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- Berlin-Brandenburg
Februar 1998
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"Menscheln"
mit Traumhochzeit, Millionending und Klasse-Vereinen -
Endspurt
der Berlin-Brandenburger Radiosender um die Hörergunst
Sonst
zertrümmerten um diese Zeit Berliner und Brandenburger ihre alten
Badezimmereinrichtung für ein neue, standen Schlange nach Gratis-Benzin
oder quälten sich tagelang beim Sitztest im künftigen Traumauto.
Diesmal geht es in Berlin-Brandenburg etwas gesitteter zu beim Endspurt
der Radiosender um die Hörergunst: Vergangenen Samstag heiratete ein
Glückspaar auf dem taufrisch renovierten Fernsehturm, feierte mit
Diskoteam im Hilton und tobt sich - allerdings ohne Mikros - in der Honeymoon-Suite
zur Hochzeitsnacht aus, um anschließend sieben Tage in den USA zu
flittern. Alles auf Kosten von 103,4 Energy Berlin.
Eher
schon traditionell animiert 94.3 r.s.2 das Publikum. Aus dem alternden
Late-night-TV-Moderator Thomas Koschwitz ist ein Early-morning-Quatscher
geworden, der neuerdings in Kaisers-Filialen das Millionending dreht.
Laut Senderchef Ulrich Gathmann läuft beim "Sender mit den
meisten Bargeldgewinnen in Deutschland" die "größte Gewinnaktion
in der Geschichte des Senders", der einst der Jugendableger des Rundfunks
im Amerikanischen Sektor (RIAS) war.
Unverkennbar
ist der neue Trend zum "Menscheln" im Äther. Während die Jugendwelle
98,8 Kiss FM 480 Handys verlost, setzt ihr öffentlich-rechtliches
Pendant "Fritz" eher auf "Deeskalation im Berliner Radiokrieg".
Mit einem speziellen Plakat "mit eingebauter Gewinnchance" reist der ORB-SFB-Sender
im Februar durch die Lande und veranlaßt die Hörer, ihren Wunschsound
per Balltreffer einzuschalten.
Die
einzige christliche UKW-Welle Deutschlands, Radio Paradiso, schickt
in den nächsten Wochen wieder ihre "Streß-Buster" in die Spur.
Mal unterstützen sie eine alltagsgeplagte Mutter von zehn Kindern,
dann erfüllen sie zwei todkranken Kids ihren Herzenswunsch, ein Basketballspiel
in den USA live zu erleben.
Ab
Dienstag beginnt beim regionalen Marktführer, Antenne Brandenburg,
die nächste Runde seines preisgekrönten Spiels "Klasse Vereine
- Vereine mit Klasse". Dabei werden sechs Wochen lang die originellsten
und aktivsten unter den 3.000 Clubs und Vereinen Brandenburgs gesucht,
die dann gegeneinander antreten.
Hintergrund
der immer zu Jahresbeginn und im Herbst ausbrechenden Spiele-Aktionen beim
Hörfunk ist das Bedürfnis der Sender, ihre Brötchen zu verdienen.
Zumindest die 18 Werbefinanzierten unter den 26 Berlin-Brandenburgern brauchen
die in zwei Befragungswellen der Media Analyse (MA) von bundesweit
24.000 Menschen zu Protokoll gegebenen Antworten auf die Frage: Was haben
sie gestern wie lange gehört? Hochgerechnet ergeben sich Stundenhörerzahlen,
nach denen sich dann Buchungen und Preise von Werbespots richten. Kamen
die Zahlen bisher einmal im Jahr Anfang Juni, wird es ab 1998 zwei Auswertungen
geben. Die ersten Ergebnisse liegen am 1. April vor, wobei die Ergebnisse
von Herbst 97 und Winter 98 zusammengezählt werden. Im September gibt
es dann aktualisierte Resultate.
Besonders
in Berlin-Brandenburg, dem nach Expertenmeinung "härtesten Radiomarkt
Europas", wird die 98er MA mit großer Spannung erwartet. Immerhin
geht es um die Verteilung von 170 Millionen Mark Hörfunkwerbegeldern
pro Jahr. Außerdem hat es hier im Vergleich zur MA '97 ernsthafte
Veränderungen gegeben. Nicht zuletzt schlägt für die gegen
harten inneren und politischen Widerstand durchgezogene ORB-SFB-Hörfunkreform
mit den zwei MA-98-Auswertungen erstmals die Stunde der Wahrheit,
vor allem für den aus Gebühren und Werbung mischfinanzierten
neuen Sender "Radio Eins".
Quelle: adn/Marcus Rudolph
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