Helmut Qualtinger



HELMUT QUALTINGER



Die Abgründe der österreichischen Seele



Unterschrift



Qualtinger Helmut

oesterreichischer Schauspieler, Kabarettist und Schriftsteller
* 08.10.1928 Wien
+ 29.09.1986 Wien

Helmut Qualtinger stammte aus Wien. Sein Vater war Gymnasialprofessor fuer Mathematik, Physik und Chemie. Nach eigenen Angaben begann Q. nach dem Abitur ein Medizinstudium, das er aber bald wieder aufgab. Als Journalist und Lektor trampte er durch Europa, arbeitete zeitweise als Lokalreporter und spaeter als Filmkritiker der "Welt am Abend", schrieb Kabarett-Texte und auch Theaterstuecke.

1946 gruendete Q. das Studio der Hochschulen in Wien, eine Studentenbuehne, die allein von der Energie des Beleuchters, Regisseurs und Hauptdarstellers Q. in Gang gehalten wurde. Sein Stueck "Jugend vor den Schranken", 1948 in Graz uraufgefuehrt, wurde zu einem handfesten Theaterskandal.

Anfang der 50er Jahre schloss er sich der kabarettistischen Gruppe Bronner, Merz und Kehlmann ("Reigen 1951") an. Mit Carl Merz zusammen verfasste Q. ueber 100 Kabarettnummern. "Brettl vor dem Kopf" hiess eines der erfolgreichsten Programme der Anfangszeit. "Dachl ueberm Kopf" spielte man, als die Gruppe ein eigenes Haus in Opernnaehe eroeffnete. Zeitweilig wurde das Kabarett als "Glasl vorm Aug" im Fernsehen fortgesetzt.

Alle Programme, obwohl unterschiedlich in der Qualitaet, brachten den Kabarettisten einen ueberwaeltigenden Erfolg und sind spaeter z.T. als Buecher, auf Schallplatten oder als allwoechentliche Zeitungskolumnen (wie "Blattl vorm Mund") erschienen. Perlen waren darunter wie der "Geschupfte Ferdl", "Der Wilde mit seiner Maschin", unvergessliche Gestaltungen des Halbstarkenproblems mit dem zum Sprichwort gewordenen Kehrreim "weil mir so fad ist". Ein boshaftes Couplet des Programms "Spiegl vorm Gsicht" erzwang sogar einmal den Ruecktritt eines Ministers.

Mit dem Programm "Hackl im Kreuz" hat sich das Ensemble Anfang der 60er Jahre vom Publikum verabschiedet. Aus dem meist satirischen Mittelstueck entstand Q.s Meisterwerk, die von ihm (auch in der Titelrolle) und Merz 1961 in Wien kreierte literarische Satire auf den Wiener Kleinbuerger, "Der Herr Karl". Der bissige Einakter, der den "gemuetlichen Wiener" als schleimigen, unverbesserlichen Mitlaeufer darstellt, versetzte anfangs die Wiener in helle Empoerung, die gleichnamige Schallplatte wurde aber schon 1966 ein Bestseller. Lange Zeit wurde Q. mit der Kabarettfigur des "Herrn Karl" identifiziert.

Q., der in Nestroy, Horvath und Kraus seine Wahlverwandten sah, ging auch mit satirischen Szenen von Karl Kraus in der Bundesrepublik auf Tournee. Immer wieder versuchte er sich auch als Schauspieler, wurde aber trotz grossartiger Leistungen und einer erstaunlichen Wandlungsfaehigkeit in diesem Fach lange nicht ernstgenommen. U.a. sah man ihn in der von ihm und Merz geschriebenen schwarzen Komoedie "Die Hinrichtung", die im Maerz 1965 im Wiener Volkstheater uraufgefuehrt wurde. Das Stueck geisselt "die Bereitschaft zur ungesunden perversen Sensation" (1966 auch im deutschen Fernsehen, eine besondere deutsch-schweizerische Fernsehfassung wurde 1969 ausgestrahlt). Er galt als idealer Interpret fuer die "Letzten Tage der Menschheit".

1969 sah man Q. in dem Fernsehkrimi "Kurzer Prozess", im gleichen Jahr spielte er den Titus Feuerfuchs in Nestroys "Talisman" im Wiener Volkstheater. Er uebernahm die Hauptrolle in der sechsteiligen Fernsehfolge "Die Berufe des Herrn K." (70) und spielte in der Duerrenmatt-Bearbeitung von Shakespeares "Koenig Johann" Ende 1970 die Titelrolle, uebrigens mit ausgezeichneten Kritiken. Ebenso 1970 spielte er die Titelrolle in dem Fernsehspiel "Geschaefte mit Plueckhahn", 1971 sah man ihn, ebenfalls im Fernsehen, in Anzengrubers "Das vierte Gebot" als Schalanter.

Im Hamburger Thalia-Theater war er Anfang 1972 in Kleists "Der zerbrochene Krug" der Dorfrichter Adam. Grossen Erfolg hatte Q. auch als Anselm Eibenschuetz in der Verfilmung der Erzaehlung von Joseph Roth "Das falsche Gewicht" (1971 Goldene Kamera, Filmband in Gold) und in der Fernsehsatire "Passion eines Politikers" (72).

Im Fruehjahr 1973 unternahm Q. eine Tournee durch die BR Deutschland (1985 in Oesterreich wiederholt), bei der er mit grossem Erfolg aus Hitlers "Mein Kampf" las. Im Sommer 1973 zog Q. nach Hamburg, um dort eine zweite Karriere als Buchautor und Schauspieler in Klassikerrollen zu beginnen. Im Maerz 1974 stellte Q. in einem TV-Spiel nach der Erzaehlung von Thomas Bernhard "Der Kulterer" einen alten Haeftling dar. Im Mai 1973 fuehrte er zum erstenmal am Hamburger Thalia-Theater in dem Stueck "Oberoesterreich" von Franz Xaver Kroetz Regie.

Im Mai 1974 inszenierte Q., ebenfalls am Hamburger Thalia-Theater, das Stueck "Tod in Miami" von Gert Hofmann. Im Fernsehen sah man Q. Anfang Dez. 1974 in "Krankensaal 6" nach Anton Tschechow. Fuer das ZDF trat er zusammen mit Vera Borek in dem Stueck "Des Pudels Kern" auf. 1976 unternahm Q. mit Vera Borek eine Deutschland-Tournee mit Texten von Nestroy, Horvath, Karl Kraus, Qualtinger-Merz und Qualtinger solo.

1976 und 1977 wirkte er im Fernsehen in drei Geschichten der Alpensaga mit: "Liebe im Dorf" (76), "Der Kaiser am Lande" und "Das grosse Fest" (77).

1978 spielte er in dem Fernsehfilm "Mulligans Rueckkehr" nach dem Roman von Hans Frick.

Ab 1980 wohnte Q. wieder in Wien. Seine kuenstlerische Heimat wurde dort das "Schauspielhaus", ein junges Theater in der Porzellangasse. Hier ueberzeugte er bei den Wiener Festwochen 1980 mit der Regie der "Unueberwindlichen" von Karl Kraus. 1981 sah man ihn im Wiener Volkstheater als Theobald Maske in Carl Sternheims Lustspiel "Die Hose". 1981 folgte die Verfilmung der "Hinrichtung" fuer den ORF und im Maerz eine erfolgreiche Tournee durch die USA.

Im Herbst/Winter 85 drehte Qualtinger parallel zum Film "Der Name der Rose" in Wien unter der Regie von Michael Schottenberg den TV-Film "Das Diarium des Dr.Döblinger" für den ORF. Der Film beinhaltet 4 Kurzgeschichten von Heimito von Doderer, wobei Qualtinger als "Doderer/Döblinger" in die Geschichten teilweise involviert ist, teilweise dieselben kommentiert. Dieses Projekt lag ihm schon deshalb sehr am Herzen, weil er nicht nur ein großer Doderer-Freund u. Verehrer war,- Doderer war zudem noch Taufpate seines Sohnes.

Seine letzte Rolle war schließlich die des Kellermeisters Remigio de Varagine in der Filmfassung von Umberto Ecos "Der Name der Rose".

Quasi, wie er in Wien gern genannt wurde, war auch im Privatleben ein unerbittlicher Kritiker des oesterreichischen Kleinbuergers und Bourgeois. Peter Stefan Jungk (im ZEITmagazin vom 27.6.86) schilderte ihn als einen der "zartesten, sanftesten, verletzlichsten Menschen ... mit deutlichem Hang zur Selbstzerstoerung". Immer wieder hatte er Probleme mit dem Alkohol.

Nach Scheidung seiner 1952 geschlossenen Ehe mit der Journalistin Leomare (ein Sohn Christian Heimito) heiratete Qualtinger 1982 seine langjaehrige Gefaehrtin, die Wiener Schauspielerin Vera Borek.

Helmut Qualtinger starb am 29. Sept. 1986 im Alter von 57 Jahren in einem Wiener Krankenhaus an den Folgen eines Leberleidens. Bereits im Mai des Jahres hatte er sich wegen innerer Blutungen einer klinischen Behandlung unterziehen muessen.


Auch in zahlreichen Spielfilmen wirkte Helmut Qualtinger mit. Erwaehnt seien:

  • "Fraeulein Casanova"
  • "Einen Jux will er sich machen" (53)
  • "Koenig der Manege"
  • "Hochstaplerin der Liebe" (54)
  • "Sonnenschein und Wolkenbruch"
  • "Hanussen" (55)
  • "Sieben Jahre Pech" (57)
  • "Mit Himbeergeist geht alles besser" (60)
  • "Lumpazivagabundus" (65)
  • "Kurzer Prozess" (67)
  • "Das Schloss" (Kafka; 71)
  • "Drei Voll-Idioten"
  • "Eiszeit"
  • "Der Richter und sein Henker" (75)
  • "Gift" (76)
  • "Geschichten aus dem Wienerwald" (79; u.a. mit Andre Heller; Lieder auch als LP)
  • "Das Diarium des Dr.Döblinger" (85; 4 Kurzgeschichten von Heimito von Doderer; Regie: Michael Schottenberg)
  • "Der Name der Rose" (86)

Monologe von und Dialoge mit Qualtinger sind in den Buechern
  • "Der Moerder und andere Leut" (75)
  • "Das letzte Lokal" (78)
gesammelt.


Satiren sind enthalten in
  • "Die rotweiss-rote Rasse" (79)
  • "Drei Viertel ohne Takt" (80),
  • "Halbwelttheater" (81).

Eine Art Lebenserinnerung von Qualtinger ist das von ihm und Wolfgang Kudrnofsky 1973 herausgegebene Buch
  • "Vom Dritten Reich zum Dritten Mann".




Der Halbwilde (Real-Audio, 337 kb, 3:01)






Kontaktadresse
Zurück zur Hauptseite


Andre Heller

[Fabrizio De Andre] [Wolf Biermann] [Jacques Brel]
[Franz Josef Degenhardt] [Willy DeVille] [O.W.Fischer] [Andre Heller]
[Manfred Maurenbrecher] [Walter Mossmann] [Hannes Wader] [Oskar Werner]