Ich fühle deine Sanftheit

Ich fühle deine Sanftheit meinem Lande sich nähern,

belauschen den Blick meiner Augen, fliehen,

ich sehe sie innehalten, um mir zu folgen bis zur Stunde

meines versunkenen Schweigens und meines Verlangens nach dir.

Da ist sie, deine Sanftheit lieblicher Augen, die warten.

Da ist er, dein Mund, ein nie gesprochenes Wort.

Aufsprießen fühl ich in mir die Moose des Kummers,

tastend wachsen sie mir in der unendlichen Seele.


Dies war das Verlassen, und du wußtest es,

dies war der dunkle Krieg zwischen dem Herzen und allen,

war die zerissne Klage umgetriebener Ängste,

die Trunkenheit, die Sehnsucht und das Sichtreibenlassen,

und dies war mein Leben,

dies war, was das Wasser deiner Augen mitnahm,

dies war, was hineinging in deine hohlen Hände.


Ach, mein Falter, du, mein Taubengurren,

ach, mein Trinkglas, mein Bach, du, ach, meine Gefährtin!

Kam mein Lockruf, sag mir, kam er zu dir

in den klaren Nächten mit frostigen Sternen,

jetzt, im Herbst, im gelben Tanz

der hungrigen Winde und fallenden Blätter?


Sag mir, kam er zu dir

heulend, oder wie, oder schluchzend,

in der Stunde des vergorenen Blutes,

wenn die Erde wächst und pulsierend sich biegt

unter der Sonne, die sie streift mit ihren Bernsteinschweifen?


Sag mir, fühltest du, wie ich

emporklomm bis zu deiner Gestalt durch alles Schweigen

und alle Worte?

Ich fühlte mich wachsen. Niemals wußte ich, wohin.

Es ist jenseits von dir. Verstehst du Schwester?

Die Frucht entzieht sich nämlich, wenn meine Hände kommen,

und es rollen die STerne fort vor meinem Blick.


Ich fühl's, ich bin die Spitze eines endlosen Pfeiles,

und er fliegt in die Ferne, wird nie sein Ziel erreichen,

ein Zug voll feuchter Schmerzen auf der Flucht ins Unendliche,

der alles Land beträuft mit Schluchzern und mit Fragen.


Doch da ist deine traute Gestalt, die Form, die mein ist,

das Deinige, was mein ist, was dein ist und mich überflutet,

da ist sie, die mir alle Glieder tränkt mit Verlassenheit,

da ist sie, deine Sanftheit,

die selbst noch an den Wurzeln sich verklammert,

die reift noch in der Früchtekarawane

und hervorrinnt aus deiner Seele, aufgeplatzt unter meinen Fingern,

wie Weinsaft aus der zerquetschten Traube.




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Neruda
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