   |
Das
Rezept scheint so einfach zu sein: Die Titel der Charts rauf und runter
spielen und das ganze mit flotten Moderatorensprüchen garnieren -
fertig ist das Jugendradio. Allerdings erwarten junge Leute doch etwas
ganz anderes von einer
speziellen
Jugendwelle, wie der Hessische Rundfunk (hr) bei der Vorbereitung des Starts
seiner Jugendwelle "hr XXL" erfuhr.
In
"Programmwerkstätten Jugendwelle" hatten Programmacher mit rund 100
jungen Leuten im Alter von 16 bis 20 Jahren ausgiebig über Erwartungen
an ein Jugendradio diskutiert. Überraschend für alle Beteiligten
und nicht zuletzt die Programmplaner war, wie negativ besetzt der Begriff
Charts bei den jungen Leuten war, wie hr-Medienforscher Ekkehardt Oehmichen
in der Zeitschrift "Media Perspektiven"
berichtete.
Am
häufigsten wurde eine Chartorientierung des Musikprogramms mit "Mainstream"
und "Kommerz" gleichgesetzt. "Aus Sicht der Jugendlichen
bedeutet dies vor allem den Mangel an Authentizität, das Unvermögen
dieser Musik, das persönliche Lebensgefühl
ausreichend
zu spiegeln," resümierte Oehmichen. Als "lästig, nervend und
langweilig" beschrieben Jugendliche, wenn Chart-Titel im Radio ständig
wiederholt werden.
Dancefloor,
Boy- und Girlgroups und Kommerz-Techno decken tendenziell noch die Vorlieben
der jüngeren Hörer ab. Die älteren
Jugendlichen
fragten dagegen, wieso nicht auch die Musik gesendet werde, die in ihren
Bars, Clubs und Discos läuft. Vor allem Soul, Hardcore beziehungsweise
Hardcore HipHop, House und Crossover wurden vermißt. Weniger häufig
wurde mehr (Acid-/HipHop-)Jazz, Metal, Independent,
(Skater)punk, Funk, Ska sowie Reggae gewünscht.
Überraschend
gut war auch das Echo auf Oldies beispielsweise von Bob
Marley
und AC/DC.
Von
geringer Bedeutung sind für die jungen Leute Wortbeiträge -
insbesondere
dann, wenn sie lang sind. "Selbst Themen, die für
Jugendliche
interessant sind, können durch konventionelle
Präsentationsformen
im Radio jegliches Zuhörerinteresse verschenken",
warnte Oehmichen. Gebaute Beiträge etwa aus O-Tönen,
Korrespondentenberichten
und Telefoninterviews wirkten in den Ohren
der
jungen Hörer "schnell konventionell und werden in der Regel
spontan
abgelehnt".
Der
Medienexperte vermutet, daß erzählerische Formen mit
möglichst
einfachem Aufbau und von jungen Stimmen lebendig
verkörpert,
die auch nebenher aufgeschnappt werden können, besser
ankommen.
Möglichst kurze und konkrete Informationen zur Musikszene,
Schule,
Ausbildung und Beruf, aber auch zu Partnerschaft,
Sexualität,
Eltern und Drogen hält er für besser als weitschweifende
Analysen.
Für Nachrichtensendungen gilt: kurz und präzise, seriös
aber nicht
zu steif, schlaglichartige Überblicke und keine langen
Ausflüge
in Hintergrundberichte.
Die
größten Entwicklungsmöglichkeiten liegen nach den Ergebnissen
der Programmwerkstätten
wohl im Bereich der Beteiligung und Interaktivität.
Dies kam auch in den Empfehlungen der Jugendlichen
an die
Programmmacher zum Ausdruck. Da ging es vor allem um ein
Mitspracherecht,
was im Programm geschehen soll. Hörer sollten öfter
zu Wort
kommen und anstelle von Experten müßten persönlich
Betroffene
interviewt werden. Die jungen Leute wollten auch aktiv
das Programm
mitgestalten, beispielsweise in der Moderation, bei der
lokalen
Berichterstattung, als Partytester und Trendscouts.
Quelle: ADN
|