Verbotene Liebe
(Kapitel 1)

by Kathrin   Kathrin.D@t-online.de

 

Kapitel 1 - Die erste Begegnung:

Der eisige Wind fegte Sina ins Gesicht. Ihre grünen Augen zuckten zusammen. Ein Schütteln durchdrang ihren Körper. Den Boden unter den Füßen spürte sie kaum noch, dafür aber diese immer stärker werdenden Schmerzen in den Gliedern. Mit zitternder Hand strich sie ihren Ärmel der dicken, schwarzen Winterjacke zur Seite und schaute auf die Uhr. Für einen kurzen Augenblick spürte sie so etwas wie Hoffnung, aber dieses Gefühl zerplatzte wie eine Seifenblase. Noch 6 Stunden muß sie es in der Kälte aushalten. Sie fühlte sich so leer und ausgebrannt. Warum machte sie das?? Sie konnte jetzt genauso gut im Warmen sitzen und nicht schon seit 5 Stunden in dieser Kälte stehen. Jedesmal nahm sie sich vor, daß dieses Konzert das letzte im Winter ist, aber es hatte nie funktioniert. Dazu liebte sie die Musik viel zu sehr.
"Hey Pad, wach auf!". Patricia setzte sich neben Patrick und strich ihrem kleinen Bruder eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Mundwinkel zuckten ein wenig... war da etwa ein Hauch von einem Lächeln zu sehen?? Seit Tagen ging das jetzt schon so. Auf der Bühne war er immer im Vordergrund, lachte, strahlte, wirkte glücklich. Aber sobald die Lichter aus waren und die Musik verstummte, verschwand auch sein Lachen. Seine Geschwister wußten es, konnten ihm aber kaum helfen, da sie selber genug Probleme hatten. Da mußte die Tournee geplant werden, dort mußte verhandelt werden... da bleibt wenig Zeit für das Privatleben. Jahrelang hatte das immer gut geklappt. Doch jetzt bemerkte Paddy, daß sie immer mehr aneinander vorbei lebten. Keiner kann sich mehr auf den anderen verlassen. Jeder kämpft mit seinen eigenen Problemen, da kann man sich nicht auch noch um die Sorgen der anderen kümmern. Das starke Gefühl, was sie bei dem Tod ihrer geliebten Mutter zusammengeschweißt hatte, schwindet jetzt Tag für Tag. Ihnen ist klar geworden, daß sie sich in einem goldenen Käfig befinden, den sie selbst gebaut haben. Doch dieser Käfig hat keine Türen. Jedes Jahr entfernten sie sich immer mehr von der Freiheit, und keiner scheint es zu merken. Doch irgendwann werden sie aufwachen, nur dann wird es zu spät sein. Und das machte Patrick angst. Er hatte versucht seine Geschwister darauf aufmerksam zu machen, doch keinen schien es zu interessieren. Sie hatten nur noch ihre Konzerte und Auftritte im Kopf.
"Wie spät ist es?" fragte Paddy noch leicht verschlafen. "Es ist um 12 Uhr. Wir sind also gleich am Hotel", meinte Patricia leise und setzte sich neben ihn. "Oh man, heute wird es wieder stressig werden. Zuerst das Interview im Hotel, dann schnell zum Radiosender, dann der Soundcheck und nicht zu vergessen das Konzert. Meinst du, du kriegst das hin? Sehr gesund siehst du ja nicht aus." Besorgt strich sie ihm über die Wange, die ihre rosige Farbe schon lange verloren hatte. "Mir geht’s gut!" erwiderte Patrick energisch und stieß ihre Hand weg. Ruckartig drehte er seinen Kopf in Richtung Fenster, doch er war nicht schnell genug. Patricia konnte die Tränen in seinen Augen noch sehen und es zerriß ihr fast das Herz. Wie sehr hatten sie für dieses Leben gekämpft. Wie oft hatten sie damals in ihren Betten im Bus gelegen und sich ausgemalt, wie es ist berühmt zu sein. Allerdings kamen solche Szenen in ihren Träumen nie vor. Sie wollte ihm helfen, ihn trösten, aber sie wußte nicht wie. Ihr ging es doch auch nicht viel anders. Nur daß sie es besser verstecken konnte.
Sie blieb noch kurz neben ihm sitzen, in der Hoffnung er würde sich wieder umdrehen, doch Patrick schaute weiter aus dem Fenster. Krampfhaft versuchte er sich auf die vorbei rauschende Landschaft zu konzentrieren, um seinen Schmerz zu vergessen, der ihm wie ein Schatten auf der Seele lag, doch es gelang ihm kaum. Langsam stand Patricia auf und ging nach vorne, um sich eine Tasse Kaffee einzuschenken. Sofort verbreitete dieser einen wohltuenden Geruch. Paddy löste sich vom Fenster und schaute sich im Bus um. Jeder saß für sich allein in einem Eckchen. Eigentlich war der Tourbus gar nicht so groß, aber jetzt, wo fast alle alleine saßen, schien er unglaublich riesig zu sein. Barby war gerade wieder am Schreiben. Sie lag auf ihrem kleinen Bett und schrieb fleißig in ihrem Tagebuch. Paddy dachte über ihre Gedichte nach, die sie ihm ab und zu mal vorliest. Sie drückten genau das aus, was er in Moment fühlte: Einsamkeit. Adam und Maite diskutierten über ein neues Drehbuch von Jimmy, der gerade in Irland studierte. Sie hatten ihn schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Auch daran konnte man erkennen, daß der Zusammenhalt bröckelte. Aber nach Außen hin spielten sie weiter die fröhliche Familie, die sich nie trennen wird. Wie sehr hasste Paddy diese Schauspielerei. Immer mußte er lachen und freundlich zu den Fan sein, auch dann, wenn sie ihm weh taten. Er durfte seine wahren Gefühle niemals zeigen, das hatten die anderen ihm in den letzten Jahren immer wieder eingetrichtert. Er durfte nicht unfreundlich sein, und immer lachen, wenn ein Photoapparat aufblitzte. Auf der Bühne mußte er Witze machen und ausgelassen rumtoben. Das wollen die Fans sehen, und was die Fans wollen, muß gemacht werden. Patrick drehte seinen Kopf und schaute jetzt in den hinteren Teil des Busses. Dort sah er zuerst Joey, der in einer neuen Zeitung über Autos las. Patrick sah ihn besorgt an. Seit er seine Leidenschaft fürs Laufen entdeckt hat, trainierte er sehr hart. Manchmal bekam Patrick regelrecht angst, wenn Joey wieder von einem noch härteren Triathlon erzählte, bei dem er sich angemeldet hatte. Es schien, als ob ihn ein normaler Triathlon nicht mehr die Befriedigung geben würde, die er sich erhoffte. Aber sich darüber Gedanken zu machen war sinnlos. Wenn sich Joey was vorgenommen hatte, dann konnte ihn keiner mehr davon abbringen. John schrieb wieder fleißig an neuen Liedern. Er war verliebt und ihm fielen ständig neue Melodien ein. Patrick beneidete ihn. Da akzeptieren die Fans, dass er eine Freundin hat, aber bei ihm selbst? Nein, daran wollte er jetzt nicht denken. Angelo probierte seinen tollen Disc-man aus, den er sich letzte Woche in Köln gekauft hatte und Patricia schmökerte jetzt in einem ihrer vielen Psychologiebücher. Was die Fans nicht wussten, vor einem Jahr hat sie erfolgreich ein Psychologiestudium abgeschlossen. Es war ein Fernstudium, was ihr sehr viel Freude bereitete. Anders wäre es auch gar nicht gegangen, schließlich waren sie fast nur unterwegs. Dann fiel sein Blick auf Kathy, die sich im hintersten Teil die neue Verfilmung von "Romeo und Julia" auf englisch ansah. Auf ihrem Schoß schlummerte ruhig und friedlich der kleine Sean. Wieder huschte ein kleines Lächeln über seine Lippen, mehr aber auch nicht. Er beneidete Kathy um ihre kleine Familie. Sie hatte ihren Sohn, um den sie sich kümmern mußte. Sean war der Einzige, der die Geschwister noch zum Lachen bringen konnte. Mit seiner kindlichen Art zog er alle in seinen Bann. Dem kleinen Fratz konnte man einfach nicht lange böse sein, egal was er mal wieder angestellt hatte. Aber er war auch anstrengend, denn ständig quengelte er rum, aber bei so vielen Onkels und Tanten war das ganz okay.
Der Bus wurde langsamer und kam dann ganz zum Stehen. Alle stiegen sie aus, vorbei an den wartenden Fans, die sofort versuchten so viele Photos wie möglich zu machen, und verschwanden ganz schnell im Hotel. Adam und Maite kamen kurz darauf wieder raus und gingen zu den Fans, deren Anzahl sich inzwischen verdoppelt hatte. Auch Joey kam raus, und drehte wie üblich ein paar Runden auf seinem Bike, um fit zu bleiben. Für ihn war es kein Problem die Fans abzuschütteln, die den Versuch starteten, ihm zu folgen. Der Rest blieb in Hotel...
"Ist dir auch so kalt Sina?" fragte Vanessa ihre Freundin. "Blöde Frage, natürlich ist mir kalt." "Kannst du noch mal auf die Uhr schauen?? Meine ist stehen geblieben. Der war es wohl auch zu kalt. . . . Ich würde gerne wissen wie lange wir hier noch stehen müssen." "Das kann ich dir auch so sagen, aber willst du es wirklich wissen...", Vanessa nickte "Na gut, aber sag dann nicht ich hätte dich nicht gewarnt... Sechs Stunden." Die letzten zwei Worte zog Sina in die Länge und verzog dabei ihr Gesicht. Auch Vanessa sah jetzt total unglücklich aus. "Das kann doch nicht wahr sein. Geht die Zeit denn hier überhaupt nicht rum?? Ich fühle mich schon wie ’n Eskimo. Nur daß meine Jacke nicht so kuschlig warm ist. Sag mal, warum machen wir eigentlich immer wieder den gleichen Fehler. Hatten wir letztes Jahr nicht gesagt, daß ein Konzert im Winter für uns nie wieder in Frage kommt??" "Tja, das haben wir schon oft gesagt, wenn ich dich erinnern darf, aber hat es jemals funktioniert? Nein... spätestens in ein paar Stunden, wenn wir drinnen stehen sind sowie so alle Qualen vergessen." Sinas Augen fingen plötzlich an zu leuchten und sie dachte an das letzte Konzert....
Jetzt wußte sie wieder warum sie Kelly Fan geworden war. Die Musik war einfach umwerfend schön. Den ganzen Tag konnte sie nichts anderes tun als über die Kellys zu reden, sich ihre CD’s anzuhören oder einfach nur von ihnen zu träumen. Auch wenn sie liebend gern die Kellys mal treffen wollte, war es ihr doch zu blöd vor den Hotels zu warten. Sie respektierte ihr Privatleben. Deshalb gab sie sich auch mit den zwei Stunden auf den Konzerten zufrieden, denn da wußte sie, die Kelly Family sind nur für die Fans da..... "Hey Sina, hörst du mir überhaupt zu??" Vanessa riß sie aus ihren Träumen. "Was?" Sina war noch ganz benommen. "Na toll, ich rede hier die ganze Zeit und Madame träumt vor sich hin." "Entschuldige, Nessa. Was hast du denn gesagt?" "Ach das ist jetzt auch nicht mehr wichtig. Sag mal, deinem Lächeln nach zu urteilen mußt du ja von was ganz tollem geträumt haben. Verrätst du es mir????" Sina schaute in den leuchtend blauen Himmel und tat so, als ob sie scharf nachdenken würde. "Ähm...nein!" "Nagut, dann sage ich dir auch nicht, daß John gerade an dir vorbeiläuft!" "Waaaas??!" Sina schaute erschrocken zur Seite, dann stemmte sie ihre Hände an die Hüfte und schaute zu ihrer Freundin. "Bääh" Vanessa streckte ihre Zunge raus und beide fingen an zu lachen. "Oh man, ich wüßte gar nicht, was ich die ganze Zeit ohne dich machen würde", Vanessa legte den Arm um Sina. "Hey Sini, mir ist kalt. Wollen wir nicht ein bißchen in dem Park spazieren gehen??" "Na klar. Vielleicht sehen wir ja Joey und Patricia." Vanessa stieß Sina leicht in die Seite "Träum weiter mein Schatz. Eher sehen wir das 8. Weltwunder...." Und beide gingen sie fröhlich in den Park, der nicht weit von der Halle entfernt war. Sie waren nicht die einzigen, die auf diese Idee gekommen sind. Ab und zu kamen ihnen ein paar andere Fans entgegen, die versuchten mit ein paar sportlichen Übungen der Kälte zu trotzen. Sina schaute in die hohen Äste der kahlen Bäume. Sie liebte die Natur, besonders im Frühling, wenn alles langsam wieder erwacht. In der Ferne sahen sie einen kleinen See, der durch die Kälte schon zugefroren war. "Komm, laß uns auf das Eis gehen." Vanessa rannte los und zog ohne eine Antwort abzuwarten ihre Freundin hinterher. "Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist," Sina war nicht sehr begeistert davon. "Ach komm schon. Das wird bestimmt lustig." Und schon standen beide auf dem Eis. Oder besser gesagt sie versuchten es, denn der See war spiegelglatt. "Hey schau mal meine Pirouette!" Vanessa drehte sich mehrmals im Kreis und schlitterte dann zu Sina, die begeistert Beifall klatschte. Doch plötzlich verlor Vanessa das Gleichgewicht. Sie versuchte sich noch bei Sina festzuhalten, doch das half nichts. Beide fielen auf das Eis. "Autsch, das ist aber hart." Sina schaute zu ihrer Freundin, die sich mit verzerrten Gesicht die Handschuhe auszog. "Das war ne reife Leistung. Können wir das noch mal sehen?" Die beiden hatten gar nicht gemerkt, daß es doch einige Leute gab, die ihren unglücklichen Sturz beobachtet hatten und jetzt lachend am Ufer standen. Sie schauten zu den Leuten und dann sahen sie sich in die Augen und prusteten los. Beiden kamen schon die Tränen, aber sie konnten einfach nicht aufhören zu lachen. Doch dann durchdrang ein Schrei das fröhliche Lachen. Die beiden zuckten zusammen. "Pääädy" riefen jetzt mehrere und schauten über den See. Sina drehte sich langsam um und konnte nicht glauben was sie da sah. Da standen doch tatsächlich Patrick und Patricia mit einem Bodyguard auf der anderen Seite und lächelten die quer auf dem Eis liegenden Mädchen an. Sie hatten ihre Jogginganzüge an, also erübrigte sich die Frage, was sie da machten. Joey schien jetzt sogar Patrick mit dem Laufen angesteckt zu haben. "Oh nein, ich glaub das einfach nicht." Vanessa kniff sich in den Arm. "Oh Gott ist das peinlich", meinte Sina, die jetzt knallrot wurde. Beide rappelten sich wieder auf, doch als sie wieder auf die andere Seite sahen, konnten sie Paddy und Patricia kaum noch sehen. Von überall kamen jetzt Fans angelaufen und umzingelten sie. Der Bodyguard hatte alle Hände voll zu tun den Weg für seine Schützlinge freizumachen. Mit hochrotem Kopf verschwanden die Mädchen klammheimlich wieder in Richtung Halle.
"Wir hätten uns ein Autogramm holen sollen." "Bist du verrückt. Ich hätte kein Wort rausgebracht. Gott, das war so peinlich. Hast du gesehen wie sie gelacht haben? Ich möchte nicht wissen, was die jetzt von uns denken." "Ach jetzt mach dir mal keinen Kopf. Das haben die doch bestimmt bald wieder vergessen." Vanessa holte eine Tüte mit Keksen aus ihrem Rucksack und hielt sie Sina vor’s Gesicht.


©by Kathrin


Teil 2


zurück