Skalariak

"RASH ist eine intelligente Organisation!"

Es kommt ja hin und wieder vor, daß man eine Reise tut und dann was zu erzählen hat. Tja und 1998 waren wir im Baskenland, genauer gesagt in Bilbao. Einzelheiten wollen wir Euch ersparen. Nur soviel wir führten ein schönes Leben und huldigten unserem Way of Life mit all seinen Höhen und Tiefen (?). Wir ließen uns die Sonne auf den Pelz brennen, zollten dem König Alkohol in Form von Bier und Kalimoxto (Wein mit Cola) den nötigen Respekt, verpflegten unseren Wanst mit würziger Txorizo und gaben uns dem allabendlichen Getümmel - auch Fiesta genannt - hin. Unsere Herzen wurden auch durch vertraute Töne erfreut, so z.B. bei dem gemeinsamen Abschlußkonzert von Mano Negra und Negu Gorriak vor einigen Tausend Menschen und am 20.08.1998 durch die Musikanten einer Band namens Skalariak (S), die aus dem baskischen Irunea stammen. Wir entschlossen uns zu einem Interview und stellten bohrende Fragen zu allerhand Themen und Juantxo gab uns ausführliche Antworten. Etwas umstritten ist das baskische Unabhängigkeitsstreben und der anklingende baskische Nationalismus (Dieses Problem hier kurz abzuhandeln, würde der Problematik wohl nicht genügen. Wir weisen nur darauf hin, daß wir unsere Kritik daran haben und keineswegs die ETA unkritisch sehen.). Unserer Meinung nach ist der Hauptfeind der Arbeiterklasse das kapitalistische System und seine Steigbügelhalter, also alle, die das System stabilisieren und seine Bekämpfung verhindern. Aber um zusammen in eine freiheitliche Zukunft schreiten zu können, ist es nötig erst einmal die Befreiung jedes einzelnen zu erreichen. Und das Selbstbestimmungsrecht sollte jedem zugestanden werden. Im Rahmen des Sozialismus werden Grenzen ohnehin unwichtig werden und der Staat, der den Kapitalisten in seiner Nachtwächterfunktion dient, wird absterben. Dieses vor Augen haltend, unterstützen wir jeden Kampf gegen das kapitalistische System. Die Jungs vom Celtic-Zine Tiocfaidh Ar La! haben es unserer Meinung nach richtig ausgedrückt: "Der Kampf für Unabhängigkeit in jedem Land der Welt sollte stets ein Kampf für die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse sein." Genug der Vorrede, lest selbst, was Juantxo zu sagen hat (Vielen Dank an dieser Stelle an unseren Übersetzer, der als gebürtiger Spanier einige Kritik an den Aussagen hatte, diese aber in Windeseile übersetzte und an uns zurücksandte . Denn dieses Interview wurde uns auf Spanisch beantwortet und wir dachten schon, es würde Euch niemals erreichen.).

RT: Von Skalariak ist bisher ein Beitrag bei Moon Ska Records NYC auf einer Compilation ein erschienen. Im Juni 1997 wurde auf GOR Records Euer erstes Album "Skalariak" veröffentlicht. Im Mai 1997 kam Eure erste Single "O, neure erri" ("Oh my people") heraus. Eure CD wurde von vielen Radio- und Fernsehstationen vorgestellt. Sie galt 1997 als beste Ska- und als fünftbeste Veröffentlichung überhaupt in Spanien. 1998 wart Ihr bei Auftritten in Frankreich und Italien. Wann und warum habt ihr Skalariak gegründet?<ü> S: Skalariak wurde in Irunea Ende 1994 gegründet, weil mein Bruder Peio und ich die lahme Skaszene unserer Stadt satt hatten. Pamplona (oder Irunea wie wir Basken sagen) war eine Heavy Metal-Hochburg im Baskenland. Weder Peio noch ich hatten zuvor in einer anderen Band gespielt. Die anderen haben wohl in Bands gespielt, aber es ist unmöglich, daß ihr sie kennt.

RT: Was für ein Label ist GOR, auf dem euer Album erschien?

S: GOR ist ein sehr angesehenes, unabhängiges Label und hat auch unsere Platte rausgebracht. Marino Goni war der Entdecker vieler führender Bands des baskischen Rocks wie Kortatu, La Polla, Hertzainak, Barricada, ...).

RT: In eurem Band-Logo ist ein roter Stern und auf der Rückseite eures Albums ist ein Foto, auf dem ihr vor einer Wandmalerei von Che Guevara steht. Seht ihr euch als politische Band?

S: Mir würde es nicht gefallen, wenn die Leute uns als Politband sehen würden. In erster Linie sind wir Musiker. In unserem Logo taucht der Stern auf, den auch Mano Negra und Kortatu benutzen. Wohl eher um uns von anderen Bands zu unterscheiden, die nur Blödsinn reden und die Realitäten vergessen. Der Che auf dem Cover stellt eine Ehrung unsererseits für einen großartigen Freiheitskämpfer dar.

RT: Ist wer von euch Mitglied in einer Skinhead oder einer anderen politischen Organisation?

S: Nein.

RT: Seid ihr auf irgendeine Art und Weise politisch aktiv? Unterstützt ihr antifaschistische Treffen und Aktionen gegen die Bullen und das kapitalistische System?

S: Es hat uns immer gefallen für gerechte Sachen zu spielen. Wir haben schon auf Konzerten zugunsten der Normalisierung der baskischen Sprache, für die zensierte Zeitung egin, antimilitaristische und antifaschistische Veranstaltungen ... gespielt.

RT: Gibt es im Baskenland viele politische Aktivitäten, Demonstrationen und klar antifaschistische Konzerte von Skins?

S: Im Baskenland brauchen wir keine antifaschistischen Skindemos, da die gesamte Skinszene antifaschistisch ist. Im restlichen Spanien gibt' s mehr Demos, denn es gibt dort sehr viele Boneheads. Im Baskenland sind die antifaschistischen Demos gegen die Bullen und gegen das spanische Imperium (ist das nicht nach der Zerstörung der legendären spanischen Armada untergegangen - Oi! - der Übersetzer) und dort sind Punks, Skins, Alte, Junge, ...

RT: Ein Freund von mir, der vor einiger Zeit in Barcelona war, erzählte mir, daß es in Spanien im Moment eine Mode sei Skinhead zu sein. Viele Geschäfte in Barcelona verkaufen Fred Perrys, Ben Shermans, Doc Martens, etc. Im Osten Deutschlands kleiden sich viele junge Nazis wie wir Skinheads. Wie ist die Situation im Baskenland und besonders bei euch in der Gegend? Wie sieht eure lokale Szene aus? Gibt es bei euch viele SHARPs und Redskins?

S: In Katalonien sind Skinheadklamotten sehr in, genau wie in Madrid. Im Baskenland und in meiner Stadt Irunea-Pamplona ist das nicht so. Hier gab es schon immer eine sehr große Punkszene, die alles andere übertraf, auch die skins. Inzwischen ist die Szene kleiner geworden und für eine 200.000 Seelenstadt gibt' s sehr viele SHARPs und Redskins.

RT: Gibt es bei euch große Ska- und Oi! Festivals?

S: Im Baskenland gibt' s keine großen Skafestivals. Dafür müssen wir nach Katalonien fahren.

RT: Wie sind bei euch die Preise für Skinheadklamotten?

S: Hier wie auch überall sind die Klamotten sehr teuer. Das ist halt die negative Seite unserer Szene.

RT: Habt ihr viele Probleme mit Boneheads? Gibt es viele rassistische Angriffe?

S: Hier gibt's keine Boneheads. Die einzigen rassistischen Attacken sind von spanischen Bullen gegen uns Basken.

RT: Sind alle Mitglieder der Band Skinheads?

S: Nein, nur drei. Die beiden Bandgründer Peio Skalari und ich und Mario Memola.

RT: Wie wichtig ist für euch die Geschichte des Baskenlandes?

S: Sehr wichtig, um die Konsequenzen des spanischen Imperialismus gegenüber uns zu bemerken: Konflikte, Kampf, Tod, Tragödie, ...

RT: Dieses Jahr (1998) habt ihr in Bilbao auf der Fiesta gespielt. Einige von uns waren während dieser Zeit in Bilbao und waren auch bei eurem Konzert und hatten eine Menge Spaß. Was denkt ihr wie wichtig die Fiesta (Semana Grande) und solche Treffen wie das in Bilbao sind?

S: Es ist für uns sehr wichtig in Bilbao zu spielen, da dort viele Leute aus Spanien, Frankreich, Italien und natürlich auch Deutsche sind.

RT: Seit wann seid ihr in der Szene und seit wann macht ihr Musik? Was waren eure besten und eure schlechtesten Momente?

S: Wir sind nun drei Jahre in der Szene. Unser bester Gig war am 26.12.98, wo wir vor 24.000 Zuschauern im Stadion "El Sadar" spielten und im TV live übertragen wurden. Wir spielten für unsere baskische Sprache. - Der schlechteste Gig war in einem Dorf, wo die Bühne zusammenkrachte.

RT: Was denkt ihr über Bands wie Ruin Bois, die antikommunistisch sind?

S: Sie nutzen nur den Faschisten! (Ruin Bois haben sich inzwischen aufgelöst und die Mitglieder der Band haben jetzt' ne RAC-Band gegründet. - Oi! der Übersetzer)

RT: Was für Bands und was für Zines bevorzugt ihr?

S: Ich mag Bands wie Skatalites, Clash, Manu Chau, ... eine unendliche Liste. Zines - ich lese jedes gute Ska oder antifaschistische Zine.

RT: Manchmal werden Skins wie wir von den Bullen verhaftet. Vor einiger zeit wurde ein Redskin namens Xavi Cel in Katalonien verhaftet. Wie ist jetzt die Situation?

S: Xavi Cel kenne ich nicht. Aber ich kenne einen Redskin namens Juan A. Lucas Garcia, der 1996 verhaftet wurde, weil er sich gegen einen faschistischen Angriff wehrte. ER kommt aus Zaragoza (Aragon) und sitzt noch immer in Haft.

RT: Was denkt ihr über sogenannte "Unpolitische"?

S: Sie tun nur den Faschisten einen Gefallen, weil sie nicht kämpfen.

RT: Worüber singt ihr?

S: Unsere Texte handeln über Realitäten, die wir am Ende des 20.Jahrhunderts erleben. Über Sozialpartnerschaften, Anprangerungen von Verbrechen, Angelegenheiten des Volkes und das ist auch die Teilung, das gute Essen und Rauchen. Das sind unsere Texte in Stichworten.

RT: Könnt Ihr was über die Anfänge der (Red)Skinbewegung im Baskenland und in Spanien erzählen (erstes Auftreten, Zines, Bands, Gangs, Aktivitäten, etc.)?

S: Im Baskenland entstand die Redskin-Bewegung Anfang der 80iger mit Bands wie Kortatu, Baldin Bada (1.LP), "Auzkalo", "Quinta Asmbla", ... Am wichtigsten waren zweifellos Kortatu, die mit ihrer Mischung aus Ska und Combat Rock große Teile der baskischen Jugend eroberte. In den 90igern wurde es mit der Auflösung Kortatus sehr ruhig um Redskins und SHARP-Euskadi wurde gegründet, um die Skaszene zu unterstützen und um die Skinbewegung sauber zu halten und um den antifaschistischen und antirassistischen Kampf zu führen. Dies alles geschah mit Hilfe unabhängiger Radiostationen und des bekannten Zine Black & White aus Irunea. Auch wenn in anderen Ländern SHARP und Redskins nichts miteinander zu tun haben, bei uns finden große Überschneidungen statt und die meisten Redskins sind bei SHARP.

RT: Was haltet ihr für das Hauptproblem der heutigen Zeit?

S: Das Problem ist, daß die Menschen nicht solidarisch sind. Ich meine jetzt nicht solidarisch mit den Leuten aus der Umgebung oder unserem Volk. Ich rede von Solidarität ohne Grenzen, die alle Menschen mit einschließt. Wenn alle weltweit solidarisch wären, wären die großen sozialen Probleme schnell beendet, weltweit. Aber wenn wenigstens die meisten von uns solidarisch wären, wären die Faschisten rasch erledigt. Einigkeit ist Stärke und Solidarität schafft Zusammenhalt.

RT: Was haltet Ihr von Fußball und Gewalt (=Hooligans)?

S: Der Fußball, Hooligans und Fanclubs stellen eine Art der Realitätsflucht dar. Die Menschen vergessen ihre Probleme und das gefällt dem Staat. Deshalb ist Fußball Opium für das Volk, es sei denn wir nutzen ihn, um für das Volk zu kämpfen.

RT: Wie ist die politische Situation z.Zt. im Baskenland und Spanien? Wie sieht es mit Repressionen gegen die Herri Batasuna (HB) und die Zeitung egin aus? (Anm.: Für die HB kandidierte u.a. Fermin von Kortatu, sie gilt als politischer Arm der ETA; egin war sowohl eine Zeitung als auch ein Radiosender, der vom spanischen Staat verboten wurde, weil er angeblich der ETA nahestand. Aus dem selben Grund gibt es ständig Repressionen gegen die HB, deren Führung ständig ausgewechselt werden muß, weil der spanische Staat HB-Funktionäre gerne in den Knast steckt.) Was war mit den Kämpfen und Schießereien zwischen den Bullen und Independisten während der 1998er Fiesta in Bilbao?

S: Jetzt im Februar 1999 ist Friedenszeit. Seitdem ETA ihren unendlichen Kampf gegen den spanischen Staat einstellte, weiß Spanien nicht, wie es sich verhalten soll. Die Gewalt von der ETA gibt' s nicht mehr und die PP-Regierung (Nationalkonservative Populisten) denkt sich Ausreden aus, um die Basken und den Unabhängigkeitskampf zu unterdrücken. Die Repressalien und Verhaftung von Funktionären der HB haben nichts genutzt, da andere diese Posten übernommen haben. Nach der Zensur unserer Zeitung egin haben wir nun eine neue Zeitung namens GARA.

RT: Einige Leute in Deutschland haben Probleme mit dem Phänomen des baskischen Nationalismus. Hier in Deutschland sind solche nationalistischen Ideen denen der Nazis sehr nahe. Bitte erzählt uns doch etwas zu diesem Thema und über den Kampf für das Baskenland!

S: Nach dem Bürgerkrieg 1939 kam die Franco-Diktatur und damit auch der letzte spanische Versuch die baskische Identität zu unterdrücken. Doch trotz dieser Versuche hält sich unsere Sprache, die älteste Europas, unsere Traditionen und Geschichte. Der baskische Unabhängigkeitskampf ist für das Recht unsere Kultur und Sprache zu erhalten und das Recht auf Selbstbestimmung zu erhalten. Auch wenn alle denken Spanien sei eine Demokratie, wissen die Leute in Europa nicht, daß viele demokratische Gesetze nicht umgesetzt werden. So wird das Selbstbestimmungsrecht von der spanischen Verfassung aufgehoben. Warum werden die baskischen Gefangenen gefoltert? Warum darf Baskisch nicht unsere Amtssprache sein? Warum werden die baskischen Gefangenen über ganz Spanien verteilt? Warum ist der Ex-Präsident nicht im Knast, obwohl die ganze Welt weiß, daß er für den Staatsterror verantwortlich ist? Warum wird in baskischen Schulen die baskische Geschichte verheimlicht? Ich könnte noch Tausende von Fragen stellen. Der Kampf für das Baskenland ist auch der Kampf gegen den antibaskischen Rassismus. Ein Kampf gegen die Assimilation der letzten Indianer Europas. Also wer ist hier ein Nazi?

RT: Was habt Ihr bisher veröffentlicht? Und was für Pläne habt Ihr für die Zukunft?

S: Wir haben gerade unsere CD-Single "Solo vivir" veröffentlicht, die Stücke unseres neuen Albums "Klub Ska" enthält. Hier im Baskenland wird sie Ende März 1999 erscheinen und wir würden uns freuen, wenn es auch in Deutschland erscheinen könnte.

RT: Die "Message" Eurer Texte und Musik?

S: Unsere Musik ist Ska mit Punkeinflüssen. Unsere Texte sind über alles, was uns auf den Sack geht und Sachen, die uns wichtig sind wie Menschenrechte, die Revolution, das baskische Volk.

RT: In Deutschland hat sich das linke Skinheadnetzwerk "Red & Anarchist Skinheads" (RASH) 1995 gegründet. Es gibt hier nun ein rotes Skinzine (unseres!). Kennt Ihr RASH und was denkt Ihr über die Gründung? Vielleicht seid Ihr ja auch in einer Organisation wie RASH oder Orgull Bolxevic organisiert?

S: Natürlich kennen wir RASH. Es ist eine sehr intelligente Organisation, die gegen die faschisten kämpft. Ich gehöre nicht zu RASH, aber ich meine, sie sind großartige Freiheitskämpfer und ich mag sie sehr!

RT: Letzte Worte und Grüße?!

S: Einen Gruß allen Lesern des Revolution Times, die sicherlich besorgte Leute sind im Kampf für eine bessere Welt! Mit antifaschistischen und antiimperialistischen Grüßen! Juantxo Skalari

Kontakt: Skalariak, Apartado 3, 31600 Burlata, Baskenland, Spanien.

(aus Revolution Times # 10)

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