Einiges zur Geschichte einer der ältesten Städte Deutschlands
 

Die Stadt Calbe (neulat. calvo = kahl) kann auf eine weit über 1000-jährige Geschichte zurückblicken. Eine der Ursachen für die Gründung des Ortes war der Königshof, der eventuell schon in karolingischer Zeit bestanden haben könnte. Im Schutze des Königshofes siedelten sich im Laufe der Zeit viele Menschen an, so dass Calbe wahrscheinlich seit dem 9., möglicherweise aber auch schon seit dem 8.Jahrhundert existierte. Zum Königshof gehörte nach Recherchen von K. Herrfurth nicht die Stephanskirche, sondern eine nur in den Quellen noch nachweisbare Kirche Johannes´ des Täufers (Näheres unter der Station 8 in: http://members.fortunecity.de/steinmetz41 ).
Der Ort dehnte sich aus und wurde gleichzeitig zu einem bedeutenden Marktflecken, da er an der Handelsstraße Magdeburg-Halle/Leipzig inmitten eines fruchtbaren Gebietes lag.

Urkundlich wurde er 936 zum ersten Mal erwähnt. Otto I. schenkte damals dem Servatius-Nonnen-Stift in Quedlinburg 15 wendische (=slawische) Familien in Frohse (heute Stadtteil von Schönebeck) - und in Calbe. Calbe wird, wie oben erwähnt, durchaus zum Zeitpunkt der urkundlichen Schenkung schon längere Zeit bestanden haben. 961 wurde der Ort als ein Mittelpunkt der frühen Reichs-Grenzschutz-Anlage, des so genannten ottonischen Burgwardsystems, genannt.

Bereits 965 gab Otto I. seinen Königshof in Calbe auf und schenkte ihn dem Magdeburger Mauritius-Benediktiner-Kloster, aus dessen Kirche bald eine prachtvolle ottonische Kathedrale und knapp 300 Jahre später der berühmte erste gotische Dom auf deutschem Boden hervorging, kurz vor der Gründung des Magdeburger Erzbistums (968) und kurz nach Ottos Kaiserkrönung (962).

Um 1160 gewährte Erzbischof Wichmann (siehe Bild rechts),

Wichmann von Seeburg (nach: Bronzegrabplatte im Magdeburger Dom, digital bearbeitet)

ein herausragender Politiker unter den Magdeburger Erzbischöfen, Calbe die Marktgerechtigkeit. Calbe wurde somit faktisch als kommerziell und politisch bedeutende Stadt angesehen.

Wer von Ihnen schon einmal aufmerksam durch den Magdeburger Dom gegangen ist, der- oder demjenigen wird an einem Süd-Pfeiler des Chores die  Bronzegrabplatte Wichmanns aufgefallen sein. Sie stammt aus dem ottonischen Dom des 10. Jahrhunderts. Das  Grab Wichmanns wurde beim gotischen Neubau 1209 bis 1363 (Türme 1520) übernommen.

Der 1115 oder 1116 geborene Wichmann von Seeburg aus dem Geschlecht der Billunger betrieb wie die meisten seiner Vorfahren eine expansive Ostpolitik gegenüber den Slawen. Als außerordentlich treuer Vasall Kaiser Friedrichs I. Barbarossa und begeisterter Anhänger der Zentralgewalt schreckte er bei der Ausdehnung des Reichsgebietes nach Osten unter dem Deckmantel der Heidenmissionierung auch vor Gewalt, Vertreibung und Mord nicht zurück. Nach einer beachtlichen Karriere übertrug ihm der Kaiser 1152 das Erzbistum Magdeburg. Als Initiator des 1188 kodifizierten "Magdeburger Stadtrechts" schrieb Wichmann europäische Geschichte. Dieser Erzbischof, der viele Kriege führte und für seine Auffassung vom Christentum - wie ein großer Teil seiner zeitgenössischen Standesangehörigen - viel Blut vergoss, war aber andererseits ein versöhnlicher und zu Kompromissen bereiter Politiker. So vermittelte er immer wieder - auch erfolgreich - im päpstlich-kaiserlichen Streit und im Staufer-Welfen-Konflikt. Er war der kaiserliche Unterhändler im Frieden von Venedig. Dieser zwiespältige, aber auf alle Fälle sehr bedeutende Politiker des Mittelalters weilte wie viele Magdeburger Erzbischöfe oft in Calbe. Dem damals sehr einflussreichen Kloster "Gottes Gnade" (heute Gottesgnaden) bei Calbe schenkte er zwei von einer Pilgerfahrt nach Palästina mitgebrachte Reliquien und 50 Hufen Land (4 bis 5 Millionen m²) bei Jüterbog, wenige Kilometer östlich von Luckenwalde (vgl. "Wüstungen bei Jüterbog" von Andreas Trotz). Er starb am 25.8.1192 in Könnern bei Bernburg. Seine Grabstelle ist, wie schon oben erwähnt, im Magdeburger Dom.

Vornehmlich Ackerbauern, die als Stadteinwohner den Namen "Ackerbürger" bekamen, aber auch eine große Anzahl von Handwerkern, waren in den folgenden Jahrhunderten die Bewohner dieser Stadt. Durch eine gut befestigte, mehrere Meter hohe Stadtmauer und eine Reihe von Stadttürmen war die Stadt geschützt. Heute stehen noch zwei Türme dieser ehemaligen Befestigungsanlagen, der "Hexenturm" und der "Blaue Turm". In einer nördlichen und einer südlichen Vorstadt siedelten sich im Laufe des Mittelalters immer mehr plebejische, meist ehemalige bäuerliche Bewohner aus den verlassenen umliegenden Dörfern (Wüstungen) und slawische Nachbarn, vorwiegend Fischer, an.

In landwirtschaftlicher Hinsicht ist es interessant, dass man in Calbe schon 1591 Zwiebeln anbaute. Die Begriffe "Seppeln" oder „Zibbeln“, niederdeutsch „Bollen“ gehen auf die spätlateinische Verkleinerungsform „cepula“(=Zwiebelchen) zurück. Auch anderes Gemüse wurde damals schon um Calbe herum angebaut, was für die frühe Neuzeit in diesem Ausmaß nicht alltäglich war.
Wie nahezu alle mitteleuropäischen Städte und Dörfer erlitt auch die Ackerbürgerstadt Calbe durch den Dreißigjährigen Krieg einen empfindlichen wirtschaftlichen und sozialen Rückschlag, der Calbes mittelalterliche Stellung in der urbanen Führungsriege abrupt zunichte machte.
Unter preußischer Herrschaft erlebte Calbe etwa hundert Jahre später eine erneute, jedoch  schwächere Blüte durch die Ansiedlung französischer Glaubensflüchtlinge, der so genannten Hugenotten. Die preußischen Könige brauchten einen Aufschwung in der Tuchindustrie, besonders durch den steigenden Uniformbedarf für das Militär und das neue modische Bewusstsein des Adels und des Bürgertums im 17. und 18.Jahrhundert. Calbe wurde ein bedeutendes Zentrum der preußischen Tuchproduktion, verlor jedoch im 19.Jahrhundert mit dem forcierten Einsetzen der industriellen Revolution zunehmend an Bedeutung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Calbe mit der Errichtung des ersten Niederschachtofenwerks der Welt noch einmal in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Später wurde aus diesem Werk das Metall-Leichtbau-Kombinat Calbe.

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