Zur Auseinandersetzung mit dem komplexen Spektrum unterschiedlichster Sichtweisen, die bis heute kindliche Entwicklung beschrieben haben und weiter beschreiben werden, sollte die "Gesetzesmäßigkeit" von Stufenmodellen, die Entwicklung in konkreten und chronologisch determinierten Etappen beschreiben, nicht unbeachtet bleiben. Einerseits als Gegenstand neurophysiologisch-aktualisierter kritischen Betrachtung, andererseits als Grundlage differenzierter Herangehensweisen im Hinblick auf Unterstützung und Förderung des Individuums in seinen ureigensten und einmaligen Möglichkeiten versus linear festgelegter und verbindlicher Entwicklungskriterien. Für die Theapie ist längst nicht mehr das Festhalten an abstrakten "Meilensteinen" von Bedeutung , sondern vielmehr der Blick auf Funktionalität, die dem tatsächlichen individuellen Alltag des behandelten Kindes entspricht und der Interaktion zwischen Organismus und Umwelt gerecht wird. Die Meilensteine sollten eine Orientierung anbieten, welche motorische Aktivitäten im Verlauf der kindlichen Entwicklung auftreten und welche Zeiträume beobachtet und abstrakt beschrieben werden konnten. |
Meilensteine der Entwicklung des normalen Kindes
"Die 'Meilensteine der Entwicklung' des normalen Kindes und seine Bewegungsabläufe in den verschiedenen Altersstufen sind wohlbekannt und klar vorherzusagen. "Meilensteine" sind Aktivitäten, die ein normales Kind in bestimmten chronologischen Stadien erreicht. Sie sind isoliert und aus dem Zusammenhang einer vielseitigen Entwicklung herausgenommen. Sie werden benutzt, um den motorischen und geistigen Fortschritt eines Kindes zu testen und haben ihren Wert bei der Feststellung und Diagnose motorischer und geistiger Retardierung, besonders bei den Fällen, wo man keine Zeichen pathologischer Abweichungen findet. Die Entwicklung geht jedoch nicht in einer linearen Folge einzelner "Meilensteine" voran. In jedem Stadium einer Entwicklung, so, wenn das Kind einen spezifischen "Meilenstein" erreicht, erlangt es auch viele andere und gleichwichtige Fertigkeiten, die zu demselben Stadium gehören. Ein Säugling gewinnt bestimmte Grundfähigkeiten wie Kopf- und Rumpfkontrolle, Armstützfunktion und Gleichgewicht, d. h. mehr und mehr Haltungskontrolle gegen die Schwerkraft. Diese Fähigkeiten drücken sich in einer Anzahl verwandter Aktivitäten aus und nicht in einem bestimmten" Meilenstein".Einige Stadien dieser Entwicklung (das Alter von 3, 5, 7 und 9 Monaten markieren die Erlangung bestimmter wichtiger Fähigkeiten, die das Kind auf neue und komplexere Aktivitäten vorbereiten und deshalb einige Bedeutung haben." [B. u. K. Bobath 1977]
„Meilensteine“ |
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6
Wochen: |
Das
Kind kann den Kopf in der Bauchlage für kurze Zeit anheben. |
1.
Monat: |
Kopfkontrolle
schwebend in BL |
3
Monate: |
Das
Kind hebt den Kopf in der Bauchlage über einen längeren Zeitraum an. |
5
Monate: |
Das
Kind kann mit Unterstützung sitzen. |
6
Monate: |
Sichere
Kopfkontrolle |
9
Monate: |
Das
Kind kann mit Unterstützung stehen. |
10
Monate: |
Das
Kind sitzt ohne Unterstützung und kann krabbeln. |
12
Monate: |
Das
Kind kann mit Festhalten an einer Hand laufen. |
14
Monate: |
Das
Kind steht ohne Hilfe.
Vom Stehen mit festhalten allein zum Sitzen |
18
Monate: |
Das
Kind läuft ohne Hilfe. |
24
Monate: |
Freihändiges
Aufstehen |
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Die sensomotorische Entwicklung der ersten beiden Lebensjahre
Körperliche
Entwicklung Die
größten Entwicklungsfortschritte macht der Säugling in seinem ersten
Lebensjahr. Wenn man sich nur auf die Phasen der körperlichen
Entwicklung bezieht, erlernt er in diesen zwölf Monaten mehr einzelne
Entwicklungsschritte als in seinen folgenden Lebensjahren. So lernt er
den Prozeß des Kopfhebens und der Körperrotation, den Prozeß des
Sitzens und Krabbelns und kommt über das Stehen innerhalb dieses ersten
Jahres meist zum Prozeß des Laufens. 1.
Monat
Der
erste Lebensmonat des Neugeborenen ist bestimmt durch wenig
koordinierte, nicht zielgerichtete Reflexhandlungen. Diese sollen dem
Säugling, der noch nicht in der Lage ist, seine Umwelt kognitiv zu
erfassen, dabei helfen, sein Überleben zu sichern. Die beiden
auffallendsten Reflexe sind der Greif- und der Saugreflex. Berührt man
den Säugling also vorsichtig an seiner Wange, so dreht er automatisch
den Kopf in diese Richtung auf der Suche nach der nahrungsspendenden
Mutterbrust. Als weitere Überlebensgrundlage dient der Greifreflex dem
Baby dazu, nicht ungewollt zu fallen. Verbindet das Kind nun Reflexe mit
Empfindungen, so entsteht daraus die Möglichkeit zu zielgerichteten
Handlungen. Die
Auseinandersetzung mit der Schwerkraft macht dem Baby besonders im
ersten Lebensmonat zu schaffen. So kann man beobachten, daß es aufgrund
einer noch schwach ausgebildeten Nackenmuskulatur seinen Kopf noch nicht
alleine aufrecht halten kann. Dieses spielte im Mutterleib noch keine
Rolle, da das Kind sich im Fruchtwasser schwerelos bewegen konnte. Im
ersten Monat hat das Kind noch kein Körperbewußtsein entwickelt, so
daß Bewegungen unkoordiniert und unbeholfen wirken. Dreht es z.B.
seinen Kopf, dreht sich aufgrund mangelnder Körperkoordination sein
ganzer Körper mit. 2.und
3. Monat
Während
des zweiten und dritten Monats stärkt sich vor allem die
Nackenmuskulatur des Kindes. Diese hat die Funktion, den Kopf des
Säuglings zu stützen und ihm dadurch das Sehen zu erleichtern. Das
Sehen wird natürlich für das Kind einfacher, je ruhiger der Kopf
gehalten werden kann. Das Baby stützt sich nun in der Bauchlage
vermehrt auf seine Unterarme, um beim Sehen ein größeres Spektrum
erfassen zu können als aus der Rückenlage. Dreht
der Säugling sich nun zu einer Seite hin, dreht sich sein Körper nicht
mehr als Ganzes mit, sondern nach und nach. Dieser Prozeß der
verschobenen Drehung zwischen Schultergürtel und Hüften wird Rotation
genannt. Der
Greifreflex hat sich bereits verändert, ist aber noch nicht vollkommen
verschwunden. Die Hände des Kindes sind in diesem Entwicklungsstadium
nicht mehr permanent geschlossen, sondern die meiste Zeit über offen.
Nach bestimmten Gegenständen möchte es nun schon gezielt greifen, es
fällt aber auf, daß dem Kind noch die hierfür nötige
Augen-Hand-Koordination fehlt. Das Greifen von verschiedenen
Gegenständen erfolgt also noch nach dem Reflexhandeln, ebenso wie das
Loslassen von Dingen. Das Greifen ist in diesem Alter noch ein
automatischer Vorgang, welcher sich mit Erwerb der
Augen-Hand-Koordination verliert. Außer der Augen-Hand-Koordination
übt der Säugling die Koordination von Hand und Mund oder Hand und
Hand.
3-4
Monate Das
Beuge-Adduktions-Muster der Gliedmaßen des ganz jungen Säuglings hat
sich zum Beuge-Abduktions-Muster geändert. Die
Entwicklung der Kopfkontrolle, des Unterarmstütz und der Ausrichtung
zur Mittellinie zeigen sich folgendermaßen: Bauchlage:
Kopf
in Mittellinie; Streckung reicht zum Unterarmstütz aus. Orientierung
zur Mittellinie. Rückenlage:
Kopf
in Mittellinie; Handspiel; Arme gebeugt; Beine gebeugt und abduziert. Hochziehen
zum Sitz: Kopf
wird mit dem Rumpf in einer Linie gehalten, noch etwas
Anfangsverzögerung. Sitzen: Rumpf muß unterstützt werden, Kopf kann einigermaßen ruhig gehalten werden, wenn der Rumpf bewegt wird. 4.
bis 6. Monat:
In
diesen Monaten entwickelt sich die Kopfkontrolle des Kindes soweit, daß
es am Ende des sechsten Monats fast jede Neigung des Rumpfes durch eine
entsprechende Kopfbewegung ausgleichen kann. Das
Gleichgewichtsempfinden des Kindes prägt sich weiter aus, es kann sich
nun allein vom Bauch auf den Rücken drehen und umgekehrt. Gelegentliche
Kriechbewegungen sind zu beobachten, ebenso wie die Fortschritte beim
eigenständigen Sitzen. Gegen Ende dieses Abschnitts kann das Baby aber
trotz des verbesserten Gleichgewichtssystems noch nicht frei sitzen. Die
Hände sind nun meistens geöffnet, und der Greifreflex ist nach dieser
Lebensphase überwunden. Das Kind hat in dieser Phase gelernt, Augen und Hände besser zu koordinieren. Dieses läßt sich bspw. daran erkennen, daß das Kind oft die Hände vor dem Körper zusammenschlägt, bzw. in jeder Hand ein Spielzeug hält und diese zusammenschlagen läßt. Viele Bewegungen laufen jetzt nicht mehr automatisch, sondern zielgerichtet ab. 5
Monate Symmetrie.
Beginn der Streckung - Abduktion der Gliedmaßen und die Landau-Reaktion
zeigen sich folgendermaßen: Bauchlage:
Weitere Streckung, schwimmartige Bewegungen auf dem Boden, die Beine
sind abduziert - gestreckt, von der Unterlage abgehoben. Die Arme
entweder nach vorn, fast gestreckt und zur Unterstützung gebraucht oder
in den Schultern zurückgezogen und gebeugt, Hände dabei von der
Unterlage abgehoben. Gegen Ende dieser Stufe stützt sich das Kind auf
einen Unterarm und langt mit der anderen Hand nach einem Spielzeug. Es
dreht sich von der Bauch- in die Rückenlage. Landau-Reaktion setzt ein. Rückenlage:
Starke Streckung der Schultern und des Rückens; Ellbogen gebeugt; Beine
gebeugt - abduziert. Die Arme können nach vorn gebracht und die Hände
zusammengeführt werden. Dreht sich auf beide Seiten. Mit 5 Monaten kann
das Kind den Rücken spannen und das Becken heben, um eine
"Brücke" zu machen, damit "übt" es die Streckung.
Es fängt an, den Kopf zu heben. Hochziehen
zum Sitz:
Kopf kommt mit nach vorn. Es hilft beim Aufsetzen mit. Die Beine werden
dabei in Beugung - Abduktion abgehoben. Sitz:
Sehr unsicher, kein
Gleichgewicht oder Armstütz. Die Arme werden in den Schultern mit
gebeugten Ellbogen zurückgezogen. Wirft sich gern zurück oder fällt
zurück. Stand:
Unterstützt, fängt es an, sein Gewicht zu tragen, jedoch noch auf
adduzierten Beinen.
6.
bis 8. Monat:
Der
Fortbewegungsdrang des Säuglings wird in diesem Lebensabschnitt immer
stärker. Das Kind krabbelt und kriecht und erkundet auf diese Weise
seine Umgebung. Funktioniert der Prozeß des Krabbelns noch nicht
vollständig, so bewegen sich einige Kinder durch Eigenrotation
vorwärts, d. h. durch Drehen um die eigene Achse. Das
Baby spielt gerne mit seinen Füßen und zieht sie oft in die Nähe
seines Mundes. Inzwischen kann es sich alleine zum Sitzen hochziehen und
sich dabei auch gut nach vorne abstützen. Hilft man dem Kind beim
Aufstellen, so wippt es dabei häufig auf und ab und testet somit seine
Kraft, und sein Bewegungsdrang wird deutlich. Das Stehen funktioniert
allerdings nur, wenn das Kind gehalten wird oder sich selbst festhält,
da der Fußgreifreflex es noch am selbständigen Stehen hindert. Der
Prozeß des Allein-Aufstehens hat zu dieser Zeit noch nicht eingesetzt. Die Augen-Hand-Koordination und die Entwicklung der Feinmotorik sind inzwischen soweit fortgeschritten, daß das Kind gezielt Dinge zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen kann. Vorher nahm es die Gegenstände meistens mit der ganzen Hand auf. 6
Monate Starke
Streckung und Abduktion der Arme und Beine. Starke Stellreaktionen.
Landau wird stärker. Gute Kopfkontrolle in Rücken und Bauchlage. Bauchlage:
Volle Streckung und
Stütz auf gestreckten Armen. Greift mit der einen Hand nach Spielzeug,
während es sich mit der anderen abstützt. Beine sind gestreckt und
abduziert. Rückenlage:
Streckt die Arme nach
vorn, wenn die Mutter es hochnimmt. Hebt die Beine und spielt mit den
Füßen. Fuß zum Mund. Dreht sich auf den Bauch. (Streckung und
Abduktion ermöglichen Rotation - Körperstellreaktionen auf den Körper
setzen ein.) Hochziehen
zum Sitz:
Hebt die Beine mit Streckung; hebt den Kopf von der Unterlage, zieht
sich zum Sitzen hoch. Sitz:
Stützfunktion der Arme nach vorn. Fällt jedoch noch leicht nach
hinten. Sitzt kurz ohne Unterstützung; noch keine Rumpfbalance. Stand: Stramm stehend, das Gewicht wird auf weit abduzierten Beinen gehalten. 7-8
Monate Beginn
der Rumpfrotation. Rumpfkontrolle und Sitzbalance entwickeln sich, der
Landau-Reflex ist stark. Schutzreaktion nach vorn und zur Seite ist da.
Dies zeigt sich folgendermaßen: Bauchlage:
Geht aus Bauchlage zum Sitzen. Dreht sich auf dem Bauch um sich selbst.
Schiebt sich vor und zurück mit den Armen. Krabbelt und geht über eine
Seite zum Sitzen. Rückenlage:
Schätzt diese Stellung nicht (starke Stellreaktionen). Dreht sich um
oder setzt sich auf. Sitz:
Sitzt minutenlang
ohne Hilfe. Stützfunktion der Arme nach vorn (7 Monate). Sitzbalance
sehr gut, Stützfunktion der Arme zur Seite (8 Monate). Stand:
Zieht sich an Möbeln zum Stand hoch, kriecht aber noch nicht auf
Händen und Knien. 8-9/10
Monate Beginn
der Fortbewegung. Sehr starker Landau-Reflex. Sitzbalance perfekt.
Beginn der Stützfunktion der Arme nach rückwärts. Dies zeigt sich
folgendermaßen: Bauchlage:
Kriecht auf Händen und Knien, auf Händen und Füßen oder auf einem
Fuß und einem Knie. Sitz:
Dreht sich im Sitzen um sich selbst, gute Balance ohne Armstütz. Geht
vom Kriechen zum Sitzen und umgekehrt. Stand:
Beine weit abduziert. Geht, sich an Möbeln festhaltend, oder wenn es an
beiden Händen gehalten wird.
9.
bis 12. Monat
In
diesem Lebensabschnitt erlebt das Baby seine bisher aktivste Phase. Es
hat die für die Fortbewegung nötigen Muskeln gut trainiert und schafft
es nun, auch über längere Entfernungen aktiv seine Umwelt zu
erforschen. Viele Einflüsse tragen dazu bei, daß das Nervensystem des
Kindes stimuliert wird. Zu diesen Einflüssen gehören unter anderem die
Auswirkungen der Erdanziehungskraft, die Empfindungen der Muskeln, die
Kopf und Körper aufrecht erhalten und die Knochen, die dem Kind einen
wesentlichen Halt geben. Zwischen dem neunten und zwölften Monat lernt das Kleinkind, sich alleine aufzustellen. Dies bedeutet, daß es den Fußgreifreflex nun völlig überwunden hat und seine kleinen Füße den verhältnismäßig großen Körper alleine tragen können. Dieser Prozeß verlangt von dem Baby einen bereits gut geübten Gleichgewichtssinn. Der Vorgang des Aufstehens ist für das Kind der bisher komplexeste Bewegungsvorgang, da hierbei sehr viele kleine Prozesse unbewußt ablaufen müssen. Das Kind kennt inzwischen jeden Körperteil soweit, daß es ihn einigermaßen steuern kann, die automatischen Bewegungen und Reflexe sind überwunden. Das Gehirn ist soweit ausgebildet, daß alle kleinen Bewegungsabläufe von dort aus gesteuert werden. So müssen zum Stehen das Wissen um den Umgang mit der Schwerkraft, die Information über Muskel- und Gelenkempfindungen und die lang geübte Kombination der Nackenmuskulatur und der Augenfunktion in Einklang gebracht werden. Gegen Ende des ersten Lebensjahres beginnen die meisten Kinder zu laufen. Dieser Vorgang ist, genau wie der des Aufstehens und des Alleine-Stehens, noch sehr wackelig und ungelenk, wird aber mit zunehmender Erfahrung des Kindes schnell geschmeidiger. Das Kleinkind ist in dieser Lebensphase soweit, daß es Gegenstände gezielt in die Hand bzw. zwischen Daumen und Zeigefinger in den sogenannten ,,Kneifzangengriff`` nehmen kann und sie ebenso gezielt wieder loslassen kann. Die
weitere Entwicklung bis zum zweiten Lebensjahr
Nach
den ersten zwölf Lebensmonaten hat das Kind die grundlegenden Bausteine
für seine motorische Entwicklung gelegt. Es hat gelernt, seine Muskeln
zu benutzen und hat sie durch gezielte Bewegungen geübt und gestärkt.
Außerdem hat es gelernt, seine Körperteile zu koordinieren, so zum
Beispiel die Augen-Hand-, die Hand-Mund- und die Hand-Hand-Koordination.
Die Motorik des Kindes ist insgesamt viel geschmeidiger geworden, und
das Kind kann Prozesse aufgrund dessen sichtbar gezielter ausführen.
Durch die Entwicklung der Motorik sind einige der Säuglingsreflexe
unwichtig geworden und haben sich nach und nach abgebaut. So haben sich
gegen Ende des ersten Lebensjahres fast alle Automatismen verloren. Das
Kind übt nun in der folgenden Phase das freie Laufen und den sicheren
Haltungswechsel in allen Positionen. Diese zahlreichen Varianten der
Bewegungen, welche das Kleinkind testet und trainiert, zeigen ihm, wie
sein Körper funktioniert und in welchem Zusammenhang diese mit der
handelnden Umwelt stehen. Sein überaus großer Erkundungsdrang bringt
das Kind dazu, viele physikalische Prozesse in seiner nächsten Umgebung
auszuprobieren, so beispielsweise das Auseinandernehmen bzw.
Ineinanderstecken von Gegenständen, Steckspielen u.ä. oder indem es in
Schränke hineinkrabbelt. 14
Monate: Das
Kind steht ohne Hilfe.
Vom Stehen mit Festhalten kommt das Kind allein zum Sitzen. 15
Monate: Das
Kind bedient sich aller Fortbewegungarten (75 % aller Kinder laufen) und
nutzt alle Bewegungsübergänge.
Das Krabbeln ist koordiniert und wird mit guten Rotationen
durchgeführt. Viele Kinder können vom Stand in die Hocke gehen und
einen Gegenstand aufheben und diesen beim Laufen auch schon in der Hand
halten. 18
Monate: In allen Positionen erweitert das Kind seine Qualitäten. Das Laufen verbessert sich zunehmend, häufig noch im Knick-Senk-Fuß, die Hüften sind meist noch innenrotiert, auch breitbasiges Gehen kann noch vorkommen. Beim Laufen kann das Kind abbremsen. Das Kind geht in die Hocke, um etwas aufzuheben. Gegenstände werden schon geordnet, Dinge können durchaus ausgepackt werden, Oberflächen werden ertastet. Einige Kleidungsstücke zieht das Kind schon alleine aus. 24
Monate: Freihändiges
Aufstehen findet statt. Das Kind läuft frei ohne hinzufallen. Das
Treppensteigen erfolgt häufig noch mit Festhalten, das Absteigen mit
abgestelltem Schritt.
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Geistige
Entwicklung
Die
geistige Entwicklung eines Säuglings vom Neugeborenen bis zum aktiven
Kleinkind durchläuft mehrere Phasen. In
den ersten Lebensmonaten nimmt der Säugling viele Eindrücke in sich
auf, die er unbewußt verarbeitet. Die Sinne spielen hierbei eine sehr
große Rolle, denn nur über diese kann der Säugling Informationen
aufnehmen. Jede Information wird im Gehirn gespeichert und erweitert auf
diese Weise seine Kenntnisse von der Umwelt. Bei der Geburt sind die
Nervenzellen des Kindes noch sehr spärlich vorhanden und nur wenig
verzweigt, nach drei Monaten jedoch konnten sie durch die vielen
Informationen, die über die Sinne aufgenommen wurden, bereits ein
dichtes Netz bilden. In
den folgenden Lebensmonaten erweitert sich dieses Netz soweit, daß der
Säugling sich langsam vom passiven Wesen, welches hauptsächlich
Informationen sammelt, zu einem aktiven Kind entwickelt, welches seine
Umwelt durch eigene Pläne und Handlungen mitgestaltet. Das Kind erkennt
und registriert in seinen ersten vier Lebensmonaten einfache
Gewohnheiten und reagiert auf diese eher mit Zufallshandlungen. In
der Zeit zwischen dem vierten und achten Monat wiederholt es ständig
vertraute Schemata, obwohl auch in dieser Phase die Anzahl der
Zufallshandlungen noch sehr hoch ist. Das Kind übt die Koordination der
bisher erworbenen Funktionen und Schemata. Im
letzten Drittel seines ersten Lebensjahres beginnt das Kind, Mittel und
Zweck zu differenzieren. Bisher bekannte Schemata werden wiedererkannt
und auf neue Situationen angewandt. Das Kind ist nun soweit, daß es
Zusammenhänge erkennt und Situationen analysieren kann, auf die es mit
vorausgedachten Handlungen reagieren kann. Der Prozeß der Analyse und
Synthese hat also begonnen. In
der Zeit bis zum 18. Lebensmonat erweitert das Kleinkind seinen
Horizont, indem es über das Ausprobieren und sein
experimentierfreudiges Verhalten wieder neue Schemata entdeckt. Zu
seinen bisherigen Verhaltensweisen kommt das Versuch-Irrtum-Verhalten. In den folgenden Monaten werden die bereits erworbenen Fähigkeiten immer mehr erweitert und vervollständigt. Das Kleinkind fängt an, durch geistige Kombination neue Mittel zu entdecken, die es wiederum in Verbindung mit seinen bereits erworbenen Kenntnissen bringt. |