Die verschiedenen Erscheinungsformen, unter denen uns philosophische Grundsätze oder Prinzipien begegnen, drücken, ungeachtet ihrer Verschiedenheit, alle "SEIN" aus, im Sinne einer Antwort auf die philosophische Grundfrage nach dem "Anfang, Ursprung und Wesen der Dinge". Die philosophische Frage nach dem "letzten Seinsgrund" nach dem "ersten Prinzip und der ersten Ursache" ist letzten Endes die Frage nach dem Gleichbleibenden, nach dem Konstanten, nach dem Einheitlichen, nach dem Bezugslosen, nach dem Sich-Durchtragenden, auch wenn "Gleichbleibendes" und "Konstantes" beispielsweise als "Prinzip der Bewegung und Veränderung" gefaßt wird. Bewegung selbst, als ein solches konstantes Prinzip gefaßt und verabsolutiert, wird derart zur Ruhe eingefroren. Dies hat in erster Linie mit der in der Philosophie bis heute vorherrschenden Denkmethode zu tun, was im Verlaufe unserer Erläuterungen deutlich zu ersehen sein wird. Die philosophischen Antworten auf die Grundfrage nach dem Wesen der Dinge mögen also ganz unterschiedlich erscheinen, sie gleichen sich jedoch grundsätzlich in einem Punkt, insofern sie alle "Ruhe" ausdrücken.
Auch unsere Setzung, unser Satz, KOSMOS, wird Ruhe ausdrücken. Wir erinnern hier nur kurz daran, daß wir im Verlaufe unserer Überlegungen nicht bei unserer Setzung stehen bleiben werden, das heißt, daß wir nicht nur setzen, nicht nur Ruhe postulieren, sondern daß wir auch gegensetzen, Bewegung gegensetzen. Und diese Gegensetzung wird dahingehend überschritten werden, daß wir entgegensetzen, Bezug entgegensetzen.
Bevor wir unsere Setzung, unseren Satz KOSMOS ausführen, werden wir an dieser Stelle noch ein paar Vorbemerkungen vorausschicken, was bei uns nicht unter KOSMOS zu verstehen ist. Wir verstehen darunter nicht das, was uns im Alltagsgebrauch unter der sogenannten"objektiven Realität", der "unabhängig von uns existierenden Außenwelt", oder dem "physikalischen Kosmos" usw. entgegentritt, also eine von der "wunderbaren Welt des menschlichen Geistes" dualistisch getrennte, physikalische Entität. Wir nehmen auch keine Wertung vor, in dem Sinne, wie beispielsweise Materielles, Körperliches bei Platon unter der Formel "soma sema" zusammengefaßt wird ("der Körper ist das Grab der Seele"), oder in der Art, wie etwa bei Plotin die Materie als "teuflische" auftaucht. Unser Ergriff KOSMOS hat keinerlei wertende, normative Implikationen. Kosmos ist nicht "besser" oder "schlechter" oder erst- oder zweitrangiger oder höher- oder minderwertiger als Idee, Geist, das Geistige, und dasselbe gilt auch umgekehrt. Ebensowenig drücken wir eine Relation von Kosmos zu Geist in dem Sinne aus, daß es sich um ein philosophisches Abfallprodukt von Geist oder um ein dialektisches Exkrement eines Weltgeistes handelt, oder um ein creatio ex nihilo seitens eines "höheren Wesens". Genauso gilt umgekehrt, dass Geist kein Ausscheidungsprodukt von Materie, oder der Gedanke eine Ausscheidung des Gehirns ist, vergleichbar dem "Harn als Ausscheidung der Niere", wie es zum Beispiel in der Geschichte der Philosophie im Rahmen des mechanischen Materialismus angenommen worden ist.
Bei uns gilt: KOSMOS ist.
Kosmos ist eo ipso, von selbst.
Kosmos ist das, was ist. Kosmos ist das WAS, Quidditas, das, was Kosmos
ist, Essenz.
Kosmos ist an sich.
Kosmos ist identisch mit sich.
Kosmos ruht.
Nachfolgend erläutern wir unsere Aussage "Kosmos ist", mit allen ihren in den Folgeaussagen enthaltenen Implikationen, insofern in diesen zusammenfassend die zentralen Momente unserer Definition von Kosmos enthalten sind.
Erstens: Kosmos ist eo ipso, von selbst: Das heißt, Kosmos ist weder das Produkt eines "Weltbaumeisters", noch der Stoff eines "Formgebers", noch das Schaffensergebnis eines "Schöpfers". Kosmos ist schlicht und einfach von selbst, durch sich selbst.
Zweitens: Kosmos ist das, was ist. Hier liegt auf den ersten Blick eine Tautologie vor, insofern die Aussage dasselbe Verhältnis doppelt wiedergibt. Philosophisch und im vorliegenden Falle allerdings ist es von zentraler Wichtigkeit, die Sache ("Kosmos") und die zentrale Aussage über sie ("ist das, was ist") als zwei Momente ein und desselben Verhältnisses zu erfassen. Es hier nämlich die Quidditas angesprochen, das Was einer Sache, die Washeit einer Sache, nämlich ihr Wesen, ihre Essenz. Wenn wir also sagen: Kosmos ist das, was ist, so sagen wir damit aus, daß "Sein" das Wesen, die Essenz von Kosmos ist, nämlich eben: kosmisches Sein im Unterschied zu ontischer Existenz, bei uns später mit dem Begriff EINAI bezeichnet. Wir verstehen Sein, kosmisches Sein als den Akt von Kosmos. "Kosmos ist" also verstanden im Sinne von "Kosmos agiert", wir könnten auch sagen: Kosmos "kosmosiert".
Drittens: Kosmos ist an sich. An sich, griechisch kath’ hautó, lateinisch in se, ipse in re, heißt: die Sache selbst, die Sache als solche, die Sache außerhalb jeder Beziehung. Bei uns also: Kosmos selbst, Kosmos als solcher, Kosmos bar jeder Beziehung, ohne jede Beziehung. Präziser formuliert: Kosmos ist nicht bezogen auf etwas, Kosmos ist indifferent gegenüber anderem und gegenüber sich selbst, wir sagen auch: Kosmos ist identisch mit sich, Kosmos ist unmittelbar. Der Bezug von Kosmos auf Anderes besteht darin, daß Kosmos nicht auf Anderes bezogen ist. Der Bezug von Kosmos zu sich selbst, sein Selbstbezug, besteht ebenfalls darin, daß Kosmos nicht auf sich bezogen ist.
Es ist hier von äußerster Wichtigkeit, zu verstehen, daß ein Bezug den Inhalt: "Nicht-Bezug" haben kann. "Keinen Bezug haben" drückt auch eine Art von Bezug aus. Wir halten fest: An sich, Indifferenz, Identität, Unmittelbarkeit, Selbstbezogenheit, Akt des Kosmos, Affirmation, drücken eben dies aus: bar jeder Beziehung, ohne jegliche Beziehung, Nicht-Bezug, wobei hier das "Nicht-" nicht im Sinne von "alles mögliche andere" oder "gar nichts" zu verstehen ist, sondern als das Nicht von Bezug, als das auf Bezug bezogene Nicht-, als das, was Bezug nicht ist.
Viertens: Etwas, was außerhalb jeder Beziehung steht - in der Philosophie auch oftmals mit dem Begriff "absolut" bezeichnet - ist beziehungslos, ist an sich beziehungslos, ist indifferent, ist unmittelbar, ist identisch mit sich, ruht. Kosmos als nicht auf anderes bezogen, Kosmos als auf sich selbst bezogen insofern nicht- auf sich selbst bezogen, Kosmos ruht. Unser Ergriff "Ruhe" erfasst damit kosmische Nichtbezogenheit mit ihrem zweifachen Moment: Nichtbezogenheit-auf-Anderes und Nichtbezogenheit-auf-Sich (Selbstbezug). Unser Ergriff Ruhe drückt also dies aus: Nichtbezogenheit, Selbstbezug, Identität, Unmittelbarkeit.
Zusammenfassend: Kosmos ist von und durch sich selbst, Kosmos ist Essenz, Kosmos ist an sich, Kosmos ist identisch mit sich, Kosmos ruht. Und genau aufgrund dieser Eigenschaften können wir Kosmos erfassen, ergreifen, handeln, affirmieren und identifizieren.
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