Visionen
"Foul! Foul!
Ach Scheiße!" Paddy ließ die Hände sinken, die er eben
noch so heftig in die Höhe geworfen hatte. Doch schon war der
Ball wieder im Rennen, und Paddy sprang in die Luft. "Ja!
Jetzt! Du hast den Ball, mach' was draus! Na hopp! Ja! Los! Und
jetzt...... ja, ja! TOOOOOOOOOOOR!"
"Mann, du Arsch, brüll' doch net so!" giftete Joey ihn
an und trank einen großen Schluck von seiner Cola. "Wie
soll man denn da pennen?"
Paddy klappte den Mund wieder zu und wurde rot. Seine Aufregung
war ihm leicht peinlich. Schließlich saß er nicht in der ersten
Reihe eines großen Fußballspiels, sondern nur zuhause vor der
Glotze. Und John und Joey waren längst nicht so aufgeregt wie
er. John war sogar eingeschlafen. Mit offenem Mund schnarchte er
vor sich hin und hatte seine Füße in Joeys Schoß ausgestreckt.
Joey schnüffelte an seinen Socken und verzog das Gesicht.
Patricia kam mit Luke auf dem Arm ins Wohnzimmer. "Joey,
dein Sohn schläft schon den ganzen Tag. Er scheint zu spüren,
dass seine Eltern heute keine Zeit für ihn haben!" Joey
bewies Patricias These, indem er weiter auf den Bildschirm
starrte. Dafür begann Luke plötzlich zu brüllen, und zwar so
laut, dass John erschrocken vom Sofa sprang, Joey ärgerlich
knurrte, Patricia das Kind fast hätte fallen lassen und Paddy
genervt die Augen verdrehte.
"Sagt mal, könnt ihr das Kind mal abstellen?" tönte
Angelos Stimme aus dem Garten. "Ich schreibe gerade einen
Song und will nicht gestört werden!"
"Ein Kind kann man nicht abstellen, wie willst du das denn
machen?" giftete Maite, die auch im Garten war, zurück.
Angelo entgegnete etwas Wütendes, Maite schrie zurück und
innerhalb von Sekunden waren die beiden draußen viel lauter als
Luke. Darüber war auch der kleine Luke so überrascht, dass er
aufhörte zu brüllen. Doch dann erschien ein Spieler in
Großaufnahme auf dem Bildschirm, und er begann wieder grell zu
weinen.
"Er steht auf meine Mannschaft!" stellte Paddy
befriedigt fest.
"Könnt ihr jetzt bitte mal wirklich aufhören mit dem
Lärm?" bat John. "Ich bin müde und möchte
schlafen." "Wenn du schlafen willst, warum legst du
dich denn dann nicht ins Bett?" fragte Patty angesäuert.
"Aber du hast Recht, hier sollte Luke nicht bleiben. Bringst
du ihn nach oben, Joey?" Joey winkte ab. "Mich stört
es nicht, wenn er hier ist, er soll machen was er will!" Da
wurde Tricia aber sauer und schrie: "Du bist ein
verantwortungsloser Vater - ganz frech bist du!" "Seid
doch mal leise!" brüllte Paddy.
John sprang mit schuldbewusstem Gesicht auf, obwohl er mit dem
ganzen Streit doch eigentlich nichts zu tun hatte. "Ist
schon okay, Joey, Patricia. Ich bringe Luke nach oben und lege
ihn wieder hin - und mich auch." "Dabei kannst du auch
gleich die Socken wechseln!" sagte Joey böse. Johnny drehte
sich mit Luke auf dem Arm um und giftete Joey an, Luke fing
wieder an zu brüllen und Tricia flüchtete in den Garten zu
Maite und Angelo, die sich immer noch ankreischten. Im Haus und
im Garten schrien alle durcheinander, und auf dem Bildschirm
wurde ein Tor geschossen. "Toor!" jubelte Paddy.
Paddys Mannschaft
gewann 5: 2, und Paddy war hochzufrieden. Nach dem Spiel
schaltete er den Fernseher aus und war in einer guten Stimmung.
Jetzt hatte er so richtig Lust auf spazierengehen in frischer
Luft. Vielleicht würde ja Barby mitgehen? Doch Barby lag mit
ihrem Discman in der Badewanne und hörte HISTORY von Michael
Jackson. Da das ja eine Doppel-CD war, verwarf Paddy den
Gedanken, auf sie zu warten. Ob Johnny vielleicht Lust hatte?
Doch der lag auf seinem Bett und pennte immer noch. Er wachte
nicht einmal auf, als Paddy ihm die Socken auszog und auf seine
Nase legte.
Gut, dann musste er jemand anderen finden. Er fragte alle, die
ihm über den Weg liefen, aber Trish war in die Stadt gegangen,
Jimmy hing am Telefon, Kathy schnitt gerade Sean die Haare (was
der aber mit lautem Gebrüll quittierte), Joey saß in der Küche
und machte sich was in der Mikrowelle warm, Angelo arbeitete
immer noch mit höchst verbissenem Gesicht an seinem Song und
Tanja war auch nicht da. Vater brauchte er gar nicht erst zu
fragen. Paddy war ratlos. Schließlich fragte er sogar Maite, ob
sie mit ihm spazierengehen wollte, obwohl er eigentlich Streit
mit ihr hatte. Wie er es erwartet hatte, fing Maite auch sofort
an zu lachen und zeigte ihm einen Vogel. "Spazieren? Das ist
doch nur was für Opas!"
"Wir können ja auch das Rad nehmen?"
"Och nee, du, ich helfe lieber Angelo bei seiner
Schnulze."
Nun gut, beschloss Paddy, gehe ich halt allein. Aber eine Radtour
erschien ihm jetzt doch entspannender als ein Spaziergang. Also
nervte er Joey, er solle ihm helfen, sein Rad aus dem Keller zu
holen. Joey stöhnte. "Du bist ein elender Sargnagel, weißt
du das?" "Biiiitteeeee, Joey!" Schließlich half
Joey ihm, das gelbe Rad aus dem Keller zu schleppen. Paddy sprang
drauf und raste durchs Tor. "Pääääddiiiieeeeyyyy!"
kreischten die Fans aufgeregt. Paddy grinste und legte noch einen
Gang zu.
Bald war er weit weg vom Schloss. Die Sonne schien, kaum eine
Wolke war am blauen Himmel zu sehen. Ohne ein festes Ziel
strampelte Paddy einfach weiter. An der Häuserblocks vorbei,
durch eine Siedlung, an Schrebergärten vorbei, unter einer
Eisenbahnbrücke durch. Die Sonne lachte noch immer vom Himmel,
wie früher in Spanien. Es war Sommer. Jetzt wäre doch die beste
Zeit, um sich zu verlieben.
Paddy bremste
haarscharf. Fast wäre sein Fahrrad gekippt. Nein, das konnte
doch nicht sein. Das war doch irgendwie nicht so recht möglich.
Aber doch. Da vorne im Gras saß Tanja.
Aber sie war doch in die Stadt gegangen, hatte sie heute Morgen
gesagt! Paddy runzelte die Stirn. Was machte Tanja hier ganz
allein auf dieser einsamen Wiese, so weit weg von der Stadt?
Warum war sie nicht bei Luke und Joey? Was sollte das Ganze?
Aber na ja, vielleicht rege ich mich ja unnötig auf, dachte
Paddy im Näherkommen. Tanja hat ja wohl das Recht dazu, auf 'ner
Wiese zu sitzen, ohne dass ich mir Gedanken machen muss. Und
immerhin ist ja kein anderer Mann dabei oder so. Und eigentlich
geht mich das ja gar nichts an.
Tanja bemerkte ihn erst, als er direkt vor ihr stand.
"Paddy, was machst du denn hier?" Verwirrt sah sie auf.
Paddy bemerkte, dass ihre Augen leicht gerötet waren. Hatte sie
geweint? Aber das muss nicht sein, dachte Paddy, das muss nicht
der Grund sein, sie hat ja auch immer Probleme mit ihren
Kontaktlinsen.
"Tanja, was machst du denn so allein hier?" fragte
Paddy und ließ sich neben ihr ins Gras fallen. "Warum bist
du nicht in der Stadt oder bei Joey und Luke?"
"Ach..." Tanjas Gesicht verdunkelte sich. Sie sah Paddy
nicht an. "Manchmal brauche ich eben meine Ruhe. Du glaubst
gar nicht, wie anstrengend es ist, ein Kind zu haben. Und dann
auch noch ein so lebhaftes und lautes wie Luke! Ständig schreit
er und hat Hunger und Durst oder die Windeln voll, ständig
müssen Joey und ich rennen! Und unsere Beziehung bleibt dabei
völlig auf der Strecke."
"Aber indem du hier allein sitzt, wird's doch auch nicht
besser," warf Paddy vorsichtig ein.
Tanja streifte ihn kurz mit ihren Blicken. "Du hast ja
Recht, Paddy... und doch, du kannst dir bestimmt nicht so gut
vorstellen, wie das alles ist. Joey und ich hatten noch nie viel
Zeit füreinander... wegen seinem Sport oder er war mit euch
unterwegs, und ich war ja auch viel mit meiner Karriere
beschäftigt. Und dann bin ich so schnell schwanger geworden.
Seit Luke da ist, ist alles noch viel stressiger geworden."
Eine Träne lief ihr über die Wange. "Wir haben nie Zeit
für uns. Ich liebe mein Kind, aber manchmal bin ich echt k.o.!
Und Joey ist auch nur noch fertig, wir sind beide nur noch
genervt, und wir können ja auch nicht ständig Kathy oder
Patricia oder sonst jemanden von euch bitten, uns mal Luke
abzunehmen, dass wir mal zusammen ins Theater oder ins Kino gehen
oder einfach mal einen Abend für uns haben. Kannst du das
verstehen, Paddy?"
"Ja, ich glaube schon," sagte Paddy.
"Meine Nerven liegen blank. Ich weiß, so kann es nicht
weitergehen. Aber manchmal habe ich auch das Gefühl, dass Joey
überhaupt nicht zu seinem Kind steht und das Luke und ich ihm
völlig egal sind. Sein Sport ist ihm sowieso wichtiger, und
vielleicht ist Joey auch noch gar nicht reif für ein
Kind..." Tanja brach ab.
Paddy schwieg. Er musste daran denken, wie uninteressiert Joey
heute gewesen war und einfach John und Patricia die ganze Arbeit
mit Luke überlassen hatten. Tanja schien recht zu haben. Oder
hatte Joey heute einfach nur einen schlechten Tag?
"Vielleicht, äh, vielleicht wird das ja aber auch wieder
besser."
Tanja schnaubte. "An Wunder glaube ich schon lange nicht
mehr. Joey und ich müssen uns dringend aussprechen, sonst hat
das bald keinen Sinn mehr. Ich möchte wissen, was er denkt, ob
er wirklich zu Luke steht und zu mir..." Sie drehte sich zur
Seite und presste die Hände an den Mund. Paddy sah, dass ihre
Augen wieder rot waren.
Etwas unbeholfen legte er ihr die Hand auf die Schulter.
"Tanja, warum machst du dir denn nicht einfach die
Kontaktlinsen raus, wenn du damit immer Probleme hast?"
"Mann, du Idiot, ich heule!" schluchzte Tanja.
Schon über zwei
Stunden saßen Paddy und Tanja auf der Wiese. Inzwischen waren
einige weiße Wolken am Himmel aufgezogen. Paddy wunderte sich,
wie schnell die wanderten.
Tanjas Augen waren nicht mehr gerötet. Sie weinte auch nicht
mehr, saß ganz ruhig im Schneidersitz da. "Manchmal habe
ich eine Vision," begann Tanja leise. "Ich denke an
mich und Luke und Joey. Wir sind eine glückliche Familie. Wir
wohnen zusammen in einem kleinen Haus, gerade groß genug für
uns drei. Joey hat... nun, einen normalen Beruf. Er treibt Sport,
aber nicht so viel. Wir sind einfach ganz normale, glückliche
Eltern und Luke wächst glücklich und zufrieden auf, nicht als
Starkind, ohne Ruhm, einfach ganz normal. Das ist meine Vision,
Paddy. Ich glaube ganz fest daran. Ich weiß, eines Tages wird es
so kommen."
"Aber Tanja, äh, das geht doch gar nicht, ohne
Ruhm..."
"Visionen sind keine Träume. Sie werden wahr,"
sagte Tanja fest.
Zehn Minuten
später verabschiedete Paddy sich. Er wollte nach Hause, denn er
hatte Hunger. Tanja blieb noch. Sie versprach Paddy, bald
nachzukommen. Aber sie hatte ja sowieso kein Fahrrad, also
brachte es nichts, wenn Paddy auf sie wartete. "Mach' dir
mal keine Sorgen, Tanja," sagte Paddy zum Abschied.
"Das mit Joey und Luke und dir, das wird schon wieder.
Vielleicht könnt ihr ja heute Abend noch ausgehen, Joey und du.
Patricia passt sicher gerne auf Luke auf. Und morgen machen wir
die Fotosession mit der POPCORN eben ohne Joey, dann könnt ihr
zu dritt in den Zoo gehen oder so."
"Du bist echt lieb, Paddy," sagte Tanja getröstet.
Dabei sah sie ganz verträumt in die Wolken. Vielleicht sah sie
ja wieder ihre Vision. Sie sah sehr gelöst dabei aus. Ich
könnte mich ja fast in sie verlieben, dachte Paddy kurz. Doch
diesen Gedanken verwarf er schnell wieder. Erstens war sie viel
zu alt für ihn, zweitens war sie eine Frau mit Kind, drittens
war sie nicht in ihn verknallt und viertens war sie die Freundin
seines Bruders. Also gut. Paddy beschloss, nicht mehr daran zu
denken. Er wollte lieber darüber nachdenken, wie er Tanja helfen
konnte. Erst mal nach Hause radeln und was essen, klar. Und dann
konnte er ja vielleicht mit Joey reden. Möglicherweise verstand
der ja gar nicht, warum Tanja sich solche Sorgen machte. Er
würde seinem Bruder von Tanjas Vision erzählen. Vielleicht
hatte Joey ja die gleiche Vorstellung. War doch möglich, oder?
Er würde auf jeden Fall mit Joey reden.
Doch Paddy vergaß
sofort alles, als er den Krankenwagen vor dem Schloss erspähte.
Vor Schreck sprang Paddy vom Rad und warf es auf den Boden.
Vielleicht war etwas mit Vater! Oh Gott, oh Gott, oh Gott.
"Wisst ihr, ob etwas mit meinem Vater ist?" fragte
Paddy die wartenden Fans aufgeregt. Doch die kreischten nur:
"Päääddiiiieeeeeyy!" und griffen nach dem Rad. Da
ging Paddy schnell rein.
Patricia und Barby standen im Flur und schrien sich aufgeregt
irgendwas zu. "Um Himmels Willen, was ist denn nur
geschehen?" empfing Paddy sie nervös. "Ist etwas mit
Vater?"
Barby sah ihn müde aus. "Gut, dass du kommst, Paddy,"
sagte sie, ohne auf seine Frage einzugehen. "Wir mussten
einen Krankenwagen holen. Johnny geht es sehr schlecht.
"Johnny? Warum das??"
"Irgendein Idiot hat ihm eine Socke auf die Nase gelegt! Da
bekam der Arme natürlich keine Luft mehr... zum Glück hat Jimmy
ihn rechtzeitig gefunden... also, wenn ich diesen Scherzkeks, der
das mit der Socke war, erwische, mache ich den aber einen Kopf
kürzer!" drohte Patricia aufgebracht.
Paddy wurde ganz schwindelig. Das hatte er doch nicht gewollt!
Gerade wollte er vor Patricia seinen Fehler zugeben, da kamen
zwei Typen in weißen Kitteln die Treppe herunter und trugen John
auf einer Bahre, gefolgt von Jimmy und Joe. John war total blass
und hatte Schläuche aus seiner Nase hängen. Seine Augen waren
geschlossen und er sah nicht mehr besonders lebendig aus.
Barbarina fing an zu weinen, als sie ihn sah, und Paddy musste
schnell die Arme um seine Schwester legen und sie trösten.
Patricia, Barby und Paddy traten hinter den vieren nach draußen.
Die kreischenden Fans ignorierend luden Joey, Jimmy und die
beiden Weißkittel John in den Krankenwagen. "Wollen Sie mit
ins Krankenhaus
kommen?" fragte einer der beiden Männer, während Jimmy und
Joey schon längst in den Krankenwagen geklettert waren.
Patricia, Paddy und Barby nickten gleichzeitig. "Wenn wir
gehen, dann gehen wir alle!" sagte Patricia, und schon waren
sie und Barby davongestürmt, um Kathy, Sean und Angelo zu holen.
"Hol' Maite aus der Küche!" rief Patricia Paddy noch
über die Schulter zu.
Paddy eilte in die Küche, wo Maite nervös und der Dinge harrend
am Tisch saß. Während er ihr erklärte, dass sie jetzt alle ins
Krankenhaus fuhren, griff Paddy noch schnell mit einer Hand in
die Keksdose. Das kam ihm wie ein fürchterlicher Vertrauensbruch
an Johnny vor, aber verdammt, er hatte doch so Hunger!
"Ich glaube,
er kommt zu sich," sagte Angelo aufgeregt.
Paddy war erleichtert und rückte näher zu Johnny, um auch seine
Hand zu halten, die schon Patty und Maite fest umklammerten. Im
selben Moment schlug Johnny die Augen auf.
"Na halleluja!" sagte Jim.
Johns Augen wurden ganz groß. Offenbar konnte er nicht so recht
verstehen, warum er hier in einem Krankenhausbett lag und Joey,
Barby, Patricia, Jimmy, Sean, Maite, Paddy, Angelo und Kathy um
ihn herumsaßen. "Wo bin ich und was ist mit mir
passiert?" fragte er mit schleppender Stimme.
"Du bist im Krankenhaus. Du hast keine Luft mehr bekommen,
aber jetzt ist alles wieder in Ordnung," klärte Angelo ihn
sachlich auf.
"Und warum habe ich keine Luft bekommen?" Johnny war
verwundert.
"Irgendein Idiot hat dir eine stinkende Socke auf die Nase
gelegt," erklärte Jimmy mit gerunzelter Stirn. "Ich
möchte wissen, wem so ein Käse einfällt."
Paddy errötete. "Ääääääh Leute, da kann ich was
erklären. Das war nämlich... ich."
"Was?" schrie Kathy.
"Wie kommst du denn auf die Idee?" rief Barbarina.
"Ich glaub', du spinnst!" rief Maite.
"Es war ja keine Absicht!" fiepte Paddy. "Ich habe
einfach nicht nachgedacht... ich hoffe, Johnny ist mir nicht
böse..."
"Nicht böse? Vermöbeln sollte man dich!" rief Joey
laut.
"Na super, wir sind ja schon im Krankenhaus!" sagte
Angelo.
Nach einem allgemeinen Tumult erklärte John, er wäre Paddy
nicht böse. Paddy war erleichtert, alle beruhigten sich und
Kathy rief schnell Vater an, um zu erklären, dass mit John alles
in Ordnung war.
Während ihrem Gespräch starrte Babsy plötzlich total
erschrocken auf Sean. Das irritierte Kathy, sie beendete das
Gespräch und fauchte ihre Schwester an: "Was guckst du so
auf meinen Sohn, was passt dir nicht??"
"Nichts, es ist nichts," stotterte Barby, "ich
musste nur gerade daran denken, dass wir Luke allein zuhause
gelassen haben!"
"Oh nein!" riefen Joey, Angelo, Maite und Jimmy im
Chor. "Wir müssen sofort nach Hause!" "Ja, wir
kommen auch mit," sagte Patricia und griff nach ihrer
Handtasche. "Und mich lasst ihr ganz allein?"
protestierte Johnny. "Ich bleibe bei dir," versprach
Kathy. "Ihr anderen, nehmt ihr Sean mit heim?"
"Aber natürlich," sagte Jimmy.
Im Schloss kamen
sie gerade zur Tür herein, da klingelte Patricias Handy.
"Es war Kathy," erklärte sie Angelo, Maite, Barby,
Paddy und Jimmy, als sie aufgelegt hatte. "Der Arzt war eben
da. John muss nur noch über Nacht im Krankenhaus bleiben, morgen
darf er schon wieder nach Hause. Kathy bleibt heute Nacht bei
ihm."
"Super, dann hole ich die beiden morgen ab," sagte
Jimmy und gähnte.
"Wo ist eigentlich Joey?" fragte Angelo.
"Na ja, bei Luke, nehme ich an," sagte Maite.
Angelo, Paddy, Barby, Patricia, Jimmy und Maite blieben dann noch
einige Minuten plaudernd im Flur stehen. Plötzlich kam Joey mit
misstrauischem Gesicht die Treppe herunter. "Wer von euch
hat meinen Sohn?" fragte er.
"Was? Natürlich keiner! Wir stehen hier und
quatschen!" sagte Angelo ärgerlich.
"Aber Luke ist weg."
"WAS??"
Alle stürmten nach oben, ins Schlafzimmer von Joey und Tanja.
Tatsächlich, Lukes Gitterbettchen war leer und nirgendwo war
eine Spur von ihm. Alle wurden ganz nervös. "Habt ihr ihn
nicht in euer Bett gelegt?" fragte Patricia und hob die
Decke an. "Lass' es sein, es hat doch keinen Sinn,"
sagte Joey.
"Vielleicht hat Vater ihn ja zu sich geholt," meinte
Jimmy und ging einige Zimmer weiter. Doch er kam unverrichteter
Dinge zurück, Vater telefonierte mit Henry und Luke war nicht zu
sehen.
Spätestens jetzt waren die Kellys fertig mit den Nerven. Joey
stand nur da und rang die Hände, Jimmy guckte sogar unter dem
Bett und in den Schränken nach und Patricia schrie Zeter und
Mordio. Paddy stand da und hatte Angst. Irgendwie fühlte er sich
schuldig, aber er wusste nicht warum. Das waren wohl nur noch die
Nachwirkungen von der Sache mit Johnny.
"Luke ist entführt worden, buhuu!" klagte Patricia.
Angelo schauderte. "Sag' doch nicht so schreckliche Sachen!
- Vielleicht hat Tanja ihn abgeholt, ruuf' sie doch mal an!"
Joey wählte mit zitternden Fingern, doch er traf immer nur die
falschen Tasten. Angelo nahm ihm seufzend das Handy aus der Hand
und wählte selbst. Doch Tanjas Handy schien abgeschaltet zu
sein. Paddys Angst wuchs.
"Gehen wir systematisch vor! Wer hat Luke denn zuletzt
gesehen?" fragte Jim in die Runde. Alle überlegten.
"Johnny, als er ihn schlafen gelegt hat, nach dem
Fußball," sagte Joey schließlich. Angelo rief gleich im
Krankenhaus an, legte aber ziemlich schnell und missmutig wieder
auf. "John sagt, er hat Luke ganz normal schlafen gelegt und
ist dann auch pennen gegangen und das war alles."
"Und sonst, hat ihn keiner mehr gesehen?" fragte Jimmy
eindringlich. Patricia schüttelte den Kopf. "Nein, denn
dann war ja schon die Sache mit John. Und wir sind alle ins
Krankenhaus gestürmt." "Und du, Paddy, du hast ihn
auch nicht mehr gesehen, nicht wahr?" sagte Jimmy. Maite
antwortete für ihn. "Quatsch, der war doch radeln!
Stimmt's, Pad?" Paddy nickte...
Verzweifelt traten sie wieder nach unten in den Flur. "Erst
die Sache mit Johnny und jetzt das mit Luke, ich kann nicht
mehr!" klagte Maite. Barby legte den Arm um Joey -
schwierig, weil er viel größer als sie war. "Joe, mach'
dir nicht so viele Sorgen, vielleicht gibt es ja eine plausible
Erklärung für Lukes Verschwinden!"
"Ha!" stieß Joey hervor. "Das glaubt ihr doch
selbst nicht! Was, wenn ich ihn nie wiedersehe? Das überlebe ich
nicht! Wenn Luke etwas zugestoßen ist... das darf nicht sein!
Ich liebe meinen Sohn!"
"Das glaube ich nicht!" erklang eine Stimme von der
Tür her. Alle drehten die Köpfe. An der Tür zum Wohnzimmer
stand Tanja. Ihre Gesichtszüge waren hart. Paddy wurde ganz
kalt.
"Tanja! Weißt du, wo Luke ist?" bellte Joey.
"Jedenfalls nicht hier. Und hier wird er auch nicht mehr
sein."
"Lass' den Quark, Tanja!" befahl Angelo. "Du
weißt, wo Luke ist, nicht wahr! Sag' es uns!"
"Nein!" schrie Tanja. Sie klang nicht kalt, fand Paddy,
eher völlig verzweifelt. "Warum sollte Joey das erfahren?
Sein Kind ist ihm doch egal! Da komme ich heute nach Hause und
höre meinen Sohn brüllen, und keiner von euch ist da! Joey kann
keine Verantwortung übernehmen! Er wird Luke nie wieder sehen,
wenn er sich nicht ändert!"
"Tanja! Wie kannst du nur! Luke ist auch Joeys Kind, sag'
uns sofort, wo du ihn hingebracht hast!" schrie Jimmy.
"Joey ist ein guter Vater, du hast kein Recht, ihm das Kind
wegzunehmen nur wegen einem Fehler!"
"Denkt ihr, ich mache das aus Spaß?" schluchzte Tanja
und rannte aus dem Schloss. Die Türen flogen hinter ihr zu.
Jimmy wollte ihr hinterher, aber Patsy hielt ihn zurück.
"Lass' es, es hat doch keinen Sinn."
Paddy war wie betäubt von den Ereignissen. Joey brach
schluchzend auf dem Boden zusammen. Noch nie hatte Paddy ihn
weinen sehen. "Wie kann sie das tun? Ich liebe sie, und ich
liebe Luke erst recht! Wie kann sie ihn mir einfach wegnehmen?
Ich will doch ein guter Vater sein!"
"Nun reg' dich mal nicht auf, Joey, immerhin wurde Luke ja
nicht entführt oder so," versuchte Patricia ihn zu
trösten. Aber dann kamen auch ihr die Tränen. "... ach
scheiße, verdammt!" Auch Barby und Maite fingen an zu
plärren. Jimmy und Angelo versuchten erst noch, ganz cool zu
gucken, doch dann wurden auch ihre Augen feucht. Und als Paddy an
Tanjas Vision dachte, musste auch er weinen.
Das Haus war leer
ohne Luke. Paddy ertappte sich dabei, wie er den kleinen
Schreihals vermisste. Es hatte ihn immer genervt, wenn Luke
schrie, während er einen Song schreiben wollte, wenn er die
Windeln vollhatte und danach duftete oder wenn er immer dann
versorgt werden musste, wenn Paddy gerade etwas mit Tanja oder
Joey machte. Aber jetzt, da er weg war... Joey lief sowieso nur
noch wie ein Zombie herum, und auch die anderen waren
verzweifelt. Da half es auch nicht viel, dass Kathy und John
wieder aus dem Krankenhaus zurück waren. Die beiden regten sich
nur noch mehr auf.
Inzwischen wussten sie auch, wo Tanja Luke hingebracht hatte: zu
ihren Eltern nach Augsburg. Sie hatte selbst angerufen und es
Joey gesagt. Joey konnte aber mit dieser Information nicht viel
anfangen, er war wie eine leblose Puppe. Nachts hatte er
Albträume, er ging nicht mehr zum Sport und noch nie hatten ihn
die anderen so oft weinen sehen wie in diesen Tagen.
Vater sagten sie nichts von der ganzen Sache mit Tanja und Luke,
der würde sich nur ganz fürchterlich aufregen und das wäre
nicht gut für seine Gesundheit. Patricia erklärte ihm, Tanja
und Luke würden Urlaub in Augsburg machen.
Alle bedrängten Joey, er solle nach Augsburg fahren und seinen
Sohn zurückholen. "Das, was Tanja da macht, ist
Kindesentführung! Sie darf deinen Sohn nicht behalten, nimm' ihn
dir wieder!" drängte Maite. "Fahr' einfach nach
Augsburg und fordere Luke zurück!" sagte John, und Babsy
sagte: "Wir haben doch noch eine Pistole, vielleicht kannst
du Tanja damit einschüchtern!" "Sag' mal, spinnst
du?" fragte Kathy.
"Ach, ihr habt doch alle keine Ahnung! Meine Nerven liegen
blank, ich kann nicht mehr!" schluchzte Joey und rannte weg.
Einige Tage später
saß Paddy wieder gemeinsam mit Angelo und John vor dem
Fernseher. Ein Fußballspiel lief, aber Paddy guckte gar nicht
richtig hin. Er hatte keine Ahnung, wie es um seine
Lieblingsmannschaft stand. War ihm auch egal. Was kümmerte ihn
das dumme Fußballspiel! Wenn doch nur Luke wieder hier wäre!
Plötzlich betrat Joey das Wohnzimmer - in einer schicken
Lederjacke und mit Sonnenbrille. Er sah richtig fröhlich und
cool aus, und Paddy, Lino und Johnny blieb der Mund offen stehen.
Eine solche Kombination hatte Joey schon lange nicht mehr
getragen. "Was ist los, Joe, gehst du zu einem Date?"
rief Lino.
Joeys Gesicht verfinsterte sich. "Blödsinn! Ich fahre jetzt
nach Augsburg, um meinen Sohn zurückzuholen!" Er sah sehr
siegessicher aus.
"Darf ich mit?" fragte Paddy.
"Na logo."
Kurz darauf saßen die beiden in Joeys Cabrio, und Joey nahm Kurs
auf Augsburg. Er wirkte ungemein fröhlich, drehte das Radio laut
auf und pfiff mit. "Bist du dir sicher, dass du Luke
zurückbekommen wirst?" fragte Paddy vorsichtig. "Total
sicher!" Joey lachte. "Ich werde mich als
verantwortungsvoller Vater zeigen..."
Paddy musste an Barbys Vorschlag denken. "Aber Joey, du
willst Tanja und ihre Eltern doch nicht wirklich so
einschüchtern, dass sie Luke rausrücken, oder?" fragte er
ängstlich und spähte ins Handschuhfach, ob da vielleicht die
Pistole lag.
"Ach Quatsch! Sehe ich in dem Outfit nicht spitze aus? Tanja
wird sich wieder richtig in mich verlieben, und dann wird sie mit
Luke zurückkommen und wir werden eine glückliche kleine Familie
sein! Das war schon immer meine Vision..." Paddy riss die
Augen auf.
Doch je näher sie Augsburg kamen, desto nervöser würde Joey.
Er stellte das Radio leiser und pfiff nicht mehr mit, dafür
rauchte er hektisch eine Zigarette nach der anderen. Als sie
schließlich in einem kleinen Vorort von Augsburg vor Tanjas
Elternhaus hielten, wollte Joey nicht aussteigen. Paddy war
verwirrt. "Aber Joey, du musst jetzt aussteigen, sonst haben
wir ja die ganze Reise umsonst gemacht!"
"Weiß ich doch, Paddy! Es ist nur so... ich habe
schreckliche Angst!"
"Na super!" seufzte Paddy. "Das ist ja der beste
Anfang!"
Tanjas Eltern waren
nette, sympathische Menschen. Paddy fand, dass sie Tanja sehr
ähnlich sahen, und somit auch Luke. Die beiden baten Paddy und
Joey ins Haus. In der Küche war der Kaffeetisch gedeckt. Tanja
war nicht zu sehen.
Die Eltern wollten alles Mögliche über die Karriere der Kelly
Family wissen. Paddy erzählte ihnen alles, wonach sie fragten.
Joey saß nur mit ungläubigem Gesicht daneben und sprach kaum
ein Wort. Irgendwann wurde er gefragt, ob er seinen Sohn sehen
wolle. Natürlich!
Die vier stiegen eine knarrende Treppe hinauf. Im Schlafzimmer
von Tanjas Eltern stand ein Gitterbett - womöglich war es schon
Tanjas Bettchen gewesen? Luke lag darin und schlummerte. Joeys
Augen wurden feucht, als er sein Kind sah. Er nahm Luke aus dem
Bett und hielt ihn auf dem Arm. Paddy strich mit dem Finger sanft
über Lukes warme Wange. Luke wachte auf, sah seinen Papa aus
großen Augen an und gähnte. Paddy schluckte.
"Ich will meinen Sohn zurück!" schluchzte Joey.
"Es tut uns schrecklich Leid, Herr Kelly, aber das können
wir nicht erlauben," sagte Herr Niethen.
"Aber warum denn nicht?"
"Weil Sie mit der Vaterrolle offenbar sehr überfordert
sind, das ist der Grund."
"Aber ich..."
"Bitte verstehen Sie uns nicht falsch, Herr Kelly. Wir sind
uns sicher, dass Sie Ihr Kind und auch Tanja von ganzem Herzen
lieben," setzte Frau Niethen hinzu. "Aber Sie sind zu
jung, um ein verantwortungsvoller Vater zu sein. Sie müssen sich
noch austoben, Ihren Hobbys nachgehen, sich Ihrem Sport widmen.
Das verstehen wir doch völlig. Luke war nicht geplant?"
"Nein," musste Joey zugeben, warf einen Blick auf Luke
und setzte heftig hinzu: "Aber ich würde ihn um nichts in
der Welt wieder hergeben!"
"Das glauben wir Ihnen, Herr Kelly!" versicherte Herr
Niethen. "Aber Sie sehen, dass Tanja und Sie beide mit der
Situation überfordert waren. Sie haben sich ja beide kaum
gekannt, und schon war das Kind da. Es ging zu schnell, nicht
wahr? Tanja und Sie, ihr beide hättet mehr Zeit gebraucht,
einander kennenzulernen. Du bist schließlich nun der Vater ihres
Kindes, und eigentlich kennt ihr euch ja kaum." Paddy
stellte überrascht fest, dass Tanjas Vater Joey plötzlich
duzte. "Wer weiß, wie sich eure Beziehung entwickelt
hätte, wenn ihr Luke nicht bekommen hättet? Vielleicht hättet
ihr euch getrennt? Bitte versteh' mich nicht falsch - wir haben
nichts gegen dich, und Tanja war mit dir auch immer recht
glücklich, hat sie uns oft erzählt. Vielleicht seid ihr das
absolute Traumpaar, heiratet, bekommt noch drei Kinder und seid
für immer glücklich. Aber vielleicht stellt ihr auch in ein bis
zwei Jahren fest, dass euch gar nichts verbindet. Dass es andere
gibt, die besser zu euch passen. Und dann wird das Ganze auf dem
Rücken von Luke ausgetragen. Eben das wollen wir alle doch
verhindern, oder?"
Obwohl er gar nicht angesprochen war, nickte Paddy eifrig. Tanjas
Vater hatte Recht. Er hatte wirklich Recht. Man konnte ja nie
wissen! Joey guckte ihn böse an, und sofort kam Paddy sein
Nicken wie Verrat vor.
"Sie... Sie wollen Luke also... behalten?" flüsterte
Joey.
"Es ist zu Ihrem Besten, Herr Kelly, glauben Sie uns!"
sagte Tanjas Mutter.
"Aber das ist nicht fair!" weinte Joey. "Tanja
soll unser Kind nicht allein erziehen!"
"Das tut Tanja nicht."
"Aber es ist doch hier, bei Ihnen..."
"Aber Tanja wohnt nicht bei uns. Verstehen Sie denn nicht,
Joey?" Paddy stellte noch überraschter fest, dass Tanjas
Mutter Joey nun auch bei seinem Vornamen nannte. "Tanja ist
ebenso wie Sie von der Situation überfordert. Auch sie kann Luke
nicht erziehen. Tanja kommt ihren Sohn oft besuchen, aber sie
sorgt nicht für ihn. Das übernehmen wir. Wir haben Tanja und
ihre Geschwister großgezogen. Verstehen Sie, wir möchten Tanja
und Ihnen die Chance geben, einander ohne die Belastung durch die
Erziehung eines Kindes richtig kennenzulernen. Wenn Sie beide
wieder gefestigt sind, können Sie Luke sofort zurückbekommen.
Aber im Moment ist es so das Beste."
Joey nickte unwillig, er schien das Ganze zu begreifen, aber
nicht nachfühlen zu können. Paddy ging es ähnlich. Es war
natürlich gut, wenn Tanja und Joey ihre Beziehung entwickeln
konnten, ohne auf das Kind Rücksicht nehmen zu müssen. Aber
wenn die beiden nun feststellten, dass sie nicht zueinander
passten und sich trennen würden - was wurde denn dann aus Luke?
"Sie können Ihren Sohn ja so oft besuchen wie Sie
möchten," setzte Frau Niethen hinzu.
"Na supi, sind ja nur immer 100 Stunden zu fahren!"
sagte Joey frustriert.
Schließlich verabschiedeten sie sich von Tanjas Eltern, die ja
eigentlich sehr verständnisvoll und nett waren, und von Luke.
Schweigend fuhren Paddy und Joey wieder weg. Einige Straßen
weiter mussten sie anhalten, weil Joeys Augen so feucht waren,
dass er nichts mehr sehen und nicht mehr fahren konnte.
"Aber Joey, ich bin mir sicher, sie meinen es gut,"
sagte Paddy zaghaft.
"Natürlich meinen sie es gut. Ich bin ihnen ja auch
dankbar. Aber es ist so schwer. Luke ist doch mein Kind,
verdammt!" Joey warf die Sonnenbrille und seine Lederjacke
nach hinten in den Kofferraum. Jetzt sah er nicht mehr cool aus,
sondern nur noch sehr verzweifelt und schwach. Er steckte sich
eine Zigarette an und bot Paddy auch eine an. Paddy hatte noch
nie geraucht. Er setzte die Zigarette an den Mund. Er atmete den
Rauch ein und musste kräftig husten.
Joey rauchte hastig. "Mit Tanja und mir ging wirklich alles
zu schnell. Wir haben uns kaum kennengelernt, da wurde sie schon
schwanger. Und während der Schwangerschaft hatten wir beide mit
unserer Karriere so viel zu tun, und dann war Luke auch schon da,
und alles drehte sich nur um ihn. Verstehst du Paddy, eigentlich
weiß ich gar nicht, wer Tanja wirklich ist. Es ging alles viel
zu schnell. Woher will ich wissen, dass sie wirklich die Liebe
meines Lebens ist, mit der ich immer zusammenbleiben will? Aber
verflucht, wir werden irgendwie immer zusammenbleiben müssen,
wir sind durch Luke aneinandergekettet. Es ist zu spät. Ich
werde Luke immer lieben, aber Tanja? Wir hatten nie viel Zeit
füreinander. Ach verflucht. Weißt du, was ich wirklich
will? Ich will Tanja, und ich will Luke. Ich will, dass wir drei
eine glückliche Familie sind. Aber was werde ich in ein paar
Jahren wollen? Ich weiß es nicht. Verdammt, ich weiß es
wirklich nicht. Ich kann nicht mehr, Paddy, ich kann nicht
mehr." Erschöpft warf Joey seine brennende Zigarette aus
dem Auto und sagte: "Es ist zu spät."
Nachts hatte Paddy
Tanjas Vision. Vor seinem inneren Auge sah er Tanja, Joey und
Luke im Garten eines kleinen Reihenhauses stehen. Joey stand im
Garten und hackte Holz, der Schweiß lief ihm über die Stirn,
aber er lachte und sang fröhlich. Tanja kam aus dem Haus, mit
Luke an der Hand. Luke konnte kaum auf seinen wackligen Beinchen
stehen. Er hatte Joeys Haare und Tanjas Augen, und natürlich sah
er auch ihren Eltern ähnlich. In den Händen hielt er ein
kleines Spielzeugauto. Tanja brachte Joey einen Teller Suppe. Ihr
Bauch war leicht gewölbt, ein Geschwisterchen für Luke
kündigte sich an. Joey nahm den Teller aus Tanjas Händen und
gab ihr einen Kuss. Und von nirgendwo hörte man das Geschrei der
Fans. Paddy wachte auf und sprach ein Gebet für Joey, Tanja und
Luke.
Visionen sind keine Träume. Sie werden wahr, hatte Tanja gesagt.
Aber wann?
Diese Geschichte ist jemandem gewidmet, der auch vor wenigen Tagen zum ersten Mal Vater wurde und dem ich ein besseres Schicksal als Joey wünsche. Das ist meine ehrliche Meinung, auch wenn er mir das nie glauben wird. ~ df ~
© Doro