchternd. Jimmys Hunger wurde durch ihn nur noch größer. Zwar war er durchaus des Kochens mächtig, nur hatte er nichts mehr eingekauft, da er in den nächsten Tagen nicht zuhause war. 
Nachdenklich biss er sich auf die Lippen - verhungern wollte er nicht, also musste er noch mal auf die Piste - irgendwo in Dublin City würde er schon was essbares finden. Er griff nach seiner Regenjacke und verließ sein noch nicht ganz fertig eingerichtetes Haus...

03.06.2000 7.30h - Dublin 
Krrrrrrrrrr... Jimmy schlug die Augen auf, ekelhaft früh war es noch - zumindest für seine Begriffe. Seine Hand tastete nach dem Wecker: "Halt die Schnauze!" Das ungeliebte Gerät verstummte tatsächlich... und Jimmy fiel zurück in sein Kissen.
An sich lebte er, wenn er hier war, recht zwanglos in den Tag hinein. Heute aber ging das nicht. Wenn die Iren auch eine völlig andere Mentalität besaßen - die Flugzeuge starteten - wenn sie denn starten - pünktlich. Auf ihn warten, würde sicher niemand am Airport! 
Mit einem leichten Anflug von Neid betrachtete er seine junge Hündin Cuba, die friedlich zusammen gerollt immer noch schlief... die hatte es gut!
Gähnend bewegte er sich schließlich doch noch aus dem Bett und schlurfte ins Bad. Gestern war es ziemlich spät geworden - er hatte Freunde getroffen und sie hatten in ihrem Stammpub Musik gemacht. Einfach just for fun… 
Kaltes Wasser klatschte in sein Gesicht… brrr… widerlich! Jimmy sah in den Spiegel, die Wassertropfen perlten von seiner Haut ab. Er kniff die Augen zusammen - alles war noch relativ unscharf. Wo waren denn nur... 
"Verfluchte Dinger! Euch such´ ich auch nur einmal - und das ist immer!!!", suchend sah er sich im Bad um. Wäre er nicht so unheimlich eitel, dann würde ihm diese Suche erspart bleiben. Eine Brille ließe sich garantiert leichter finden, als die blöden Kontaktlinsen... Vorsichtig fuhren Jimmys Fingerspitzen über die Ablage unterhalb des Spiegels. Nichts! 
"Hmm...", kam nur von Jimmy. Wo hatte er sie nur gelassen? Er war doch nicht voll gewesen - nur ein klein wenig fröhlicher als normal... Na gut, er würde zunächst mal duschen, vielleicht fiel ihm danach - wenn er richtig wach war - ein, wo er die Dinger hingelegt hatte. Ein fröhliches Lied auf den Lippen, drehte er das Wasser auf...
Fünf Minuten später war Jimmy wach - doch klarer sah er deshalb immer noch nicht! Die winzigen Sehhilfen blieben auch weiterhin verschollen! 
Sich die Haare mit einem Handtuch abrubbelnd, schlüpfte er - barfuss vom Kopf bis zu den Zehen - in seine Latschen und wollte in die Küche gehen. Ein leichtes Knirschen unter den Sohlen ließ ihn jedoch auf halbem Weg dorthin erstarren. Gequält aufseufzend sah er an sich herab und hob den rechten Fuß an. "Nee, nä? Bullshit!", murmelte er vor sich hin. Jetzt wusste er, wo die Kontaktlinsen waren! Nur nützte ihm das relativ wenig! Eine war völlig zerbröselt, die andere durch Kratzer unbrauchbar gemacht... Wenn er den erwischte, der die Dinger dahin gelegt hatte!!!!! Zähneknirschend wickelte er sich das Handtuch um die Hüften - und nun?
Die Ersatzlinsen hatte er gestern bereits in seiner Reisetasche deponiert - natürlich gaaaanz unten! Was blieb ihm aber übrig? Ohne war er blind wie ein Maulwurf! Leicht hektisch begann er die mühsam gepackte Tasche wieder auseinander zu nehmen. Das Klingeln seines Handys unterbrach ihn jedoch dabei. Zunächst versuchte er es einfach zu ignorieren, doch anscheinend war da einer von der ganz hartnäckigen Sorte am anderen Ende der Leitung! 
"Ich bin nicht zuhause!", grummelte er deshalb ungehalten, anstatt sich richtig zu melden. 
"Is´ mir doch egal - wozu haste ein Handy?", erwiderte Joey ungerührt.
"Nerv mich nicht - ich hab keine Zeit."
"Bor - heute mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden, was?"
Jimmy hatte inzwischen mit einer Hand alles aus seiner Tasche wieder ans Tageslicht befördert, was er tags zuvor in mühevoller Kleinarbeit hineingepackt hatte. 
"Nööö... eigentlich... nicht!", ein breites Grinsen überzog Jimmys Gesicht. "Da sind sie ja!" Triumphierend hielt er die kleine Dose mit den Ersatzkontaktlinsen in der freien Hand.
Joey am anderen Ende gluckste: "Was suchste denn? Kondome???"
"Idiot! Was sollte ich damit?"
"Muss ICH dir DAS jetzt erklären?"
"DU sicher nicht!!!!" Jimmy grinste - schließlich war Joey der erste in ihren Reihen, der Vater wurde!!! "Alles klar bei euch?" Er würde den Teufel tun und dem Bruder von seinem kleinen Problem erzählen! Der würde ihn garantiert kräftig verarschen, zumal Joey diese Art von Eitelkeit einfach nur albern fand!
"Soweit ich das beurteilen kann, schon... das heißt... ich hab keine Ahnung was die anderen tun, aber uns geht ´s gut!"
"Tanja auch?"
"Logisch... alles im grünen Bereich. Ich muss jetzt los - nach Dortmund zur YOU... Autogramme schreiben.", verabschiedete Joey sich.
"Viel Spaß! Wir sehn uns dann in Rostock - bis später." Jimmy warf das Handy auf sein Bett und fragte sich, was Joey denn nun eigentlich von ihm gewollt hatte. 
Egal - dazu war nun wirklich keine Zeit mehr. Auch das Frühstück musste ausfallen. Am Airport hatte er dazu sicher noch genügend Zeit. 
In Windeseile warf er seine Klamotten wieder in die Tasche und sauste zurück ins Bad. Schnell noch etwas aufstylen - nein, eitel war er wirklich nicht! Die Ersatzkontaktlinsen legte er auf die Ablage, öffnete den Badschrank und griff gewohnheitsgemäß, ohne näher hin zusehen, nach der Sprühdose mit dem Stylingschaum... Die weiße, klebrige Masse verteilte er gleichmäßig in seiner noch feuchten Haarpracht. Kurze Haare waren echt praktisch im Vergleich zu früher, überlegte er noch. Dann fiel ihm ein seltsamer Geruch auf...
"Was zum Teufel...?" Er schnüffelte an seinen Händen, sah sich nun doch noch die Sprühdose an, kniff die Augen zusammen und stöhnte auf. Angeekelt betastete er seine Haare... und starrte dann erneut auf die Dose, deren Inhalt er gerade noch in der Hand gehalten hatte... Stylingschaum war das jedenfalls nicht! Ein herzhafter Fluch entfuhr seiner Kehle: Er hatte sich Teppichschaum auf den Kopf geschmiert!!! Anscheinend hatte er gestern, als Cuba mal wieder auf den Teppich im Flur gekotzt hatte, die Dose so dicht neben den Frisierschaum gestellt, das er nun - in Hektik und ohne klaren Durchblick - glatt die Falsche geschnappt hatte!! 
"Verdammte Scheiße! Heut ist nicht mein Tag!", nochmals verschwand Jimmy unter der Dusche.
Als er wenig später endlich auf die Strasse trat, sah er - nichts! 
Nebel... nichts als Nebel! Typisch irisches Wetter! Na das fing ja gut an, überlegte er und lief zurück ins Haus, um sich eine Regenjacke zu holen. Währenddessen hupte das Taxi draußen, als gelte es das ganze Viertel zu wecken. Jimmy stolperte aus der Haustür, zog sie hinter sich zu und bemerkte dann, das der Schlüssel dummerweise drinnen lag... "Himmel! Das gibt ´s doch nicht!", entnervt fuhr er sich mit der Hand durch die immer noch nassen und nicht aufgestylten Haare. Hatte sich denn alles gegen ihn verschworen?
Der Taxifahrer hupte jetzt nicht mehr allein - auch die Autos hinter ihm fielen in das Konzert ein, denn der Mietwagen versperrte die ohnehin enge Strasse völlig. Jimmy verschwendete keinen Gedanken mehr an den Schlüssel. Er brauchte ihn ohnehin in den nächsten Tagen nicht. Melanie - seine Ex - würde Cuba gegen Mittag zu sich holen - er musste sie nur anrufen und ihr von seinem Malheur erzählen. Schwungvoll warf er sich auf den Beifahrersitz und atmete tief durch.
"Wurde ja auch Zeit! Wo soll `s hin gehen?", wollte der Fahrer ungnädig wissen.
"Zum Airport.", keuchte Jimmy. 
Nun doch grinsend sah der Taxifahrer aus dem Fenster und dann wieder Jimmy an: "Bei dem Wetter?"
"Das wird schon wieder - kann gar nicht anders!" Jimmy übte sich in Optimismus. Letztlich konnte doch nicht alles schief gehen, was er heute anpackte!!!
"Na mir soll ´s recht sein." Der Fahrer fuhr los und Jimmy warf noch einen kurzen Blick auf sein Häuschen...

Der Nebel hatte sich in starken Regen verwandelt. Monoton fuhren die Wischerblätter hin und her. Jimmy warf einen Blick auf den Taxameter und zog seine Geldbörse hervor. Der Fahrer hielt genau vor dem Haupteingang des Flughafens: "Macht 15,50 Pfund!"
Jimmy pfiff leise durch die Zähne: "Dafür kann ich ja fast 5x zum Friseur gehen!"
"Kann schon sein, aber der bringt sie nicht zum Airport!"
Ein breites Grinsen zeigte sich auf Jimmys Gesicht: "Stimmt auch wieder." Von Natur aus war er ganz und gar nicht geizig. Er drückte dem Fahrer eine Zwanzigpfundnote in die Hand: "Stimmt so!"
"Thanks! Guten Flug wünsche ich - wenn die Kiste überhaupt abhebt!"
"Sie muss! In Germany wartet man auf mich."
"Germany? Da ist das Wetter aber auch nicht besser!"
"Manchmal schon... Have a nice day!" Jimmy setzte schwungvoll seine Füße aus dem Wagen und fluchte. "Damned!" Wasser spritze zu allen Seiten. Er stand mitten in einer riesigen Pfütze. Betrübt sah Jimmy an sich herab - seine helle Hose hatte jetzt ein seltsames Muster. Na toll! Vorsichtig versuchte Jimmy auf trockenes Territorium zu kommen, konnte jedoch nicht verhindern, das er nasse Füße bekam. Insgeheim bereute er das großzügige Trinkgeld für den Fahrer - hätte der nicht ein paar Meter weiter vorn anhalten können? Um nicht noch nasser zu werden, beeilte Jimmy sich ins Flughafengebäude zu laufen. 

10 h - irgendwo in Germany 
Leise Musik klang aus den Lautsprechern des luxuriösen Reisebusses. Paddy hatte die Rückenlehne seines Sitzes nach hinten gestellt und sah aus dem Fenster. 
Sie würden noch eine ganze Weile fahren müssen, bis sie am Ziel waren. Rostock ... vor Jahren waren sie dort mit dem Segelschiff eingelaufen und hatten regelmäßig für Aufsehen gesorgt. Diese Zeiten waren vorbei... leider! Heute würde Joey die Santa Barbara Anna der Stadt Rostock überlassen... der Family fehlte es an der nötigen Zeit, das Schiff zu nutzen. 
Er würde die Freiheit auf dem Meer vermissen, das war Paddy jetzt schon klar.
"Hast du dir das mal durchgelesen?" Patricia war von hinten an ihn heran getreten und hielt ihm einige Unterlagen vor die Nase...

10.15h - Dublin 
"Was heißt gecancelt?" Jimmys Stimme überschlug sich fast. Die junge Dame am Schalter hatte ihm gerade erklärt, das sein Direktflug nach Hamburg soeben wegen des schlechten Wetters ersatzlos gestrichen worden war.
"Es tut mir leid.", bedauerte das hübsche junge Mädchen und zuckte mit den Schultern. Dieser leicht hektische Passagier mit den durchdringenden blauen Augen tat ihr zwar leid, doch an den Tatsachen konnte sie auch nichts ändern.
Hinter Jimmys Stirn arbeitete es: "Und Berlin... was ist mit Berlin... kann ich umbuchen?"
Die Flughafenangestellte seufzte: "Die Maschine nach Berlin ist vor einer halben Stunde gestartet - es war die letzte, die hoch ging... danach verschlechterte sich das Wetter so sehr..."
Jimmy knurrte laut vernehmlich und dieses Knurren übertönte sogar noch die Geräusche, die sein Magen seit geraumer Zeit von sich gab....
"Geht das da vorn auch noch mal weiter?!", kam aus der Warteschlage hinter Jimmy eine Beschwerde.
"Ach halt doch die Fresse!", entgegnete Jimmy wütend und fuhr herum. Dann schluckte er - wie gut, das er hin und wieder ins Deutsche zurück fiel! Die Beschwerde kam von einem Zweimetermann, dessen Umfang seiner Größe in nichts nachstand. 
"Was hast du gesagt?", wollte der Kerl, mit eindeutig irischer Abstammung, wissen.
Jimmy musterte ihn nur kurz - irgendwas sagte ihm, das er es besser nicht auf eine Auseinandersetzung mit ihm ankommen lassen sollte. "Nothing…" Er griff nach seiner Reisetasche und trottete zu den Sitzgruppen. Leider waren alle Plätze von ebenfalls wartenden Menschen belegt. Mitten in der Halle blieb er stehen - und nun? 
Kein Flug nach Germany!!!???
Sollte er allen ernstes bei einem seiner Geschwister anrufen und sagen: "Sorry - zieht das Ding heute mal ohne mich ab? Fällt doch nicht auf, wenn noch einer mehr fehlt..." Nee, so einfach war das nicht! Eine Show zu fünft war sicher nicht das, worauf die Fans warteten! Zu lange hatte er in der Vergangenheit pausiert und seinen Geschwistern die Arbeit überlassen. NEIN! Es musste einen Weg geben - irgendwie würde er nach Germany kommen... nur wie? Im Augenblick hatte er absolut keine Peilung. Die hatte er aber selten mit leerem Magen - schlagartig änderte er die Richtung und steuerte ein Stehcafe an...

Die undefinierbare Brühe in der Tasse als Kaffee zu bezeichnen, wäre mehr als geschmeichelt gewesen. Jimmy versuchte mit einem gehörigen Schuss Milch der Sache wenigstens etwas Geschmack abzugewinnen. Während er das seltsame Gebräu umrührte, kreisten seine Gedanken weiterhin um sein Problem... Rostock war plötzlich so unendlich weit weg. Wie verdammt abhängig man doch von der Technik war, wurde einem immer erst bewusst, wenn sie mal nicht funktionierte! Hier war es aber noch nicht mal so sehr die Technik, die streikte, sondern einfach nur das Wetter... und wer hatte darauf schon Einfluss?
Hungrig biss er in das brötchenartige Gebilde, das man ihm serviert hatte. Brrrr... das schmeckte wie Presspappe!! "Der Hunger treibt ´s rein - der Ekel hält ´s unten...", murmelte er leise auf deutsch. Ihm gegenüber las ein Reisender eine frische Tageszeitung. Um sich abzulenken, versuchte Jimmy das Horoskop auf der letzten - ihm zugewandten - Seite zu entziffern.

Jimmy schluckte - woher wussten die das bloß? Nicht das er je an so was geglaubt hätte... niiieee! War doch alles Humbug - Nepp - Bauernfängerei... Außerdem war das keine GRÖSSERE Reise! Es war nur ein Katzensprung!!! Schließlich jettete er zur Zeit fast jede Woche von Dublin nach Köln!!! Und auch heute würde er es irgendwie schaffen!!! Jimmys trotzige Ader kam zum Vorschein... Blödes Horoskop, blödes!!!
Letztlich blieb ihm zunächst aber wohl nichts übrig, als zumindest einen Lagebericht an seine Geschwister abzugeben. Widerwillig tippte er Paddys Nummer ein...

10.45h - immer noch irgendwo in Germany... 
"Shit!", fluchte Paddy und richtete sich aus seiner legeren Lage im Bussitz auf. Seine Schwester, die ihm gegenüber saß, schaute erstaunt auf. Ihr Blick drückte eine stumme Frage aus, die Paddy jetzt allerdings noch nicht beantworten konnte. Zu schlecht war die Telefonverbindung - es krachte und knisterte mächtig in der Leitung und Jimmy war kaum zu verstehen... Schließlich beendete Paddy das Gespräch und sah ratlos seine Schwestern an. Auch Maite hatte sich inzwischen dazu gesellt. 
"Was ist los?", wollte sie wissen.
"Jimmy sitzt in Dublin fest!"
Von Patricia kam nur ein leises aber vielsagendes: "Oh."
"Nee, nä?", die jüngere Schwester ließ sich auf den nächstbesten Sitz fallen, "Is´ nicht wahr, oder?"
"Meinste damit mach ich Witze?", konterte Paddy leicht gereizt. Dieses Konzert stand einfach unter keinem guten Stern! Mit Mühe und der Hilfe von einer Menge Medikamenten war Maite nach einer Magenverstimmung grade erst wieder fit, Joey hatte sich selber mit Terminen dermaßen vollgepackt, das Paddy nur noch mit dem Kopf schütteln konnte und nun auch noch das! 
"Nee... du nicht ... aber Jimmy!", grinste Maite breit. Nicht umsonst war Jimmy dafür bekannt, jeden und alles zu verarschen - meist schaltete er erst nach solchen Aktionen sein Hirn wieder ein. Warum sollte das nicht auch einer seiner berühmt - berüchtigten Jokes sein?
Kopfschüttelnd stand Patricia auf: "Das ist kein Witz..." Manchmal spürte sie es, wenn Jimmy in Schwierigkeiten steckte - und jetzt im Moment war dieses Gefühl sehr ausgeprägt. Jimmy war nun mal ihr Lieblingsbruder - daran würde sich nie etwas ändern, egal welchen Mist er auch manchmal machte!
"Scheiße!!", tief ausatmend fuhr Paddy sich mit einer Hand über das Gesicht...
"Mach dir nicht zu viele Sorgen...", liebevoll strich Patricia dem jüngeren Bruder über den Kopf, "Es wird einen Weg geben - und den wird Jimmy finden!"
Fragend sah Paddy sie an - woher nahm sie nur diese Gewissheit?
Leicht lächelnd beantwortete Patricia die ungestellte Frage: "Ich weiß es einfach... er lässt uns nicht im Stich... dazu hat er selber viel zu viel Spaß an der Show." Lange Zeit war das anders gewesen, das wusste auch Patricia... aber das war eine andere Geschichte.

12.30h - Dublin Airport 
Jimmy hatte einen strategisch günstigen Platz eingenommen - genau gegenüber des, für seinen Flug zuständigen, Schalter, hatte er sich auf einer Bank breit gemacht. Alle paar Minuten wanderte er zum Counter und brachte sich dort in Erinnerung. Ihm war schon klar, das er tierisch nervte, aber was blieb ihm anderes übrig? Er musste hier weg, wenn es nicht anders ging, auch über einen Umweg - und der würde wohl oder übel London Heathrow heißen… Allein der Gedanke an diesen ungeliebten Flughafen ließ Jimmy sich schütteln. Jedes Mal, wenn er oder seine Geschwister dort landeten und umsteigen mussten, kam dies einer kleinen Katastrophe gleich. Entweder man verlief sich in den endlosen Fluren, oder es gab anderen Ärger. Nichts ging über Direktflüge!!! Nur sollten die nicht unbedingt gecancelt werden! 
Er sah auf die Uhr - es wurde mal wieder Zeit, dem Mädel dort hinten seine Aufwartung zu machen. Wäre die Situation nicht eine solch Ernste gewesen, hätte er sicher daran seinen Gefallen gefunden - schließlich war sie nicht hässlich und er nicht aus Holz und vor allem: Wieder zu haben!
Energisch trat er an den Schalter heran und setzte seinen Dackelblick auf. Zum Glück war gerade mal niemand hinter ihm, der drängeln konnte!
Die junge Frau mit dem leicht rötlich schimmernden Haar, sah von ihrem Computer auf und verdrehte die Augen - der schon wieder! Aber Job war nun mal Job …
"Mr. Kelly… es tut mir wirklich leid… ich kann nichts für sie tun.", erklärte sie zum wiederholten Mal.
Ob sie wohl bestechlich war? "Auch nicht, wenn ich sie zum Essen einladen würde?" Jimmy grinste in sich hinein. Sein Unterbewusstsein meldete sich - warum machte er hier eigentlich so eine Welle? Es wäre doch nur zu einfach, dem Schicksal seinen Lauf zu lassen, und statt des Konzertes mit dem Rest der Sippe, einen netten Abend mit dieser Maus zu verbringen. Von den anderen würde niemand jemals etwas erfahren... Plötzlich jedoch meldete sich noch eine zweite Stimme - die seines besseren Ichs... NEIN!!! Er konnte seine Geschwister nicht im Stich lassen - die Minibesetzung hatte ihnen schon genug miese Kritiken eingebracht. Er räusperte sich:"Wenn ich zurück bin, meine ich…" 
"Der Gedanke ist nicht der schlechteste … aber an der Sachlage ändert ihr Angebot leider auch nichts.", sie lächelte.
Jimmy zog die Augenbrauen hoch: "OK - ich komme drauf zurück! Aber jetzt muss ich unbedingt nach…"
Sie fiel ihm lachend ins Wort: "Lassen sie mich raten - nach … Germany??"
"Wow … woher wussten sie das?" Nun mussten beide lachen.
"Mir ist auch völlig egal, wo ich lande… nur Germany muss es sein.", fuhr Jimmy nochmals mit Nachdruck fort, "Wie heißen sie eigentlich?"
"Meggie…", für den Bruchteil einer Sekunde, verlor sie sich in seinen Augen - sie waren soooo blau!
"Schöner Name!" Ganz genau wusste Jimmy was grade in ihr vorging - oft genug hatte er diesen Blick schon gesehen - bei weiblichen Fans… Sie himmelten ihn teilweise an - warum eigentlich? Aber er genoss es trotzdem - nicht immer - aber in letzter Zeit immer öfter! 
"Ich bin Jimmy…", um sie wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen, reichte er ihr ganz förmlich die Hand und kam dann schnell wieder zum Thema zurück, "Gibt es denn gar keine Möglichkeit hier weg zu kommen?"
Bedauernd hob sie die Schultern an: "Sieht schlecht aus."
"Wie ist es mit... Cologne?" Es würde ganz eng werden, von dort aus noch pünktlich nach Rostock zu kommen...
Meggie schüttelte den Kopf.
"Hannover?"
Wieder eine negative Antwort: "Jimmy... es gibt heute ganz sicher keinen Flug mehr nach Germany!"
"OK", Jimmy atmete tief durch, "Ich würde auch chartern." 
Ungläubig sah Meggie ihn an - der Typ hatte anscheinend einen kräftigen Schaden! Was um Himmelswillen zog ihn denn nur so sehr auf den Kontinent??? Und überhaupt - er sah nicht aus, als könne er sich das leisten...
Was da hinter ihrer Stirn vorging, konnte Jimmy sich denken - er wirkte nicht grade wie jemand, der sich mal eben so eine Maschine chartern konnte. Aus seinem eigenen Budget würde er das wohl auch nicht schaffen - aber Daddy war bei Notfällen, die die Band angingen, nicht zimperlich! "Geld spielt keine Rolle!" Ohne zu zögern zückte Jimmy seine Brieftasche und holte zum Beweis die goldene Kreditkarte raus. 
Meggie zögerte immer noch, fast wäre ihr ein "Ist die echt?" rausgerutscht, doch dann erinnerte sie sich an ihren Job. "Es gibt da eine Möglichkeit… aber … nein, das geht nicht!", sie seufzte und begann auf der Tastatur ihres Computers zu tippen.
"Geht nicht, gibt `s nicht! Alles geht - man muss nur wollen!", Jimmy beugte sich über den Tresen - fast sah es aus, als wolle er rüber klettern. Sehen konnte er trotzdem nicht, was dort auf dem Monitor zu lesen war und was Meggie für so unmöglich hielt.
Meggie schwieg, was Jimmy nun gänzlich zur Verzweiflung brachte. Wenn das ein Kerl wäre, würde er ihn schütteln, bis er mit der Sprache rausrücken würde! Es war aber keiner...
"Ey Mädel - ich krieg die Krise! Sag endlich, was sooo unmöglich ist!", in seiner Erregung hatte Jimmy mal wieder die falsche Sprache aus dem Hinterkopf gezaubert. Dies wurde ihm allerdings erst bewusst, als er Meggies fragenden Blick registrierte: "Ähem... sorry! Passiert manchmal - ich bin ein Sprachgenie... Ich kann auch noch spanisch und ..." , er grinste breit, "... französisch!"
"Aaaah ja..." Vielleicht war es tatsächlich sinnvoll diesen Typ - war er auch noch so reizvoll - ganz schnell dahin zu bringen, wohin er wollte! Sollten die in Germany sich doch mit diesem seltsamen Genie rumschlagen!!! Meggie griff zum Telefon und wählte eine, für Jimmy nicht sichtbare, Nummer.
Nervös trommelte Jimmy währenddessen mit den Fingern auf dem Tresen herum. Warum dauerte das Gespräch denn so lange? War er etwa ungeduldig??? Nein - er doch nicht... aber so allmählich lief ihm die Zeit davon...
Endlich legte Meggie auf und lächelte Jimmy an: "Ich glaube, ich habe die Lösung gefunden..."
"Echt?", seine Augen begannen zu strahlen...

13h - Dortmund Westfalenhalle "YOU" 
Joey arbeitet sich durch die Fanmassen durch. Mit einer solchen Menge hatte er nicht gerechnet. Sowieso war er schon in Zeitverzug, draußen wartete ein Hubschrauber auf ihn. Der würde ihn geradewegs nach Rostock fliegen. Zum Glück spielte das Wetter mit - sicher würde es ein angenehmer Flug werden...

14h - irgendwo im britischen Luftraum 
Kotzübel war ihm... wenn er geahnt hätte, wie hinterhältig und gemein das war, was Meggie als "die Lösung" bezeichnet hatte, wäre er in Dublin geblieben!!! So schnell würde er sicher nicht mehr in ein Flugzeug steigen - und wenn er durch den Kanal schwimmen müsste!!!
Dabei war er so optimistisch an die Sache rangegangen... 
Schon nach etwa einer Stunde hatte er - per Taxi - den kleinen Sportflugplatz gefunden, dessen Adresse Meggie ihm gegeben hatte. Tatsächlich wartete man dort auch auf ihn, kaum hatte er nämlich in dem ungemütlichen Flugplatzbüro einige größere Geldscheine auf den Tresen gelegt, ging alles sehr schnell... 
Ein ziemlich bärbeißiger und wortkarger Typ schubste ihn in den benachbarten Hangar und verlud ihn förmlich in eine, kaum vertrauenerweckende, Cessna. Wenige Augenblicke später rollte das altertümliche Fluggerät auch schon auf die Startbahn zu. Jimmy beeilte sich, sein Hab und Gut zu verstauen und Platz zu nehmen. Erst beim Anschnallen warf er einen Blick aus dem kleinen, schmutzigen Fenster... dichte Nebelschwaden nahmen ihm jegliche Sicht. War es wirklich ratsam gewesen, auf den Flug zu bestehen? Seine zaghaften Zweifel verstärkten sich, als er sich in der Maschine umsah. Dies unter Economy class einzustufen, war geschmeichelt - aber Jimmy war von klein auf Kummer gewöhnt. Luxus musste er nicht haben... aber Sicherheit wäre schön! Er schluckte - die Maschine ruckelte, irgendwo krachte es verdächtig. Jimmy schloss die Augen - Flugangst war im eigentlich fremd... uneigentlich aber faltete er verstohlen die Hände zum Stoßgebet. Ob der alte Herr da oben ihn überhaupt noch kannte? Oder war er wenigstens seinem Schutzengel noch ein Begriff?
Nochmals gab es einige unsanfte Stöße, dann schien diese Flugmaschine tatsächlich abzuheben. Ganz vorsichtig öffnete Jimmy ein Auge - sehen konnte er draußen immer noch nichts, aber wer wusste schon, für was das gut war! Nun gut - er hatte es so gewollt - also musste er da auch durch! Mutig öffnete Jimmy nun auch das zweite Auge und sah sich um. Hinter seinem Sitz stapelten sich Kisten - er war in einer Frachtmaschine gelandet, aber das war sicher nicht das Schlimmste, was ihm passieren konnte! So gab es wenigstens keine nervenden Mitreisenden, die ihn wohlmöglich auch noch erkannten. Alles andere hier erinnerte ihn allerdings mächtig an alte, ziemlich skurrile, Fliegerfilme... niemand würde ihm das glauben!!! All dies würden seine Geschwister auf seine sonst immer so blühende Fantasie schieben! Jimmy runzelte die Stirn - der Gedanke, der plötzlich in ihm aufkam, war zu verrückt. Trotzdem sah er sich lieber mal etwas besser um... ob hier irgendwo eine versteckte Kamera war? Nachdem Maite im letzten Jahr auf so erquickliche Art und Weise von einem TV Sender reingelegt worden war, würde ihn so was gar nicht wundern. Skrupel, bei einem solchen Streich Hilfe zu leisten, hatte mit Sicherheit keiner seiner Geschwister - er selber schließlich auch nicht!
Auf den ersten Blick aber war nichts von einer Kamera zu entdecken - höchstens in den Kisten hinter ihm könnte eine sein... aber vom Blickwinkel her war das Blödsinn! Jimmy kam nicht zum weiter grübeln, denn heftige Turbolenzen brachten nicht nur das Flugzeug, sondern auch sein Innenleben mächtig in Aufruhr. Er spürte förmlich, wie er immer mehr die gesunde Farbe eines Kalkeimers annahm. 
"Suuuuper...", klagte er leise und fuhr sich durch die Haare... 
"Alles klar, da hinten, mein Junge?", ertönte der tiefe Bass des bulligen Piloten von vorne. Es war der gleiche Typ, der ihm in dieses Ding verfrachtet hatte. 
"Hab mich selten besser gefühlt...", erklärte Jimmy - allerdings mit wenig Zuversicht in der Stimme. Die Frage nach den Kotztüten erübrigte sich hier wohl... Wieder erwischte eine heftige Windbö die Maschine.
"Wow! Das ist heute wieder ein Wetter so ganz nach meinem Geschmack!", gab der Pilot zum besten und begann zu singen - nicht schön, dafür aber ziemlich laut und falsch. 
"Oh nee... ich glaub das nicht!", Jimmy legte den Kopf wieder gegen die Rückenlehne. Nicht jedem war Gesang gegeben...
"Das erinnert mich an meinen letzten Flug zum Nordkap...", was dem Kapitän dort zugestoßen war, ging in einer weiteren Turbolenz unter - es interessierte Jimmy aber auch nicht wirklich, denn er hatte genug mit seinem Frühstück zu tun. Dieses dort zu behalten, wo es hingehörte, war schwer genug... er schluckte schwer. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Auch der Blick aus dem winzigen Fenster machte ihm das Leben nicht viel einfacher, obwohl der Nebel sich aufzulösen schien. Immer öfter konnte Jimmy tief unter sich das Meer sehen. Da draußen tobte ein kräftiger Sturm! Ein Gedanke, der ihn auch nicht glücklicher machte. Gab ´s hier wenigstens Schwimmwesten? Er sah sich erneut um, aber nichts in dieser Hinsicht war zu entdecken. Laut seufzte er wieder auf. Was würden Schwimmwesten ihm auch nützen? Bei den Wellen, die der Wind dort unten erzeugte, brachten sie ihm absolut nichts!
"Is´ was, Junge? ... Ah - ich weiß ... der Bordservice fehlt dir sicher! Aber warte ab - wir haben keine Kosten und Mühen gescheut... du wirst gleich bedient!"
"Häh?", Jimmy kapierte nicht. Was meinte der Typ? Ihm reichte das bisherige "Unterhaltungsprogramm" im Grunde schon völlig aus!!!! Panik stieg in Jimmy auf: Der Kerl würde doch jetzt nicht auch noch den Platz im Cockpit verlassen und Stewardess spielen? Auf welchen Höllentrip hatte er sich hier eingelassen! Ein hysterisches Lachen entfuhr ihm - das musste ein Gag mit versteckter Kamera sein!!!
Was anderes war gar nicht möglich... dessen wurde er sich nun immer sicherer. Erst recht, als plötzlich aus dem Cockpit seltsame Geräusche ertönten - Geräusche die Jimmy absolut nicht einordnen konnte, die ihn allerdings etwas von seiner Übelkeit ablenkten!
Woher diese Laute kamen, klärte sich etwa eine Minute später auf. Nun meinte Jimmy, endgültig das letzte bisschen Verstand verloren zu haben! Dieser chaotische Tag war wohl doch zu viel für ihn gewesen! Ein ausgewachsener Schimpanse - dekoriert mit einer Flugkapitänsmütze - turnte auf ihn zu! In den Händen balancierte er ein Tablett mit einer Thermoskanne.
Ungläubig wischte Jimmy sich mit den Händen durch die Augen - träumte er? Sowas gab ´s doch wirklich nur im Film, oder???? 
"Das ist Charlotte, meine Stewardess!", erklärte der Kapitän nicht ohne Stolz, "Bedien´ dich, Junge, du siehst so grün um die Nase aus. Kein Wunder bei dem Wetter!"
Immer noch an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifelnd, legte Jimmy den Kopf schief. Der Affe stand vor ihm und versuchte ihm tatsächlich auf typisch äffische Weise klar zu machen, er solle die Thermoskanne endlich nehmen.
"Hi Charlotte - ich bin Jimmy!", fasste Jimmy sich schließlich ein Herz und griff mit der einen Hand nach der Kanne, mit der anderen nach Charlottes Hand, um diese zu schütteln. Damals, als er noch klein war, hatte er mit der Family lange im Zirkus gelebt. Die Affen hatten es ihm damals schon angetan - trotzdem war immer Vorsicht bei diesen Tieren angebracht. 
"Du kannst wohl gut mit Tieren, was?", wollte der Kapitän wissen.
"Naja... manchmal besser, als mit Menschen.", gab Jimmy zu. "Ich war als Kind im Zirkus."
"Wer war das nicht?"
"Ich hab da gelebt... mit meiner Family." Jimmy grinste - die "Stewardess" hatte sich widerspruchslos von ihm streicheln lassen, was er leider bisher von ihren menschlichen Kolleginnen SO nicht sagen konnte! 
"Soso? Im Zirkus gelebt hat er... Danach siehst du aber nicht aus! Was ist dein Job, Junge?"
"Musik...", antwortete der "Junge" leise.
"WAS??? Sprich lauter, ich verstehe dich nicht!"
"MUSIK!!!"
"Aha...", mehr kam vorerst nicht von vorne.
Charlotte schnatterte vor sich hin und zog das Gesicht zu verrückten Grimassen, woran Jimmy inzwischen viel Spaß hatte. Er antwortete ihr in der selben "Sprache", was auch bei ihr augenscheinlich gut ankam. Als die Affendame dann aber plötzlich Purzelbaum schlagend wieder im Cockpit verschwand, war Jimmy regelrecht enttäuscht. Immerhin war seine Übelkeit verschwunden! Wesentlich entspannter als noch vor einigen Minuten, legte er sich im Sitz zurück und schaute erneut aus dem Fenster. Das Meer tief unter ihnen wirkte zwar immer noch ziemlich unruhig, aber hier oben hatte der Sturm sich etwas gelegt. Ein Glück!!! Was würde heute wohl noch alles passieren? Den Verdacht, das seine Pechsträhne noch nicht vorbei war, wurde er einfach nicht los. Vielleicht würde aber auch mal was nettes passieren...
Genau das geschah postwendend - in Form von Charlotte, die zu ihm zurück kehrte, sich auf den Sitz neben Jimmy setzte und ihm Zigaretten und zwei Bananen anbot.
Lauthals lachte Jimmy los - konnte dieses Tier etwa Gedanken lesen, oder war es einfach eine Art von Seelenverwandtschaft, die sie verband? Wie dem auch sei - die Kippen konnte er jetzt wirklich gut gebrauchen - und die Bananen auch. Das flaue Gefühl in der Magengegend konnte durchaus auch auf Hunger begründet sein! Erfreut griff nach dem gelben Obst und riss die zwei Bananen auseinander. Während er die erste schälte, bemerkte er den kritischen Blick Charlottes.
"Oh... Ich bin blöd - das hätte ich mir aber auch denken können.", etwas bedauernd reichte er der Äffin die andere Banane. Erfreut schnatternd griff sie danach. Amüsiert sah Jimmy ihr beim essen zu und biss schließlich auch in die seinige hinein. Das tat gut! In der Tat beruhigte sich sein Magen zusehends. Was wollte er noch mehr? Jetzt noch eine Zigarette und die Welt war wieder in Ordnung - fast zumindest! Charlotte war anscheinend dem Charme des Jimmy Kelly erlegen, denn vertrauensvoll kuschelte sie sich an ihn, nachdem sie aufgegessen hatte.
"Sie mag dich!", erklärte der Pilot.
Jimmy lächelte: "Ich mag mich auch!" Tiere waren doch manchmal die besseren Menschen... aber als Braut war Charlotte doch nicht ganz die Richtige! Bevor seine Gedanken zu Melanie abwandern konnten - griff er zur Packung mit den Zigaretten. Schnell war eine angesteckt und er zog den Rauch genüsslich in seine Lungen ein. Charlotte legte den Kopf schief und begann zu schnattern. 
"Was willste mir denn jetzt erzählen? Das paffen ungesund ist? ... Weiß ich selber, aber was soll ´s - sterben müssen wir alle mal!", erklärte Jimmy dem Affen und nahm noch einen Zug. Doch davon ließ Charlotte sich nicht überzeugen. Sie sprang vom Sitz und gestikulierte wild mit sämtlichen, zur Verfügung stehenden Gliedmaßen in der Luft herum. Etwas verwirrt, wie schon öfter an diesem Tag, zog Jimmy die Stirn kraus: "Was hat sie denn?"
Tief dröhnendes Lachen kam aus dem Cockpit: "Mach ihr auch eine an!"
"Nee, nä?", Jimmy murmelte mal wieder auf deutsch, tat aber doch, wie der Pilot ihm geheißen hatte und konnte alsbald zusehen, wie Charlotte es ihm gleich tat und genüsslich ihre Zigarette rauchte... "Das glaubt mir keiner... fehlt nur noch, das das Vieh Skat spielt!!!", kopfschüttelnd sah Jimmy sich nochmals in der Kabine der Maschine um - war da nicht doch vielleicht eine versteckte Kamera? Irgendwo in den Kisten...
Eine knappe Stunde später setzte die kleine Cessna auf einem Sportflughafen in der Nähe von London auf. Obwohl Jimmy mit dem schlimmsten gerechnet hatte, war alles gut gegangen. Aufatmend schnallte er sich ab und sammelte seine Sachen ein. Jetzt hieß es, so schnell wie möglich nach Heathrow zu kommen und da einen passenden Flug zu ergattern. Charlotte zog eine Grimasse, als wüsste sie, das sie ihren neu gewonnenen Freund nicht mehr wiedersehen würde. Als Jimmys Blick auf das Tier fiel, das auf dem Boden vor der Tür hockte, musste er schlucken. Trotz der Eile, die ihn antrieb, nahm er die Äffin nochmals auf den Arm. "Schau mir in die Augen, Kleines.", nuschelte er, "Ich weiß - Abschied nehmen kann echt hart sein... aber glaub mir, irgendwann kommt einer, der besser zu dir passt. Ich bin kein Mann für ´s Leben... hat Mel auch gesagt... und die muss es wissen, die hat ´s immerhin mal mit mir probiert!" Oh Scheiße - wenn er jetzt nicht aufpasste, dann würde er ´nen Moralischen kriegen, durchfuhr es Jimmy. Ab und zu passierte das immer noch... er kapierte selber nicht so ganz, wieso eigentlich. Schnell wollte er Charlotte wieder absetzten, doch das Tier war schneller als er und drückte ihm seine nassen und nicht unbedingt wohlriechenden Lippen mitten ins Gesicht!
"Üääähhbrrrrgggrrrmmmpppfff!", machte Jimmy voller Entsetzen. An Cubas feuchte Liebkosungen hatte er sich gewöhnt und inzwischen hatte er auch raus, wie man diese umgehen konnte. Dies aber - ein Affenkuss - war ihm in seiner Laufbahn noch nicht vorgekommen: "Spinnst du?!!!"
Grosse, braune und sehr traurige Augen sahen ihn an, während er sich die feuchten Überreste der Zuneigungsbekundung aus dem Gesicht wischte. So hatte er das ja nun auch nicht gemeint... und überhaupt - böse sein konnte er Charlotte nicht!
"`tschuldige... war nicht so gemeint... bin nur nicht gewohnt, das mich jemand so abschlabbert... Jetzt zieh doch nicht so ´n Gesicht - vielleicht sehen wir uns ja noch mal wieder."
Als hätte das Affenmädchen ihn verstanden nickte sie zustimmend und reichte ihm ihre Hand. Jimmy schlug ein...

15.45h - Rostock Lage (Flughafen) 
Perfekt setzte der Hubschrauber auf dem Teerplatz auf. Joey schnallte sich ab, schnappte sich seine Tasche, tippte noch kurz mit zwei Fingern gegen seine Schläfe, um sich beim Piloten zu verabschieden und stieg dann aus. Die Rotorblätter drehten sich immer noch, der Wind, den sie erzeugten, zerzauste Joeys Mähne. In gebückter Haltung lief er zu einem Auto hinüber, vor dem bereits ein Fahrer auf ihn wartete. Er war spät dran, per Handy hatte er den Termin beim Rostocker Boulevardfest um eine Stunde verschoben...

15.50h - London Heathrow 
Er war tatsächlich ohne weitere Zwischenfälle bis zum entsprechenden Schalter gekommen - Jimmy konnte es kaum glauben!!! Najaaa - nachdem heute schon so ziemlich alles schief gegangen war, was hatte schief gehen können, blieb nicht mehr viel, was ihm noch hätte widerfahren können, dachte Jimmy optimistisch. Etwas außer Atem stellte er sich an die Schlage der wartenden an. Beim Blick auf die große Uhr, die in der Halle hing, wurde ihm allerdings klar, das er es keinesfalls mehr pünktlich zu Konzertbeginn schaffen würde! Die nächste Maschine musste er kriegen - koste es was es wolle! Wenn nicht... dann war alles umsonst gewesen! Hoffentlich war das Ding noch nicht ausgebucht! Panik beschlich Jimmy - an diese Möglichkeit hatte er noch nicht gedacht! Himmel - das durfte nicht sein!!! 
Die Minuten bis er endlich an der Reihe war, zogen sich quälend lang hin. Eine - für seine Begriffe - ältere Dame lächelte ihn geschäftsmäßig freundlich an: "Was kann ich für sie tun?"
Jimmy seufzte auf...

15.55h - Rostock Stadthafen 
Unruhig lief Paddy hin und her. Gerade waren sie mit dem Nightliner hier angekommen, aber schon seit Stunden hatte er nichts mehr von seinen "verlorenen" großen Brüdern gehört... Nicht, das er nicht ohne Jim oder Joey hätte existieren können - aber ein Konzert ohne die Zwei war zur Zeit undenkbar. Nervös nestelte er an seinem Handy rum, um sich nur wenig später mit einer Hand durch die Mähne zu streichen: "Wo bist du jetzt, Joey?" Wenigstens der meldete sich endlich!!!
"Bin grade in Lage gelandet... muss nur noch schnell das Interview beim Boulevardfest hinter mich bringen..." Es krachte in der Verbindung und sowohl Paddy, als auch Joey versuchten gar nicht erst das Gespräch fortzusetzen. Ein klein wenig erleichterter setzte Paddy seinen Weg zur Bühne fort...

16.00h - Heathrow 
Jimmy konnte sein Glück kaum fassen!!! Er hatte noch einen Platz im Flieger nach Hamburg buchen können. Hektisch sauste er mit der Reisetasche in der einen und dem Ticket in der anderen Hand durch die riesige Halle. Er musste sich beeilen - viel Zeit bis zum Start blieb nicht mehr, aber wenn er erst mal drin war, war alles weitere egal! 
Wieder erwartete ihn eine kleinere Menschenansammlung und nochmals stellte er sich brav hinten an. Ungeduldig sah er zu, wie langsam das einchecken vor sich ging. Warum hatten all diese Leute nur sooo viel Gepäck dabei? 
Jemand rempelte ihn an und versuchte sich an ihm vorbei nach vorne zu drängen.
"Hey!", knurrte Jimmy ungehalten.
"Sorry - hab ´s eilig!", die junge Frau hob bedauernd die Schultern, was sie allerdings nicht davon abhielt, sich noch weiter nach vorn zu schieben.
Kavalier hin oder her - so ging das ja nun auch nicht! Jimmy schwoll der Kamm: "ICH AUCH!"
"Wir haben es alle eilig!", gab ihm ein Geschäftsmann im Anzug, der vor ihm stand, Recht.
"Richtig - hinten anstellen!!!", schimpften nun auch die Umstehenden.
Ob sie wollte oder nicht, dieser unwilligen Mehrheit musste sich die eilige Dame fügen. Unauffällig in sich hinein grinsend betrachtete Jimmy sich dieses Wunderwerk der weiblichen Schminkkunst eingehender! Ihr Gesicht ähnelte der Farbpalette eines Malers. Nicht unbedingt dezent waren die Farben dort verteilt worden und versuchten darüber hinweg zu täuschen, das dieses weibliche Wesen mehr Jahre auf dem Buckel hatte, als sie zugeben wollte! Doch nicht nur das Make-up schreckte Jimmy ab - auch ihr weiteres Outfit wirkte auf ihn wie ein rotes Tuch. Die - garantiert nicht echte - blonde Mähne war hochtoupiert, die hauteng anliegenden Klamotten ließen ihr nicht viel Spielraum zum Atmen. Ihr Parfum erinnerte Jimmy verdächtig an ein Etablissement, das er in seiner "Jugend" mal spaßeshalber mit Joey besucht hatte - auf der Reeperbahn! Die hatte wohl ihr "Zu vermieten" - Schild vergessen!!! Sein Blick fiel eher ungewollt auf den üppigen Ausschnitt der Dame. Er schluckte - was ihn da so entgegen schwabbelte war nicht wenig! "Silikon!", dozierte Jimmy leise für sich und wandte sich ab. Das war genau der Typ Frau, auf den er nie fliegen würde! Auf solche Tussen konnte man ihn anschweißen - er würde sich los rosten!!! 
"Junger Mann - sie sind dran.", holte ihn eine Stimme aus seinen Betrachtungen. Sie gehörte dem Angestellten, der eigentlich sein Gepäck entgegen nehmen wollte.
"Oh... oh ja!" Schnell wuchtete er die Reisetasche auf den Tresen.
"Ihr Ticket, bitte!"
Er reichte es ihm.
"Ihren Ausweis!"
Jimmy griff in seine innere Jackentasche - und erstarrte! "Äh ja ...Moment..." Wo war der Pass? Er hatte ihn doch in Dublin noch gehabt! Irritiert durchsuchte er nun sämtliche Taschen seiner Jacke - mit niederschmetterndem Ergebnis! 
Kopfschüttelnd wandte der Mensch hinter dem Tresen sich der aufgedonnerten Blondine zu und fertigte sie ab. Dann sah er nochmals zu Jimmy rüber: "Na?"
"Nichts..." Längst war es Jimmy heiß geworden. Jetzt stand er hier dumm rum und hinter ihm war tatsächlich keiner mehr... gleich würde der Flieger ohne ihn in die Luft gehen... Fieberhaft dachte Jimmy nach, wohin er das wichtige Dokument denn nur getan haben könnte. Ausgerechnet jetzt klingelte sein Handy. Das war alles nicht wahr - es musste ein böser Traum sein, aber einer von der ganz bösartigen Sorte! Resigniert griff er zum Handy in der hinteren Hosentasche und motzte los: "Hab jetzt keinen Nerv zum quatschen! Was ist los?"
Paddy auf der anderen Seite kräuselte die Stirn - das klang, als sei Jimmy noch immer nicht aus seinen Schwierigkeiten raus. Er beschränkte sich lieber auf ´s Wesentliche: "Wo bist du?"
"Heathrow!"
"Ach du Scheiße!"
"Kommt noch besser!", Jimmy verdrehte die Augen, "Mein Pass ist weg!"
Das Aufstöhnen Paddys nahm er schon nicht mehr wahr. Völlig mit den Nerven runter verstaute Jimmy sein Telefon wieder in der Hose... Hose???? Plötzlich kam ihm die Erleuchtung! 
Er bückte sich und griff in die Taschen, die auf seinen Hosenbeinen angebracht waren. Ein Seufzer der Erleichterung entrann seiner Kehle: "Da isser ja!... Aaauuuuaaaahhhh!" Mit voller Wucht war er beim aufrichten gegen die überstehende Kante des Schalters geknallt. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er Sterne, hübsche goldene Sterne, die sich rasch um ihn drehten! Sein Hinterkopf schmerzte, doch Jimmy biss die Zähne zusammen und gab seinen Ausweis ab. Vorsichtig betastete er die Stelle des unsanften Aufpralls... Das würde ´ne mordsmäßige Beule geben - vielleicht hatte er auch ´ne Gehirnerschütterung??? Aber was sollte da wohl erschüttert werden? 
Mechanisch nahm er seinen Reisepass wieder an sich und verstaute ihn dieses Mal in der Brieftasche. Dann beeilte er sich, an Bord zu kommen. 
War schon peinlich, als letzter durch den Mittelgang zu wandern, während alle anderen Passagiere längst startbereit waren. Heute aber konnte Jimmy echt nichts mehr erschüttern... es sei denn, jemand käme auf die blödsinnige Idee, die Maschine zu kapern, oder so was! Suchend orientierte er sich an den Nummern, die über den Sitzen angebracht waren - wo war Platz Nummer 52b ? 
"Kann ich ihnen helfen?", erkundigte sich auch schon die hübsche Stewardess.
"Ja äh... ich suche meinen Platz..."
Mit einem Blick hatte die Flugbegleiterin erkannt, wohin Jimmy gehörte und zeigte ihm dies auch. Beinahe hätte er laut aufgestöhnt, als er sah, neben wem er sitzen musste! Die üppige Blondine lächelte ihn mit leichter Schadenfreude an: "Na? Ausweis doch noch gefunden?"
"Anscheinend schon.", grummelte Jimmy und packte seine Jacke ins Gepäckfach. Wollte die ihm jetzt etwa ein Gespräch aufdrängen? Es reichte doch schon, wenn er ihren Geruch ertragen musste... Aber egal - er war an Bord und wenn er Glück hatte, dann war er in etwa einer Stunde in Hamburg! 
Wenn er Glück hatte???? Heute??? Zweifel kamen in ihm auf - doch tapfer versuchte er sie zu verdrängen. Stattdessen schnallte Jimmy sich an, schloss die Augen und legte den Kopf gegen die Rückenlehne. Zufrieden spürte er die Beschleunigung und das Abheben des Flugzeugs... 
Die tosende Menge jubelte ihm zu... Jimmy genoss den Applaus... er hatte ihn schon immer geliebt und heute galt er nur ihm... wie schööön! Aber was zum Teufel machte Charlotte denn hier auf der Bühne? Und warum bespritzte sie ihn mit einem Wasserschlauch??? Jimmy fuhr hoch und sah sich erstaunt um - er war ja gar nicht auf der Bühne! Immer noch saß er in der Maschine nach Hamburg... aber das feuchte - um nicht zu sagen nasse - Gefühl an seinem Bein war nicht verschwunden, wie der schöne Traum, den er gehabt hatte! Es war sogar äußerst real! 
"Scheiße!" Mit Entsetzen starrte er auf die Hose - und auf den Sekt, der sich seinen Weg langsam, aber unübersehbar entlang des Hosenbeins bahnte.
"Tut mir leid... wirklich...", die Blondine hatte bereits eine Serviette geschnappt und begann nun - ohne Rücksicht auf Verluste - an Jimmy herum zu rubbeln. Dieser wusste allerdings nicht so recht, ob er lachen oder weinen sollte, denn die Stelle, an der sich Blondie zu schaffen machte, war doch eine, an die er sonst so leicht niemanden ran ließ! Wieder wurde ihm heiß - er spürte förmlich die Röte, die ihm ins Gesicht schoss! Was hatte die Frau eigentlich da, wo andere ihr Hirn spazieren trugen?
"Finger weg!", schnauzte er unbeherrscht los. 
Erschrocken fuhr Blondie zurück: "Aber ich wollte doch nur..."
"Verschon mich bloß mit Einzelheiten!" So was blödes aber auch! Zum Glück würde Sekt nur schwache Spuren auf seiner Hose hinterlassen, aber das er nun wie eine Eckkneipe stank, war nicht zu verhindern. Prima - das würde seinem Image zugute kommen... galt er doch - nicht ganz unbegründet - als der Kampftrinker der Family! Ergeben in sein Schicksal vergrub Jimmy sich hinter der TIMES...

17.35h - Rostock 
Paddys Handy klingelte - doch er konnte es nicht hören. Der Soundcheck war in vollem Gange... 

17.36h - Hamburg 
Jimmy fluchte leise vor sich hin - warum ging der Typ nicht ran? Dauernd nervte er mit seinen Anrufen, wenn man ihn nicht brauchen konnte, und jetzt hatte er auf taub gestellt! 
OK - er hatte es bis hierher ohne Hilfe geschafft, also würde er die letzten paar Hundert Kilometer auch alleine schaffen!!!!! 
Zielsicher drehte er sich auf dem Absatz um und - prallte mit jemandem zusammen. Im Grunde brauchte er nicht erst hin zu sehen - in wen er da frontal gerannt war, konnte er auch am Geruch erkennen! Dieses Parfum löste Kopfschmerzen in ihm aus! Blondie lächelte ihn verführerisch an: "Ist das Schicksal?"
"Ich will ´s nicht hoffen!", ziemlich uncharmant nahm er Reißaus. Enttäuscht sah Blondie ihm nach...

17.45h - Rostock 
"Jimmy hat angerufen!", jubelte Paddy nach einem Blick auf das Display seines Telefons. 
"Na und? Macht er doch täglich...", so was konnte Joey nun gleich gar nicht beeindrucken.
"Bei dir vielleicht...", schon war der jüngere der Bruder dabei, den verschollenen Bruder anzuklingeln...

17.47h - Hamburg 
"Ja - ich bin in Hamburg... fahr gleich los... was? Och nee... nee auf keinen Fall!!! Nie !!! Never!!!! ... Is´ mir egal! ... In so `n Teil steige ich nicht - nicht heute... was da alles passieren kann!!! ... No!!! Außerdem hab ich schon einen Wagen gemietet!"
Jimmy beendete das Gespräch mit Paddy abrupt. Der war im Stande und würde ihm - dem Älteren - befehlen, diese Höllenmaschine zu benutzen... Einen Hubschrauber wollten die Veranstalter ihm chartern! Netter Gedanke - aber nach allem, was er heute bereits hinter sich hatte, waren ihm vier Räder doch viel lieber.
Dankbar lächelnd nahm er den Schlüssel zu seinem Mietwagen entgegen und marschierte zum Aufzug...

17.50h - Rostock 
"Sturer irischer Sack!", schimpfte Paddy. Seine beiden Brüder Joey und Angelo sahen ihn an. Von wem hier die Rede war, brauchten sie nicht zu fragen. Es konnte sich nur um Jimmy handeln! Trotzdem kratzte Joey sich grinsend am Hinterkopf: "Sag mal... bist du nicht der einzige ECHTE Ire von uns?"
"Nee - der einzige waschechte irische Dickschädel ist und bleibt James Victor! So ein eigensinniger Idiot!"
"Was ist los?", wollte Angelo wissen.
"Er ist in Hamburg..."
"Na dann ist ja alles paletti!", Lino stand auf und ging davon. Das Paddy wortlos den Kopf schüttelte, bekam er nicht mit. 
Joey dagegen schon: "Lass mich raten... er will den Hubschrauber nicht und kommt mit `nem Mietwagen?" Er kannte seinen Lieblingsbruder schließlich besser als jeder andere... Patricia mal ausgenommen.
Paddy nickte: "So isses - und genau das schafft er nicht - da müsste er schon verdammt tief fliegen!" Zur Unterstützung seiner Aussage sah er auf die Uhr. "In einer guten Stunde müssen wir auf die Bühne..."
"Glaub mir, tief fliegen wird er! In zwei Stunden kann er es schaffen, wenn er Gas gibt. Dann fangen wir halt ´ne Stunde später an. Kann man doch mit Druckfehler auf den Tickets begründen.", probte Joey bereits den Ernstfall...

18.00h - Hamburg 
Wie toll das Wetter in Germany war, wurde Jimmy erst bewusst, als er aus dem Flughafengebäude getreten war. Wohlige Wärme schlug ihm entgegen, die Sonne strahlte vom Himmel auf ihn und den Rest der Welt herab, als hätte sie nie etwas anders getan! Kaum zu glauben, das er noch am Morgen nasse Füße bekommen hatte! OK - das war in Dublin gewesen... Jetzt bereute er es doch, nicht das Cabrio, das ihm angeboten worden war, gemietet zu haben
Schwungvoll warf er sich auf den Ledersitz des dicken BMWs, nachdem er seine Tasche in den Kofferraum gepackt hatte und startete den Luxusschlitten. Der Motor schnurrte wie eine junge Katze. Pünktlich würde er nicht ankommen - in einer Stunde war die Strecke Hamburg - Rostock nicht zu schaffen. Aber er vertraute auf das Improvisationstalent seiner Geschwister... denen würde schon was einfallen - da hatten sie schon schlimmeres hinter sich gebracht! Voller Optimismus fuhr Jimmy los... wenn er jetzt erst mal Hamburg hinter sich gelassen hatte, sah die Welt schon ganz anders aus...

Rostock 18.25h
"Um eine ganze Stunde verschieben?"
Joey nickte gelassen - der Typ, der ihm gegenüberstand, sah ihn an, als hätte er ihm etwas von der Landung einer Horde Aliens im Stadthafen erzählt! Klar war es alles andere als toll, dem Vertreter des Veranstalters zu erklären, das die Family voraussichtlich nicht pünktlich auftreten könnte, aber es war nun mal sein Job. Im Gegenzug war Paddy dabei das Programm umzustellen, für den Fall das Jimmy es nicht schaffen würde. Dies war Paddys Job!
"Jimmys Flug von Dublin wurde wegen schlechtem Wetter gestrichen. Er ist jetzt auf dem Weg hierher - aber er wird es nicht pünktlich schaffen.", erklärte Joey ruhig. Eben diese Ruhe war es, die ihm bei seiner Aufgabe schon oft geholfen hatte. Es war nicht einfach, alle Geschwister unter einen Hut zu kriegen und dann auch noch die Wünsche der einzelnen Veranstalter zu berücksichtigen! Wenn er es dann aber geschafft hatte, dann kamen gewisse Fans und moserten ihn trotzdem immer noch an! Manchmal kotzte ihn das an, aber er brauchte diesen Stress - genau wie er den Sport brauchte - und Tanja - und demnächst auch seinen Sohn! Joeys Gedanke schweiften kurz ab - lange würde es bis zur Geburt nicht mehr dauern, auch wenn er den Fans etwas anderes erzählt hatte...
"Und was werden die Leute sagen?!", leicht angesäuert wies der "Veranstaltungsmensch" auf die bereits vor der Bühne auf dem Boden sitzenden Fans. Wieder ins Hier und Jetzt zurück geholt, lugte Joey vorsichtig um die Ecke. Die erste Absperrung war voll, hinter dem Gitter füllte es sich allmählich ebenfalls - aber ausverkauft war der riesige Platz nicht. Damit hatte aber auch keiner in der Family gerechnet... diese Zeiten waren wohl vorbei. Eigentlich war Joey versucht zu antworten: "Die kennen das schon!" Aber dann verkniff er sich das doch lieber. "Wir sagen ihnen die Wahrheit - ganz einfach.", offen sah er seinem Gegenüber in die Augen...

18.55h - hinter Lübeck 
"Moment of glory, called evolution ... lalala lalala lalala lalaaaaaaa!", knödelte Jimmy im Duett mit dem Autoradio, das er auf volle Lautstärke eingestellt hatte. Mangels Text "lalalate" er vor sich hin und genoss die Hymne der frisch eröffneten Expo. Der Song gefiel ihm... die Scorpions hatte er mal bei einer Löwenverleihung kennen gelernt - wie so viele andere richtige Stars auch. Richtige Stars??? Eigentlich war er auch einer - zumindest behandelte man ihn oft so. Er mochte das aber nicht. Lieber wäre er ein ganz normaler Mann, den kein Schwein kannte!
Das Lied war zuende - Jimmy sah auf die Uhr im Armaturenbrett - in einer Viertelstunde sollte er auf die Bühne springen... ob die anderen ohne ihn klar kämen? Blöde Frage - sie hatten es zwei Jahre tun müssen! Niemand war unersetzbar - weder er, noch Kathy, Barby oder John... nur alle auf einmal, das war verdammt hart! Jimmy gab kräftig Gas - bis jetzt war alles gut gegangen. Zum Glück war um diese Zeit am Samstagabend nicht mehr so viel Betrieb auf der Autobahn und laut den Verkehrsnachrichten war auch nicht mit Stau zu rechen! Najaaa - es konnte sich heute ja nicht wirklich alles gegen ihn verschworen haben!, überlegte Jimmy noch, als sein Handy mal wieder klingelte. 
Argwöhnisch warf er während der Fahrt einen kurzen Blick auf das Display und stutzte. Diese Nummer kannte er gut - verdammt gut, nur gab es eigentlich keinen besonderen Grund, warum er nun gerade jetzt einen Anruf von diesem Anschluss bekam. Es sei denn...
"Ist was passiert?", meldete er sich auch prompt besorgt.
"Nein - das ich das noch erleben darf! Ich versuch dich schon seit Stunden zu erreichen! Ob was passiert ist? ... Das kommt darauf an, wie sehr du an deiner Ledercouch hängst!", entgegnete die Frauenstimme am anderen Ende. Es war Melanie, seine Ex Freundin.
Jimmy verzog gequält das Gesicht. Was meinte sie damit nur? "Kannste das mal konkretisieren, Honey?"
"Kann ich: Dein Hund hat genauso schlechte Manieren wie du!"
"Ey - das is´ `ne Beleidigung!", Jimmy grinste in sich hinein. Mel hatte schon immer eine Art an sich gehabt, die ihn sehr schnell wieder auf den Boden zurück geholt hatte, wenn er mal abgehoben war, "Beleidige Cuba nicht! Was hat sie angestellt?"
"Sie hatte wohl Langeweile...", ein unterdrücktes Glucksen im fernen Dublin war zu hören. 
Jimmy ahnte grausames: "Nein!!!!!!!"
"Doch... ich weiß jetzt jedenfalls wie ein sündhaft teures Ledersofa von innen aussieht. Dein Hundchen hat ganze Arbeit geleistet!" Melanies helles Lachen - das Lachen, das er immer noch ein ganz kleines Bischen liebte - kam aus Jimmys Handy. Er fand es im Augenblick aber gar nicht so witzig... Warum hatte er Cuba auch für einige Stunden unbeaufsichtigt gelassen? Zwischen dem Zeitpunkt, an dem er morgens die Wohnung verlassen hatte und dem Mittag, als Mel die Hündin abholen sollte, hatte Cuba alle Zeit der Welt gehabt, ihr Gebiss zu nutzen. Ziemlich realistisch sah er die Bescherung vor sich. "Bullshit!!! Ist noch was zu retten?"
Bedauernd gab Melanie zu: "Ich fürchte, nicht."
Jimmy seufzte abgrundtief - was hatte er nur so Böses getan? Alles war gegen ihn... "Oh Scheiße! Was ist das heute für ein Tag? Du ahnst nicht was mir schon alles passiert ist... keiner hat mich richtig lieb...!", jammerte er.
"Doch ganz sicher!"
Er horchte auf: "Wirklich?"
"Klar gibt ´s viele Leute die dich gern haben!"
"Du auch?"
"James - du kommst vom Thema ab! Das haben wir lange genug diskutiert... Du bist ein wirklich lieber Kerl, aber...", sie setzte aus, fuhr dann aber nach einem tiefen Seufzer fort, "Mit dir zu leben war schön - aber ohne dich zu leben ist gesünder für meine Nerven!"
Diese Abfuhr saß mal wieder. Jimmy wusste eigentlich nicht, warum er sich immer wieder eine solche holte. Im Grunde war alles klar - die Trennung war schon länger vollzogen, daran gab es nichts zu rütteln, wenn er es auch noch nicht offiziell bekannt gemacht hatte. 
"Jimmy?" 
"Äh ja?"
"Geht ´s dir gut?"
"Welche Frage!!!! Blendend!!! Ich muss jetzt Schluss machen... bin echt im Stress. See you soon!" Am liebsten hätte Jimmy das Telefon aus dem Fenster geworfen. Er tat es nicht, stattdessen steuerte er den nächsten Parkplatz an, stieg aus und schlug sich in die Büsche…

19.05h - Rostock 
"Wir haben da ein kleines Problem..." 
Die Fanmassen begannen zu buhen, als statt der erwarteten Family nun plötzlich ein fremder Typ auf der Bühne erschien... Das konnte nichts gutes bedeuten!
Paddy, Patricia und Joey standen im BS Bereich und hörten aufmerksam zu, wie das Publikum die Verzögerung des Konzertbeginns aufnahm. 
"Naja... geht ja noch.", murmelte Joey. Er hatte mit schlimmerem gerechnet.
"Hört mal...", Patricia lächelte kopfschüttelnd. Gerade hatte der Ansager auf der Bühne erklärt, das ein Familienmitglied noch unterwegs sei und prompt brüllten eine Menge Fans laut und vernehmlich Jimmys Namen.
Auch Paddy schüttelte den Kopf: "Woher wissen die das?"
"Die kennen Jimmy! Er ist und bleibt ein Chaot!", entgegnete Patricia, "Ich bin schon sehr gespannt, was er uns zu erzählen hat, wenn er dann endlich da ist!"

19.06h - irgendwo zwischen HH und HRO 
Jimmy trat aus dem Gebüsch. Gerade war er für sich selber zu dem Entschluss gekommen, das er Mel nicht mehr wirklich liebte... sie war nur noch ein Kumpel für ihn. Jawohl!!!
"Doch - das isser!", hörte er jemanden in seiner Nähe wispern. Ganz automatisch sah er sich nach der Stimme um - keine 5m von ihm entfernt standen zwei Teenies und starrten ihn an. Sie gehörten wohl zu einer Familie, die auf diesem Parkplatz eine Pause eingelegt hatten. Jimmy schloss die Augen und beschleunigte seine Schritte. Fans hatten ihm jetzt noch gefehlt! 
"Quatsch - der müsste doch jetzt in Rostock auf der Bühne steh´n!"
"Bei Jimmy weiß man nie!"
Noch drei Meter und er würde wieder im rettenden Auto sitzen! Jimmy bemühte sich, nicht mehr zu den Mädchen rüber zu sehen und suchte in seiner Hosentasche nach dem Wagenschlüssel - endlich! Aufschließen, einsteigen und Gas geben. Im Rückspiegel sah er, wie die Mädchen ihm hinterher schauten...

19.45h - Rostock
"Wir müssen was unternehmen.", stellte Paddy fest. Weit und breit war noch nichts vom verschollenen Bruder zu sehen, aber sehr viel länger war das Publikum nicht mehr bereit, sich vertrösten zu lassen. Schließlich zuckte Joey mit den Schultern: "Wird sicher `ne tolle Show..." Es war ganz und gar nicht in seinem Sinne, ohne Jimmy anzufangen. Er blickte verstohlen zu Patricia rüber, doch die sah niemanden direkt an. Ihr Blick ging auf das Wasser der Warnow - ein Segelboot zog vorüber.
"OK... wenn er bis acht nicht da ist, dann..." 

20.01h - kurz vor Bad Doberan
Bald würde seine Odyssee ein Ende haben! Wenn er dieses elendig lange Kaff erst mal hinter sich hatte, dann war es nicht mehr weit bis Rostock. Hier oben an der Küste kannte er sich aus - zu Straßenzeiten waren sie oft hier gewesen. Die ersten Häuser der Kleinstadt rollten an Jimmy vorbei - oder besser er rollte an ihnen vorbei. Sicherheitshalber reduzierte er die Geschwindigkeit - 50 war angesagt! 
Schon wieder klingelte dieses blöde Telefon... Paddys Nummer blinkte auf dem Display!
"Dreiteilen kann ich mich nicht!!!", Jimmys Stimme überschlug sich beinahe. Hatten die denn kein Vertrauen zu ihm? Er hatte doch wirklich alles menschenmögliche getan...
"Verlangt keiner von dir, aber wir müssen anfangen, die Leute werden unruhig. Tust du uns `nen Gefallen?", kam Paddys Stimme aus dem Handy.



20.05h - Rostock
Der Ansager hatte Paddys Handy am Ohr - gleich würde der verschollenen Musiker sich melden und einen kurzen Gruß an die Fans vor der Bühne abgeben. So hatte Paddy es jedenfalls gesagt, nachdem er selber kurz mit seinem Bruder gesprochen hatte. Tatsächlich meldete sich ein paar Sekunden später - trotz beträchtlichem Rauschen - ein gutgelaunt klingender Jimmy! Das Publikum jubelte, als es seine Stimme, durch das dicht vor dem Mikro gehaltene Telefon, hörte: "Hallo Leute! Ich bin bald bei euch..." alles weitere ging im Rauschen unter.
"Dein Wort in Gottes Gehörgang!", murmelte Joey, der am Bühnenrand stand. Er schnallte sich die E-Gitarre um...

20.06h Bad Doberan
Jimmy warf das Handy auf den Beifahrersitz. Nun gut, dann würden sie eben schon mal ohne ihn anfangen... er würde seine Songs dann halt später bringen. Seine Fans würden sich freuen! Leicht grinste er in sich hinein... Seine Fans waren sowieso die treuesten. Zwei Jahre hatten sie es ohne ihn ausgehalten - und sie liebten ihn immer noch! Manche nur leider etwas zu sehr...
Noch eine Kurve und dann hatte er das nervtötend lange Kaff hinter sich. Er lenkte den BMW aus der Kurve und drückte den Gasfuß durch... dann sah er die Kelle.
"Scheiße!!!", fluchte er herzhaft. Sein nächster Gedanke war: Hab ich was getrunken? Zum Glück hatte er den obligatorischen Sekt im Flugzeug einfach verschlafen! Aber wahrscheinlich hatten sie ihn geblitzt - bei dem Tempo, das er drauf gehabt hatte!!! Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn diese Fahrt ohne Probleme verlaufen wäre... 
Langsam ließ er den BMW ausrollen. In einer Busbucht kam er zum stehen. Ein Polizeibeamter trat an den Wagen heran: "Schönen guten Abend!" Er tippte gegen seine Mütze. Jimmy - mit den Nerven fast am Ende - brummelte nur noch leise: "`n Abend. Wird `s sehr teuer?"
Der Polizeibeamte grinste - wieder einer mit schlechten Gewissen! "Das wird sich zeigen. Allgemeine Verkehrskontrolle, ihren Ausweis und die Fahrzeugpapiere bitte!"
Ungläubig sah Jimmy ihn an, ohne zu reagieren.
"Ihre Papiere bitte! Haben sie Alkohol getrunken?"
Augenblicklich war Jimmy wieder gegenwärtig und beteuerte großherzig: "Nein - wenn ich fahre, trinke ich nie!" Das dies eine faustdicke Lüge war, wusste Jimmy sehr genau - aber heute hatte er ein blütenreines Gewissen! Er öffnete das Handschuhfach um die Fahrzeugpapiere heraus zu holen...

20.15h - Rostock
Immer wieder ging Patricias Blick zum Bühnenrand, aber immer noch war nichts von Jimmy zu sehen. Es lief ganz gut, aber es hätte besser laufen können. Maite brachte grade ihren neuen Song über Freundschaft... er kam gut an, aber es war einfach nicht zu überhören, das etwas fehlte. Der Chor war dünn und die Stimmung auf der Bühne nicht echt. Patricia sah zu Joey hinüber - auch er schaute öfter als normalerweise zum BS Bereich hin... was in Paddy, Angelo und Maite vorging, konnte Patricia nicht deuten.


20.19h - Bad Doberan
"Dann wünsche ich ihnen noch eine gute Weiterfahrt, Herr Kelly!", der Polizist gab die Papiere zurück. Jimmy schickte ein Stoßgebet zum Himmel - welch ein Glück, das dies ein Mietwagen war. Wäre er mit einem Family - Auto in die Kontrolle geraten, dann wäre er sicher nicht ohne Verwarnung davon gekommen. Seit Joey sich um die Termine und nicht mehr um den Fuhrpark kümmerte, lag da so einiges im Argen. 
"Wünsche ich ihnen auch. Tschüss!" Ganz brav rollte Jimmy davon, erst außerhalb der Sichtweite der Beamten gab er wieder richtig Gas!
Jetzt war es nicht mehr weit - aber Jimmy wagte nicht mehr daran zu glauben, das er in wenigen Minuten bei seinen Geschwistern auf der Bühne stehen würde. Es war einfach ein Scheißtag - und er war auch noch nicht zuende... 
Tief seufzte er auf, wenigstens das Wetter war erträglich! Was hieß erträglich - es war traumhaft - wenn er daran dachte, bei welchen Mistwetter er losgefahren war! Sicher würde die Stimmung im Rostocker Stadthafen irre sein ... oder auch nicht! Jimmy schluckte - was, wenn die Fans ihm die Verspätung übel nahmen? Wenn sie ihn ausbuhen würden? OK - so was hatte er schon öfter überstanden, aber bei seinem heutigen Glück war es doch nur zu wahrscheinlich, das ihn ein Pfeifkonzert erwartete... Dabei hatte er sich doch wirklich alle erdenkliche Mühe gegeben... nur würde das nie jemand von denen erfahren! Die aufkeimende Angst ließ Jimmy unsicher werden - Fans konnten nett sein, oft waren sie aber wie Hyänen...
"Blödsinn!", rief er sich selber zur Ordnung. Letztlich hatte er es noch immer geschafft, die Leute auf seine Seite zu ziehen - er würde sich einfach ganz ehrlich entschuldigen.
Das Ortsschild von Rostock kam in Sicht und war auch schon wieder vorüber. Ein Kribbeln machte sich in Jimmys Körper breit, er sah auf die Uhr im Armaturenbrett...


20.23h - Stadthafen
"Wo bleibt der bloß?", raunte Paddy in einer Pause zwischen zwei Songs Joey zu. Sein aufgesetztes Grinsen konnte aber nur die Zuschauer täuschen. Innerlich war Paddy ärgerlich und auch ein wenig in Sorge - wenn Jimmy nun was passiert war? Joey zuckte nur kurz mit den Schultern - auf die Frage seines kleinen Bruders hatte er leider auch keine passende Antwort parat...

20.30 - Irgendwo in Rostock
Jimmy war dem Wahnsinn so grade noch mal entkommen! Dieses gelbe Schild mit den schwarzen Buchstaben drauf, hatte ihm kurzzeitig den Rest gegeben ... 
UMLEITUNG
Die hatten ihm doch tatsächlich die Straße geklaut!!!! Nix war mehr so, wie bei seinem letzten Besuch in dieser Stadt! Baustellen über Baustellen und er hatte keinen Durchblick mehr! Und nu´ ??? 
Verwirrt fuhr er sich mit der Hand durch die kurzen Haare - es nützte alles nichts. Etwas unkonventionell fuhr er - wenig reifenschonend - auf den Gehweg. So hielt er wenigstens nicht den nachfolgenden Verkehr auf. Wenige Meter von ihm entfernt stand eine Gruppe junger Leute - genauer gesagt Punker. Zielstrebig stieg Jimmy aus und steuerte auf sie zu: "Hi - sorry - könnt ihr mir sagen wie ich zum Stadthafen komme?"
Die exotisch wirkenden Typen musterten ihn von Kopf bis Fuß. Damit hatte dieser aber gerechnet - oft genug hatte er früher mit solchen Leuten Kontakt gehabt. Die Straße war eine harte Schule gewesen und im Grunde waren die meisten Punker ganz umgänglich - zumindest wenn man sie wie Menschen behandelte! Angst verspürte er keineswegs.
"Was willste denn da, Alter?", wollte ein grünhaariger mit Irokesenschnitt wissen.
Jimmy grinste: "Hab da was zu erledigen."
"Vergiss es Alter - da hausen seit vorgestern schon die Kelly Fans - nicht zum aushalten das Volk!", erklärte eine mit Sicherheitsnadeln bespickte, anscheinend weibliche Person. So ganz sicher war Jimmy sich da aber nicht, denn die Glatze, die sie (oder er?) trug, wirkte echt identitätsverschleiernd! Für einen Moment schweiften Jimmys Gedanken ab - ob die wohl das ganze Metall ablegte, wenn sie Sex hatte? Wenn sie schon an sichtbaren Stellen so geschmückt war, wie sah das wohl an den nicht sichtbaren Körperteilen aus? Innerlich schüttelte er sich... 
"Kelly Fans???? Grässliches Volk! Mir bleibt heut aber auch nix erspart! Hin muss ich trotzdem - erklärt ihr mir den Weg?", versuchte er einen neuen Vorstoß...

20.42h Stadthafen
Die Punker hatten sich als durchaus kooperativ erwiesen, besonders, nachdem Jimmy seine letzten Zigaretten gesponsert hatte! So kam es, das er doch noch in diesem Leben dort ankam, wo er eigentlich schon seit diversen Stunden hätte sein sollen! Mit ziemlich überhöhtem Tempo sauste er an den Fanmassen vorbei, die vor der Bühne standen. Keiner merkte sein Eintreffen, weil halt auch keiner mehr so richtig mit ihm rechnete. Der SEC, der den BS Bereich bewachte guckte mehr als ungläubig, als Jimmy ihn passierte und mit seinem BS-Pass winkte. 
Den Wagen irgendwo abstellen, raus springen und auf die Bühne jumpen war fast schon eine Bewegung. Verdeckt durch Lautsprecherboxen blieb Jimmy jedoch dann stehen - er konnte ja nun schlecht seinen Geschwistern die Show stehlen und mitten während einem Song onstage gehen. 


20.43h - Auf der Bühne
Wieder einmal ging Patricias Blick zum Bühnenrand hinüber - und dieses Mal hellte sich ihr Gesicht auf. Jimmy war da!!! Endlich!!! Sie liebte diesen Kerl - nicht so wie sie Dennis liebte - aber auch nicht so, wie man einen Bruder normalerweise liebte... es war schwer zu definieren!
Er grinste wie ein kleiner Junge, als sich sein Blick mit dem seiner Lieblingsschwester kreuzte und ließ dann hechelnd die Zunge raushängen. Patricia lachte... Jimmys Blick wanderte zu Joey rüber, grüßend hob er die Hand - antworten konnte sein Bruder nicht, aber seine Augen sagten Jimmy eine ganze Menge.
Längst hatte auch Paddy mitbekommen das sie nun endlich komplett waren und gab Jimmy ein kurzes, aber eindeutiges, Zeichen. Noch einmal atmete der "wiedergefundene" Bruder durch, würden die da unten jetzt jubeln oder pfeifen? Sicherheitshalber zog er sich die Sonnenbrille auf - nicht jeder in der ersten Reihe musste sehen, wie nah ihm das jetzt ging - und sprang dann auf die Bühne...
Tosender Jubel umspülte Jimmy... seine Geschwister ließen ihm allerdings keine Zeit, sich zu entschuldigen, die ersten Töne von "Thunder" erklangen bereits. Schnell schnallte Jimmy sich seine weiße Gitarre um und legte los. War sicher besser so - das was er zu sagen hatte, würde er schon noch anbringen. Während er sang schweiften seine Blicke über die Menge... im Hintergrund war ein Rummelplatz aufgebaut... Jetzt kam die Stelle, an der er sich immer "verschluckte" um ein paar Jokes anzubringen... Gespielt ließ er seine Stimme kippen und grinste dann in die Runde - die Leute warteten förmlich darauf! Es war DOCH schön, wieder auf der Bühne zu sein!!! Selten hatte Jimmy dies intensiver gefühlt.
"EY Leute - ich bin spät...", begann er, eine Gänsehaut überlief seinen Rücken - die freuten sich ja wirklich, das er da war!!! "Kriege ich eure Verzeihung?", irgendetwas in ihm machte `Klick´ und er fiel vor den Fans auf die Knie. Die da unten dachten sicher das wäre nur Show, überlegte er, aber ihm war es verdammt ernst damit! "Es war so ein scheiß Tag heute... ich bin von Dublin gekommen und da war Nebel und Regen und kein Flugzeug ging... ich könnte euch jetzt eine Geschichte erzählen, aber die würdet ihr mir nicht glauben..." Er musste lachen, als er an Charlotte dachte - nee, das würde ihm echt keiner glauben! "Ich dachte ich wäre in der "Versteckten Kamera" !", plapperte Jimmy weiter...
Im Hintergrund der Bühne standen die restlichen Geschwister und lachten - und dieses Lachen war jetzt endlich eins, das von innen kam!!!


-THE END -

 
Danke Jimmy, für dieses genial, chaotische Konzert!!!!!


© 09. - 10.2000 by honeygirl@kellys.com


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