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Geschichte -
Hafen Tempelhof und Teltowkanal |
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Robert Knobloch |
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Einleitung
Derzeit steht
ein imposantes Speichergebäude in Berlin im Mittelpunkt vieler
Diskussionen. Es ist das Speichergebäude des Hafens Tempelhof, am
Teltowkanal, in prominenter Nachbarschaft zum Ullsteinhaus, gelegen.
Das gesamte
Hafen-Areal ist im städtebaulichen Kontext gesehen unterentwickelt und
untergenutzt. Problematisch an der derzeitigen Situation sind die
Eigentumsverhältnisse.
Es existieren
vier Besitzer dieses Geländes. Ein Großteil des Hafenbeckens gehört
der Bundeswasserstraßenverwaltung. Das übrige Gelände, samt
Speichergebäude, wurde 1990 an die drei brandenburgischen Landkreise
Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald rückübertragen.
Seit dieser Zeit herrschte Uneinigkeit der Landkreise über den
weiteren Umgang mit dem Hafengelände.
Doch wie kam
es dazu, dass eine Hafenanlage mit Speichergebäude mitten in Berlin
Eigentum dreier brandenburgischer Landkreise wurde?
Welche
Funktion hatte das Speichergebäude und welche Funktion steht ihm heute
zu?
Diese Fragen
hängen ganz eng mit dem Bau des Teltowkanals zusammen, ohne den es den
Hafen Tempelhof nicht geben würde… |
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Fertiggestelltes Speichergebäude am Hafen Tempelhof und
Treidelanlage des Teltowkanals |
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Der Teltowkanal
Ziele
Der Bau des
Teltowkanals hatte zwei bedeutende Gründe. Zum einen sollte eine
geordnete Entwässerung, insbesondere der Ortschaften Britz, Rixdorf,
Tempelhof, Mariendorf, Steglitz, Lankwitz und Lichterfelde gesichert
werden. Diese Ortschaften des Kreises Teltow verfügten über keine
ausreichende Entwässerung und sollten Regenwasser in den Kanal
ableiten können. Somit sollten die Ortschaften von periodischen
Überschwemmungen zukünftig verschont bleiben.
Ein anderer
Grund war der Ausbau des Wasserstraßennetzes. Vor dem Bau des
Teltowkanals führte die Wasserverbindung von Elbe und Oder
ausschließlich über Charlottenburg und Spandau und von dort aus über
die Spree und den Landwehrkanal mitten durch das damalige Berlin. Dies
stellte einen erheblichen Umweg dar. Es galt, einen effektiven
Transportweg zu schaffen, der südlich um Berlin herum führte, Elbe und
Oder zügiger verband und zahlreiche Schleusen sowie den zunehmenden
Verkehr auf Spree und Landwehrkanal zu umfahren half. Oberstes Ziel
war der Abbau von wirtschaftlichen Verlusten. |
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Planung und
Fertigung
Erste
Planungen für einen Kanal stammten aus dem Jahre 1861. Im Jahre 1874
veranlasste der Teltower Landrat Ernst von Stubenrauch (1853-1909)
den Entwurf für einen Kanal, der die Havel mit der Oberspree verband.
Doch dauerte es noch über 25 Jahre, bis der endgültige Beschluss zum
Bau des Teltowkanals gefasst wurde. Mit der allgemeinen Planung wurde
das Ingenieurbüro Havestadt & Contag beauftragt.
Der Kreis
verpflichtete sich gegenüber dem Staat, die notwendigen finanziellen
Mittel selbst aufzubringen und erhielt im Gegenzug das
Betriebsmonopol. Somit trat zum ersten Mal nicht der Staat als
Unternehmer eines solchen Projektes auf.
Am 22.
Dezember erfolgte der erste Spatenstich in der Nähe des Schlosses
Babelsberg. Bereits sechs Jahre später war der Kanal in seinen
wesentlichen Teilen fertig gestellt und 1907 in vollem Umfang in
Betrieb genommen.
Der
Teltowkanal hat eine Länge von zirka 38 km. Er weist eine Breite von
27,5 m und eine maximale Tiefe von 2,6 m auf.
Die
Baumaßnahmen umfassten neben dem Bau des Kanals und den
Betriebsanlagen auch die Errichtung von 46 Straßen- und Wegebrücken,
sowie neun Eisenbahnbrücken.
Der neue
Wasserweg war für Schiffe von 600 t ausgelegt, die anfangs nicht mit
eigener Triebkraft fahren durften, sondern durch eine Treidelanlage,
mit einer Geschwindigkeit von 4 km/h, gezogen wurden. Dabei wurden die
Schiffe von Land aus mittels elektrisch betriebener Treidellokomotiven
gezogen. „Das Prinzip des Treidelns (lat. tragulare = schleppen)
ermöglichte eine sehr viel schnellere und preiswertere Gründung des
Kanalbettes. Die sandigen Ufer und das Kanalbett hätten bei
Eigenantrieb der Schiffe sehr viel aufwendiger gegen den entstehenden
Sog und Wellenschlag geschützt werden müssen“1.
Durch eine
vertragliche Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich und dem Kreis
Teltow im Jahre 1924 wurde die „Teltowkanal-Aktiengesellschaft“
gegründet, die bis heute für die betriebliche Abwicklung und die
Instandhaltung der Wasserstraße verantwortlich ist.
Von Beginn an
war der Hafen Tempelhof der bedeutendste Umschlagplatz am Teltowkanal.
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Bau des
Teltowkanals 1903 |
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Der Hafen Tempelhof
Die
Lagersituation in Berlin um 1900
Am Ende des
19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gab es aus Richtung der Wirtschaft
vermehrt Stimmen, die einen steigenden Mangel an zweckmäßigen,
modernen Vorkehrungen zum Löschen, Lagern und Umschlagen von Waren für
Berlin beklagten.
Berlin lang in
dieser Frage weit hinter anderen Städten zurück Es gab nur einen
Speicher mit unmittelbarem Wasser- und Gleisanschluss, den Packhof am
Lehrter Bahnhof. Dieser diente zudem nur als Speicher für unverzollte
Waren. Viele Firmen brachten ihre Waren verteilt in gemieteten Böden
und Kellern unter. Es fehlte an Technik und Zugang zu
Verkehrssystemen.
Ein weiteres
Phänomen der damaligen Speichernot Berlins war die Lagerung von Waren
in so genannten „Stehkähnen“, welche am Ufer lagen. Dies kostete
Liegegeld, verengte das Fahrwasser und wirkte sich zum Teil negativ
auf die Qualität der Waren, insbesondere auf Getreide, aus. Quellen
dieser Zeit berichten von zeitweise bis zu „20.000 Tonnen Getreide“2,
welche auf diese Weise gelagert wurden.
Diese
Umstände trugen zur starken Verteuerung des Umschlagverkehrs in Berlin
bei. Trotzdem blieben viele Vorschläge zur Errichtung von
Hauptspeichern lange Zeit nur unausgeführte Pläne.
Erst 1907
wurde durch die Stadt Berlin der Bau eines großen Hafens mit
Speichergebäuden am Rummelsburger Hafen genehmigt, der „Osthafen“
wurde dort 1913 fertig gestellt.
Im
Zusammenhang mit diesen Überlegungen und der Fertigstellung des
Teltowkanals, lag es nahe, auch dort einen Speicher zu errichten. Als
Standort wurde der heutige Tempelhofer Hafen, mittig im Kanalverlauf
gewählt. An dieser Stelle war der Kanal der Stadt Berlin am nächsten.
Zudem gab es eine Straßenanbindung über die Berliner Straße (heute „Tempelhofer
Damm“) und einen leicht zu realisierenden Eisenbahnanschluss über die
„Rixdorf-Mittelwalder Bahn“.
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Bau des
Hafens Tempelhof
Im Oktober
1904 genehmigte der Teltower Kreistag die Bauvorlage der Firma
Havestadt & Contag für einen 21.000 m² umfassenden Bodenspeicher. Die
Bauleitung wurde von Oberingenieur Wiig, in Zusammenarbeit mit dem
Architekten Schmidt (architektonischen Belange) und dem Ingenieur
Braun (konstruktive Belange), übernommen.
Das Gelände
für die Errichtung des Hafens hat eine Größe von zirka 4,5 Hektar und
liegt nördlich des Teltowkanals, östlich der damaligen „Berliner
Straße“.
Da sich vor
dem Kanalbau auf dem Gelände Sammel- und Verdunstungsbecken der
tempelhofer Kanalisation befanden, waren umfangreiche Bodenmaßnahmen
nötig, um die Gründung des Hafens zu ermöglichen.
Nach der
Trockenlegung des versumpften Areals, traf man auf guten Baugrund. Das
gesamte Hafengelände wurde auf eine Höhe von zwei bis drei Meter über
der Wasserkante des Teltowkanals abgesenkt. Es wurde ein etwa
viereckiges, 2,1 m tiefes Hafenbecken ausgehoben. Die Beckenkanten
haben eine Breite von maximal 170 m (minimal 157 m) und 70 m. Die
Einfahrt in das 1,2 Hektar große Hafenbecken hat eine Breite von 20 m.
Über die Einfahrt führte eine eiserne Brücke (siehe Foto).
An der
Nordseite wurde das Hafenbecken zum Speichersolitär mit einer massiven
Kaimauer eingefasst. Hier entstand der direkte Gleisanschluss an die
Staatsbahn. Die Waren konnten direkt vom Boot auf den Wagen und
umgekehrt verfrachtet werden.
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Querschnitt durch die Putzerei |
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Das
Speichergebäude
Der 1906 (der
Literatur sind keine einheitlichen Daten zu entnehmen, sie schwanken
zwischen 1906 und 1908) fertiggestellte Gebäuderiegel des Speichers
hat eine Länge von 120 m und eine Breite von 25 m.
Das
symmetrische Gebäude ist durch zwei Brandwände in drei gleich große
Teile gegliedert.
„Der
viergeschossige Mittelteil ist gegenüber den beiden dreigeschossigen
Seitenteilen überhöht. Neben architektonischen Aspekten wurde dadurch
ermöglicht, das in diesem Teil befindliche innere Becherwerk zur
Getreideförderung problemlos unterzubringen. Die Seitenteile wurden
mit hohen Mansarddächern überdacht, was die Lagerkapazität
vergrößerte. Im Übergangsbereich zum Mittelteil werden diese durch
zwei, zur Längsseite des Speichers giebelständige, schmale
Mansarddächer aufgebrochen, zwischen denen sich das zweistufige
Satteldach des Mittelteils befindet“3.
An den
Längsseiten des Speichers befinden sich auf Erdgeschossniveau
Laderampen. Auf der Wasserseite befanden sich zwei Kräne zum Löschen
von Losgetreide.
Die 21.000 m²
Gesamtfläche des Speichers verteilt sich, inklusive der Dach- und
Kellergeschosse, über sieben, etwa 3.000 m² große, Geschosse. Das
Erdgeschoss verfügt mit 4,15 m über die größte Höhe und diente somit
als Arbeitsgeschoss. Die übrigen Etagen haben eine Höhe von 3 m.
Das Haus wird
durch eine Pfeilerkonstruktion getragen, tragende Wände gibt es nicht.
Die dickeren Wände innerhalb des Gebäude dienen ausschließlich dem
Brandschutz.
Die
Haupterschließung des Speichers erfolgte über die westliche
Giebelseite an der ehemaligen Berliner Straße. Dort befinden sich das
Haupttreppenhaus, ein Personenaufzug und ehemalige Büros u. a. für
Zollbeamte. Weitere Treppenhäuser befinden sich an der östlichen
Giebelseite und zweifach an der Landseite des Gebäudes. Somit hatte
jeder Teil des Hauses Zugang zu den Treppenhäusern und damit
gesicherte Fluchtwege.
Mit Ausnahme
des Dachstuhls besteht das gesamte Gebäude aus Eisenbeton, einem, für
die damaligen Verhältnisse, sehr modernen Baustoff. Der Dachstuhl
besteht aus einer Holzkonstruktion.
Die Außenwände
des Speichers wurden aus Mauerwerk errichtet und dienen lediglich der
Ausfachung des Eisenbetonskelettes. Da sie keine tragende Funktion
besitzen, konnten sie gering dimensioniert werden, was zu einem
zusätzlichen Platzgewinn führte.
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Gleis
zwischen Speicher und Becken (Vorkriegsnutzung) |
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Kriegsschäden |
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Der
Speicherbetrieb
Der Speicher
wurde als Bodenspeicher für die Aufnahme von Getreide, besonders losem
Getreide, genutzt. Unverzollte Waren, z. B. aus dem Hamburger
Freihafen, wurden durch die Zollwache direkt im Gebäude verzollt. „Das
Löschen der Waren, vor allem des Losgetreides, machte umfangreiche
Maschineneinrichtungen nötig. Zum Löschen der Waren liefen an der
Wasserseite des Speichers zwei Außenkräne und ein Schiffsbecherwerk
für Losgetreide. Ein Absetzen von Waren durch die Außenkräne direkt in
die höheren Geschosse fand ursprünglich nicht statt. Sämtliche zur
Lagerung bestimmte Güter wurden zunächst im Erdgeschoss abgesetzt und
(…) von dort im Speicher verteilt. Dazu dienten zwei Lastenaufzüge,
die jeweils in der Mitte des ersten und dritten Abteils vom Keller bis
zum Dachgeschoss durchgehen, außerdem Becherwerke und die
Bandförderanlage für Losgetreide. Dieses Annahmeband verlief unter der
gesamten südlichen Ladebühne und beförderte das Getreide ins
Kellergeschoss zur Putzerei, welche zwischen dem zweiten und dritten
Abteil lag. Diese war durch sämtliche Geschosse vom Speicherraum
feuerfest abgetrennt. Ein Annahmebecherwerk beförderte das Getreide
bis in das 4. Obergeschoss. Auf dem anschließenden Weg nach unten
durchlief das Getreide eine Waage (3. OG) und eine Reinigungsmaschine
(2. OG). Durch schräge Fallrohre gelangte das Getreide wieder im
Kellergeschoss, von wo aus es wiederum mittels zweier Hauptbecherwerke
auf waagerechte Verteilungsbänder auf einer Laufbühne im Dachgeschoss
gelangte. Diese übernahm die Verteilung längs zur Gebäudeachse zu
Trichtern des im ganzen Speicher verteilten senkrechten Rohrnetzes,
welches die einzelnen Böden schließlich beschüttete. Dieses Rohrnetz
diente ebenfalls dem Umschütten von Getreide innerhalb des Speichers,
sowie der Auslagerung von gelagertem Getreide“4.
In den letzten
Kriegsmonaten wurde der Speicher durch das deutsche Militär stark
zerstört. Betroffen waren besonders Mittelteil und Dachstuhl des
Gebäudes.
Wenig später,
im Jahre 1951, begann der Wiederaufbau des Speichers. Dies hatte einen
neuen, wichtigen Grund. Durch die Berlin-Blockade, von 1948-49,
lagerte der Westberliner Senat, über ganz Westberlin verteilt,
Lebensmittel für den Notfall ein, die so genannte „Senats-Reserve“. So
wurde der Speicher, von diesem Zeitpunkt an bis zur Deutschen Einheit,
als Lagergebäude genutzt. Eine Umschlagsfunktion hat er seit dieser
Zeit nicht mehr.
1997 wurde das
gesamte Gelände unter Denkmalschutz gestellt.
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Wiederaufbau
1951 |
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Einlagerung
der Senatsreserve |
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- Heinze,
Axel & Lasnia, Marcel: Revitalisierung des Tempelhofer Hafens,
Diplomarbeit des Fachbereiches IV – Architektur (SS
2001) der Technischen Fachhochschule Berlin, S. 17
- Heinze,
Axel & Lasnia, Marcel: Revitalisierung des Tempelhofer Hafens,
Diplomarbeit des Fachbereiches IV – Architektur (SS 2001) der
Technischen Fachhochschule Berlin, S. 18
- Heinze,
Axel & Lasnia, Marcel: Revitalisierung des Tempelhofer Hafens,
Diplomarbeit des Fachbereiches IV – Architektur (SS 2001) der
Technischen Fachhochschule Berlin, S. 27
- Heinze,
Axel & Lasnia, Marcel: Revitalisierung des Tempelhofer Hafens,
Diplomarbeit des Fachbereiches IV – Architektur (SS 2001) der
Technischen Fachhochschule Berlin, S. 29
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Quellen:
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Heinze, Axel & Lasnia, Marcel:
Revitalisierung des Tempelhofer Hafens, Diplomarbeit des
Fachbereiches IV – Architektur (SS 2001) der Technischen
Fachhochschule Berlin
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Bah, Jassin: Nachhaltige
Planungsprozesse und ihre Finanzierung am Beispiel des Hafens
Berlin-Tempelhof, Diplomarbeit am Institut für Stadt- und
Regionalplanung der Technischen Universität Berlin, 2002
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