"Ich halt das einfach nicht mehr aus, Patrick!"
Anna stand vor ihm und sah ihn mit Tränen in den Augen an. Warum nur? Dachte sich Patrick. Warum immer ich? Warum konnten sie meine Freundin nicht akzeptieren.
Er sah noch einmal auf den Brief in seinen Händen. Umbringen wollten sie seine Freundin. Den Menschen, den er liebte. Wie konnten sie so was seiner Freundin antun? Anna war die einzige gewesen, der er je vertraut hatte. Und die erste, wo er sich so sicher war. Und diesmal war es wirklich nicht ihre Schuld. Wie sollte er ihr Mut machen und zu ihr halten, wenn sie es nicht mehr wollte. Sie hatte es einfach satt, diesem Psychoterror ausgesetzt zu sein.
"Es tut mir so leid, aber ich kann damit einfach nicht mehr umgehen."
Patrick weinte, und verließ das Zimmer. Er wollte jetzt niemanden sehen. Anna würde ihn verlassen, wegen den Menschen, die er so sehr zu hassen begann. Er konnte doch nichts dafür. Er hatte niemals jemandem gesagt, sie sollten seiner Freundin Drohbriefe schreiben. Und dennoch musste er bezahlen. Nie zuvor hatte einen solchen Schmerz verspürt. Hundert, nein tausend, kleine Stiche, die sein Herz zerstachen. Und mit jedem Stich sah er neue erschreckende Bilder vor sich.
Er lag auf seinem Bett, vergrub sein Gesicht im Kissen und hielt sich die Ohren zu. Er würde es nicht mehr ertragen, die Tür knallen zu hören, wenn Anna für immer dieses Haus verlassen würde.
Gott weiß, wie lange er dort lag und wie viele Tränen er vergossen hatte, als er plötzlich sah, das er nicht alleine war.
Eine Katze saß auf seiner Fensterbank und starrte ihn mit den großen runden Katzenaugen durch die Dunkelheit an. Und es waren nicht irgendwelche Augen. Sie schienen aus einer anderen Welt, nicht von hier.
Das linke Auge war grün wie die weiten Hügel Irlands, die Patrick so sehr vermisste. Und er sah den Wind.
Das rechte Auge hingegen war so tiefblau, dass man fast in einem weiten, klaren Ozean ertrinken könnte, wenn man zulange hinsah.
Patrick hatte dieses Tier noch nie zuvor gesehen. Zuerst sah er erschrocken in die blinkenden Augen, die wie zwei Sterne aufblitzten, erst nach genauerem hinsehen, konnte er schwach die Umrisse eines schlanken, graziösen Katzenkörpers erkennen.
Er wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und streckte die hand nach dem Tier aus. Er hatte keinerlei Angst, er fragte sich auch nicht, wo diese Katze herkam, wem sie wohl gehörte. Eine unbeschreibliche Verbindung stand, und er spürte die tröstende Magie, die das Tier ausstrahlte.
Langsam aber sicher stand die Katze auf und kam Patrick entgegen. Vorsichtig berührte er ihr schwarzes Fell und sofort spürte er, wie eine merkwürdige, aber keinesfalls unheimliche Kraft seinen Körper durchströmte. Er erschauerte, schüttelte die Gänsehaut ab und konnte nicht mehr von diesem seidigen Fell lassen. Vertraulich strich sie um ihn, legte sich auf seinen Schoß und lies sich den Bauch kraulen.
Jetzt erst sah er dieses Zeichen auf der Stirn der Katze. Es sah aus wie ein Brandzeichen, aber dennoch nicht, wie ein durch Menschenhand zugefügtes Schicksal. Vorsichtig, um der Katze nicht wehzutun, strich er mit dem Zeigefinger über das Merkmal und fuhr die Konturen nach. Es sah aus, wie ein Blütenblatt. Ja, ein einfaches Blütenblatt. Er sah, wie die Adern das Blatt versorgten und das es weiß Gott mehr als nur eine Narbe war.
"Wer bist du? Mhm?" fragte er die Katze in einem vertrauten Ton, und ließ sie an seiner hand schnuppern.
"Wo kommst du her? Weißt du, das es mir schlecht geht, und wolltest mich trösten kommen?"
Als würde die Katze antworten wollen, sah sie ihn durchdringend mit den beiden verschiedenen Augen an und schnurrte. Sie drückte seinen Kopf an Patricks Brust und rekelte sich seiner schützenden großen Hand entgegen.
Patrick sah auf die Krallen. Er hatte noch nie zuvor solche spitzen Krallen eines Tieres gesehen, und kurze zeit zweifelte er, ob es wirklich eine gewöhnliche Hauskatze war. Nein, gewöhnlich war sie sicher weiß Gott nicht, aber es war bestimmt keine Raubkatze. Er wusste, das diese Katze ihm ohne weiteres sehr stark verletzen konnte, und dennoch blieb er seelenruhig in seinem Bett liegen und lies die Katze sanft über seinen Körper wandern.
Plötzlich klopfte es an der Tür und im nu verschwand die Katze unter seiner decke, schmiegte sich ganz dich an seinen Bauch und blieb unbeweglich dort liegen.
Seine Schwester Patricia betrat den Raum. Liebend gerne hätte Patrick ihr das schöne Tier gezeigt und gesagt, das er sie unbedingt behalten wolle, aber wenn die Katze sich schon versteckt hatte, dann wird es wohl einen Grund haben. Also sprach er nicht darüber, nahm nur den Brief entgegen, den seine Schwester ihm entgegen streckte und meinte, er sei zu müde, um noch hinunter zu kommen und den anderen Gesellschaft zu leisten. Den Brief sollte jemand für ihn abgegeben haben. Patricia hatte nicht gesagt wann, und wer... und Patrick nahm an, das es mal wieder einer der netten Briefe war, die sie seiner Freundin gegönnt hatten.
Erneut stiegen tränen in ihm hoch und er wollte gerade den Brief zerknüllen, als das Kätzchen unter seiner Decke hervor kroch und ihm sanft die Tränen aus dem Gesicht leckte. Patrick musste Grinsen, es kitzelte und behutsam setzte er die Katze zurück auf seinen Schoß.
Er folgte ihrem Blick. Und dieser lag ohne auch nur für einen Moment auszuweichen auf dem Brief in seiner Hand. Also gut, dachte er, und beschloss ihn doch schnell zu lesen und dann zu vernichten.
Siehst du die Krallen
Sie können dich töten
Siehst du die Wangen
Die im Licht erröten
Sie ist wie ein weites Feld
Dessen grün vom Sonnenlicht umringt
Und wie ein tiefes Meer
In dessen Flut man ertrinkt
Behalte die Magie im Auge
Sie wird dich leiten
Und dich, wann immer du willst
Tröstend begleiten
Doch beachte, sie wird dich töten
Wenn du sie erröten lässt
Dem Licht aussetzt
Und ihre Augen verletzt
Patrick las es noch einmal, und am Ende auch noch ein drittes mal.
Von wem war dieser Brief? Wer hatte die Katze zu ihm gebracht.
Aber er spürte, dass es keine Rolle spielte, wer den Brief geschrieben hatte oder warum gerade er diese Katze bekam. Er sah die Tatsachen und er schwor sich, niemals wieder Licht in seinem Zimmer zu machen.
Und mit ihrer Hilfe würde er ganz sicher all diesen Schmerz überstehen. Dessen war er sich sicher.
Mit einem wohligen und sichereren Gefühl, schloss er das Tier in seine Arme, deckte es zu und kuschelte seine geröteten Augen in das seidige Fell und schlief ein.
© Barby K.
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