Rico Rodriguez

That Man Is Forward
Kritik von Klaus Frederking,
Sounds, 5/1981, p. 69
Musik für die wärmere Jahreszeit, die viel gewinnt, wenn du sie draußen hörst.  Du hörst vor dich hin, die Sonne brennt dir auf den Pelz. Gut, daß eine leichte Brise weht.

Dafür schafft diese Platte genau das richtige Ambiente. Sie ergreift sanft von dir Besitz, lädt dich ein, dich in ihr zu bewegen. dennoch fordert sie deine Aufmerksamkeit. Sie ist Stimmungsmusik im positiven Sinn, d.h. Musik zum Mit-hören, nicht zum Über-hören.

Info: That Man Is Forward ist das vierte Album (Wareika In Dub nicht eingerechnet) in Ricos 23jähriger Laufbahn als Topposaunist der jamaikanischen Popszene. Angefangen hatte es 1958 als Sessionmann auf einer Derrick-Morgan-Single. Jetzt ist er ständiges außerordentliches Mitglied der Specials. Dank 2-Tone kann er endlich seine eigenen Ideen ungehindert verwirklichen: Neun Instrumentals, trocken produziert und nicht durch Dubtechniken verfremdet. Alle Elemente, die den Ska geprägt haben, tauchen auf That Man ... auf: R&B-Arrangements aus der swing-Ära, Harmonien des Cool Jazz, etwas Bebop sogar, und natürlich das spirituelle Feeling der Rasta-Musik.

Die Sessionmusiker aus Kingston, die Rico hier begleiten, sind sich dieser Ursprünge wohl nicht mehr bewußt. Zu sehr darauf spezialisiert, solide Riddims hinzulegen, sind sie harmonisch und melodisch etwas unterbelichtet. Improvisieren können sie überhaupt nicht - das macht ja sonset der Mixer at the controls. Robbie Lynn plinkert auf dem Klavier daher, als säße er in einem drittklassigen Nachtklub; Robbie Shakespeare kann sich gerade einmal zu einem lapidaren Funkgriff aufraffen. Mickey Chung ist schlicht inkompetent. Die Bläser dagegen, die  die Skaperiode geprägt haben - u.a. Cedric Brooks und "Deadly" Headly Bennett, Saxophon - können wesentlich besser mithalten, eigene Akzente setzen.

Daher sind die stärker durchkomponierten drei Skanummern und die Jazzstücke (Charlie Parkers "Fiesta" und Ricos eigenes "X") die Höhepunkte des Albums. Sonst läppert es manchmal ein bißchen daher. Doch die intensive Sinnlichkeit von Ricos Posaunensound entschädigt einen voll.



Last updated: 14.4.2000
compiled by Reinhard Braun